Aktuelle Dermatologie 2021; 47(08/09): 385-400
DOI: 10.1055/a-1106-9108
CME-Fortbildung

Handekzeme: Ätiologie, Diagnostik und therapeutisches Management

Hand Eczema: Etiology, Diagnostics and Therapeutic Management
Vera Baur
,
Erwin S. Schultz
 

Das Handekzem ist eine multifaktorielle Hauterkrankung. Eine genetische Prädisposition, die spezifische Exposition und insbesondere berufliche Aspekte sollten im Management der Patienten berücksichtigt werden. Dieser Beitrag thematisiert wichtige Aspekte des diagnostischen Vorgehens, der Prävention und der therapeutischen Möglichkeiten in Abhängigkeit von Ätiologie und Schwere des Handekzems.


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Abstract

Hand eczema is a multifactorial skin disease. Therefore, genetic predisposition, exposure to risk factors and, in particular, occupational circumstances should be considered in patient care. This article discusses diagnostic approaches, prevention and options for therapeutic intervention for hand eczema of different etiology and severity.

Hand eczema is a socially significant disease because of its high prevalence, morbidity and impact on professional life. Clinical manifestations are diverse and include vesiculous and erosive as well as hyperkeratotic and desquamative variants. The diagnostic work-up of hand eczema and its differential diagnosis requires a detailed assessment of occupational and recreational exposure. Exposure to a contact allergen is often a contributing factor. Therefore all patients with hand eczema persisting more than three months should undergo patch testing. In case of possible work-related triggers the accident insurer should be informed early (via the dermatologist’s report). An escalating treatment approach depending on disease severity and chronicity is necessary. Elimination of individual trigger factors and optimizing preventive measures is important. In the future patients may benefit from new therapeutic agents such as biologics for the treatment of atopic eczema and topical Janus kinase inhibitors.


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Abkürzungen

BG-Verfahren: Durchgangsarztverfahren
BZgA: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
COVID-19: Coronavirus Disease 2019
DKG: Deutsche Kontaktallergie-Gruppe
FDA: Food and Drug Administration der USA
HECSI-75: Hand Eczema Severity Index
IgE: Immunglobulin E
MCI: Chlor-Methylisothiazolinon
MI: Methylisothiazolinon
PUVA: Psoralen plus UV-A
RAR: Retinsäurerezeptor
RXR: Retinoid-X-Rezeptor
SIP: sekundäre Individualprävention
TIP: tertiäre Individualprävention
TIX: therapeutischer Index

Epidemiologie

Handekzeme sind häufig und stellen den größten Anteil arbeitsbedingter Hauterkrankungen dar. Die Lebenszeitprävalenz beträgt ungefähr 10–15 % [1] [2]. Epidemiologische Daten, die die Verbreitung des Handekzems in der Allgemeinbevölkerung beschreiben, stammen v. a. aus skandinavischen Ländern. Schwedische Daten lassen auf eine Inzidenz von 5–8 % (5,5–8,8 Fälle/1000 Personenjahre) schließen.

Interessanterweise war die Inzidenzrate bei Jugendlichen vergleichbar mit der von Erwachsenen, was den frühen Beginn der Erkrankung widerspiegelt. Die Inzidenzrate lag bei Frauen dabei etwas höher als bei Männern (7,1 vs. 4,0) [2]. Trotz der relativ geringen betroffenen Körperoberfläche haben Handekzeme eine hohe gesundheitsökonomische und sozialmedizinische Bedeutung sowie Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Patienten leiden häufig sowohl unter Schmerzen und Juckreiz wie auch unter den für ihre Umwelt sichtbaren, entstellenden Hautveränderungen der Hände.

Merke

Handekzeme haben negative psychosoziale Auswirkungen und führen zu einem Verlust an Lebensqualität.

Risikofaktoren für Persistenz

Die wichtigsten Risikofaktoren für die Persistenz von Handekzemen sind

  • eine ausgeprägte Ausdehnung der Handekzeme,

  • Handekzeme allergischer oder atopischer Genese,

  • Ekzeme in der Kindheit und

  • Beginn der Handekzeme vor dem 20. Lebensjahr [1].

Fallbeispiel

Fall 1


Der 51-jährige Herr B. berichtet über ein seit ca. 6 Jahren bestehendes Handekzem mit anamnestisch arbeitskongruentem Verlauf, eine deutliche Besserung sei zuletzt aber nur noch im Urlaub zu erzielen gewesen. Herr B. arbeitet seit über 30 Jahren als Werkzeugmacher, dabei hat er u. a. Kontakt zu Kühlschmierstoffen. Der Patient trägt ca. 3–4 Stunden pro Tag Nitrilhandschuhe, diese seien schnell durchfeuchtet, da er in ihnen schwitze. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beim Umgang mit rotierenden Maschinen arbeitsschutzrechtlich das Tragen von Handschuhen nicht zulässig ist. Eine atopische Diathese lässt sich nicht nachweisen.


Klinisch zeigt sich ein schweres Handekzem mit flächigen Hyperkeratosen und Rhagaden palmar und an den Handrücken beidseits.


Procedere


Ein BG-Verfahren wird mittels Hautarztbericht eingeleitet. In der Epikutantestung lassen sich keine berufsspezifischen Typ-IV-Sensibilisierungen, insbesondere gegenüber Kühlschmierstoffen, nachweisen. In Zusammenschau der Anamnese, des klinischen Bildes und der erhobenen Befunde kann ein irritatives Handekzem diagnostiziert werden, das morphologisch vorwiegend hyperkeratotisch-rhagadiform imponiert ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Als Folge repetitiver Einwirkung von Irritanzien kam es zur Entstehung eines irritativen Handekzems, welches sich nach jahrelangem Bestehen morphologisch hyperkeratotisch-rhagadiform präsentiert (Quelle: Klinikum Nürnberg).

Es wird eine Lokaltherapie mit steroidhaltigen und salizylsäurehaltigen Externa eingeleitet, weiterhin erfolgt eine Therapie mit Creme-PUVA. Ein Therapieversuch mit Alitretinoin wird vom Patienten nicht gewünscht.


Am Arbeitsplatz wird der Patient zunehmend für Bürotätigkeiten eingesetzt. Darunter ergibt sich eine kontinuierliche Befundbesserung. Eine berufsdermatologische Betreuung besteht weiterhin.


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Ätiologie und Pathogenese

Die Pathogenese des Handekzems ist multifaktoriell

Merke

Die drei häufigsten Faktoren, die zur Auslösung eines Handekzems führen, sind

  • irritative Schädigung,

  • Kontaktallergie und

  • atopische Diathese.

