Rofo 2019; 191(11): 975-977
DOI: 10.1055/a-0893-6813
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die spontane Pneumatosis – ein beeindruckender radiologischer Befund

Spontaneous Pneumatosis – An Imprinting Finding
Anne Bettina Paets
1   Paediatric Radiology, University-Hospital Leipzig, Germany
,
Karl-Titus Hoffmann
2   Neuroradiology, University-Hospital Leipzig, Germany
,
Patrick Stumpp
3   BAG Dr. Richter & Dr. Stumpp, Practice for Radiology, Wurzen, Germany
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Publication Date:
25 July 2019 (online)

Einleitung

Pneumatosis beschreibt ganz allgemein den Zustand von extraluminaler Luft im Körper. Sie kann dabei in ganz unterschiedlichen Lokalisationen auftauchen. Am bekanntesten ist die Pneumatosis intestinalis als intramurale Lufteinschlüsse des Gastrointestinaltraktes. Sie kann jedoch auch im Mesenterium und Mediastinum vorkommen und wird dann als Pneumatosis mesenterialis bzw. Pneumatosis mediastinalis bezeichnet. Sie tritt in jedem Alter ohne Geschlechtspräferenz auf (Takase et al. BMC Res Notes 2017; 10: 319). Sie tritt häufig, jedoch nicht ausschließlich bei Patienten unter Immunsuppression auf.

Die Pneumatosis stellt einen eindrucksvollen radiologischen Befund ganz unterschiedlicher Genese dar. Gefürchtet ist die „maligne“ Pneumatosis als lebensbedrohliches Krankheitsbild infolge eines Traumas oder einer Obstruktion, bspw. bei mesenterialer Ischämie. Sie kann jedoch auch spontan als seltener Zufallsbefund in der Bildgebung auftreten. Die Symptome sind hierbei sehr unspezifisch, sie können sich als milde abdominale Beschwerden darstellen, oft sind die Patienten jedoch auch völlig asymptomatisch. In der Regel ist die spontane, „benigne“ Pneumatosis nicht mit Peritonismus und kritisch kranken Patienten assoziiert, sodass die Klinik den entscheidenden Hinweis gibt, um die spontane Pneumatosis von einer obstruktiven oder traumatischen Genese zu unterscheiden (Feczko et al. RadioGraphics 1992; 12: 1069–1078).

Die Ursachen sind vielfältig. Aktuell existieren zur Ätiologie der Pneumatosis unterschiedliche Theorien:

  1. Mechanische Theorie: Infolge eines Traumas oder bei erhöhtem peristaltischem Druck kommt es zu Mikrotraumen der Mukosa, diese reißt ein und intraluminale Luft kann nach extraluminal submukosal migrieren (Feczko et al. RadioGraphics 1992; 12: 1069–1078).

  2. Theorie des Schleimhautschadens: Als Folge der medikamentösen Therapie mit Chemotherapeutika und Immunsuppressiva werden die hochproliferative Mukosa und das Lymphgewebe beschädigt. Intraluminale Luft kann durch die Schleimhautdefekte nach extraluminal entweichen (Patzik et al. RadioGraphics 1991; 11: 601–610).

  3. Bakterielle Theorie: Anaerobe Bakterien können in die Submukosa gelangen und bilden Gas, welches man in der CT erkennen kann. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass allein durch submukosale Injektion von anaeroben, gasbildenden Bakterien (z. B. Clostridium spp.) eine Pneumatosis hervorgerufen werden konnte (Yale et al. Arch Surg 1974 Jul; 109: 89–94). Dies wird auch unterstützt durch die Tatsache, dass die Gasbläschen bei der Pneumatosis einen erhöhten Hydrogenanteil aufweisen, was typisch für gasbildende Bakterien ist (Takase et al. BMC Res Notes 2017; 10: 319).

Es wird vermutet, dass die Pneumatosis mesenterialis und mediastinalis dadurch entsteht, dass die extraluminale Luft bei beschädigter Mukosa über Lymphbahnen weiter in Mesenterium und Mediastinum transportiert wird (Takase et al. BMC Res Notes 2017; 10: 319).

Das Vorkommen einer spontanen Pneumatosis wurde in Zusammenhang mit Entzündungen, pulmonalen Erkrankungen, Malignomen, Gefäßerkrankungen und verschiedenen Medikamenten beschrieben, aber auch bei Patienten unter Immunsuppression (Takase et al. BMC Res Notes 2017; 10: 319). Vielfach sind die Mechanismen in den genannten Patientengruppen noch nicht vollständig nachvollziehbar. Patienten unter Immunsuppression, bspw. nach Organtransplantationen, AIDS oder mit rheumatischen Erkrankungen, stellen jedoch eine Besonderheit dar, denn hier wird vermutet, dass durch die immunsuppressiven Medikamente die Schleimhaut geschädigt wird und somit die spontane Pneumatosis durch die Theorien Nr. 2 und 3 hervorgerufen werden kann.

Das Therapiekonzept besteht in den meisten Fällen in einem „wait and watch“, da es in den meisten Fällen spontan vollständig verschwindet. Treten milde Symptome auf, kann die Gabe von Steroiden, Antibiotika oder eine Sauerstofftherapie erwogen werden. Eine chirurgische Intervention ist in den Fällen einer spontanen Pneumatosis nicht notwendig (Al-Talib et al. Case Rep Gastroenterol 2009; 3: 286–292).