Aktuelle Dermatologie 2019; 45(06): 291-293
DOI: 10.1055/a-0885-4860
Eine Klinik im Blickpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Isolierte Ziegen- und Schafsmilchallergie

Isolated Goat’s and Sheep’s Milk Allergy
D. Tomsitz
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
,
K. Reidenbach
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
,
C. Kugler
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
,
T. Biedermann
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
,
U. Darsow
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Ulf Darsow
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Technische Universität München
Biedersteiner Str. 29, 80802 München

Publication History

Publication Date:
05 June 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Ein 23-jähriger Patient erlitt mehrere anaphylaktische Reaktionen nach dem Verzehr von Schafsmilch- und Ziegenmilchkäse bei gleichzeitiger Toleranz von Kuhmilchprodukten. Die Pricktestung und die serologische Diagnostik zeigten eine Sensibilisierung gegen Ziegen- und Schafsmilch. Eine orale Provokation mit Kuhmilch sowie Rohmilch wurde vertragen. Wir diagnostizierten eine isolierte Ziegenmilch- und Schafsmilchallergie und empfahlen eine konsequente Meidung von Ziegenmilch- und Schafsmilchprodukten.


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Abstract

A 23-year old patient suffered from several anaphylactic reactions after ingestion of goat’s milk and sheep’s milk cheese. Cow’s milk was well tolerated. Skin prick testing and serologic diagnostic showed a sensitization to goat’s milk and sheep’s milk. Oral provocation of cow’s milk and raw cow’s milk was tolerated. We diagnosed an isolated goat’s and sheep’s milk allergy and suggested to strictly avoid goat’s milk and sheep’s milk products.


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Anamnese

Ein 23-jähriger Patient mit bekannter allergischer Rhinokonjunktivitis, allergischem Asthma bronchiale, atopischem Ekzem und einem birkenpollenassoziierten oralen Allergiesyndrom auf Kernobst und Nüsse berichtet über mehrfache anaphylaktische Reaktionen nach dem Verzehr von Fetakäse (erstmalig vor 5 Jahren) und Pecorino (einmalig vor 1,5 Jahren) in Form von Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Atemnot und Tetanie der Hände nach 15 – 30 Minuten. Kuhmilch und Kuhmilchprodukte werden sonst problemlos vertragen und regelmäßig verzehrt.


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Pricktest

Im Pricktest zeigten sich zunächst die bekannten Sensibilisierungen auf Aeroallergene ([Tab. 1 a]). Bei der Testung von Milchkomponenten und Molkereiprodukten (nativ) fiel ein differenziertes Sensibilisierungsmuster auf ([Tab. 1 b], [Abb. 1]).

Tab. 1 a

Allergologische Diagnostik – Pricktest Aeroallergene.

Quaddel/Erythem (mm)

Quaddel/Erythem (mm)

Hasel

15/35

Kräuter

0/0

Erle

25/40

Beifuss

0/0

Birke

16/35

Ambrosia

0/0

Gräser

10/30

Cladosporium

0/0

Esche

17/50

Alternaria tenuis

10/30

Tab. 1 b

Allergologische Diagnostik – Pricktest Milchkomponenten und Molkereiprodukte.

Quaddel/Erythem (mm)

Quaddel/Erythem (mm)

Schafskäse Feta

12/25

Kuhmilch

0/0

Pecorino Romano

 5/30

Rohmilch

0/0

Kasein (Ziege)

20/50

Kasein (Kuh)

0/0

Ziegenmilch

30/65

α-Lactalbumin

0/0

Parmesankäse

 4/15

β-Lactoglobulin

0/0

Grana Padano

0/0

Bergkäse

0/0

Reibekäse

0/0

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Abb. 1 Pricktest mit Milchkomponenten und Molkereiprodukten.

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Allergologisches Labor

Gesamt IgE: 1159 IU/ml

Spezifische IgE-Antikörper (Thermo Fisher CAP FEIA):

  • Aeroallergene

    • Dermatophagoides pteronyssinus (> 100 kU/l), Lieschgras (> 100 kU/l), rBet v1 (> 100 kU/l)

  • Milchkomponenten und Molkereiprodukte

    • Ziegenmilch (12,7 kU/l), Schafsmilch (11,7 kU/l)

    • Kasein (Kuh) (0,46 kU/l)

    • Kuhmilch, α-Lactalbumin (Kuh), β-Lactoglobulin (Kuh), Cheddarkäse, Schimmelkäse (alle < 0,35 kU/l)

Tryptase: 2,27 µg/l

Basophiler Aktivierungstest: deutliche Aktivierung der basophilen Granulozyten auf Ziegenmilch und Kuhmilch, jedoch eingeschränkte Aussagekraft aufgrund eines hohen Leerwerts.


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Orale Provokation

Tag 1) Kumulativ 30 Gramm Kuhmilchkäse und 100 Milliliter Kuhmilch wurden vertragen.
Tag 2) Kumulativ 30 Gramm Rohmilchkäse und 100 Milliliter Rohmilch wurden vertragen.


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Verlauf

Es erfolgte eine allergologische Ernährungsberatung mit der Empfehlung Ziegen- und Schafsmilch sowie Produkte aus Ziegen- und Schafsmilch konsequent zu meiden. Ein Notfallset bestehend aus einem Kortikosteroid, einem Antihistaminikum und einem Adrenalinautoinjektor wurde verordnet. Im Anschluss erfolgten keine weiteren anaphylaktischen Episoden.