Eine irritative Schädigung wird meist durch einen wiederholten Hautkontakt mit Wasser, eine mechanische Beanspruchung der Haut oder hautreizende Substanzen wie Detergenzien hervorgerufen. Kälte und Trockenheit, eine erhöhte Luftfeuchtigkeit bei Indoor-Arbeiten und der Kontakt zu Laugen und Säuren können ebenfalls das Auftreten eines Handekzems begünstigen.

Merke

Oft führt erst eine Kumulation mehrerer unterschwelliger Reize, v. a. im beruflichen Umfeld, zur Entstehung eines irritativen (subtoxisch-kumulativen) Handekzems.

Allen Handekzemformen gemeinsam ist, dass ihre Entstehung durch eine Störung der epidermalen Hautbarriere hervorgerufen wird. Durch einen vermehrten transepidermalen Wasserverlust kommt es zu einer Austrocknung der Haut. Dies erleichtert die Penetration von Infektionserregern, was zu Superinfektionen führen kann. Des Weiteren kommt es zu einer vermehrten Absorption von Kontaktallergenen, was die Entstehung einer allergischen Kontaktsensibilisierung begünstigt [3].

Dies bedingt die häufig beruflich assoziierten Pfropfsensibilisierungen, die auftreten können, wenn Patienten mit einem irritativen Handekzem in einem Arbeitsumfeld mit hoher Allergenexposition weiterarbeiten. Entsprechend der Pathogenese einer Kontaktallergie kommt es nach einer klinisch stummen, beschwerdefreien Sensibilisierungsphase bei erneuter Exposition mit dem Allergen zu einer massiven Inflammation. Spezifische T-Zellen werden in die Haut rekrutiert und aktivieren ihrerseits Leukozyten, eosinophile Granulozyten, Makrophagen etc. an den Ort des Geschehens. Klinisch präsentiert sich das Bild eines akuten Ekzems.

Fazit

Take Home Message

Arbeiten Patienten mit einem irritativen Handekzem in einem Arbeitsumfeld mit hoher Allergenexposition weiter, kann es zur Entstehung von Pfropfsensibilisierungen kommen.

In Zwillingsstudien konnte gezeigt werden, dass für das Risiko, Handekzeme zu entwickeln, zu 41 % genetische Faktoren und zu 59 % Umweltfaktoren entscheidend sind. Eine besonders starke Assoziation konnte mit Loss-of-Function-Mutationen im Filaggrin-Gen nachgewiesen werden. Filaggrin ist entscheidend für die terminale Differenzierung der Korneozyten und trägt zur mechanischen Belastbarkeit der Hautbarriere bei. Mutationen des Filaggrin-Gens bei Atopikern sind mit einem frühen Beginn und einer Persistenz von Handekzemen, einem ungünstigen Krankheitsverlauf und häufiger Tätigkeitsaufgabe assoziiert [4].

Weitere Untersuchungen zeigen, dass es bei Patienten mit Handekzemen, unabhängig vom Subtyp des Handekzems, zu einer Herabregulierung zahlreicher Barriereproteine des sog. „cornified Envelope“ kommt. Als „cornified Envelope“ wird eine membranartige Struktur bezeichnet, welche die Korneozyten umgibt und aus zahlreichen Proteinen (u. a. Filaggrin, Loricrin) zusammengesetzt ist [5].


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Klinisches Bild

Das Handekzem ist durch einen entzündlichen, nichtinfektiösen Hautausschlag an den Händen gekennzeichnet. Die Symptomatik und Morphologie sind dabei sehr variabel. Klinisch können sich u. a. Erytheme, Bläschenbildung, Hyperkeratosen, Rhagaden, entzündete Fingerkuppen und Lichenifikation zeigen. Viele Patienten berichten über brennende Schmerzen oder Pruritus.

Als akutes und subakutes Handekzem werden Ekzeme der Hände definiert, die weniger als 3 Monate andauern und nicht häufiger als 1-mal jährlich auftreten. Als chronisches Handekzem werden Handekzeme bezeichnet, die länger als 3 Monate andauern oder mindestens 2-mal pro Jahr rezidivieren [2] [6].

Fazit

Take Home Message

Als chronisches Handekzem werden Handekzeme bezeichnet, die länger als 3 Monate andauern oder mindestens 2-mal pro Jahr rezidivieren.

Die Klassifikation des Handekzems beruht auf den unterschiedlichen Auslösemechanismen (exogene und endogene Auslöser) sowie auf den morphologischen Erscheinungsformen ([Tab. 1]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass häufig ein multifaktorielles Geschehen vorliegt und mehrere Ursachen gleichzeitig oder zeitlich versetzt von Bedeutung sein können. Dementsprechend ist die Systematik und Klassifikation des Handekzems eine Herausforderung, eine einheitliche evidenzbasierte Klassifikation existiert bisher nicht [6]. [Tab. 2] beschreibt die Charakteristika der drei häufigsten Handekzemtypen (irritatives, allergisches und atopisches Handekzem (s. a. [Abb. 2]) [6] [7].

Tab. 1

Einteilung der Handekzeme unter Berücksichtigung der Ätiologie.

Exogene Handekzeme

Endogene Handekzeme

irritatives (subtoxisch-kumulatives) Handekzem

atopisches Handekzem

allergisches Handekzem

hyperkeratotisch-rhagadiformes Handekzem

Protein-Kontaktdermatitis

dyshidrotisches Handekzem/Pompholyx

Tab. 2

Charakteristika irritativer (subtoxisch-kumulativer), allergischer und atopischer Handekzeme [6].

Subtyp

Ätiopathogenese

Lokalisation

Morphe

irritatives (subtoxisch-kumulatives) Handekzem ([Abb. 2 a])

  • Folge wiederholter Einwirkung von Irritanzien

  • bei beruflicher Genese: kaum Besserung am Wochenende, Abheilung nur bei längerer Arbeitskarenz

  • begünstigende Faktoren: atopische Diathese, Sebostase, Hyperhidrose

  • vorwiegend Hand- und Fingerrücken betroffen, ggf. exponierte Unterarmpartien, erst im Verlauf Handinnenflächen

  • relativ scharfe Begrenzung

  • initial raue, trockene, schuppende Haut

  • später Rötung, Infiltration und Rhagaden (hyperkeratotisch-rhagadiformes Bild)

allergisches Handekzem ([Abb. 2 b])

  • Nachweis einer klinisch relevanten Typ-IV-Sensibilisierung im Epikutantest

  • enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Erkrankung und Exposition

  • bei beruflichem Auslöser: Besserung am Wochenende, Abheilen im Urlaub, Rezidiv bei Rückkehr an den Arbeitsplatz

