Pneumologie 2019; 73(05): 274-287
DOI: 10.1055/a-0873-3574
Standpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Rolle der Luftschadstoffe für die Gesundheit

Eine Replik auf die Expertise der Internationalen Gesellschaft für Umweltepidemiologie (ISEE) und der European Respiratory Society (ERS)The Role of Air Pollutants for HealthA Reply to the Expert Opinion of the International Society for Environmental Epidemiology (ISEE) and the European Respiratory Society (ERS)
D. Köhler
1   Schmallenberg
,
M. Hetzel
2   Klinik für Pneumologie, Internistische Intensivmedizin, Beatmungsmedizin und Allgemeine Innere Medizin, Krankenhaus vom Roten Kreuz, Stuttgart
,
M. Klingner
3   Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI, Dresden
,
T. Koch
4   Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe
,
S. Ewig
5   Thoraxzentrum Ruhrgebiet, Kliniken für Pneumologie und Infektiologie, Evangelisches Krankenhaus Herne und Augusta-Kranken-Anstalt Bochum, Herne und Bochum
,
G. Becher
6   BecherConsult GmbH Bernau
,
H. Lindemann
7   Ehemaliger Leiter des Selbständigen Funktionsbereichs für Pneumologie und Allergologie am Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen
,
T. Voshaar
8   Lungenzentrum Pneumologie, Allergologie, Immunologie, Schlaf-und Beatmungsmedizin. Krankenhaus Bethanien, Moers
,
U. Costabel
9   Zentrum für interstitielle und seltene Lungenerkrankungen, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Dieter Köhler
Auf dem Kamp 11
57392 Schmallenberg

Publication History

Publication Date:
16 April 2019 (online)

 

Zusammenfassung

In Deutschland gibt es regionale Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge ohne SCR-Katalysator bei Überschreitung der Grenzwerte für NO2. Dies hat zu einer intensiven Diskussion über die Rolle der Luftschadstoffe für die Gesundheit geführt. In der Replik wird dargestellt, dass die Daten zur Wirkung von Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10 und PM2,5) nicht ausreichen, um die Fahrverbote zu begründen.

Für NO2 gibt es passagere Reaktionen bei unbehandelten Asthmatikern ab 500 µg/m3. Die deutschen Grenzwerte (Jahresmittelwert 40 µg/m3) fußen im Wesentlichen auf einer Metaanalyse von 9 Studien aus Innenraumbelastungen wobei nur in 4 Studien NO2 gemessen wurde. In der großen europäischen Escape-Studie von 2014 wurde kein Einfluss von NO2 auf die Mortalität gefunden.

Als Surrogatparameter für andere Schadstoffe ist NO2 ebenfalls nicht mehr geeignet, da seit Einführung der Partikelfilter bei Dieselautos (etwa ab 2000) der KFZ-Anteil am Feinstaub an der Straße unter 10 % liegt. Der Feinstaub besteht im Wesentlichen aus Aufwirbelung von mineralischen, organischen Bodensubstanzen sowie Reifenabrieb und wird am stärksten durch Wetterphänomene, vor allen Dingen durch Sonneneinstrahlung beeinflusst.

Die Grenzwerte für NO2 und Feinstaub werden errechnet aus epidemiologischen Beobachtungsstudien. Es findet sich zumeist eine schwache Assoziation zwischen der Konzentra-tion und zahlreichen Erkrankung sowie der Mortalität. Epidemiologische Beobachtungsstudien erlauben nur die Bildung einer Hypothese. Permanente Wiederholungen der Beobachtungsstudien betätigen nur, dass manche gefundenen Phänomene nicht zufällig sind. Eine Kausalität kann daraus nicht abgeleitet werden, da es zahlreiche Erklärungsmodelle neben dem NO2 und Feinstaub gibt. Dazu wären Interventionsstudien im Niedrigdosisbereich sowie Tierexperimente erforderlich. Diese Daten fehlen nahezu komplett bzw. sind, soweit vorhanden, allesamt negativ.

Nie diskutiert wird eine starke Widerlegung der Hypothese der Gefährdung von NO2 und Feinstaub im Grenzwertbereich durch das Inhalationsrauchen. Die Raucher stellen quasi einen inhalationstoxikologischen Großversuch dar. Der Zigarettenrauch enthält sehr hohe Feinstaub-, Stickstoffmonoxid- (NO) und NO2-Konzentrationen, die vom Organismus erstaunlich gut toleriert werden. Das hängt damit zusammen, dass NO ein Naturstoff ist, der in den Zellen oder auch in den Nasennebenhöhlen in z. T. sehr hohen Konzentrationen (über 30 000 µg/m3) vorkommt. Eines der Abbauprodukte von NO ist NO2, was im Wasser zu Nitrat und Nitrit disproportioniert wird. Ein Teil von NO2 wird zur Synthese von Fettsäuren verwendet.

