Phlebologie 2019; 48(03): 192-193
DOI: 10.1055/a-0890-8736
Leserbrief
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leserbrief zu Heft 1–2019 der Zeitschrift Phlebologie „Operative Phlebologie: Varizenrezidive“

Jens Alm
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Publication Date:
27 May 2019 (online)

 

    Das primäre Ziel, sowohl der offenen Operationstechniken, als auch der endovenösen Therapien zur Behandlung der Krampfadererkrankung sollte die sichere Ausschaltung des Rezirkulationskreislaufes beinhalten und für die Patienten eine Situation schaffen, möglichst lange rezidivfrei zu bleiben. Die Empfehlung, die Herr Mumme in seinem Artikel „Alarmierend hohe Raten sapheno-femoraler Rezidive nach endovenöser Lasertherapie“, Patienten, denen die Rezidivfreiheit wichtig ist, die Crossektomie und Strippingoperation als Therapie der ersten Wahl anzubieten und Hitzeablationen direkt an der tiefen Vene nur innerhalb von ethisch abgesicherten Studien durchzuführen, möchte ich widersprechen.


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    Herr Mumme beschreibt in seinem Artikel hohe Raten sapheno-femoraler Rezidive nach endovenöser Lasertherapie, die im Wesentlichen gestützt werden durch die angegebenen RCTs. Verglichen wurde hier die niveaugleiche operative Ligatur mit der Situation eines belastenden Stumpfes nach endovenöser Behandlung. Anhand dieser Studien nach zu schließen, dass alle Laserbehandlungen gleiche oder schlechtere Ergebnisse hinsichtlich der Entstehung von möglichen Rezidiven beinhalten, ist falsch interpretiert. Richtig ist die Aussage, dass wenn Sie den Katheter in 1–3 cm Abstand von der Vena femoralis communis platzieren und damit eine Stumpfbildung induzieren, wie in den Studiendesigns vorgesehen, keine besseren Ergebnisse im Vergleich zur niveaugleichen operativen Ligatur erzielt werden. Gerade in den Anfängen der endovenösen Behandlung der Krampfadererkrankung wurde nach diesem Design behandelt und da ist es nicht verwunderlich, dass heute so viele Rezidive nach endovenösen Behandlungen gesehen werden. Das liegt aber nicht an der Methode, sondern nur an der unzureichenden Behandlung. Die Empfehlungen der Industrie, die Katheter mit einem Abstand von 3 cm zur Vena femoralis communis zu platzieren wie beim Laser, stellt kein medico-legales Problem dar, sondern die Empfehlungen werden von der Industrie aufgeführt, um gegen Regressansprüche bei Komplikationen gewappnet zu sein. In Deutschland wird es sicherlich keinen Anwender geben, der den Katheter 3 cm vor der Vena femoralis communis platziert. Herr Mumme fordert in seinem Bericht als Konsequenz, dass nach endovenöser Therapie kein Crossenstumpf mit krankhaft veränderter Vena saphena magna zurückgelassen werden darf. Das teile ich absolut, gelingt aber nur, wenn man bis an die Vena femoralis communis therapiert.

