Klin Monbl Augenheilkd 2019; 236(09): 1076-1080
DOI: 10.1055/a-0914-3183
Übersicht
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Medikamentöse Therapieansätze für die nicht neovaskuläre AMD

Pharmacotherapy of Non-neovascular AMD
Oliver Zeitz
Klinik für Augenheilkunde, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
Dominik Pascal Frentzel
Klinik für Augenheilkunde, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
Anne Rübsam
Klinik für Augenheilkunde, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
Ira Seibel
Klinik für Augenheilkunde, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
Aline Isabel Riechardt
Klinik für Augenheilkunde, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
Claudia Brockmann
Klinik für Augenheilkunde, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
Friederike Meißner
Klinik für Augenheilkunde, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
Antonia M. Joussen
Klinik für Augenheilkunde, Charité Universitätsmedizin Berlin
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Korrespondenzadresse

Prof. Oliver Zeitz
Klinik für Augenheilkunde
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin
Hindenburgdamm 30
12203 Berlin
Phone: + 49 (0) 3 04 50 55 43 02   
Fax: + 49 (0)3 04 50 55 49 00   

Publication History

eingereicht 01 April 2019

akzeptiert 29 April 2019

Publication Date:
30 July 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund Die nicht neovaskuläre (trockene) altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist bis heute nicht behandelbar. Dieser Artikel fasst die klinischen Forschungsansätze für eine medikamentöse Therapie zusammen und analysiert, warum diese nicht zum Erfolg geführt haben.

Material und Methoden Literatur und Datenbankrecherche.

Ergebnisse Insgesamt ist die Zahl der verfolgten Therapieansätze begrenzt. Nur die Reduktion von Lipofuscinablagerungen und Drusen ist spezifisch für die AMD. Weitere Ansätze sind die Modulation der Entzündung und Neuroprotektion. Derzeit konnte mit keinem der Verfahren in einer konfirmatorischen Studie das Voranschreiten der AMD gestoppt oder verlangsamt werden.

Diskussion Um die Chancen für Entwicklungserfolge zu erhöhen, muss der aktuell begrenzte pharmakologische Target Space durch die Anwendung molekularer Netzwerkanalysen erweitert werden. Da bei der trockenen AMD der Visus oft nicht der primär betroffene Parameter ist, muss flankierend die Perspektive Betroffener näher untersucht werden, um sinnvolle Therapieziele jenseits des Visus zu definieren.


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Abstract

Background Non-neovascular age-related macular degeneration (AMD) is not yet treatable. This article summarises current clinical research approaches. The reasons for the current lack of success are analysed.

Methods Literature and databank search.

Results The number of therapeutic approaches and mechanisms is limited. Only reduction in lipofuscin containing deposits is specific for AMD. Further approaches include modulation of inflammation and neuroprotection. Confirmatory studies have failed to demonstrate efficacy in AMD, i.e. slowing or stopping AMD progression.

Discussion To increase the probability of success for future developments, the pharmacological target space needs to be broadened. This may be achieved by application of molecular network analyses. As visual acuity is commonly not primarily affected by non-neovascular AMD, research on patient perspective is required to define reasonable target profiles for future therapies.


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Einleitung

Im Gegensatz zur neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration (AMD) ist die nicht neovaskuläre (oder auch trockene) AMD bis heute nicht behandelbar. Warum ist das so? Und wie sind die Aussichten, dass sich das auf absehbare Zeit ändert?

Die bislang unternommenen Versuche, eine Therapie für die trockene AMD zu etablieren, zielten auf verschiedene Stadien der AMD ab. Die Therapieziele und teilweise auch die möglichen Therapiemechanismen sind aber je nach Stadium unterschiedlich. In den frühen und mittleren Stadien, also den AREDS-Stadien I bis III (AREDS: age-related eye disease study), steht die Prävention einer Progression im Vordergrund, denn die Betroffenen haben keine oder nur wenig Beschwerden. Im Spätstadium (AREDS-Stadium IV) ist die Sehfunktion bei der trockenen AMD durch die geografische Atrophie beeinträchtigt und begrenzt. Auch hier gibt es präventive Therapieansätze, die darauf abzielen, die Ausdehnung der geografischen Atrophie zu stoppen. Aus der Patientenperspektive wäre bei der geografischen Atrophie allerdings auch erstrebenswert, wenn eine Therapie bereits verloren gegangene Sehschärfe wiederherstellen könnte. Wie bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen auch, stellt dies aber eine besondere und ungelöste Herausforderung dar. Hoffnungen ruhen hier vor allem auf zell- und gentherapeutischen Ansätzen, die in einem anderen Beitrag des Themenschwerpunktes zusammengefasst werden [1].