Zigaretten haben ein Kondensat von ca. 7 – 10 mg. Nimmt man als Vergleich eine lebenslange Dauerbelastung durch Feinstaub und NO2 in den Grenzwertkonzentrationen an, müssten alle Raucher nach wenigen Tagen bis Monaten zahlreiche Erkrankungen entwickeln, die dem Feinstaub und NOx angelastet werden. Auch die Mortalität müsste drastisch erhöht sein; nahezu alle Raucher müssten bereits nach 1 packyear verstorben sein. Der Unterschied wird noch größer, wenn man die nachgewiesene Toxizität und Kanzerogenität des Zigarettenrauchs im Vergleich zu dem i. d. R. deutlich weniger gefährlichen Feinstaub an der Straße ins Verhältnis setzt.


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Abstract

In Germany there are regional driving bans on older diesel vehicles without SCR catalytic converters if the limit values for nitrogen dioxide (NO2) are exceeded. This has led to an intensive discussion about the effects of air pollutants on human health. The study shows that the data on the effects of NO2 and particulate matter (PM10 and PM2.5) are not sufficient to justify the driving bans.

NO2 above 500 µg/m3 trigger temporary reactions in untreated asthmatics The German limit values (annual mean value 40 µg/m3) are mainly based on a meta-analysis of nine studies on indoor pollution, whereas only four studies measured NO2. In the large European Escape study of 2014, no influence of NO2 on mortality was found.

NO2 is also no longer suitable as a surrogate parameter for other pollutants, as the proportion of particulate matter on the road is below 10 % since the introduction of particulate filters in diesel cars (approximately from 2000). Particulate matter mainly consists of swirling up mineral, organic soil substances and tyre abrasion and is most strongly influenced by weather phenomena, above all by solar radiation.

The limit values for NO2 and particulate matter are calculated from epidemiological observational studies. There is usually a weak association between the concentration of the pollutants and numerous diseases and mortality. On the basis of epidemiological observational studies, hypotheses can be formulated. Repeated observational studies might suggest that some of the observed phenomena are not accidental. A causality cannot be deduced from this, since other factors besides NO2 and particulate matter might also be involved. To exclude these, intervention studies in the low-dose range and animal experiments are needed. Such data are almost completely missing or, as far as available, are all negative.

A strong refutation of the hypothesis of the hazard of NO2 and particulate matter in the limit value range by inhalation smoking is never discussed. The smokers represent quasi an inhalation toxicological large-scale experiment. Cigarette smoke contains very high concentrations of particulate matter, nitrogen monoxide (NO) and NO2, which are surprisingly well tolerated by the organism. This is due to the fact that NO is a natural substance that occurs in the cells or even in the paranasal sinuses in sometimes very high concentrations (over 30,000 µg/m3). One of the degradation products of NO is NO2, which, by hydrolytic disproportionation, is converted into nitrate and nitrite. A part of NO2 is used for the synthesis of fatty acids.

Cigarettes have a condensate of about 7 – 10 mg. Assuming a lifelong continuous exposure to particulate matter and NO2 in the limit concentrations, all smokers should have developed numerous diseases after a few days to months, which are attributed to particulate matter and NO2. The mortality rate should also be drastically higher; almost all smokers should have died after 1 pack year. The difference becomes even greater if one compares the proven toxicity and carcinogenicity of cigarette smoke with the fine dust on the road, which is usually much less dangerous.


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Einleitung

Hinweis für die leser

In den letzten Monaten haben Experten und Öffentlichkeit intensiv über Luftschadstoffe diskutiert. Thieme möchte aus diesem Grund maximale Transparenz und beste Zugänglichkeit zu Informationen rund um dieses Thema schaffen. Deshalb stellen wir diesen Artikel für die nächste Zeit freizugänglich (free access) zur Verfügung.

Um vor dem Hintergrund dieser öffentlichen Diskussion den wissenschaftlich fundierten Diskurs zu fördern, wurde dieser Standpunkt-Artikel – abweichend zu unseren sonstigen Publikationsrichtlinien – nach rein formaler Begutachtung durch die Schriftleitung publiziert (siehe dazu das Editorial von Herrn Professor Schaberg in diesem Heft).

