Aktuelle Dermatologie 2019; 45(06): 273-276
DOI: 10.1055/a-0881-7647
Eine Klinik im Blickpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Soja in der veganen Ernährung – Lifestyleprodukte mit Gefahrenpotenzial für Birkenpollenallergiker?

Soy in Vegan Nutrition – Lifestyle Products with Risk Potential for People with Birch Pollen Allergy
C. Oesterlin
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
,
C. Kugler
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
,
U. Darsow
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
,
T. Biedermann
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
,
K. Brockow
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Knut Brockow
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein
Fakultät für Medizin
Technische Universität München
Biedersteiner Str. 29
80802 München

Publication History

Publication Date:
05 June 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Bei 10 % aller Birkenpollenallergiker wurden allergische Reaktionen auf die Sojabohne nachgewiesen. Typischerweise manifestieren diese sich in Form eines milden oralen Allergiesyndroms. Wir stellen 4 Patienten (1 Mann, 3 Frauen, 50 – 72 Jahre) mit primärer Birkenpollenallergie aus unserer Allergieabteilung vor, bei denen sich jedoch nach Verzehr von Sojamilch/-drink schwere allergische Reaktionen bis hin zur Anaphylaxie entwickelten. Diese Patienten litten unter einer Rhinoconjunctivitis allergica im Frühjahr und zusätzlichen pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien. Haut-Pricktestungen auf Sojaprodukte waren positiv. Bei 3 von 4 Patienten war die Sojaallergie lediglich durch spezifische IgE-Antikörper auf das birkenpollenhomologe PR-10-Protein Gly m 4 nachweisbar, jedoch nicht auf den Sojagesamtextrakt (< 0,35 KU/l). Bei einer Patientin, die Sojaprodukte bisher immer vertragen hatte, wurde die Sojaallergie erst durch orale Provokationstestung nachgewiesen. Es handelt sich bei allen Patienten um eine sekundäre birkenpollenassoziierte Sojaanaphylaxie nach Einnahme großer Mengen an geringgradig verarbeiteten Sojaprodukten (Sojadrink). Diese stellt für Birkenpollenallergiker mit IgE-vermittelten Allergien sowohl auf das Birkenpollenallergen Bet v 1 als auch auf das homologe Gly m 4 in der Sojabohne aufgrund einer Kreuzreaktion ein Risiko dar.


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Abstract

About 10 % of birch pollen allergic subjects have been reported to suffer from soy allergy, typically in form of an oral allergy syndrome. We report about 4 patients (1 male, 3 female, 50 – 72 years) with primary birch pollen allergy, who developed severe allergic reactions after intake of soy milk or soy drink. These patients suffered from allergic rhinoconjunctivitis in spring and from other pollen-associated food allergies. Skin prick tests to soy products were positive. In 3 out of 4 patients the soy allergy was demonstrated only by specific IgE to the birch pollen homologous PR-10 protein Gly m 4, but not to the total soy extract (< 0,35 KU/l). In one patient with previous tolerance to all soy products the soy allergy was only detected by the oral provocation testing. All patients developed secondary birch pollen-associated severe reactions to soy after intake of large amounts of unprocessed soy products (soy milk or soy drink). This is a risk for birch pollen allergic subjects with IgE-mediated allergies to both the birch pollen allergen Bet v 1 and to its homologous Gly m 4 in the soybean due to cross reaction.


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Einleitung

Die Sojabohne zählt zu den Hülsenfrüchten und stammt aus dem asiatischen Raum, wo sie bis heute zu den Grundnahrungsmitteln zählt. Mittlerweile wird sie auch in Europa angebaut und erfreut sich zunehmender Beliebtheit [1] [2]. Aufgrund steigender Nachfrage nach Milch- und Fleischersatzprodukten halten Sojaprodukte Einzug in die deutschen Supermarktregale, sodass Sojaprodukte wie Tofu, Sojamilch, Sojajoghurt, Sojasoße und Sojapaste nicht nur in der veganen/vegetarischen Küche ihren Siegeszug fortsetzen ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Sojamilch, Sojajoghurt und Sojatofu als Lifestyleprodukte.

