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DOI: 10.1055/a-0877-1916
Herausgehüpft? – Geschlossene Reposition einer Hüftgelenksluxation
Hüftgelenke luxieren bei Hund und Katze meist nach kraniodorsal und dies ist meistens traumatisch bedingt. Die Diagnostik ist zumeist unproblematisch, doch welche Methode empfiehlt sich zur Reposition?
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Die Hüftgelenksluxation stellt die häufigste Luxation bei Hunden und Katzen dar und wird hauptsächlich nach Verkehrsunfällen beobachtet. Als weitere Ursachen kommen aber auch Hüftgelenksdysplasie, Stürze, spontane Luxationen und Traumata anderer Art infrage. Die Mehrzahl der Hüftgelenke bei Hunden und Katzen luxieren nach kraniodorsal. Seltener kann eine kranioventrale oder kaudoventrale Luxation beobachtet werden.
Anatomie
Der Kopf des Femurs bewegt sich im Acetabulum und wird durch verschiedene Stabilisatoren in Position gehalten. Es wird zwischen primären und sekundären Hüftgelenksstabilisatoren unterschieden. Zu den primären zählen das Lig. capitis ossis femoris, die Gelenkkapsel und der dorsale Rand des Acetabulums. Sekundäre Stabilisatoren stellen das Labrum acetabuli, das Lig. transversum acetabulae, der hydrostatische Druck der Gelenkflüssigkeit und die periartikuläre Muskulatur dar. Ist die Integrität von 2 oder mehr primären Stabilisatoren zerstört, kann es zur Hüftgelenksluxation kommen.
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Diagnose
Da die meisten Patienten mit Hüftgelenksluxationen Traumapatienten sind, muss der Patient in jedem Fall gründlich klinisch untersucht werden. Zu dieser Initialuntersuchung gehört auch die Bestimmung von minimalen Notfallparametern im Blut.
Nur die Gesamtbetrachtung des Patienten ermöglicht es, Komorbiditäten zu entdecken, um diese anschließend auch entsprechend behandeln zu können. Bevor also ein Patient für eine Hüftgelenksluxation versorgt wird, muss er adäquat kardiovaskulär sowie analgetisch stabilisiert worden sein.
Die Diagnose Hüftgelenksluxation kann bereits in der Mehrzahl der Fälle klinisch (palpatorisch) gestellt werden. Dennoch sind weitere Abklärungen wie die röntgenologische Untersuchung des Beckens unabdingbar, um die Integrität der assoziierten skeletalen Strukturen (Becken, Femur) beurteilen zu können.
Palpation des Hüftgelenks
Es gibt mehrere Möglichkeiten klinisch eine Hüftgelenksluxation festzustellen. Eine davon ist es, den Daumen zwischen Tuber ischiadicum und Trochanter major zu platzieren. Im physiologischen Zustand des Hüftgelenks wird bei Außenrotation des Femurs der Daumen aus dieser Position verdrängt ([Abb. 1 a]). Bei einer Luxation bleibt der Daumen des Untersuchers jedoch auf dieser Stelle ruhen ([Abb. 1 b], [Abb. 2]).
Als weitere Möglichkeit können der kraniale Rand des Os iliums, der Trochanter major und der Tuber ischiadicum als Orientierungspunkte verwendet werden ([Abb. 3]). Zieht man vom kranialen Rand des Os iliums zum Tuber ischiadicum eine gedachte Linie, ist der Trochanter major bei einer physiologischen Position des Hüftgelenks distal dieser Linie zu finden. Bei einer Luxation nach kraniodorsal kann der Trochanter major jedoch auf oder gar proximal dieser Linie zu liegen kommen.
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Röntgenologische Untersuchung
Röntgenaufnahmen des Hüftgelenks sollten zur Diagnosesicherung hinzugezogen werden. Dies ist wichtig, um neben der Luxation weitere Pathologien wie Frakturen im Becken, insbesondere im Acetabulum feststellen zu können. Solche Frakturen können den Therapieansatz signifikant verändern, beispielsweise kann bei Patienten mit einer Femurkopfabsprengfraktur keine geschlossene Reposition erfolgen.