  • betroffen sind die Expositionsstellen

  • unscharfe Begrenzung, Streureaktion in der Umgebung möglich

  • akutes Stadium: Rötung, Bläschen, Juckreiz

  • chronisches Stadium: Hyperkeratosen, Rhagaden

atopisches Handekzem ([Abb. 2 c], [Abb. 2 d])

  • bekanntes atopisches Ekzem oder atopische Hautdiathese

  • häufig berufsunabhängiger Verlauf, aber Verschlechterung durch berufliche Trigger möglich

  • häufig Manifestation am Handrücken

  • ggf. Nagelbeteiligung und Fingerkuppenekzeme

  • Ekzeme auch an anderen Prädilektionsstellen

  • häufig dyshidrosiforme Bläschen palmar und interdigital mit Ausbreitung von der distalen Palmarregion auf die proximalen Fingerglieder zweier benachbarter Finger (sog. „Apron Pattern“)

  • Lichenifikation, Schuppung, Rhagaden

  • nummuläre Herde möglich

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Abb. 2 Klinisches Bild des irritativen (subtoxisch-kumulativen), allergischen und atopischen Handekzems (Quelle: Klinikum Nürnberg). a Schweres, irritatives (kumulativ-subtoxisches) Handekzem bei einer Reinigungskraft, es sind überwiegend die Handrücken betroffen. b Allergisches Handekzem, ausgelöst durch das Tragen von Gummihandschuhen bei Typ-IV-Allergie gegenüber Thiuramen (Gummiinhaltsstoffen). Typische Streureaktionen sind am Unterarm volar sichtbar. c Atopisches Handekzem, das sich überwiegend mit nummulären Ekzemherden präsentiert. d Vorwiegend dyshidrosiforme Bläschen bei einem Patienten mit atopischem Handekzem.
Fazit

Take Home Message

Handekzeme sollten vorrangig anhand ihrer Ätiologie klassifiziert werden. Eine evidenzbasierte, allgemein akzeptierte Klassifikation existiert jedoch bisher nicht.

Es können jedoch auch Handekzeme mit dyshidrosiformer, hyperkeratotisch-rhagadiformer oder nummulärer Morphologie auftreten, die nicht eindeutig einer irritativen, allergischen oder atopischen Genese zugeordnet werden können. Diagnostische Schwierigkeiten können hier u. a. Handekzeme mit hyperkeratotisch-rhagadiformer Morphe bereiten, wenn ursächliche Faktoren nicht nachgewiesen werden können.

Praxis

Tipp

Es wird empfohlen, im Fall einer Dominanz der Morphologie in der Diagnosestellung zumindest einen Zusatz, z. B. hyperkeratotisch-rhagadiformes Handekzem genuiner Ätiologie oder unklarer Ätiologie hinzuzufügen [8]. Hyperkeratotisch-rhagadiforme Handekzeme sind dabei oft durch eine ausgeprägte Therapieresistenz und Rezidivneigung gekennzeichnet.

Beim dyshidrotischen Ekzem (Maximalvariante: Pompholyx) handelt es sich um ein Handekzem mit rezidivierend auftretenden, vesikulären Eruptionen und Erythemen insbesondere an den Fingerkanten, welches mit ausgeprägtem Pruritus einhergeht. Die Ätiologie ist nicht gut verstanden. Als auslösende Faktoren werden eine Atopie sowie eine Tinea corporis diskutiert, auch kontaktallergische Reaktionen können ein relevanter ätiologischer Faktor sein. [9].

Eine weitere Sonderform stellt die Proteinkontaktdermatitis dar. Sie ist Folge einer Typ-I-Sensibilisierung gegenüber u. a. Nahrungsmittelallergenen und findet sich bei entsprechender beruflicher Exposition [10]. Es handelt sich um die Kombination einer Sofort- mit einer Spättypreaktionen, die sich klinisch initial häufig als lokalisierte Urtikaria manifestiert, im Verlauf dominiert eine Ekzemmorphe. Hautpricktestungen mit dem vermuteten Auslöser, die Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper und Epikutan- bzw. Expositionstestungen werden diagnostisch eingesetzt.


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Diagnostik

Anamnese

Zur Diagnostik von Handekzemen ist eine detaillierte Anamneseerhebung erforderlich. Diese sollte insbesondere folgende Punkte umfassen:

  • bekannte Allergien und Hauterkrankungen, insbesondere atopische Erkrankungen,

  • spezifische Exposition im beruflichen und privaten Umfeld, Dauer und Zeitverlauf des Handekzems (insbesondere unter Beachtung arbeitsfreier Zeiten),

  • Medikamenteneinnahme und Grunderkrankungen,

  • Nikotinkonsum,

  • Feuchtarbeit als Risikofaktor für die Entstehung von Handekzemen; diese kann anamnestisch anhand folgender Kriterien konstatiert werden:

    • direkter Hautkontakt mit Wasser ( > 2 h/Tag),

    • Tragen feuchtigkeitsdichter Handschuhe ( > 2 h/Tag),

    • Frequenz und Intensität der Händewaschfrequenz ( > 10 × /Tag),

    • ggf. spezielle berufliche Anamnese bezüglich Hautschutzmittel und Schutzhandschuhe.


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Hautinspektion

Neben der Inspektion der Hände sollte zur Abgrenzung von Differenzialdiagnosen (s. u.: Übersicht „Wichtige Differenzialdiagnosen des Handekzems“) zusätzlich eine Ganzkörperinspektion der Haut (einschließlich Füße) erfolgen.


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Atopie-Screening

Zur Erfassung einer atopischen Hautdiathese ist die Erhebung des Erlanger Atopie-Scores hilfreich [11]. Eine Pricktestung oder eine Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper auf häufige Inhalationsallergene können ergänzend erfolgen, um ggf. eine atopische Diathese zu untermauern.


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Epikutantestung

Merke

Bei allen länger als 3 Monaten bestehenden Handekzemen und/oder rezidivierendem Verlauf ist eine allergologische Abklärung mittels Epikutantestung erforderlich.

Bezüglich der Durchführung und Auswertung des Epikutantests mit Kontaktallergenen wird auf die aktuelle S3-Leitlinie verwiesen [12]. Die Testung der Standardreihe, in welcher die häufigsten Kontaktallergene zusammengefasst sind, sollte zusätzlich zu einer anamnesegeleiteten Auswahl weiterer Testallergene erfolgen. Bei Verdacht auf eine arbeitsbedingte Typ-IV-Allergie existieren für einzelne, besonders gefährdete Berufsgruppen expositionsbezogene Testungsempfehlungen [13] [14]. Darüber hinaus kann die Testung patienteneigener Substanzen notwendig sein.

