Transfusionsmedizin 2020; 10(03): 127
DOI: 10.1055/a-1213-9231
Aktuell referiert

Kommentar

 

Eine Reihe von Studien zu SARS und Influenza legen die Wirksamkeit von Rekonvaleszentenplasma bei Viruserkrankungen nahe. Dabei sind der Wirkstoff des Arzneimittels und die zu verabreichende Plasmamenge nicht gut belegt. Die Qualität der Studien wird teilweise als unzureichend bewertet [1].

In den Pilotstudien von Duan und Kollegen sowie Shen und Kollegen wurden Patienten, die schwer an COVID-19 erkrankt sind, mit jeweils 200 oder 400 ml Rekonvaleszentenplasma behandelt. Neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 konnten in den Präparaten nachgewiesen werden. Verglichen mit historischen Kontrollen hatten die Patienten ein besseres Behandlungsergebnis [2], [3].

Bemerkenswert ist, dass bei allen Patienten, die mit Rekonvaleszentenplasma behandelt wurden, auch vor den Transfusionen teilweise bereits neutralisierende Antikörper in hohen Titerstufen nachweisbar waren.

Diese Studien widersprechen einem Einsatz von Rekonvaleszentenplasma bei COVID-19 nicht.

Am 27.02.2020 erschien im Bundesanzeiger eine Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit, nach der die Behörden in der Pandemiesituation nach Maßgabe des § 79 Absatz 5 und 6 AMG im Einzelfall befristet von den Vorgaben des AMG abweichen können [4]. Daraufhin erteilten viele Aufsichtsbehörden eine Gestattung für die Herstellung und Anwendung von Rekonvaleszentenplasma. Im Mai 2020 erteilte auch die FDA die Freigabe für Rekonvaleszentenplasma als Prüfsubstanz, das entweder im Rahmen von klinischen Prüfungen oder nach behördlicher Prüfung in Härtefällen außerhalb von klinischen Studien in den Vereinigten Staaten angewendet werden kann [5].

Die Ergebnisse der beiden chinesischen Arbeiten sind ermutigend und die regulatorischen Aspekte der Herstellung und Anwendung sind in Deutschland aktuell geklärt. Dennoch sollte die Indikation von Rekonvaleszentenplasma außerhalb von klinischen Prüfungen weiterhin streng gestellt werden.

So liegen mittlerweile auch die Ergebnisse einer frühzeitig abgebrochenen randomisierten Studie aus Wuhan vor. Der Abbruch der Studie war erfolgt, da mit der Kontrolle des Ausbruchs in Wuhan die Rekrutierung ins Stocken geriet. In dieser Studie wurden schwer an COVID-19 erkrankten Patienten eine Dosis von 4 – 13 ml Rekonvaleszentenplasma pro kg Körpergewicht transfundiert. Die Studie zeigte eine erhöhte Rate PCR-negativer Patienten nach Plasmatransfusionen. Allerdings waren der primäre Endpunkt, d. h. die Zeit bis zur klinischen Besserung, der Anteil von Patienten mit klinischer Besserung an Tag 28, die Dauer des stationären Aufenthalts und die Mortalität im Vergleich von Rekonvaleszentenplasmagruppe und Kontrollgruppe nicht statistisch signifikant unterschiedlich. In der Studie waren auch 2 unerwünschte Ereignisse im Plasmaarm aufgetreten [6].

Wo immer möglich sollten Patienten zur Behandlung mit Rekonvaleszentenplasma in prospektive kontrollierte Studien eingeschlossen werden. Hier sind Dosierungsschemata vorgeben und die Endpunkte sind klar definiert. Nur so kann die Frage nach der Wirksamkeit und das Spektrum unerwünschter Ereignisse von Rekonvaleszentenplasma bei COVID-19 abschließend geklärt werden.


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Autorinnen/Autoren

Dr. med. Sixten Körper

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Abteilungsleiter Blutspende, Apherese und Hämotherapie, Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm

Interessenkonflikt

Koordinator der CAPSID-Studie zum Einsatz von Rekonvaleszentenplasma bei schweren COVID-19-Erkrankungen. Abteilungsleiter am IKT Ulm, Hersteller von Plasmaprodukten.


Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
25. August 2020

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Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York


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