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Diskussion

Aufgrund der Anamnese, der positiven Pricktestergebnisse mit den angeschuldigten Käsesorten, Ziegenmilchkasein und Ziegenmilch und aufgrund des Nachweises von korrespondierenden spezifischen IgE-Antikörpern gegen Ziegenmilch und Schafsmilch bei gleichzeitig unauffälligen Testergebnissen von Kuhmilch und Kuhmilchkäse diagnostizierten wir eine isolierte Schafs- und Ziegenmilchallergie. Ein basophiler Aktivierungstest zeigte eine deutliche Aktivierung der basophilen Granulozyten auf Ziegenmilch und Kuhmilch, war jedoch aufgrund eines sehr hohen Leerwerts nicht valide. Wegen der grenzwertigen Pricktestergebnisse von Parmesankäse mit Anteilen aus Rohmilch erfolgte zudem eine orale Provokationstestung sowohl mit Kuhmilch und Kuhmilchkäse als auch mit Rohmilch (Kuh) und Rohmilchkäse, die eine relevante Allergie ausschloss. Die orale Provokation von Ziegen- und Schafsmilch war aufgrund der klaren Anamnese und Befundlage nicht indiziert. Wir empfahlen dem Patienten Schafsmilch und Ziegenmilch sowie Schafsmilchprodukte und Ziegenmilchprodukte zu meiden. Da vermutlich eine Allergie gegen die hitzestabile Kaseinfraktion vorliegt, sind dabei auch erhitzte Produkte zu vermeiden.

Eine Allergie gegen Kuhmilch ist im Kindesalter sehr häufig und betrifft 2 – 3 %. Die Therapie dieser Milchallergie besteht in der konsequenten Meidung von roher Kuhmilch und je nach Provokationsbefund von Kuhmilchprodukten [1]. Im Laufe des Heranwachsens geht die Kuhmilchallergie in 98 % der betroffenen Kinder zurück [2] [3] [4]. Majorallergene sind Molkeproteine (α-Lactalbumin, β-Lactoglobulin) und Kaseine (αs1-Kasein, αs2-Kasein, β-Kasein, κ-Kasein), daneben sind Sensibilisierungen gegen Bovines Serum-Albumin, Lactoferrin und Immunglobuline beschrieben [5].

Da mit bis zu 96 % Übereinstimmung in der Zusammensetzung eine hohe Strukturhomologie der Molkeproteine und Kaseine von Kuhmilch, Ziegenmilch und Schafsmilch besteht ([Tab. 2]), werden Ziegen- und Schafsmilch von Kuhmilchallergikern ebenfalls nicht vertragen. Eine isolierte Allergie gegen Schafs- und Ziegenmilch bei gleichzeitiger Toleranz von Kuhmilch ist selten und wurde bisher nur in wenigen Fällen beschrieben [5].

Tab. 2

Homologie der Milch von Säugetieren. Übereinstimmung in Prozent [5].

Kuh vs. Ziege

Kuh vs. Schaf

α-Lactalbumin

96

96

β-Lactoglobulin

95

94

Kasein αs1

87

89

Kasein αs2

88

89

Kasein β

90

90

Kasein κ

85

84


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Bellioni-Businco B, Paganelli R, Lucenti P. et al. Allergenicity of goat’s milk in children with cow’s milk allergy. J Allergy Clin Immunol 1999; 103: 1191-1194
  • 2 Bock SA. Prospective appraisal of complaints of adverse reactions to foods in children during the first 3 years of life. Pediatrics 1987; 79: 683-688
  • 3 Host A. Clinical course of cow’s milk protein allergy and intolerance. Pediatr Allergy Immunol 1998; 9: 48-52
  • 4 Host A, Halken S, Jacobsen HP. et al. Clinical course of cow’s milk protein allergy/intolerance and atopic diseases in childhood. Pediatr Allergy Immunol 2002; 13: 23-28
  • 5 Järvinen KM, Chatchatee P. Mammalian milk allergy: clinical suspicion, cross-reactivities and diagnosis. Curr Opin Allergy Clin Immunol 2009; 9: 251-258

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Ulf Darsow
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Technische Universität München
Biedersteiner Str. 29, 80802 München

  • Literatur

  • 1 Bellioni-Businco B, Paganelli R, Lucenti P. et al. Allergenicity of goat’s milk in children with cow’s milk allergy. J Allergy Clin Immunol 1999; 103: 1191-1194
  • 2 Bock SA. Prospective appraisal of complaints of adverse reactions to foods in children during the first 3 years of life. Pediatrics 1987; 79: 683-688
  • 3 Host A. Clinical course of cow’s milk protein allergy and intolerance. Pediatr Allergy Immunol 1998; 9: 48-52
  • 4 Host A, Halken S, Jacobsen HP. et al. Clinical course of cow’s milk protein allergy/intolerance and atopic diseases in childhood. Pediatr Allergy Immunol 2002; 13: 23-28
  • 5 Järvinen KM, Chatchatee P. Mammalian milk allergy: clinical suspicion, cross-reactivities and diagnosis. Curr Opin Allergy Clin Immunol 2009; 9: 251-258

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Abb. 1 Pricktest mit Milchkomponenten und Molkereiprodukten.