In einer multizentrischen europäischen Untersuchung waren mit Reaktionen von jeweils über 10 % Nickel, (Chlor-)Methylisothiazolinon (MCI/MI), Duftstoffmix I, Kobalt, Thiuram-Mix, Perubalsam, Chrom und Duftstoffmix II die am häufigsten erkannten Kontaktallergene bei Handekzempatienten [15].

Für jede nachgewiesene Kontaktsensibilisierung muss eine individuelle Relevanzbeurteilung erfolgen. Berufliche und private Expositionsquellen sollten identifiziert und der Patient über erforderliche Karenzmaßnahmen aufgeklärt werden.

Fazit

Take Home Message

Eine individuelle Relevanzbeurteilung ist für jede nachgewiesene Kontaktsensibilisierung erforderlich.

Fallbeispiel

Fall 2


Der 69-jährige Herr L. berichtet, seit 7 Monaten unter stark juckenden „Wasserbläschen“, v. a. an den Händen, in geringerem Umfang auch an den Füßen, zu leiden. Bei Inspektion zeigen sich ausgedehnte Bläschen, Blasen, Erosionen und Krusten auf erythematösem Grund sowohl palmar als auch an den Handrücken (in [Abb. 3] sind nach Abheilung der Bläschen lediglich noch Erosionen und Krusten sichtbar). Der Erlanger Atopiescore lässt auf eine atopische Diathese schließen. Der Patient ist Rentner, Hinweise auf eine irritative Genese ergeben sich nicht. Im Epikutantest können relevante Kontaktsensibilisierungen ausgeschlossen werden.

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Abb. 3 Zustand vor Behandlungsbeginn mit Alitretinoin (Quelle: Klinikum Nürnberg).

Diagnose


In Zusammenschau des klinischen Bildes, der Anamnese und der erhobenen Befunde ist von einem atopischen Handekzem auszugehen.


Therapie und Verlauf


Therapeutisch erfolgt zunächst eine stadiengerechte, steroidhaltige und adstringierende Lokaltherapie in Kombination mit einer Creme-PUVA-Lichttherapie. Bei unzureichender Befundbesserung wird eine orale Therapie mit Ciclosporin eingeleitet, diese muss jedoch nach 4 Wochen bei entgleister arterieller Hypertonie wieder abgesetzt werden. Daraufhin wird der Patient unter regelmäßiger laborchemischer Kontrolle der Leberparameter, Schilddrüsenwerte und Blutfettwerte auf Alitretinoin in einer Dosierung von 30 mg eingestellt. Bereits nach 3 Wochen ist eine wesentliche Befundbesserung zu erkennen, nach ca. 6 Monaten ist das Handekzem nahezu abgeheilt ([Abb. 4]), sodass die Therapie beendet werden kann.

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Abb. 4 Nahezu abgeheilten Hautbefund ca. 6 Monate nach der Therapie mit Alitretinoin (Quelle: Klinikum Nürnberg).

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Weitere Diagnostik

Eine Auswahl wichtiger Differenzialdiagnosen des Handekzems ist in der u.g. Übersicht zusammengefasst.

Zum Ausschluss einer Tinea manuum sollte initial eine mykologische Diagnostik erfolgen. Bei Hinweis auf das Vorliegen einer Differenzialdiagnose ist die Entnahme einer Probebiopsie zur histologischen Untersuchung zu empfehlen.

Dabei ist die histologische Differenzialdiagnose Psoriasis palmoplantaris vs. chronisches Handekzem oft schwierig. Kürzlich konnten jedoch genetische Biomarker wie NOS2 (hochreguliert in Psoriasisherden, kodiert für die induzierbare NO-Synthase) und CCL27 (kutanes T-Zell-Chemokin, hochreguliert bei Patienten mit Ekzemen) identifiziert werden, welche mithilfe eines molekularen Tests in befallener Haut mit einer hohen Sensitivität und Spezifität beide Krankheitsbilder unterscheiden können. Diese sind für die Routinediagnostik noch nicht verfügbar, können jedoch zukünftig das diagnostische Spektrum erweitern und ggf. personalisierte Therapieentscheidungen unterstützen [16] [17].

Wichtige Differenzialdiagnosen des Handekzems fasst die Übersicht zusammen.

Übersicht

Wichtige Differenzialdiagnosen des Handekzems

  • Tinea manuum

  • Psoriasis vulgaris, Psoriasis pustulosa palmoplantaris

  • Lichen ruber

  • Chemotherapie-induziertes Hand-Fuß-Syndrom

  • Hand-Fuß-Mundkrankheit

  • Skabies

  • paraneoplastische Akrokeratose Bazex

  • hereditäre Palmoplantarkeratosen

  • kutanes T-Zell-Lymphom (Mycosis fungoides)

  • Porphyria cutanea tarda


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Therapie

Der Einsatz einer Lokaltherapie, physikalischen Therapie und Systemtherapie sollte in Abhängigkeit von der Ätiologie und vom Schweregrad des Handekzems erfolgen. Unterstützend sind Patientenschulungen sinnvoll, da die Vermeidung des Kontaktes zu Allergenen und Noxen sowie die Umsetzung von Hautschutzmaßnahmen entscheidend zum Therapieerfolg beitragen. Eine Übersicht zur stadienadaptierten Stufentherapie, entsprechend dem Schweregrad des Handekzems, ist in [Tab. 3] dargestellt. Insbesondere bei schweren, chronischen Handekzemen ist oft ein multimodales Therapiekonzept mit einer Kombination aus Basistherapie, Lokaltherapie, UV-Phototherapie und Systemtherapie erforderlich [6] [7] [18].

Tab. 3

Stadienadaptierte Therapie des Handekzems [6] [7] [18].

Therapiestufe

Schweregrad des Handekzems

Therapeutische Maßnahmen

Basistherapie

Xerosis cutis

Hydratation der Haut (s. Infobox „Hautmittel und Hautschutzmaßnahmen“)
Einsatz von Hautschutzmaßnahmen (s. Infobox „Hautmittel und Hautschutzmaßnahmen“)
Reduktion/Vermeidung von Triggerfaktoren

I

leichte Handekzeme
(heilen bei adäquater dermatologischer Therapie und Mitwirkung des Patienten rasch wieder ab)

zusätzlich zur Basistherapie:

  • topische Glukokortikosteroide

  • topische Calcineurin-Inhibitoren (zugelassen nur beim atopischen Handekzem)

  • antipruriginöse und antiseptische Externa

  • Leitungswasser-Iontophorese

II

mittelschwere und schwere Handekzeme
(bestehen trotz adäquater dermatologischer Therapie und Mitwirkung des Patienten mehrere Wochen)

zusätzlich zu Maßnahmen der Stufe I:

  • topische potente Glukokortikosteroide

  • UV-Therapie (Creme- oder Bade-PUVA, UVB)

  • systemisch Alitretinoin (zugelassen nur bei schweren Handekzemen)

III

chronisch-rezidivierende und persistierende Handekzeme
(ausgedehnte dauerhaft vorhandene oder rezidivierende Hautveränderung von erheblichem Krankheitswert mit z. B. Rhagaden, ausgeprägter Lichenifikation und Infiltration)

zusätzlich zu Maßnahmen der Stufe I und II:

  • Alitretinoin

  • Ciclosporin (zugelassen nur beim atopischen Handekzem)

  • systemische Glukokortikosteroide (nur kurzfristig im akuten Schub)

  • ggf. weitere Systemtherapeutika

  • Dupilumab (zugelassen beim atopischen Ekzem)

Fazit

Take Home Message

Die Therapie des Handekzems erfolgt stadienadaptiert, häufig ist ein multimodales Therapiekonzept erforderlich ([Tab. 3]).