Eine Gruppe deutscher Lungenärzte und Ingenieure unter Federführung von Prof. Dieter Köhler hat über eine Presseerklärung am 23. 01. 2019 die wissenschaftliche Begründung der EU-weit geltenden Grenzwerte für Stickoxide und Feinstäube sowie Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit von Luftreinhaltemaßnahmen wie Diesel-Fahrverboten in Innenstädten grundsätzlich infrage gestellt. Diese Initiative hat in der Folge ein enormes Echo in öffentlichen Kommunikationsmedien, Politik und wissenschaftlichen Fachkreisen gefunden.

Die ERS hat zusammen mit der ISEE unter dem Titel „Die Rolle der Luftschadstoffe für die Gesundheit“ eine Erwiderung in deutscher Sprache publiziert, in der die Argumente der Initiative als unbegründet zurückgewiesen werden und auf einer gesicherten Evidenz für eine erhöhte Morbidität und Mortalität durch Luftschadstoffe insistiert wird [1].

Die vorliegende Publikation stellt dieser Argumentation die wissenschaftlich begründeten Thesen der Initiative deutscher Lungenärzte und Ingenieure entgegen. Sie beantwortet dabei u. a. drei wesentliche Fragen.

  • Werden durch Luftschadstoffe im Konzentrationsbereich der Grenzwerte Krankheiten verursacht?

  • Sind die geltenden Grenzwerte aus medizinischer Sicht wissenschaftlich begründet?

  • Welchen natürlichen und anthropogen verursachten Einflüssen unterliegen die Feinstaub- und Stickoxidkonzentrationen in der Außenluft?


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Klarstellungen

Die Lungenärzte und Ingenieure, die diese Initiative tragen, unterstützen selbstverständlich alle Maßnahmen, die geeignet sind, der Vermeidung von Gesundheitsschäden durch Luftschadstoffe zu dienen.

Die Motivation dieser Initiative ist getragen von der Wahrnehmung eines Missverhältnisses der wissenschaftlichen Datenlage zum potenziellen Einfluss von Luftschadstoffen im aktuellen Bereich der Grenzwerte auf die Gesundheit und der daraus abgeleiteten politischen Maßgaben und richterlichen Urteile.

Die Autoren sehen in diesem Missverhältnis die Gefahren volkswirtschaftlicher und ökologischer Schäden sowie das Risiko einer Beschädigung des Vertrauens in Wissenschaft und Politik. Die Initiative hat keinerlei Interessenskonflikte hinsichtlich umweltpolitischer Zielbestimmungen. Die Autoren verurteilen ausdrücklich den Betrug in Form illegaler Softwarefunktionen durch Teile der Automobilindustrie. Ziel ist einzig, den politisch notwendigen Güterabwägungen auf dem Gebiet der Verkehrspolitik und möglicher sozialer Folgen eine nüchterne interdisziplinäre wissenschaftliche Grundlage zurückzugeben.

Die Autoren dieser Replik sind als wissenschaftlich ausgebildete und tätige Ärzte, Ingenieure und Sachverständige hinreichend kompetent, ihre Befunde und Thesen zu vertreten. Die Auseinandersetzung mit diesen Thesen soll zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen.

Die Initiative ist Ausdruck ihres Engagements als Ärzte, Wissenschaftler und Staatsbürger.


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Thesen

  1. Die bisher in epidemiologischen Studien gefundenen Assoziationen von Krankheiten durch Exposition auf Luftschadstoffe sind gering im Umfang, inhomogen und inkonsistent. Insgesamt lassen sie eher auf methodische Probleme − insbesondere der Expositionsabschätzung − in diesen Studien schließen.

  2. Die aktuell gültigen Grenzwerte für Feinstaub und NO2 sind wissenschaftlich nicht ausreichend begründet.

  3. Das Bestreben nach Verbesserung der Luftreinhaltung sollte angesichts dieser Unsicherheiten geleitet sein von einer nachhaltigen Perspektive unter Wahrung der wissenschaftlichen Prinzipien, der Güterabwägung und der Verhältnismäßigkeit.


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Werden durch Luftschadstoffe im Konzentrationsbereich der Grenzwerte Krankheiten verursacht?

Die wissenschaftliche Begründung für einen Zusammenhang zwischen Luftschadstoffen und Krankheiten ergibt sich aus toxikologischen und epidemiologischen Studien.