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Geschlossene Reposition
Reposition einer kraniodorsalen Hüftgelenksluxation
Der Patient muss für die geschlossene Reposition der Hüftgelenksluxation in Allgemeinanästhesie gelegt werden. Dies ist insbesondere wichtig, um neben der Ausschaltung der Nozizeption eine adäquate Muskelrelaxation zu erreichen. Der schlafende Patient wird in Seitenlage verbracht – mit der gesunden Seite auf dem Tisch ([Abb. 4 a]). Ein Tuch oder eine Schlinge kann unter dem Bein und das Becken hindurchgezogen werden, um Widerstand für die folgende Distraktion zu bieten. Nun wird das Knie und das Sprunggelenk mit einer Hand erfasst und eine Außenrotation der Gliedmaße durchgeführt ([Abb. 4 b]). So soll der Kopf des Femurs aus der Position über dem Os ilium ausgehängt werden. Mit der anderen Hand wird der Trochanter major palpiert, um seine Position lokalisieren zu können. Jetzt wird in distokaudaler Richtung Zug auf die Gliedmaße ausgeübt, um den Femurkopf über das Acetabulum zu bringen ([Abb. 4 c]). Danach kann die Gliedmaße einwärts rotiert und abduziert werden, um den Kopf des Femurs in das Acetabulum zu drücken ([Abb. 4 d]).
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Reposition einer kaudoventralen Hüftgelenksluxation
Um den Kopf des Femurs aus dem Foramen obturatorium zu befreien, wird distokaudaler Zug auf die Gliedmaße und Gegenzug auf das Tuber ischiadicum ausgeübt. Eine Abduktion der Gliedmaße kann hierbei hilfreich sein. Bei kleinen Hunden oder Katzen kann dieser Vorgang in manchen Fällen digital über das Rektum direkt unterstützt und so der Femurkopf aus dem Foramen obturatorium befreit werden. Ist der Femurkopf aus dem Foramen obturatorium befreit, wird dieser nach kranial und lateral bis ins Acetabulum manipuliert.
Bevor eine geschlossene Reposition eines luxierten Hüftgelenks durchgeführt wird, müssen einige Punkte beachtet werden:
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Die Reposition sollte so schnell wie möglich, aber sicher innerhalb von 72 Stunden nach dem Trauma erfolgen. Dies ist wichtig, um Knorpelschäden am Kopf des Femurs und am Acetabulum, Muskelkontrakturen, Entzündungen und eine Fibrose so gering wie möglich zu halten.
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Es ist wichtig, die Besitzer darüber aufzuklären, dass ein gewisser Teil der Patienten, die allein mit einer geschlossenen Reposition behandelt wurden, eine Reluxation erleiden.
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Kontraindikationen für eine geschlossene Reposition sind Frakturen des Acetabulums oder des Femurs, chronische Luxationen und Hüftgelenksdysplasie. Um dies feststellen zu können, muss der Patient röntgenologisch untersucht werden.
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Nach erfolgreicher Reposition
Sobald das Gelenk wieder in Position ist, kann die Gliedmaße nun, während der Femurkopf durch Druck auf den Trochanter major weiterhin in das Acetabulum gedrückt wird, sehr vorsichtig über den gesamten Bewegungsumfang des Gelenks manipuliert werden. Dies ermöglicht es gegebenenfalls vorhandene Blutgerinnsel, Granulationsgewebe oder eine in das Acetabulum vorgefallene Gelenkkapsel aus dem Weg zu befördern.
Ist das Hüftgelenk reponiert, soll bei kraniodorsalen Luxationen eine Ehmerschlinge und bei ventralen Luxationen ein Hobbles-Verband angelegt werden. Durch die Ehmerschlinge wird der Femurkopf in den ventrokaudalen Anteil des Acetabulums gedrückt. Dies ist die Gegenrichtung der kraniodorsalen Luxation. Im Gegensatz dazu kann durch den Hobbles-Verband ein Ausspreizen (Abduktion) der Hintergliedmaßen verhindert werden, welches die Bewegung ist, die in diesem Fall zu einer Reluxation des Hüftgelenks führen könnte. Die Ehmerschlinge oder der Hobbles-Verband sollten 7 – 14 Tage belassen werden.
Die Verbände müssen akribisch von Tierarzt und Besitzer auf Komplikationen überwacht werden. Dabei ist z. B. auf ein Rutschen der Schlinge oder schlimmstenfalls auf eine Abschnürung der Blutzufuhr zu achten. Nach dem Tragen der Schlinge benötigt der Patient für 8 – 12 Wochen Leinenzwang.
Bevor der Patient aus der Narkose aufgeweckt wird, muss ein Kontrollröntgen angefertigt werden, um die Reposition zu bestätigen. Reluxiert das Hüftgelenk direkt nach der Reposition oder während oder nach dem Tragen der Schlinge, sollte eine chirurgische Versorgung der Hüftgelenksluxation vorgenommen werden.
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