Lokaltherapien

Basistherapie

Hautpflegeprodukte sollte idealerweise täglich bei allen Patienten mit chronischem Handekzem angewendet werden. Die Therapie der Xerosis cutis soll die Hydratation der Haut verbessern und damit die Barrierefunktion der Haut unterstützen. Es stehen verschiedene Produkte zur Rückfettung mit z. B. Urea, Milchsäurederivaten und Glycerin zur Verfügung. Bei der Auswahl sollten die Grundlagen der topischen Therapie, der individuelle Hautzustand und bekannte Typ-IV-Sensibilisierungen z. B. auf Konservierungsstoffe berücksichtigt werden [19].

Als keratolytische Lokaltherapie bei überwiegend hyperkeratotischen Handekzemen können ureahaltige Lokaltherapeutika in einer Konzentration von 10–20 % eingesetzt werden. Der Effekt kann durch eine okklusive Behandlung gesteigert werden. Weiters können salizylsäurehaltige Externa in einer Dosierung von 3–20 % in unterschiedlichen Grundlagen zur Keratolyse verwendet werden. Bei der Verwendung von Magistralrezepturen sollte die „Empfehlung zur Qualitätssicherung: Wirkstoffdossiers für externe dermatologische Rezepturen der Gesellschaft für Dermopharmazie“ berücksichtigt werden. Hier sind u. a. valide Informationen zur therapeutischen Breite von Wirkstoffen aufgeführt [20].


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Glukokortikosteroide

Merke

Topische Glukokortikosteroide stellen gemeinsam mit der Basistherapie i. d. R. die erste Therapieoption beim Handekzem dar, ihre Wirksamkeit ist evidenzbasiert [21].

Sie sind in der Akuttherapie sehr effektiv, verzögern aber die Reparaturmechanismen des Stratum corneum und können bei unsachgemäßer Anwendung potenziell Hautatrophien verursachen [6].

Die Präparate mit einem guten therapeutischen Index (TIX) sind zu bevorzugen, da sie ein gutes Verhältnis von erwünschten zu unerwünschten Wirkungen erzielen [22]. Dazu gehören z. B.

  • Prednicarbat (Klasse II, TIX 2,0),

  • Methylprednisolonaceponat (Klasse III, TIX 2,0) oder

  • Mometasonfuroat (Klasse III, TIX 2,0).

Ein Rebound-Phänomen sollte durch gezieltes Ausschleichen der Anwendungsfrequenz vermieden werden.

Insgesamt sollten potente Glukokortikosteroide nicht länger als 1 × täglich über 4 Wochen angewendet werden. Anschließend sollte eine Reduktion der Anwendungsfrequenz erfolgen bis zu einer Erhaltungstherapie mit 2–3 × wöchentlicher Applikation (sogenannte proaktive Therapie, Anwendung z. B. für 6 Wochen) [23].


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Topische Calcineurin-Inhibitoren

Der Einsatz der topischen Calcineurin-Inhibitoren Tacrolimus und Pimecrolimus ist zur Behandlung des mittelschweren bis schweren atopischen Ekzems bei Erwachsenen indiziert. Sie können auch zur Therapie des Handekzems eingesetzt werden, wobei sie hierfür nicht zugelassen sind (Off-Label-Use) [6] [18]. Da Tacrolimus nur in einer Salbengrundlage und Pimecrolimus ausschließlich als Creme verfügbar ist, sollte die Galenik berücksichtigt werden. Die Behandlung erfolgt initial 2 × täglich, bei Abheilung Reduktion auf 1 × tägliche Anwendung, gefolgt von einer Erhaltungstherapie jeden zweiten Tag für weitere 6 Wochen (proaktive Therapie).

Entsprechend der „Black Box“-Warnung der FDA sollte eine Kombination mit künstlichem und natürlichem UV-Licht vermieden werden [24]. Die begleitende Anwendung von topischem und textilem Lichtschutz ist sinnvoll, auch wenn es keine sichere Evidenz gibt, die den Zusammenhang zwischen Hautkrebs bzw. Lymphomen und der Anwendung topischer Calcineurin-Inhibitoren belegt [18].


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Sonstige Lokaltherapeutika

Bei Superinfektion sind antiseptische und desinfizierende Wirkstoffe wie Chlorhexidin, Clioquinol und Octenidin, z. B. als Waschlotion oder Handbad, hilfreich. Bei nässenden Ekzemen können Gerbstoffe lokaltherapeutisch eingesetzt werden [25]. Sie sind in verschiedenen Grundlagen verfügbar, z. B. Badezusatz, Creme oder Fettcreme.

Steinkohleteerpräparate sind in der Vergangenheit häufig zur Behandlung des atopischen Ekzems und Handekzems eingesetzt worden. Positive Effekte auf die Filaggrin-Expression wurden beschrieben [23] [26]. Aufgrund der potenziellen Kanzerogenität und der kosmetischen Einschränkungen wurde Steinkohleteer zuletzt jedoch kaum noch in der Behandlung des Handekzems eingesetzt [18] [23].


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Systemtherapien

Alitretinoin

Alitretinoin (9-cis-Retinsäure) ist seit 2008 zugelassen zur Therapie des schweren chronischen Handekzems bei Erwachsenen, die nicht auf eine Behandlung mit potenten topischen Kortikosteroiden ansprechen. Es wirkt als Agonist sowohl auf den Retinsäurerezeptor (RAR) als auch auf den Retinoid-X-Rezeptor (RXR). Die Wirkung von Alitretinoin ist antiinflammatorisch und immunmodulierend. In den klinischen Zulassungsstudien zeigten sich positive Effekte auf alle Handekzemtypen, wobei Patienten mit hyperkeratotischen Handekzemen am meisten von der Therapie profitierten [27].

