Aktuelle Rheumatologie 2020; 45(04): 274
DOI: 10.1055/a-1189-5427
Für Sie notiert

Traumatische Kindheitserfahrungen beeinflussen SLE-Verlauf

Contributor(s):
Judith Lorenz
DeQuattro K. et al.
Relationships Between Adverse Childhood Experiences and Health Status in Systemic Lupus Erythematosus.

Arthritis Care Res (Hoboken) 2020;
72: 525-533
DOI: 10.1002/acr.23878.
 

Traumatische Kindheitserlebnisse wie Missbrauch, Vernachlässigung oder häusliche Probleme prädisponieren für immunologische Störungen sowie gesundheitliche Defizite im Erwachsenenalter. Inwiefern sie systemische Autoimmunerkrankungen beeinflussen, ist jedoch unklar. US-Wissenschaftler untersuchten die Prävalenz negativer Kindheitserfahrungen bei Patienten mit einem systemischen Lupus erythematodes (SLE) und ihre Auswirkungen auf die Erkrankung.


#

Die Forscher analysierten hierzu die Daten von 269 erwachsenen SLE-Patienten, welche an der California Lupus Epidemiology Study (CLUES) teilgenommen hatten und verglichen sie mit einer Stichprobe von Teilnehmern des California Behavioral Risk Factor Surveillance System (BRFSS), welche in der selben geografischen Region lebten und den CLUES-Teilnehmern bezüglich des Alters, des Geschlechts sowie der ethnischen Abstammung bestmöglich ähnelten. Alle SLE-Patienten und Kontrollen waren mithilfe eines speziellen Fragebogens zu traumatischen Kindheitserlebnissen befragt worden. Ferner werteten die Forscher umfangreiche Informationen zum subjektiven sowie zum ärztlich objektivierten Gesundheitszustand der SLE-Patienten aus und prüften den Zusammenhang mit dem Grad der Kindheitstraumata, wobei sie soziodemografische Einflussvariablen, den Bildungsgrad sowie die Lupusnephritis und den juvenilen Erkrankungsbeginn berücksichtigten.

Ergebnisse

Die CLUES-Patienten (89,6% Frauen) waren im Schnitt 45 Jahre alt und in 16,4% der Fälle war die SLE-Diagnose in der Kindheit gestellt worden. Insgesamt unterschieden sich die SLE-Patienten und die Vergleichspersonen aus der Allgemeinbevölkerung bezüglich des allgemeinen Grads traumatischer Kindheitserfahrungen nicht wesentlich. In den einzelnen Domänen beobachteten die Forscher allerdings zum Teil deutliche Unterschiede. Beispielsweise berichteten signifikant mehr BRFSS-Befragte über Missbrauchserfahrungen (45,2 vs. 34,2%; p<0,001), über emotionalen Missbrauch (36,5 vs. 21,6%; p<0,001) sowie über häusliche Gewalt (21,0 vs. 10,0%; p<0,001), wogegen die CLUES-Teilnehmer tendenziell häufiger über sexuellen Missbrauch berichteten (19,0 vs. 14,1%; p=0,06). 63,1% der SLE-Patienten hatten mindestens eine und 19,3% mindestens 4 negative Kindheitserfahrungen erlitten. Ältere Patienten, Latinos bzw. Afroamerikaner sowie Personen ohne Collegeabschluss, nicht jedoch Patienten mit einer Lupusnephritis, waren überproportional häufig betroffen. Die multivariate Analyse im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen negativen Kindheitserfahrungen und der subjektiven SLE-Erkrankungsschwere ergab: Mit zunehmender Traumatisierung verschlechterten sich die Krankheitsaktivität, depressive Belastungen, funktionelle Einschränkungen sowie der allgemeine Gesundheitszustand. Ein signifikanter Zusammenhang mit der ärztlich dokumentierten SLE-Aktivität, dem Schädigungsgrad oder der Erkrankungsschwere bestand dagegen nicht.

Fazit

Ein erheblicher Anteil der SLE-Patienten hat in der Kindheit traumatische Erfahrungen machen müssen, so die Autoren. Diese Stressoren wirken sich nachhaltig auf den subjektiven Krankheitsverlauf aus und müssen bei der Betreuung der Betroffenen berücksichtigt werden: Die Stärkung ihrer Resilienz mittels klinischer und psychischer Interventionen seien hierbei ein wichtiges Behandlungsziel. Die hohe Traumaprävalenz in der Bevölkerung müsse ferner Anlass zu verstärkten Präventivmaßnahmen geben.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


#
#

Publication History

Article published online:
28 August 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York