Die Sojabohne enthält jedoch bedeutende Allergene, die bei 0 – 0,5 % der Bevölkerung zu schweren Soforttypreaktionen führen können [3] [4]. Zu unterscheiden sind hierbei v. a. die thermo- und säurestabilen Proteine Gly m 5 (Beta Conglycinin) und Gly m 6 (Glycinin), die auch bei prozessierten Sojaprodukten zu schweren Systemreaktionen führen können und bei denen Kreuzreaktionen zu Erdnuss und weiteren Hülsenfrüchten möglich sind, und das Birkenpollenhomolog Gly m 4. Das Eiweiß Gly m 4 zeigt dabei eine Strukturhomologie zu dem Birkenpollen-Majorallergen Bet v 1, einem Protein der PR-10-Familie. IgE-vermittelte Reaktionen gegen dieses Protein sind vorwiegend im Jugend- und Erwachsenenalter für leichte Reaktionen eines oralen Allergiesyndroms (OAS) verantwortlich, können jedoch bei Verzehr größerer Mengen geringgradig verarbeiteter Sojaprodukte (z. B. Sojadrink) bei Birkenpollenallergikern ebenfalls zu schweren allergischen Reaktionen mit Atemwegsverlegung und Anaphylaxie führen ([Abb. 2]). Immunzellen, die gegen Bet v 1 gerichtet sind, können dementsprechend auch an das Sojaprotein Gly m 4 binden und allergische Reaktionen auslösen. Wir möchten aus diesem Grund 4 Fallberichte von Birkenpollenallergikern aus unserer Allergieambulanz vorstellen, die durch Sojadrink schwere Soforttypreaktionen entwickelt haben.

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Abb. 2 Unterscheidung der Sojaallergie in 2 Hauptformen anhand der IgE-vermittelten Sensibilisierung in eine primäre Nahrungsmittelallergie mit hohem Risiko für schwere Reaktionen und eine sekundäre birkenpollenassoziierte Kreuzallergie mit vorwiegend leichten Reaktionen und Verträglichkeit von denaturierten Produkten. Durch Verzehr großer Mengen von unprozessierten Produkten wie Sojamilch/Sojadrink sind jedoch auch hier systemische Reaktionen möglich!

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Kasuistik 1

Anamnese

Eine 50-jährige Patientin stellte sich mit Rhinoconjunctivitis allergica (RCA) saisonalis auf Birken- und Baumpollen (nasale Sekretion, Niesen, Juckreiz, Obstruktion sowie konjunktivale Rötung, Juckreiz, Augentränenfluss von Januar bis Ende April) sowie einer Nahrungsmittelallergie gegen Haselnuss, Paranuss, Makadamianuss und rohem Tofu vor. Beim Verzehr käme es zu Juckreiz im Mund und Atembeschwerden. Äpfel und andere Nüsse (Walnuss, Mandel, Pistazie, Cashewkern, Erdnuss) würden vertragen. Die Vorstellung erfolgte aufgrund einer schweren Systemreaktion (Augen-, massive Lippenschwellung und Atemnot) unmittelbar nach dem Verzehr eines ganzen Glases eines Eiweißgetränkes mit Sojaprotein („DM“ – veganer Eiweißshake). Es erfolgte eine antiallergische Behandlung in der Notaufnahme. Prozessierte Sojaprodukte wie Sojasoße und gebratener Tofu werden von der Patientin vertragen.


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Allergiediagnostik

In der Pricktestung der nativen Nahrungsmittel-Reihen zeigten sich nach 15 Minuten positive Reaktionen auf die Sojabohne (Quaddeldurchmesser: 5 mm/Erythemdurchmesser: 20 mm), die Haselnuss nativ (3/10 mm), einen Sojadrink (Happy Soya, Sojadrink von Mona Naturprodukte GmbH) (5/25 mm) und den angeschuldigten Eiweißshake von „DM“ (5/20 mm). IgE-Sensibilisierungen im Phadia CAP (Thermo Fisher, Freiburg) waren nachweisbar gegen die molekularen Allergene Birkenpollen Bet v 1 (58,5 KU/l), Haselnuss Cor a 1 (9,73 KU/I) und Erdnuss Ara h 8 (3,04 KU/l) sowie Sojabohnen Gly m 4 (2,91 KU/I) bei fehlendem sIgE auf Sojabohne-Gesamtextrakt, Sojabohnen Gly m 5 und Gly m 6 ([Tab. 1]). Eine orale Provokationstestung steht noch aus.