Die Standarddosierung beträgt 30 mg/Tag p. o. und kann bei persistierenden und nicht ausreichend kontrollierten Nebenwirkungen auf 10 mg/Tag reduziert werden. Ein Behandlungszyklus dauert i. d. R. 12–24 Wochen. Bei Rezidiv können Patienten von einem weiteren Behandlungszyklus profitieren.

Alitretinoin ist als Vitamin-A-Säure-Derivat teratogen und deswegen prinzipiell bei Frauen im gebärfähigen Alter kontraindiziert. Eingesetzt werden kann es in Einzelfällen dennoch, wenn einen Monat vor Therapiebeginn, während der Therapie und bis einen Monat nach Absetzen der Therapie ein striktes Schwangerschaftspräventionsprogramm mit sicherer Kontrazeption befolgt wird. In der Stillzeit darf es nicht eingesetzt werden. Als Kontraindikation gilt darüber hinaus eine bekannte Soja- und Erdnussallergie. Alitretinoin sollte nicht zusammen mit Methotrexat oder Tetrazyklinen eingenommen werden.

Cave

Alitretinoin ist teratogen, sodass bei Patientinnen im gebärfähigen Alter eine sichere Kontrazeption zu gewährleisten ist.

Die häufigste Nebenwirkung sind Kopfschmerzen (bei ca. 20 % der Patienten) insbesondere in den ersten beiden Therapiewochen. Die Symptomatik ist dosisabhängig und i. d. R. vorübergehend. Regelmäßige laborchemische Kontrollen insbesondere der Blutfettwerte (Triglyzeride, Cholesterin), Schilddrüsenparameter und Transaminasen sind erforderlich. Bezüglich Gegenanzeigen und besonderer Warnhinweise wird auf die Fachinformation verwiesen.


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Ciclosporin

Ciclosporin ist zur Therapie des schweren, therapieresistenten, atopischen Ekzems bei Erwachsenen seit 1997 zugelassen. Zur Therapie des Handekzems ist es nicht zugelassen. Patienten mit atopischem Handekzem sprechen i. d. R. gut auf eine Ciclosporin-Therapie an [21]. Aufgrund von Nebenwirkungen (u. a. arterielle Hypertonie, Nierenfunktionsstörungen) wird Ciclosporin im klinischen Alltag jedoch eher zurückhaltend eingesetzt. Die Verabreichung erfolgt in einer Dosierung von 2,5–5 mg/kgKG/Tag verteilt auf 2 Einzeldosen. Die Kombination mit einer Lichttherapie ist kontraindiziert.


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Systemische Glukokortikosteroide

Systemische Glukokortikosteroide (0,5–1 mg/kgKG/Tag Prednisolonäquivalent) können kurzfristig zur Behandlung ausgeprägter, akuter Handekzemschübe eingesetzt werden. Sie sind aber zur längerfristigen Behandlung chronischer Handekzeme aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils ungeeignet [6].


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Neue Systemtherapien

Dupilumab, ein Il-4/13-Blocker, ist seit 2017 für die Therapie des mittelschweren bis schweren atopischen Ekzems zugelassen, jedoch nicht für die Therapie eines isoliert auftretenden atopischen Handekzems. Oesterhaven et al. untersuchten das therapeutische Ansprechen bei einer Kohorte von 47 Patienten mit atopischem Ekzem, die ebenfalls ein atopisches Handekzem aufwiesen. Bei 60 % der untersuchten Patienten konnte eine mindestens 75 %ige Verbesserung des HECSI-75 (Hand Eczema Severity Index) nach 16 Wochen erreicht werden [28]. Dementsprechend scheint Dupilumab eine Therapieoption für Patienten mit zusätzlich bestehendem atopischem Ekzem zu sein. Weitere Studien sind jedoch erforderlich, um die Effektivität auch bei Patienten mit anderen Handekzemformen zu untersuchen.

Der Januskinase-Inhibitor Baricitinib ist seit Oktober 2020 für die Behandlung Erwachsener mit mittelschwerem bis schwerem atopischem Ekzem zugelassen [29]. Weitere Studien müssen zeigen, ob ein therapeutischer Einsatz auch beim chronischen Handekzem effektiv ist. Erste Berichte gibt es über den topischen Einsatz des pan-JAK-Inhibitors Delgocitinib [30].


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Weitere systemische Therapien

Weitere in Einzelfällen eingesetzte Therapeutika ohne Zulassung (Off-Label-Use) sind Azathioprin und Methotrexat. Die Verwendung von Acitretin kann bei hyperkeratotischen Hand- und Fußekzemen erwogen werden. Als Vitamin-A-Säure-Derivat ist Acitretin teratogen und streng kontraindiziert bei Schwangeren und Frauen im gebärfähigen Alter (Schwangerschaftsverhütung bis einschließlich 3 Jahre nach beendeter Behandlung erforderlich). Auf die entsprechende Fachinformation wird verwiesen.


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Physikalische Therapie

UV-Lichttherapie

Bei chronisch-rezidivierenden Verlauf des Handekzems ist bei Erwachsenen ab Therapiestufe II eine Lichttherapie indiziert (UVB, Creme- oder Bade-PUVA). PUVA-Therapie ist dabei gemäß einem aktuellen Cochrane Review einer Schmalspektrum-UVB-Lichttherapie überlegen [18] [21]. Aufgrund der guten Praktikabilität kommt meist die Creme-PUVA-Therapie zur Anwendung. Eine Kombination mit Retinoiden (einschließlich Alitretinoin) kann synergistisch wirken.


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Leitungswasser-Iontophorese

Bei der Leitungswasser-Iontophorese handelt es sich um eine galvanische Methode zur Behandlung der palmaren und plantaren Hyperhidrose sowie des dyshidrosiformen Handekzems. Nach einer initial täglichen Anwendung kann die Frequenz im Verlauf langsam reduziert werden, allerdings sind Rezidive nach Beendigung der Therapie häufig.

Fallbeispiel

Fall 3


Der 33-jährige Herr D. arbeitet seit 11 Jahren als Industriemechaniker. Seit einem halben Jahr treten Juckreiz, Bläschen und Rötungen an den Händen und Unterarmen nach Kontakt zu einem bestimmten Konstruktionsklebstoff auf. Zudem leidet er zuletzt zeitgleich auch unter Rötungen und Schwellungen im Gesichtsbereich (vgl. [Abb. 5]). Der Patient trägt keine Handschuhe, die Schutzbrille ist seitlich offen. Bei beruflichen Tätigkeiten ohne Kontakt zu Klebern besteht Symptomfreiheit.

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Abb. 5 Allergisches Handekzem und aerogenes allergisches Kontaktekzem mit Erythemen und z. T. Vesiculae (Quelle: Klinikum Nürnberg). a Klinisches Bild am Unterarm des Patienten (ähnliches Bild auch an den Händen). b Gesichtsbereich.