Die verfügbaren epidemiologischen Studien stammen überwiegend aus den USA und Europa. Die Datenlage wurde durch die amerikanische U.S. EPA (United States Environmental protection agency) zuletzt für Feinstaub im Jahre 2009 [2] und für Stickoxide 2016 [3] in einem Dokument zusammengefasst und bewertet.

Das größte Forschungsprojekt aus Europa ist die „European Study of Cohorts for Air Pollution Effects (ESCAPE)-Studie“ (2008 – 2012; [4]). Ziel von ESCAPE ist die weitere Abschätzung der Wirkung von Luftschadstoffen für bereits vorliegende europäische Kohortenstudien. Die publizierten Daten sind demnach alle Metaanalysen von Einzelstudien, da die Daten der Kohorten nicht zusammengelegt („gepoolt“) werden konnten.

Die ISEE- und ERS-Expertise [1] hat sich in ihrer Argumentation im Wesentlichen auf diese Dokumente bezogen.

Dabei werden in der Expertise zahlreiche gesundheitliche Auswirkungen als „kausal etablierte Wirkung“ angesehen.

Eine kritische Darstellung der Limitationen dieser Studien, insbesondere der Unsicherheiten bei der Expositionsabschätzung, fehlt.

Kritik an der Darstellung der Studienlage

Die in der Expertise dargestellten Ergebnisse stimmen teilweise nicht mit dem aktuellen Forschungsstand überein und sind mitunter selektiv ausgewählt.

Zum Einfluss von Feinstaub auf die kardiovaskuläre Mortalität werden ältere Arbeiten angeführt [2], obwohl die Metaanalyse mit den aktuell größten Probandenzahlen aller europäischen Studien von 2014 keinen Zusammenhang mehr gefunden hat [5]. Diese Arbeit wird in der Expertise nicht zitiert.

Keinen Einfluss auf die kardiovaskuläre Mortalität hatte auch die Metaanalyse von Beelen et al. [6] ergeben, die in der Expertise zwar zitiert wird, jedoch in anderem Zusammenhang. Sie wird als Bestätigung des negativen Einflusses von NO2 auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen erwähnt. Für Herz-Kreislauf-Erkrankungen war in dieser Metaanalyse aber für NO2 kein erhöhtes relatives Risiko gefunden worden.

In der Expertise werden vier weitere Arbeiten [7] [8] [9] [10] zitiert, um auf einen positiven Zusammenhang von NO2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinzuweisen. Die größte und hochrangig publizierte Metaanalyse der europäischen ESCAPE-Studiendaten [11] wird hingegen nicht angeführt, obwohl sie keinen Zusammenhang zwischen NO2 und der Gesamtmortalität gezeigt hat.

Diese Metaanalyse [11] wird in der Expertise nur in der Zusammenfassung zitiert, und zwar als Beweis für Auswirkungen von PM2,5 unterhalb des aktuellen Grenzwertes. Eine weitere Analyse der ESCAPE-Daten bzgl. der Zusammensetzung von PM2,5 zeigte in dieser Metaanalyse nur für PM2,5sulfur eine signifikante Assoziation mit der Gesamtmortalität [12]. PM2,5sulfur jedoch entsteht aus SO2, das in den letzten Jahren praktisch keine Rolle mehr spielt, denn es ist in Deutschland seit 1990 um über 90 % gesunken [13].


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Methodenkritik epidemiologischer Studien

Nahezu alle bisherigen epidemiologischen Studien zu Luftschadstoffen leiden unter einer Reihe von methodischen Problemen, Unsicherheiten und fehlenden Daten. Dies erhöht gerade bei vielen möglichen Umweltfaktoren und multiplen Testen das Konfidenzintervall und damit das Risiko von Fehlinterpretationen [14]. Effekte der Gesamtexposition auf Luftschadstoffe wurden sehr häufig als „suggestive evidence“ (z. B. [15]), „strongly supports“ (z. B. [9]) oder „contributed“ (z. B. [16]) auf die Zielgröße bewertet, trotz der immer nur schwachen Assoziationen, die mitunter nicht die Signifikanzschwelle erreichten, sofern diese angegeben wurde (z. B. [15]).

In den epidemiologischen Studien, so auch in den ESCAPE-Studien, gibt es keine, wie typisch in der Arbeitsmedizin, personenbezogene Schadstofferfassung. Bei den Luftmessungen wird häufiger die Nachweisgrenze nicht erreicht [11].

