Pneumologie 2020; 74(08): 489-490
DOI: 10.1055/a-1166-0925
Pneumo-Fokus

ARDS: LOCO2-Studie spricht für hohen Sauerstoffpartialdruck bei der Beatmung

Barrot L. et al.
Liberal or Conservative Oxygen Therapy for Acute Respiratory Distress Syndrome.

N Engl J Med 2020;
382: 999-1008
DOI: 10.1056/NEJMoa1916431.
 

    Die Mortalität des akuten, schweren Lungenversagens (ARDS) ist mit etwa 40 % ungebrochen hoch. Die Zielwerte für die arterielle Oxygenierung bei einer maschinellen Beatmung sind nicht experimentell untermauert und eine Lungen-protektive Ventilation mit reduzierten Sauerstoffpartialdrücken umstritten. In der prospektiven LOCO2-Studie (Liberal Oxygenation versus Conservative Oxygenation in Acute Respiratory Distress Syndrome Trial) bestätigte sich eine reduzierte Mortalitätsrate bei zurückhaltender Oxygenierung nicht.


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    An LOCO2 nahmen 13 französische Zentren statt. Einschlusskriterien waren u. a. eine mechanische Ventilation ≥ 12 Stunden, die Diagnose ARDS nach den Berlin-Kriterien und ein nicht kardiales Lungenödem. Die Randomisierung der Patienten erfolgte nach dem Alter und dem Schweregrad des Lungenversagens. Maßgeblich war dabei ein Horovitz-Quotient (arterieller Sauerstoffpartialdruck PaO2: inspiratorische Sauerstofffraktion FiO2) ≤ 150 mmHg oder > 150 mmHg bei einem positiven endexspiratorischen Druck (PEEP) von 5 cm Wassersäule und einer FiO2 von 60 – 100 %. 103 Patienten erhielten eine reduzierte Oxygenierung mit einem Ziel-PaO2 von 55 – 70 mmHg und 102 eine stärkere Oxygenierung mit einem Ziel-P aO2 von 90 – 105 mmHg. Für die Analyse standen Daten von 99 und 102 Erkrankten zur Verfügung. Endpunkte waren u. a. die Mortalität nach 28 und 90 Tagen, der SOFA-Score (Sequential Organ Failure Assessment Score), beatmungsassoziierte Pneumonien, Septikämien und kardiale Komplikationen. 833 Tage nach Einschluss des 1. Patienten wurde die Studie wegen Sicherheitsbedenken abgebrochen.

    Die Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich der ARDS-Schwere. 75,8 % (zurückhaltende Oxygenierung) und 76,5 % (großzügige Oxygenierung) hatten einen Horovitz-Quotienten ≤ 150 mmHg. In den ersten 7 Beatmungstagen wiesen die Patienten der konservativen Gruppe signifikant geringere Durchschnittswerte für den PaO2, die arterielle Sauerstoffsättigung SaO2 und die FiO2 auf. Die zurückhaltende Oxygenierung erwies sich im Vergleich zum großzügigen Vorgehen insbesondere im längerfristigen Verlauf als unvorteilhaft:

    • Mortalität nach 28 Tagen 34,3 % vs. 26,5 % (nicht signifikant),

    • Mortalität nach 90 Tagen 44,4 % vs. 30,4 % (signifikant)

    • Mesenterialischämie 5 vs. 0 Patienten,

    • höhere Herzfrequenz.

    Die geringere Überlebenswahrscheinlichkeit der Erkrankten mit restriktiver Oxygenierung bestätigte sich unter Berücksichtigung des Alters, des Horovitz-Quotienten und der SAPS-III-Klassifikation (Simplified Acute Physiology Score) mit einer Hazard Ratio von 1,62 (95 %-Konfidenzintervall 1,02 – 2,56).

    Fazit

    Eine zurückhaltende Oxygenierungsstrategie reduzierte die Mortalität der Patienten mit ARDS im 1. Monat nicht. Nach 3 Monaten ergab sich sogar eine bedenkliche Steigerung, schreiben die Autoren. Besorgniserregend stufen sie die gehäuften Mesenterialischämien ein. Der Darm reagiere besonders sensibel auf eine reduzierte Sauerstoffzufuhr. Welche Bedeutung die Sicherheitsbedenken schlussendlich für die klinische Praxis haben, bliebe offen.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle


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    Publication History

    Article published online:
    21 August 2020

    © Georg Thieme Verlag KG
    Stuttgart · New York