Procedere


Ein Hautarztverfahren wird aufgrund der Arbeitskongruenz mittels Hautarztbericht eingeleitet. Es erfolgt eine Epikutantestung mit den DKG-Reihen Standard, Kunstharze/Kleber und Bau-Hauptgewerbe. Hier lassen sich Typ-IV-Sensibilisierungen auf folgende Komponenten in Epoxidharzsystemen nachweisen:

  • 1,4-Butandiol-diglycidylether (Reaktivverdünner),

  • 1,6-Hexandiol-diglycidylether (Reaktivverdünner) und

  • Trimethylhexan-1,6-diamin (Härter).


Dementsprechend kann ein aerogenes allergisches Kontaktekzem und allergisches Handekzem bei Typ-IV-Allergie auf Härter und Reaktivverdünner von Epoxidharzen diagnostiziert werden.


Epoxidharze sind potente Kontaktallergene und weisen eine hohe Sensibilisierungspotenz auf. Sie werden u. a. in der Kunststoffindustrie, als Bindemittel von Klebstoffen, in Farben und Schutzanstrichen verwendet. Herauszustellen ist, dass bei ausschließlicher Testung der Standardreihe inklusive dem darin enthaltenen Epoxidharz die relevanten Kontaktallergene nicht identifiziert worden wären. Es sollten bei berufsassoziierten Handekzemen demzufolge immer berufsspezifische Reihen mitgetestet werden.


Bei Verdacht auf eine Epoxidharzallergie sollten Härter und Reaktivverdünner (DKG-Reihe Kunstharze/Kleber) mitgetestet werden.


Bei Herrn D. sistieren die Symptome nach Meidung des Kontaktes zu Konstruktionsklebstoffen vollständig.


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Prävention/berufliche Aspekte

Allen Patienten mit Handekzemen wird eine Veränderung des Lebensstils und der Gewohnheiten empfohlen. Identifizierte Allergene und Irritanzien sollen vermieden und möglichst durch andere Stoffe ersetzt werden, des Weiteren sollen Hautschutzmaßnahmen konsequent angewendet und Feuchtarbeiten sowie mechanische Irritationen vermieden werden ([19] [31] [32]; s. a. Infobox).

Beruflich verursachte oder verschlimmerte Handekzeme können zu einer Berufskrankheit (BK-Nr. 5101) führen. Dabei repräsentieren sie den überwiegenden Anteil an Fällen dieser Berufskrankheit und machen etwa ein Drittel aller angezeigten Berufskrankheiten aus.

Insbesondere bei Hochrisikoberufen (u. a. Gesundheits- und Pflegeberufe, Metallarbeiter und Mechaniker, Küchenberufe, Baugewerbe, Druckereitätigkeiten, Friseure und Kosmetiker) geht der Kontakt zu hautgefährdenden Stoffen (welche bspw. ätzende, irritative und sensibilisierende Eigenschaft haben können) sowie die Feuchtarbeit mit einem erhöhten Handekzemrisiko einher [33].

Zur Prävention der Entstehung einer Berufskrankheit wurde das „Hautarztverfahren“ geschaffen, welches mittels Hautarztbericht eingeleitet werden kann. Der zuständige Unfallversicherungsträger soll hiermit frühzeitig informiert werden, sodass entsprechende Präventionsmaßnahmen getroffen werden können. Diese umfassen neben der Anwendung von Hautschutz-, Hautpflege- und Hautreinigungsmitteln auch geeignete Schutzhandschuhe (s. Infobox). Bei der Versorgung mit geeigneten Handschuhen müssen die individuellen Arbeitsstoffe und Arbeitsanforderungen berücksichtigt werden.

Zum 1. Januar 2021 ist eine Änderung des Berufskrankheitenrechts in Kraft getreten, die auch für dermatologische Erkrankungen eine große Bedeutung hat. Während zuvor die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit („Unterlassungszwang“) eine Voraussetzung dafür war, dass die Berufskrankheit anerkannt wurde, so fällt diese Hürde nun weg. Maßgeblich sind jetzt ausschließlich die Schwere (z. B. Persistenz eines Handekzems trotz stadiengerechter Therapie über 6 Monate) oder die wiederholte Rückfälligkeit der Erkrankung. Damit kann nun sehr viel früher als bisher eine Berufskrankheitenanzeige gestellt werden [34].

Fazit

Take Home Message

Das Hautarztverfahren soll die Entstehung einer Berufskrankheit BK 5101 verhindern und wird meist mittels Hautarztbericht eingeleitet. Besteht der begründete Verdacht, dass eine BK 5101 vorliegt sollte eine Berufskrankheitenanzeige erfolgen.

Durch zusätzliche Angebote der Unfallversicherungsträger im Rahmen einer sekundären Individualprävention (SIP; ambulante Hautschutzschulung) und der tertiären Individualprävention (TIP; stationärer Aufenthalt in einer berufsdermatologischen Schwerpunktklinik mit anschließender nachstationärer Phase der Arbeitskarenz unter ambulanter hautfachärztlicher Betreuung) kann bei der Mehrheit der Patienten eine Besserung des Hautbefundes und damit ein Berufsverbleib erzielt werden [35].

Infobox

Hautmittel und Hautschutzmaßnahmen

Zum Hautschutzkonzept am Arbeitsplatz gehören neben Schutzhandschuhen die beruflichen Hautmittel. In Deutschland werden dazu Hautschutz, Hautpflege und Hautreinigungspräparate gezählt, die i. d. R. in Kombination eingesetzt werden [29].

Generelle Hautschutzmaßnahmen

  • Bei Feuchtarbeiten sollten Schutzhandschuhe (so oft wie nötig und so kurz wie möglich) getragen werden.

  • Schutzhandschuhe sollten sauber, intakt und auf der Innenseite trocken sein.

  • Bei Tragedauer  > 10 Minuten sollten Baumwollhandschuhe unter den Schutzhandschuhen getragen werden.

  • Fingerringe sollten während der Arbeit nicht getragen werden

  • Zum Geschirrspülen sollten Schutzhandschuhe über Baumwollhandschuhen getragen werden.

Hautschutzpräparate

  • Anwendung während der Arbeitszeit

  • Verringerung von Hautirritationen durch Arbeitsstoffe

  • Stabilisierung der Hautbarriere bei Feuchtbelastungen

  • erleichtertes Entfernen von Verschmutzungen

Hautreinigung und Händedesinfektion

  • Eine hohe Handwaschfrequenz stellt einen Risikofaktor für die Entstehung von Handekzemen dar.

  • Der Einsatz milder Reinigungsprodukte mit optimalem pH wird empfohlen (pH 5,5).