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Material und Methoden

Der Artikel basiert auf einer PubMed-Recherche, einer Recherche in clinicaltrials.gov als Register für klinische Studien sowie offiziellen öffentlichen Mitteilungen von Unternehmen, die im Bereich der nicht neovaskulären AMD forschen. Die Recherchen wurden im März 2019 durchgeführt.

Reduktion von Drusen und lipofuscinhaltigen Ablagerungen

Drusen sind Ablagerungen von Advanced Glycation Endproducts (AGE), insbesondere Lipofuscin und A2E. Da mit zunehmender Größe und Zahl der Drusen das Risiko der Progression in ein AMD-Spätstadium steigt, wird angenommen, dass Drusen unmittelbar an der Progression mechanistisch beteiligt sind. Die Ablagerungen sollen – so gängige Annahmen – eine chronische Entzündung im Bereich des retinalen Pigmentepithels (RPE) und der Netzhaut unterhalten, die wiederum zu weiteren Ablagerungen von AGE führt und so in einem Teufelskreis die Erkrankung vorantreibt. Vor diesem Hintergrund ist die Reduktion von Drusen und Lipofuscinablagerungen ein wichtiger Entwicklungsansatz für Therapien der frühen und mittleren AMD-Stadien. Die Reduktion der Drusen wird laserchirurgisch (Alten F et al. – in Begutachtung, tbd.) und pharmakologisch versucht.

Pharmakologische Ansätze greifen auf der Ebene der Lipofuscinbildung an. Lipofuscin in den Drusen ist die Aggregation nicht abbaubarer Stoffwechselprodukte aus dem Sehzyklus. Wenn die Produktion von All-trans-Retinal im Sehzyklus dessen Recyclingkapazität übersteigt, entsteht ein Überschuss von All-trans-Retinal, was – bildlich gesprochen – aus dem Sehzyklus leckt. Das überschüssige All-trans-Retinal dimerisiert und ist die Grundlage für die Bildung von A2E. Ein verlangsamter Sehzyklus, wie er z. B. beim älteren Menschen auftritt, begünstigt das „Leck“ aus dem Sehzyklus und damit die A2E-Produktion.

A2E ist zytotoxisch und schädigt das RPE und die Photorezeptoren. Es gab in der näheren Vergangenheit Versuche, den Sehzyklus so zu modulieren, dass das „Leck“ von All-trans-Retinal reduziert wird. Das Ziel dieser Therapien ist letztlich, A2E-Ablagerungen und damit Drusen zu reduzieren.

Aus Praktikabilitätsgründen werden neue Therapieansätze nicht in den frühen und mittleren Stadien der AMD getestet, wenngleich sie konzeptionell für eine Verhinderung der Progression auch – oder evtl. sogar besonders – für diese Stadien der AMD geeignet wären. Hierfür wären allerdings sehr große und lange Präventionsstudien erforderlich. Um dies in den frühen klinischen Entwicklungsphasen zu umgehen, werden neue Therapien zur Ableitung erster Wirksamkeitssignale bei geografischer Atrophie oder bei Morbus Stargardt getestet. Die geografische Atrophie schreitet nach den Ergebnissen der FAM-Studie insbesondere in Bereichen fort, in denen die A2E-bedingte Autofluoreszenz erhöht ist [2], [3]. Gleichzeitig ist die Progressionsgeschwindigkeit der von der geografischen Atrophie betroffenen Fläche relativ hoch, sodass im Verlauf einiger Monate Veränderungen nachweisbar sind. Morbus Stargardt ist seinerseits eine Erkrankung, die monogenetisch durch Defekte im ABCA4-Gen charakterisiert ist, was ebenfalls zu Ablagerungen von A2E führt [4]. Damit sind bei der geografischen Atrophie und bei Morbus Stargardt klinische Wirksamkeitssignale in vergleichsweise überschaubaren Studien zu generieren.