Weiterhin waren die Probanden in den ESCAPE-Studien oft noch relativ jung. Ein Aufenthaltsmuster wurde nicht erfasst und ist auch retrospektiv schwer zu erfassen. Berufliche Expositionen wurden oft nicht hinreichend erfasst, denn hier können weitaus höhere Expositionen vorliegen. Es finden sich keine verlässlichen Daten zur Aufenthaltsdauer in Innenräumen. Messungen von Innenraumimmissionen erfolgten nicht.

Folgeuntersuchungen fehlen oft bzw. werden vereinzelt nur in Untergruppen durchgeführt. Damit fehlen wichtige Informationen über Änderungen der starken Risikofaktoren wie Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel, Übergewicht usw. im Zeitverlauf. Bei ESCAPE lagen meist ca. 14 Jahre zwischen Untersuchung und Ereignis (Mortalität, Schlaganfall, Tumor usw.) im Follow-up [11].

Wesentliche Kritiken an der ESCAPE-Studie sind bisher nicht widerlegt worden, so bspw., dass sich keine konsistenten Ergebnisse für bestimmte Schadstoffe oder ihre Kombinationen zwischen diesen Studien ergeben hätten [17]. Ähnliches gilt auch für andere epidemiologische Studien, wo insbesondere bemängelt wird, dass die Innenraumbelastung nicht adäquat berücksichtigt wurde [18].

Ebenso wenig schlüssig ist die fehlende Assoziation mit kardiovaskulärer [5] im Gegensatz zur gefundenen Assoziation mit zerebrovaskulärer Mortalität [19] mit PM2,5, wo doch die Atherosklerose den gemeinsamen Mechanismus darstellen müsste. Die gleiche Inkonsistenz fand sich auch für NO2; hier war NO2 mit einer reduzierten zerebrovaskulären Mortalität im Vergleich zur kardiovaskulären assoziiert [10].

Darüber hinaus werden mögliche Assoziationen fälschlich als kausale Zusammenhänge postuliert. Assoziationen oder Korrelationen in Kohortenstudien dienen nur zur Hypothesenbildung; sie beweisen jedoch nie einen kausalen Zusammenhang [20] [21] [22].

Besonders deutlich wird dieses Problem bspw., wenn eine Risikoerhöhung aus einer epidemiologischen Beobachtungsstudie für ein Medikament [23] durch zwei randomisiert kontrollierte Studien mit bewusst ausgewählten ähnlichen Patientengruppen überprüft wird [24] [25]. Die in den epidemiologischen Beobachtungsstudien gefundenen, teilweise hohen Risikoerhöhungen verschwanden in diesen randomisiert kontrollierten Studien ausnahmslos.

Wesentliche sozioökonomische, soziodemografische Faktoren sowie das Gesundheitsbewusstsein bestimmen maßgeblich die Lebenserwartung [26] [27] [28] [29] [30] [31] [32]. Viele davon wurden nicht oder können auch gar nicht verlässlich gemessen werden. Allein die fehlende Adhärenz zu einer Therapie (unabhängig von der Wirksamkeit der Therapie) kann die Mortalität bereits mehr als verdoppeln [33]. Eine solche Gesundheitseinstellung ist durch Fragebögen nicht zu erfassen.

Die ISEE- und ERS-Expertise weist darauf hin, dass in allen relevanten Studien eine sorgfältige Adjustierung erfolgt sei. Die Anzahl von Dutzenden relevanter Störfaktoren in Kombination mit mikro- und makrospezifischen Einflussfaktoren lässt mit den erfassten probandenspezifischen Daten eine mathematisch präzise Zuordnung der einzelnen Wirkmechanismen hingegen nicht zu [14]. Die Methoden zur Adjustierung sind zu unterkomplex und könnten wesentliche Effekte nicht berücksichtigen, insbesondere auch, weil viele Confounder 10- bis 100-fach und mehr über der Wirkung der Messgröße liegen [34] [35] [36]. Das gilt insbesondere für Zigarettenrauchen [37], Alkohol, Übergewicht, Bewegungsmangel und Komorbiditäten, die im Verlauf auftreten und dann nicht mehr erfasst werden [38].

Schließlich liegen allen epidemiologischen Studien Modellrechnungen zugrunde, die von Studie zu Studie sehr unterschiedlich gewählt sind. Je nach Modellrechnung kann das Ergebnis erheblich variieren, was insbesondere Metaanalysen erschwert.