Tab. 1

Klinisch-allergologische Daten von 4 Patienten mit Birkenpollenallergie und schweren allergischen Reaktionen auf Sojadrink.

Patient

Birkenpollenallergie

Gesamt-IgE, IgE Bet v 1

Spezifisches IgE Sojabohne

Pricktest positiv (Quaddel/Erythem in mm)

Auslöser

Kofaktoren

Reaktion

1, 50-jährige Patientin

ja

Gesamt IgE (60,2 IU/ml)
rBet v 1 (58,5 KU/l)

Gly m 4 (2,91 KU/I)
Gly m 5 (< 0,1 KU/l)
Gly m 6 (< 0,1 KU/l)
Sojabohne (< 0,1 KU/l)

Sojabohne (5/20), Sojadrink nativ (5/25), Eiweißshake nativ (5/20)

Sojadrink

nein

Lippenschwellung, Atemnot

2, 72-jährige Patientin

ja

Gesamt IgE (386 IU/ml)
Bet v 1 (> 100 KU/l)

Gly m 4 (35,5 KU/I)
Gly m 5 (0,37 KU/l)
Gly m 6 (0,82 KU/I)
Sojabohne (8,46 KU/l)

Sojamilch (10/25), Sojasprossen (4/5)

Sojadrink während stationärer Provokationstestung

nein

Massive Zungenschwellung, Globusgefühl

3, 64-jähriger Patient

ja

Gesamt IgE (81,8 IU/ml)
Bet v 1
(85,1 KU/l)

Gly m 4 (24,2 KU/l)
Gly m 5 (< 0,1 KU/l)
Gly m 6 (< 0,1 KU/l)
Sojabohne (0,07 KU/l)

Soja (8/20), Sojamilch Alpro (10/20), Sojabrei (10/20)

Sojamilch

ja (Sport)

Engegefühl im Hals, generalisierte Urtikaria

4, 66-jährige Patientin

ja

Gesamt IgE (91,8 IU/ml)
Bet v 1 (12,1 KU/l)

Gly m 4 (5,36 KU/I)
Gly m 5 (< 0,1 KU/l)
Gly m 6 (< 0,1 KU/l)
Sojabohne (< 0,1 KU/l)

Sojadrink (5/6), Yokebe-Eiweißdrink (4/6)

Yokebe-Sojadrink

nein

Angioödem im Gesicht, Dyspnoe, Bewusstseinsverlust


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Kasuistik 2

Anamnese

Die 72-jährige Patientin mit Birkenpollenallergie (RCA von Februar bis April) stellte sich aufgrund einer Hülsenfruchtallergie zur oralen Provokationstestung in unserer Klinik vor. Sie habe nach dem Verzehr von gekochten Brechbohnen sofort palmaren Pruritus, Übelkeit, Diarrhoe, Atemnot und Schwindel entwickelt. Ähnliche Episoden ereigneten sich nach Verzehr von Bohnensuppe und Sprossen. Haselnüsse vertrage die Patientin anamnestisch auch in rohem Zustand. Bei Verzehr von gerösteten Erdnüssen bekäme sie ein Kribbeln im Mund im Sinne eines OAS. Die Patientin gab an, Sojasoße zu vertragen und andere Sojaprodukte nicht zu verzehren.


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Allergiediagnostik

In der Pricktestung zeigte sich u. a. Sojadrink nativ (10/25 mm), Birke (7/20 mm), Sojasprossen nativ (4/5 mm), Erdnuss nativ (3/4 mm), Haselnuss nativ (5/10 mm) positiv. Spezifisches IgE wurde nachgewiesen auf Bet v 1 (> 100 KU/l), Sojabohne (8,46 KU/l), Gly m 4 (35,5 KU/I) sowie geringgradig auf Gly m 5 (0,37 KU/I) und Gly m 6 (0,82 KU/I). Zudem fand sich sIgE auf Haselnuss Cor a 1 (83,9 KU/I), Cor a 9 (1,11 KU/I), Erdnuss Ara h 8 (39,5 KU/l) ([Tab. 1]). Bei geringgradiger Sensibilisierung auf Gly m 5 und Gly m 6 erfolgte eine orale offene Provokation zunächst mit fermentierter Sojasoße bis 6 ml, um eine primäre Sojaallergie auszuschließen. Diese wurde gut vertragen. Bei der titrierten oralen Provokation mit 0,1 ml, 0,3 ml, 1,0 ml, 3 ml, 30 ml und 100 ml Sojadrink reagierte die Patientin etwa 30 Minuten nach der letzten Gabe von 100 ml Sojadrink mit massiver Zungenschwellung, Globusgefühl und einer periorbitalen Rötung. Wir behandelten mit 250 mg Solu Decortin H i. v. und 2 Ampullen Fenistil i. v. Zudem gaben wir 4 Liter Sauerstoff/min und Adrenalin vernebelt. Hierunter besserten sich die Symptome rasch.