Eines der ersten Moleküle, das die Lipofuscinbildung hemmen sollte, ist Fenretinid (Sirion Therapeutics, Tampa, USA). Fenretinid inhibiert die Aufnahme von Vitamin A aus der Blutbahn. Damit steht dem Sehzyklus weniger Vitamin A zur Verfügung und der Überschuss von All-trans-Retinal wird durch geringere Neubildung verkleinert. Eine Phase-II-Studie in Patienten mit geografischer Atrophie konnte kein Wirksamkeitssignal ableiten [5].

Emixustat (Acucela Inc., Seattle, USA) moduliert den Sehzyklus an RPE65. Auch auf diesem Wege wird die Menge an Vorprodukten von A2E reduziert. Eine Wirksamkeit auf die Progressionsgeschwindigkeit der geografischen Atrophie konnte in einer ca. 500 Patienten umfassenden Phase-II/III-Studie nicht nachgewiesen werden [6]. Gleichzeitig zeigte sich mit Emixustat auch eines der Kernprobleme der Visual Cycle Inhibition: Die Drosselung des Sehzyklus führt nicht nur zu der erwünschten Reduktion von A2E-Vorstufen, sondern auch zu einer Beeinträchtigung der Sehfunktion. Diese tritt insbesondere bei der Dunkeladaptation und der Farbwahrnehmung zutage [7].

Das Problem der behandlungsinduzierten Sehstörungen versuchen Alkeus Pharmaceuticals (Boston, USA) mit ALK-001 und Vision Medicines (http://visionmedicines.com) mit VM200 zu umgehen. Beide Moleküle verhindern die Dimerisierung von All-trans-Retinal und blockieren damit die Bildung einer wichtigen A2E-Vorstufe. Sie greifen also direkt am „Leck“ des Sehzyklus an, ohne den Durchsatz des intakten Sehzyklus zu beeinflussen. ALK-001 ist eine deuterierte Variante von Vitamin A. Durch die Deuterierung am C20-Atom wird die Dimerisierung erschwert [8], [9]. Klinische Wirksamkeitsdaten liegen noch nicht vor. Eine Studie bei Morbus-Stargardt-Patienten (NCT02402660) und eine bei geografischer Atrophie (NCT03845582) sind auf clinicaltrials.gov als aktiv gelistet [10]. VM200 ist eine kleinmolekulare Aldehyd-Trap und neutralisiert durch eine chemische Reaktion die toxische Aldehydgruppe von All-trans-Retinal [11]; klinische Daten zu VM200 sind bisher öffentlich nicht bekannt.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es verschiedene gentherapeutische Ansätze gibt, den Sehzyklus zu modulieren, von denen allerdings viele in frühen Entwicklungsphasen stecken. Der bekannteste und am weitesten fortgeschrittene Vertreter jedoch dürfte Voretigene Neparvovec als erste FDA-zugelassene Gentherapie sein. Die Indikationen sind Netzhautdystrophien mit bestätigter biallelischer RPE65-Mutation [12]. Alle derzeitigen Ansätze sind für monogenetische Erkrankungen bestimmt. Dazu ist die trockene AMD nicht zu rechnen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Zahl der Entwicklungsprogramme mit einem substanziellen Umfang an klinischen Daten begrenzt ist. Ein überzeugendes Proof of Principle für einen therapeutischen oder präventiven Effekt steht also aus, denn bislang konnte die Progression der AMD durch Reduktion von Drusen oder Lipofuscinablagerungen weder verlangsamt noch gestoppt werden.


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Modulation der entzündlichen Komponente

Es gibt deutliche Hinweise, dass die AMD eine entzündliche Komponente hat [13], [14], [15]. Die Entzündungshypothese rückte in den Mittelpunkt des Interesses, als durch Ergebnisse des Human-Genome-Projektes bekannt wurde, dass Polymorphismen im Komplementsystem sehr deutlich mit dem Risiko der Entwicklung einer AMD vergesellschaftet sind [16], [17], [18], [19].