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Sind die Grenzwerte wissenschaftlich begründet? Welchen natürlichen und anthropogen verursachten Einflüssen unterliegen die Feinstaub- und Stickoxidkonzentrationen in der Außenluft?

Emission = Stoffaustrag einer Quelle (Gramm/Zeit oder Weg)

Immission = (Schad-)Stoffkonzentration in der Luft (µg/m³), definitionsgemäß an einer Messstelle[*]

Feinstaub

In der EU-Richtlinie 2008/50/EC zur Luftqualität und ihrer Verbesserung in Europa (in deutsches Recht umgesetzt mit der 39. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung [39. BImSchV]) wurde der Grenzwert für Feinstaub wie folgt festgesetzt: Der Tagesgrenzwert für PM10 beträgt 50 µg/m3 und darf nicht öfter als 35-mal im Jahr überschritten werden. Der zulässige Jahresmittelwert beträgt 40 µg/m3. Seit 2015 gilt für PM2,5 25 µg/m3 im Jahres-Mittelwert; dieser Wert ist deutlich höher als der von der WHO vorgeschlagene Wert von 10 µg/m3. Für die Zukunft sind auch niedrigere Werte in Deutschland ins Auge gefasst worden.

In den USA wurde der PM10-Grenzwert von 50 µg/m3 für den Jahresmittelwert bereits 2006 aufgrund fehlender Nachweise für gesundheitliche Risiken bei Langzeitexposition aufgehoben [39].

Auch der in den USA geltende Grenzwert für den 24-Stunden-Mittelwert für PM10 ist mit 150 µg/m³, der höchstens einmal pro Jahr im 3-Jahres-Durchschnitt überschritten werden darf, deutlich moderater gefasst als in den EU-Richtlinien. Niedrigere Grenzwertregelungen gelten hingegen für den PM2,5 – 3 Jahres-Mittelwert mit 15 µg/m³. Zusätzlich ist der Mittelwert in der 98. Perzentile der 24-Stunden-Werte dreier Jahre von 35 µg/m³ einzuhalten [40].

Detaillierte Analysen der umfangreichen Messdaten aus den Luftmessnetzen verschiedener Bundesländer haben bekannte Zusammenhänge zur Wechselwirkung natürlicher und menschlich, d. h. anthropogen bedingter Feinstaubquellen bestätigt und Grundlagen für neue Erkenntnisse gelegt, die die Grenzwertregelungen zu Feinstaub infrage stellen.

Feinstaub entstammt heute zu einem weit geringeren Anteil aus anthropogenen Quellen als bisher angenommen. Die satellitengestützten Messungen der globalen PM2,5-Belastung dokumentieren, dass die großen natürlichen Feinstaubquellen in den Wüstengebieten zu finden sind und dass die Intensität der Sonneneinstrahlung bspw. in der Äquatorregion einen wesentlichen Einfluss auf die globale Verteilung der PM2,5-Konzentrationen hat [41] [42]. So treten auch in Süd- und Mitteleuropa deutlich höhere Feinstaubbelastungen auf als in Nordeuropa. Unsere Einflussmöglichkeiten auf diese Feinstaubbelastung, insbesondere auf die Überschreitung der Tagesgrenzwerte, sind äußerst begrenzt [43].

Denn es sind in erster Linie Wetterphänomene, die in der unteren Atmosphärenschicht extreme Schwankungen und v. a. Spitzenbelastungen verursachen [44] [45] [46].

Episoden hoher Feinstaubkonzentrationen mit ganz unterschiedlicher Zusammensetzung treten bspw. nicht nur in urbanen Zentren, sondern auch in ländlichen Gebieten und abgelegenen Alpenregionen fernab von Verkehrsströmen und menschlichen Siedlungen auf.

V. a. austauscharme Inversionswetterlagen verursachen diese hohen Konzentrationen. Industrieabgase und der Hausbrand tragen dann in erheblich höherem Maße zu den Feinstaubkonzentrationen in Bodennähe bei als der Verkehr. Niedrige Mischungsschichthöhen und fehlende Vertikalströmung führen darüber hinaus zu einem konzentrierten Aufspeichern des Feinstaubs in der Luft und damit zu besonders hohen Feinstaubkonzentrationen [44] [46].