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Kasuistik 3

Anamnese

Ein 64-jähriger Patient mit Birkenpollenallergie und einem oralen Allergiesyndrom beim Verzehr von Kernobst berichtete wenige Minuten nach Verzehr von Sojamilch (mehrere Schlucke) (Sojadrink Firma Alpro) ein Engegefühl im Hals und eine generalisierte Urtikaria bekommen zu haben. Davor habe er sich sportlich betätigt.


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Allergiediagnostik

In unserer allergologischen Diagnostik zeigte sich in der Pricktestung u. a. Sojamilch (10/20 mm), Soja-Pricklösung (8/10 mm), Sojabrei (10/20 mm) und Apfel-Pricklösung (5/6 mm) positiv. Auf Birke war der Hauttest negativ. Spezifisches IgE zeigte sich auf Bet v 1 (85,1 KU/l), Sojabohne (0,07 KU/l), Gly m 4 (24,2 KU/l), Apfel (2,58 KU/l), bei fehlendem Nachweis von Gly m 5 und Gly m 6 ([Tab. 1]). Wir provozierten mit Sojabrei bis 200 ml und Sojamilch Alpro bis 150 ml. Dies wurde gut vertragen. Die Episode werteten wir aufgrund der Anamnese und der Sensibilisierung als birkenpollenassoziierte Sojaallergie (Gly m 4), ausgelöst durch den Kofaktor sportliche Aktivität. Eine Provokationstestung mit Sojamilch und Sport steht noch aus.


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Kasuistik 4

Anamnese

Eine 66-jährige Patientin mit Birkenpollenallergie berichtete bei Vorstellung in unserer Ambulanz, etwa 20 Minuten nach dem Verzehr eines Yokebe-Sojadrinks mit Angioödem im Gesicht, Dyspnoe und Bewusstseinsverlust reagiert zu haben.


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Allergiediagnostik

In unserer allergologischen Diagnostik zeigte sich im Pricktest Sellerieknolle (4/6 mm), Sojadrink (5/6 mm), Yokebe-Eiweißdrink (4/6 mm) und Lupinenmehl (5/7 mm) positiv. Spezifisches IgE ließ sich auf Bet v 1 (12,1 KU/l), Haselnuss Cor a 1 (9,32 KU/I) und Gly m 4 (5,36 KU/I) nachweisen. SIgE auf Sojabohne sowie Gly m 5 und Gly m 6 waren negativ. Eine Provokationstestung wurde aufgrund mangelnder Testfähigkeit bei Asthma bronchiale sowie klarer Anamnese und Befundlage nicht durchgeführt.


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Diskussion

Bei den 4 beschriebenen Patienten entwickelten sich schwere allergische Reaktionen bis zur Sojaanaphylaxie nach Einnahme großer Mengen an geringgradig verarbeiteten Sojaprodukten (Sojadrink) aufgrund entsprechender IgE-vermittelter Allergien auf das Birkenpollenallergen Bet v 1 und einer Kreuzreaktion auf das PR-10-Homolog in der Sojabohne Gly m 4 [5]. Diese Fallberichte zeigen auf, dass bei Birkenpollenallergikern mit primärer Sensibilisierung auf Bet v 1 durch Kreuzreaktion mit dem PR-10-Sojahomolog Gly m 4 ein mengen- und kofaktorabhängiges Risiko für schwere Systemreaktionen besteht ([Abb. 2] und [Abb. 3]) und allen Patienten diese Gefahr nicht bewusst war. Es wurden bisher mehr als 15 mögliche Allergene in der Sojabohne beschrieben [6]. Bekannte Allergene für schwere Systemreaktionen bei primärer Sojaallergie sind insbesondere Gly m 5 und Gly m 6, neuerdings auch Gly m 2 S-Albumin [7] [8]. Alle vorgestellten Patienten hatten jedoch eine sekundäre birkenpollenassoziierte Sojaallergie mit vorrangiger Sensibilisierung auf das Allergen Gly m 4, die normalerweise zu milden Symptomen eines oralen Allergiesyndroms führt [1] [2]. Bei 3 von 4 Patienten mit Sojaallergie konnte die Allergie nicht durch spezifisches IgE auf Sojabohne (< 0,35 KU/l) nachgewiesen werden, wobei ein IgE-Nachweis auf das birkenpollenhomologe Gly m 4 bei allen die Diagnose ermöglichte. Die Diskrepanz wird auf den geringen Anteil von Gly m 4 in Sojaproteinextrakten zurückgeführt. Gly m 5 und Gly m 6 war nur bei Patientin 2 positiv, weshalb wir die Patientin zunächst mit fermentierter Soja-Sauce provozierten. Dieses entspricht auch den Ergebnissen aus anderen Studien, bei denen in allen Patienten mit Sojaallergie entweder spezifisches IgE auf Sojaextrakt oder Gly m 4 nachweisbar war, während die Sensitivität von Gly m 5 und Gly m 6 deutlich geringer war [8] [9].