Seither sind verschiedene Komplementinhibitoren in klinischen Studien für die altersbedingte Makuladegeneration untersucht worden. Bislang wurden die Studien bei Patienten mit geografischer Atrophie durchgeführt. Lampalizumab (Hoffmann-La Roche, Basel, Schweiz) ist ein intravitreal applizierter Komplement-Faktor-D-Inhibitor. Nach hoffnungsvollen Daten in der Phase II [20], konnte in 2 Phase-III-Studien keine Wirksamkeit auf die Progressionsgeschwindigkeit der geografischen Atrophie nachgewiesen werden [21].

Derzeit befindet sich ein mit dem Molekül APL-2 (Apellis Pharmaceuticals, Crestwood, USA) ein C3-Inhibitor in Phase III (NCT03525600) [22]. Der Komplementfaktor C3 nimmt in der Aktivierungskaskade des Komplementsystems eine sehr zentrale Rolle ein, sodass – zumindest theoretisch – eine breite Unterdrückung der Konsequenzen möglich ist. Daten aus Phase II legen nach Firmenangaben nahe, dass APL-2 die Progressionsgeschwindigkeit der geografischen Atrophie reduziert [23].

Eculizumab ist ein gegen den humanen Komplementfaktor C5 gerichteter Antikörper. Eculizumab ist von der FDA für die Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie und dem atypischen hämolytischen urämischen Syndrom zugelassen. In der COMPLETE-Studie wurde es – systemisch verabreicht – für die geografische Atrophie untersucht. In dieser mit 30 Patienten sehr kleinen Investigator-sponsored Study konnte kein Effekt auf die Progressionsgeschwindigkeit der geografischen Atrophie nachgewiesen werden [24].

Andere antiinflammatorische Ansätze wurden oder werden als mögliche Therapie der trockenen AMD untersucht. Dies schließt Steroide, mTOR-Inhibitoren und andere Immunmodulatoren ein [25], [26]. Allerdings sind die Studien sehr klein und/oder die öffentlich verfügbaren Informationen für eine detaillierte Diskussion zu spärlich.

Zusammenfassend ist die Zahl der Studien und untersuchten Mechanismen bez. der Entzündung begrenzt. Während die Bedeutung von Polymorphismen in Bezug auf das genetisch determinierte Erkrankungsrisiko klar belegt ist, ist derzeit eher unsicher, ob das Komplementsystem ein attraktives pharmakologisches Target ist; der Nachweis eines klaren Effektes steht aus. Die Hoffnungen ruhen vor allem auf APL-2 als mutmaßlich sehr breitem Inhibitor verschiedener Effekte des Komplementsystems.


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Neuroprotektion

Ein traditionelles Konzept zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen ist die Neuroprotektion. In Verbindung mit der trockenen AMD sind hier im Wesentlichen die Kandidaten NT-501 und Brimonidin zu nennen. NT-501 (Neurotech, Cumberland, USA) ist ein Implantat, in dem sich verkapselte humane Zellen befinden, die Ciliary neurotrophic Factor produzieren. Das Implantat wird über die Pars plana in das Auge implantiert. In einer 36 Patienten umfassenden Pilotstudie war die Sehschärfe bei mehr Patienten mit einem aktiven NT-501-Implantat stabil, als dies in der Kontrollgruppe der Fall war [27]. Hoffnungsvolle Ergebnisse wurde mit NT-501 auch bei makulären Teleangiektasien Typ 2 erhoben [28].

Brimonidin (Allergan, Irvine, USA) ist ein aus der Glaukomtherapie gut bekannter Alpha-2-Agonist, dem neben den augendrucksenkenden Eigenschaften auch neuroprotektive Eigenschaften zugewiesen werden. Bislang gab es keine konklusiven klinischen Daten und die letzte Multicenterstudie wurde terminiert (NCT02087085) [29].

Neuroprotektive Therapien haben das grundsätzliche Problem, dass geschädigte Zellen in einem schädigenden Milieu artifiziell am Leben erhalten werden sollen. Selbst wenn dies gelingt, ist es fraglich, ob die überlebenden Zellen eine sinnvolle Funktion haben können.