Feinstaub wird durch viele meteorologische Faktoren beeinflusst. Regenereignisse senken die Feinstaubkonzentration und binden Feinstaub am Boden. In diesen Phasen lässt sich der natürliche vom verkehrsbedingten Feinstaub gut differenzieren. In niederschlagslosen Zeiten hingegen steigt die Feinstaubkonzentration unabhängig von der Intensität anthropogener Feinstaubquellen kontinuierlich zwischen 3 und 5 µg/m³ pro Tag [44] [45] [46].

Wind vermindert einerseits die Feinstaubkonzentration, wirbelt bei höherer Windgeschwindigkeit jedoch auch Feinstaub in Konzentrationsanteilen von bis zu 5 µg/m³ vom Boden auf. Bisher weitgehend unberücksichtigt blieb die Wirkung der Sonneneinstrahlung. Allein durch intensive Sonneneinwirkung kann sich die Feinstaubkonzentration um bis zu 40 µg/m³ und mehr erhöhen [44] [45] [46]. Mit jeder Bewegung wird Feinstaub aufgewirbelt. Hochgeschwindigkeitszüge, U-Bahnen, Busse, Radfahrer, Fußgänger: Alle wirbeln Feinstaub auf. Diese bewirken im eigentlichen Sinn keine Emissionen, aber letztendlich beeinflusst dies die lokale Feinstaubkonzentration nicht unerheblich.

Meteorologische Faktoren wie Niederschlag, Sonneneinstrahlung und Luftschichtung beeinflussen die Feinstaubkonzentrationen großräumig und mit teilweise über Tage anhaltender Nachwirkung. Diese liegen im Vergleich zu dem Eintrag durch den Verkehr i. d. R. deutlich über 80 % [44] [45] [46] [47].

Verkehrsintensität und Feinstaubkonzentrationen weisen im Mittel einen sehr ähnlichen Tagesgang auf. Dies führt zu dem weit verbreiteten Missverständnis, dass v. a. der Verkehr den Tagesgang des Feinstaubs verursacht.

Bisher unbeachtet blieb, dass der Tagesgang des Feinstaubs der Intensität der Sonneneinstrahlung folgt und nicht dem Tagesgang des Verkehrsaufkommens [47].

Noch vor rund 30 Jahren war die Immissionssituation eine andere. Die Abgase waren deutlich toxischer [48] [49]. NOx und Rußemissionen standen in unmittelbarer Wechselwirkung, da dieselmotorische Antriebe beide Emissionskomponenten nicht abgasnachbehandlungsseitig reduzierten. Erst mit der flächendeckenden Einführung des Partikelfilters in den 2000er-Jahren und der Einführung der Stickoxidabgasnachbehandlung änderte sich das Bild. Als Konsequenz dieser Entwicklung ist heute keine relevante Korrelation mehr zwischen Rußpartikeln an der Straße und NOx gegeben [50] [51].

Es wird nicht bestritten, dass eine höhere Konzentration an Feinstaub vor allen Dingen in Verbindung mit Schwefeldioxid zu einer Exazerbation von Atemwegserkrankungen führen kann. Dauerhaft höhere Konzentrationen können auch eine chronische Bronchitis verursachen. Ein deutlich erhöhtes Risiko (RR 2 – 4) ist insbesondere in älteren Untersuchungen bei offenen Feuerstellen festgestellt worden [52] [53] [54]. Auch fand sich früher in Osteuropa eine höhere Inzidenz an chronischer Bronchitis, was u. a. auf die Feinstaub- und SO2-Belastung durch Braunkohle zurückgeführt wurde [55] [56]. Dies gilt auch heute in Regionen mit hoher Belastung [57]. Die Asthmainzidenz war hingegen niedriger als im Westen [58].

Zudem liegen überzeugende tierexperimentelle Daten zur Entwicklung einer chronischen Bronchitis durch höhere Feinstaubkonzentrationen vor [59]. Dabei wurden meist Dosen von ca. 500 – 1000 µg/m³ Feinstaub, oft zusammen mit SO2, aus unterschiedlichen Quellen verwendet [60]. Entsprechende tierexperimentelle Daten mit einer Exposition auf die heute viel niedrigeren Feinstaubkonzentrationen liegen nicht vor.