    Im Dermatologikum Hamburg behandeln wir so entsprechend seit 7 Jahren und haben nach über 20 000 Eingriffen keinerlei Majorkomplikation gesehen, insbesondere keine Thromboembolien, narbige Stenosen oder Schäden am lymphatischen Gewebe. Inwieweit es bei offenen Revisionseingriffen im Bereich der Leiste zu lymphatischen Schäden kommt, ist bis dato durch keinerlei Studien belegt, wohl aber sehr gut vorstellbar. Bestärkt durch unsere sehr guten Ergebnisse behandeln wir entsprechend seit 6 Jahren Rezidive der Vena saphena magna und parva mit dem Radiallaser. Alleine im letzten Jahr wurden über 800 Patienten therapiert, ohne dass es auch hier zu den oben genannten Komplikationen gekommen ist. Die in dem Artikel der Kollegen Aglaia Gerontopoulou und Rass „Therapie des inguinalen Crossenrezidivs: Ist die offene Recrossektomie noch zeitgemäß?“ dargestellten Muster sapheno-femoraler Crossenrezidive a) Belassener Crossenstumpf, ist hervorragend geeignet für die endovenöse Katheterbehandlung, genauso wie die in dem Artikel der Kollegen Stenger und Hartmann „Die Chirurgie der Vena saphena parva-endoluminal oder operativ“ doppelte siphonartige Parvaeinmündung (2 Punktionen). In seinem Editorial kündigt Herr Mumme die Kollegen als 2 phlebologische Urgewächse an, die ihre Erfahrungen in dem Artikel weitergeben und die ihre persönlichen Einschätzungen im Hinblick auf die operativen und interventionellen Entwicklungen bei der Therapie der Parvainsuffizienz darlegen. Die Kollegen stellen ihre Operationstechnik der niveaugleichen Parvacrossektomie dar, die ich persönlich für die ideale offene Operationstechnik halte. Es fehlen aber, genauso wie für die niveaugleiche Katheterbehandlung der Vena saphena magna, prospektiv randomisierte Studien. Herr Mumme unterlässt es aber hier, Empfehlungen auszusprechen, diese Technik nur im Rahmen ethisch abgesicherten Studien einzusetzen, wie für die endovenösen Verfahren empfohlen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kollegen Stenger und Hartmann aufgrund fehlender Studien fortan die Parvaligatur subfaszial durchführen, was ich auch im Hinblick einer möglichen Rezidiventwicklung für falsch erachte.

    Erfahrungen und persönliche Einschätzungen in der medizinischen Behandlung sind wichtig und Voraussetzung für die Initiierung wissenschaftlicher Studien. Diese sind notwendig für offene chirurgische Behandlungen und für die endovenösen Kathetertechniken. Bis dato gibt es keine einzige prospektiv randomisierte Studie, in denen die Behandlung der akzessorischen Gefäße, geschweige denn eine Platzierung eines Katheters direkt im Zustrom der Vena femoralis communis im Studiendesign vorgesehen ist und mit der offenen niveaugleichen Ligatur verglichen wird. Bedenkt man, dass einige Studien bereits jetzt schon gleiche Ergebnisse liefern, wie die niveaugleiche Ligatur, wird es spannend, beide Behandlungsformen bei gleichem primärem Endpunkt zu vergleichen.

    Obwohl heute die Zahl der endovenösen Behandlungen in Deutschland deutlich nach oben geht, kommt es nicht zu einer Abnahme der stationären Behandlungsfälle, in einigen Kliniken sogar zu einer Steigerung. Heute werden Patienten mit isolierter Seitenastvarikose und isolierter Perforansvarikose stationär therapiert, genauso wie junge gesunde Patienten zweizeitig an der Vena saphena parva, dreizeitig oder sogar vierzeitig in 3–6-monatigem Abstand, nur um das DRG zu erhalten. Wir haben unsere über 30 000 Patienten allesamt ambulant operiert und behandeln Leistenrezidive beidseitig in einer Sitzung. Es ist gar nicht auszudenken, wie viel Geld die Krankenkassen sparen würden, wenn alle Krampfaderoperationen ambulant durchgeführt, Krankenhausbetten abgebaut und Abteilungen geschlossen würden.

    Publikationshinweis

    Leserbriefe stellen nicht unbedingt die Meinung von Herausgebern oder Verlag dar. Herausgeber und Verlag behalten sich vor, Leserbriefe nicht, gekürzt oder in Auszügen zu veröffentlichen.


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    Jens Alm

    Chirurg-Gefäßchirurg
    Leiter der Gefäßabteilung
    am Dermatologikum Hamburg
    Stephansplatz 5
    20354 Hamburg
    E-Mail: alm@dermatologikum.de

    Interessenkonflikt

    Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.