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Diskussion

Die Behandlung der nicht neovaskulären AMD ist weiterhin ein ungelöstes Problem. Der langsame oder sogar fehlende Fortschritt ist dadurch begründet, dass nur eine sehr begrenzte Anzahl an möglichen Therapiekonzepten zur Verfügung steht. Das Konzept der Neuroprotektion ist unspezifisch und im Grundsatz auf jede neurodegenerative Erkrankung anwendbar – und dies, ohne dass es bereits robuste Anwendungsbeispiele aus anderen Therapiegebieten gäbe. Ebenso unspezifisch ist die Modulation der Entzündung. Es verbleibt als einziges, spezifisch auf mutmaßliche Mechanismen der AMD zugeschnittenes Konzept die Bekämpfung von Drusen bzw. Lipofuscinablagerungen. Die bislang zur Verfügung stehende Evidenz aus den verschiedenen Ansätzen, welche die Bildung von Lipofuscin pharmakologisch hemmen sollen, legen aber nahe, dass die reine Reduktion der Lipofuscinablagerungen das Voranschreiten der Krankheit nicht aufhalten kann. Dies führt zu dem Schluss, dass nur mit einer Erweiterung des Target Space, also der Gesamtheit aller bekannten pharmakologisch beeinflussbaren Krankheitsmechanismen, Erfolge in der Behandlung der nicht neovaskulären AMD zu erzielen sind. Die Erweiterung des Target Space wiederum setzt voraus, dass das Krankheitsverständnis überarbeitet wird. Dazu muss das Methodenspektrum zur Untersuchung der Erkrankung erweitert werden. Bildgebende Methoden, welche die derzeitigen Forschungen zur trockenen AMD dominieren, haben sich zwar in der Beschreibung von Verläufen der Krankheit bewährt. Für ein besseres Verständnis der Erkrankung müssen sie aber durch molekulare Netzwerkanalysen ergänzt werden. Nur auf diesem Wege werden sich Einblicke gewinnen lassen, wie genetische Faktoren, Stoffwechselzustände, lokale Faktoren, Umweltfaktoren und weitere Aspekte wie die individuelle Entzündungsreaktion ineinandergreifen und unter welchen Umständen eine AMD entsteht und voranschreitet. Aus den Ergebnissen lassen sich neue therapeutische Targets für neue Therapieansätze ableiten.

Neben dem mechanistischen Krankheitsverständnis muss auch die Patientenperspektive besser verstanden werden. Die erfolgreichen Anti-VEGF- und Steroid-Therapien bei neovaskulären Makulaerkrankungen sind zugelassen worden, weil sie den Visus, gemessen als bestkorrigierte Sehschärfe, erhalten oder verbessern. Eine Visusveränderung ist aber bei einer erfolgreich entwickelten Therapie der trockenen AMD nicht unbedingt zu erwarten – entweder, weil der Visus bei Präventionstherapien noch voll erhalten ist, oder weil, wie bei der geografischen Atrophie, die Sehschärfe durch ein Aufhalten der extrafovealen Progression nicht maßgeblich beeinflusst wird. Es werden also neue Endpunkte benötigt, mit denen die Wirksamkeit einer Therapie und deren gesundheitsökonomische Bedeutung nachgewiesen werden kann. In den letzten Jahren gab es hier, insbesondere im Zusammenhang mit den oben dargestellten Entwicklungsprogrammen, Bewegung aufseiten regulatorischer Behörden [30], [31]. Endpunkte wie die Progressionsgeschwindigkeit der geografischen Atrophie sind im Grundsatz vermutlich akzeptabel. Die Übersetzung dieser Effekte in tragfähige gesundheitsökonomische Modelle zur Rechtfertigung von Behandlungs- und Medikamentenkosten steckt noch in den Anfängen. Daher ist es flankierend zur weiteren Charakterisierung der Krankheitsbiologie erforderlich, ein neues Verständnis für die Perspektive der Patienten zu entwickeln, um sinnvolle Therapieziele zu definieren.


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Interessenkonflikt

Oliver Zeitz: Beratungstätigkeit für Bayer, Mitarbeiter der Bayer AG bis 30.09.2016, Beratungstätigkeit für Omeicos Therapeutics, Boehringer-Ingelheim, Refententätigkeit für Bayer und Novartis. Ira Seibel: Referententätigkeit für Bayer, Novartis, Pharm-Allergan. Antonia M. Joussen: Beratungstätigkeit für Bayer AG, Novartis, Allergan, Omeicos.


Korrespondenzadresse

Prof. Oliver Zeitz
Klinik für Augenheilkunde
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin
Hindenburgdamm 30
12203 Berlin
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Fax: + 49 (0)3 04 50 55 49 00