  • Bevorzugung von alkoholischer Händedesinfektion (mit rückfettendem Zusatz), da dies die Haut weniger irritiert als eine Reinigung mit Seife.

Hautpflege

  • Regeneration der Hautbarriere

  • Einsatz bevorzugt nach der Arbeit

  • Verteilung auf der gesamten Handoberfläche inkl. Interdigitalfalten, Fingerspitzen und Handrücken

(nach [6] [31])


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Handekzeme in der COVID-19-Pandemie

Im Rahmen der COVID-19-Pandemie kam es durch die neu auferlegten Hygienevorschriften zu einer deutlichen Zunahme der Handhygienemaßnahmen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) empfiehlt regelmäßiges Händewaschen mit Seife für mindestens 20–30 s. Auch im Gesundheitswesen wurden Handhygienemaßnahmen mittels Desinfektion und Händewaschen intensiviert. Damit stellt sich die Frage, welche Auswirkung die genannten Maßnahmen auf die Inzidenz von Handekzemen haben. In einer Studie konnte eine Frequenz von Handekzeme bei 50,4 % der Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die in die Versorgung von COVID-19-Patienten involviert sind, nachgewiesen werden [36]. In einer anderen Studie aus München berichteten 90,4 % der auf COVID-19-Stationen beschäftigten Mitarbeiter Symptome, die mit einem akuten Handekzem assoziiert sind, wobei ein tatsächliches Handekzem nur bei 14,9 % der Probanden nachgewiesen werden konnte [37].

Merke

Da Hygienemaßnahmen unseren Alltag voraussichtlich noch eine lange Zeit begleiten werden, besteht die Herausforderung darin, der Entstehung von Handekzemen sowohl in der Normalbevölkerung als auch im Gesundheitswesen durch geeignete Präventionsmaßnahmen vorzubeugen.

Kernaussagen
  • Handekzeme gehören zu den häufigen dermatologischen Erkrankungen und haben eine große gesundheitsökonomische Bedeutung.

  • Die Genese des Handekzems ist multifaktoriell, eine einheitliche und allgemeingültige Klassifikation existiert bisher nicht.

  • Die drei häufigsten Faktoren, die zur Auslösung eines Handekzems führen, sind irritative Schädigung, Kontaktallergie und atopische Diathese.

  • Die Therapie des Handekzems erfolgt stadienadaptiert. Oft ist ein multimodales Therapiekonzept erforderlich, das neben Basispflegemaßnahmen, topischer Therapie und UV-Licht auch den Einsatz systemischer Medikamente vorsieht.

  • Beruflich verursachte oder verschlimmerte Handekzeme können zur Berufskrankheit (BK-Nr. 5101) führen. Besteht der Verdacht auf ein beruflich getriggertes Handekzem, sollte ein Hautarztverfahren mittels Hautarztbericht eingeleitet werden.

Erratum

Handekzeme: Ätiologie, Diagnostik und therapeutisches Management
Baur V, Schultz ES. Akt Dermatol 2021; 47: 385–400. doi:10.1055/a-1106-9108
Im oben genannten Artikel wurde die Nummerierung der Literatur im Literaturverzeichnis falsch abgedruckt, sodass die Zuordnung von Literaturverweisen im Text und Literaturverzeichnis nicht möglich war.

Die korrigierte Version des Artikels finden Sie frei abrufbar unter: https://eref.thieme.de/F5C4N.

Wir bitten die Autorin Vera Baur und den Autor Erwin S. Schultz um Entschuldigung!

Hinweis: Dieser Beitrag wurde gemäß Erratum vom 11. 10. 2021 geändert.


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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Vera Baur, Nürnberg.


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Autorinnen/Autoren


Vera Baur

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Jahrgang 1982; Dr. med., Fachärztin für Dermatologie, Zusatzbezeichnung: Allergologie. 2001–2008 Studium der Humanmedizin an der Philipps-Universität Marburg. 2008–2014 Weiterbildungsassistentin und seit 2015 Oberärztin an der Klinik für Dermatologie, Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, Klinikum Nürnberg Nord. Tätigkeitsschwerpunkte: Allergologie, Dermatochirurgie, allgemeine Dermatologie. Klinische Schwerpunkte: Allergologie


Erwin S. Schultz

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Prof. Dr. med. Studium der Humanmedizin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. 1998–2000 Forschungsaufenthalt am Ludwig Institute for Cancer Research, Brüssel. 1998 Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten. 2005–2008 Professor für Dermatoonkologie, Philipps-Universität, Marburg. 2002 Habilitation. Seit 2008 Leitender Arzt der Klinik für Dermatologie, Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, Klinikum Nürnberg Nord.

Interessenkonflikt

Erklärung zu finanziellen Interessen

Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Nicht-Sponsor der Veranstaltung): nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Sponsor der Veranstaltung): nein.

Erklärung zu nicht-finanziellen Interessen

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Vera Baur
Klinik für Dermatologie
Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität
Klinikum Nürnberg, Standort Nord
Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1
90419 Nürnberg
Deutschland   

Publication History

Article published online:
19 August 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Als Folge repetitiver Einwirkung von Irritanzien kam es zur Entstehung eines irritativen Handekzems, welches sich nach jahrelangem Bestehen morphologisch hyperkeratotisch-rhagadiform präsentiert (Quelle: Klinikum Nürnberg).
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Abb. 2 Klinisches Bild des irritativen (subtoxisch-kumulativen), allergischen und atopischen Handekzems (Quelle: Klinikum Nürnberg). a Schweres, irritatives (kumulativ-subtoxisches) Handekzem bei einer Reinigungskraft, es sind überwiegend die Handrücken betroffen. b Allergisches Handekzem, ausgelöst durch das Tragen von Gummihandschuhen bei Typ-IV-Allergie gegenüber Thiuramen (Gummiinhaltsstoffen). Typische Streureaktionen sind am Unterarm volar sichtbar. c Atopisches Handekzem, das sich überwiegend mit nummulären Ekzemherden präsentiert. d Vorwiegend dyshidrosiforme Bläschen bei einem Patienten mit atopischem Handekzem.
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Abb. 3 Zustand vor Behandlungsbeginn mit Alitretinoin (Quelle: Klinikum Nürnberg).
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Abb. 4 Nahezu abgeheilten Hautbefund ca. 6 Monate nach der Therapie mit Alitretinoin (Quelle: Klinikum Nürnberg).
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Abb. 5 Allergisches Handekzem und aerogenes allergisches Kontaktekzem mit Erythemen und z. T. Vesiculae (Quelle: Klinikum Nürnberg). a Klinisches Bild am Unterarm des Patienten (ähnliches Bild auch an den Händen). b Gesichtsbereich.