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Abb. 3 Kofaktoren senken die Schwelle zur allergischen Reaktion.

Bei allen Patienten lässt sich die schwere Reaktion durch die Höhe der verzehrten Menge und die geringgradig verarbeitete Form des Sojas, bspw. im Sojadrink, erklären [2]. Patienten, die nur auf Sojadrink reagierten, zeigten typischerweise auch in der Literatur spezifisches IgE auf Gly m 4 in höheren Konzentrationen als Patienten, die auch auf andere Sojaprodukte reagieren [8] [9] [10]. Gly m 4 ist ein thermo- und säurelabiles Allergen, welches durch Verarbeitung wie starkes Erhitzen und Fermentation als Allergen zerstört und auch durch den Verdauungsvorgang abgebaut wird. Daher reagierte die hauptsächlich auf Gly m 4 sensibilisierte Patientin 2 auch nicht auf Sojasoße, sondern auf einen geringgradig verarbeiteten Sojadrink. Beim Patienten von Fallbericht 3 wurde die schwere Systemreaktion wahrscheinlich durch den Kofaktor Sport begünstigt, da Kofaktoren die Schwelle zur allergischen Reaktion deutlich senken können ([Abb. 3]) [11] [12]. Neben Sport bzw. körperlicher Anstrengung sind weitere Kofaktoren wie Infekte oder andere allergische Beschwerden wie Heuschnupfen während der Pollensaison, Stress, Menstruation oder auch Analgetika von Bedeutung.

Zusammenfassend besteht bei Birkenpollenallergikern mit Sojaallergie aufgrund des Siegeszuges alternativer Sojaprodukte in den Supermärkten und aufgrund der Verträglichkeit von verarbeiteten Sojaprodukten mit denaturierten Sojaproteinen die Gefahr unerwarteter schwerer allergischer Reaktionen nach Verzehr von größeren Mengen Sojadrink. In der Diagnostik solcher Patienten ist die Bestimmung von spezifischem IgE auf den Sojabohnengesamtextrakt nicht ausreichend und muss durch molekulare Sojaallergendiagnostik ergänzt werden.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Mittag D, Vieths S, Vogel L. et al. Soybean allergy in patients allergic to birch pollen: clinical investigation and molecular characterization of allergens. J Allergy Clin Immunol 2004; 113: 148-154
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Knut Brockow
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein
Fakultät für Medizin
Technische Universität München
Biedersteiner Str. 29
80802 München

  • Literatur

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Abb. 1 Sojamilch, Sojajoghurt und Sojatofu als Lifestyleprodukte.
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Abb. 2 Unterscheidung der Sojaallergie in 2 Hauptformen anhand der IgE-vermittelten Sensibilisierung in eine primäre Nahrungsmittelallergie mit hohem Risiko für schwere Reaktionen und eine sekundäre birkenpollenassoziierte Kreuzallergie mit vorwiegend leichten Reaktionen und Verträglichkeit von denaturierten Produkten. Durch Verzehr großer Mengen von unprozessierten Produkten wie Sojamilch/Sojadrink sind jedoch auch hier systemische Reaktionen möglich!
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Abb. 3 Kofaktoren senken die Schwelle zur allergischen Reaktion.