Erfahrungsheilkunde 2019; 68(04): 169
DOI: 10.1055/a-0903-0994
Editorial
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„Entgegen der landläufigen Meinung führt die multiple Sklerose nicht zwangsläufig zu schweren Behinderungen. Auch viele Jahre nach Beginn der Erkrankung bleibt die Mehrzahl der Patienten noch gehfähig.“

(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Multiple_Sklerose)
Volker Schmiedel
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Publication Date:
16 August 2019 (online)

Die meisten Menschen, die mit der bedrohlichen Diagnose MS konfrontiert werden, haben sofort das Bild des Rollstuhls vor Augen. Mitunter wird dieses Bild von Ärzten auch noch geschürt, die den manchmal zögernden Patienten zu einer medikamentösen Therapie drängen wollen. In diesem Heft werden zahlreiche naturheilkundliche Optionen aufgeführt, die eine rationale Grundlage haben und empirisch bereits in zahlreichen Fällen zu helfen vermochten.

Das Coimbra-Protokoll ist sicher eine der sensationellsten medizinischen Entwicklungen in der Medizin überhaupt. Sensationell, weil kaum für möglich gehaltene Therapieerfolge bei MS berichtet werden. Sensationell, weil für den konventionellen Mediziner Vitamin-D-Dosierungen im absolut toxischen Bereich eingesetzt werden. Wir erfahren hier, dass es nicht nur um Vitamin D geht, und dass dieses Therapiekonzept in den richtigen Händen praktisch ungefährlich ist.

Eine sehr umfassende Übersicht über die Möglichkeiten der funktionellen Medizin – bevorzugt mit orthomolekularer Therapie – zeigt uns, wie viele Substanzen eingesetzt werden können sowie die wissenschaftliche Datenlage.

Neben dem Vitamin D ist die wohl wichtigste Substanz bei neurologischen und bei entzündlichen Erkrankungen das Omega-3. Ohne Omega-3 – allerdings wirken hier nur die maritimen Fettsäuren EPA/DHA, nicht die pflanzliche ALA – kann ich mir eine vernünftige Therapie der MS heute nicht mehr vorstellen.

MS in der heutigen Form ist zwar in den ayurvedischen Texten nicht beschrieben, sie stellt aber auch eine Störung der Doshas dar und ist daher natürlich einer konstitutionell ausgleichenden Therapie wie dem Ayurveda zugängig. Ernährung, Massagen und meditative Praktiken sind hier vorrangige Therapien.

Eine Besonderheit ist ein Patientenbericht eines von MS Betroffenen. In unseren Artikeln schreiben wir Autoren meist theoretisch über die Diagnostik und Therapie von Krankheiten. Manchmal fügen wir auch Kasuistiken ein. Aber dass ein Patient über seine eigene Therapie, sein Erleben und seine Gefühle dabei berichtet, ist für mich persönlich überzeugender als eine große Meta-Analyse.

Naturheilkundler beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit dem Mikrobiom – auch wenn wir das lange Zeit „Darmflora“ nannten. Mikrobiota (die Gesamtheit der Darmbakterien) und Mikrobiom (der Genpool der Darmbakterien) geraten zunehmend in den Fokus der konventionellen Medizin. Es existiert kaum eine Krankheit, die nicht auch mit dem Mikrobiom verbandelt ist. Über die Zusammenhänge zu MS erfahren wir hier Grundlegendes und Neues.

Ich muss gestehen, dass ich wohl ein wenig ungläubig geschaut habe, als man uns einen Artikel über therapeutisches Klettern bei MS anbot. Der Bericht schildert aber anschaulich, zu welchen Leistungen MS-Patienten fähig sind – und wie sich diese positiv auf ihre Lebensqualität auswirken.

Der Beitrag über therapeutische Kommunikation beschäftigt sich nicht speziell mit der Kommunikation bei MS, hat aber natürlich auch hier genauso Bedeutung wie bei anderen Krankheiten – wenn nicht noch mehr. Gerade hier ist eine sensible Gesprächsführung ganz entscheidend für die Prognose des Patienten.

Ich hoffe, wir haben ein buntes Potpourri über die therapeutischen Möglichkeiten bei einer bisher für unheilbar gehaltenen Erkrankung zusammengestellt. Heilung kann auch mit diesen Maßnahmen nicht versprochen werden, aber Stillstand der Erkrankung, Besserung der Lebensqualität und sogar funktionelle Besserungen können dem Patienten in Aussicht gestellt werden. Allein diese Botschaft kann eine heilende Wirkung entfalten.

Mit herzlichen Grüßen

Dr. Volker Schmiedel