Die Verursachung der chronischen Bronchitis ist auch von beruflicher Aerosolbelastung bekannt, wenn diese auch ungleich höher liegt als der aktuelle Grenzwert. Deswegen wurden dazu auch die Berufserkrankung BK 4302 (durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen) und die BK 4111 (Chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von i. d. R. 100 Feinstaubjahren [(mg(m³) × Jahre]) eingeführt [61]. Die 100 Feinstaubjahre haben Bergleute damals schnell erreicht, denn die Feinstaubkonzentrationen unter Tage waren vor 1990 noch sehr hoch, im Mittel bei 5 – 7 mg/m³ [62] [63].

Wenn man die Deposition von 100 g in der Lunge bei Erreichung der BK 4111 mit der gesamten Feinstaubbelastung (6,7 g in 70 J) an der Neckartormessstelle (s. [Abb. 1]) vergleicht, dann müsste ein Mensch dort 1045 Jahre stehen, bis er die gleiche Menge inhaliert hat. Vergleicht man gar nur mit dem verkehrsbedingten Anteil (1,4 g), wären das dann 5000 Jahre.

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Abb. 1 Gegenüberstellung der inhalierten Dosen von Feinstaub am Stuttgarter Neckartor (Mittelwert 2018) im Vergleich zum Inhalationsrauchen. Ein Gesunder würde etwa 6,7 g im Laufe seines 70-jährigen Lebens einatmen. Der verkehrsbedingte Anteil am Feinstaub in unmittelbarer Nähe zur Messstation liegt dabei inzwischen bei ca. 4 µg/m³, was dann ca. 1,4 g Deposition in 70 J ausmacht. Nach den epidemiologischen Studien soll diese vergleichsweise geringe Menge eine große Anzahl von Erkrankungen verursachen.
Ein Zigarettenraucher würde bei einer Packung/Tag in 40 J 2920 g Feinstaub inhalieren, also 435 × mehr; bei Bezug auf den verkehrsbedingten Anteil sogar 1537 × mehr. Gesichert ist hier die Verursachung von Lungenkrebs und COPD und weniger stark auch von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Blasenkrebs.
Es gibt zahlreiche Erkrankungen, die mit dem Zigarettenrauch assoziiert sind; es wurden jedoch nur diejenigen erwähnt, für die es eine sehr deutliche Risikoerhöhung und pathophysiologische Hinweise mit Tierversuchen gibt. Im Unterschied zum Feinstaub an befahrenen Straßen ist die nachgewiesene Toxizität des Zigarettenrauchs zudem noch ungleich höher, da durch die Glut und den Tabak viel mehr Reizstoffe und Kanzerogene entstehen.

Durch die Clearancemechanismen ist die Gesamtdeposition natürlich geringer; das gilt aber für alle Schadstoffbelastungen [64] [65] [66].

Zudem wird häufig vergessen, dass die Innenraumbelastung für Feinstaub sich gravierend von der im Freien unterscheidet. [67] [68] [69] [70]. In öffentlichen Einrichtungen wie Schulen wurden in Deutschland maximal bis zu 1000 µg/m³ PM10 gemessen [71].


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Stickoxide

In derselben EU-Richtlinie 2008/50/EC zur Luftqualität und ihrer Verbesserung in Europa wurde der Grenzwert für NO2 auf 40 µg/m3 festgesetzt [72]. In der Begründung wird auf eine WHO-Leitlinie von 2000 und 2005 verwiesen [73] [74]. In dieser wird jedoch ausdrücklich festgehalten, dass ein gut begründeter Grenzwert aus den verfügbaren Studien nicht abgeleitet werden konnte, vielmehr wird auf die Environmental Health Criteria 188 von 1997 verwiesen [75]. Dieses Dokument legt auf der Basis einer Belastung von 15 µg/m3 und der Tatsache, dass gesundheitliche Schädigungen ab 28,2 µg/m3 additiv auftreten können, einen Grenzwert von 40 µg/m3 fest.

Dieser Wert basiert auf einer Metaanalyse von neun Studien aus unterschiedlichen Ländern mit dem Endpunkt „Symptome der unteren Atemwege“ und „Erkrankungen bei Kindern unter 12 Jahren“ [76], wobei nur Innenraumbelastungen, meist durch Gasöfen, berücksichtigt wurden. Nur in vier dieser Studien wurde die tatsächliche Exposition gegenüber Stickoxiden gemessen.

In der großen Metaanalyse des ESCAPE-Projektes von 2014 [11] wurde kein Effekt von NO2 auf die Mortalität gefunden.

Zudem reflektieren Außenluftmessungen mit stationären Geräten nicht die persönliche Belastung [77]. Nicht berücksichtigt wird in epidemiologischen Studien, dass sich in Innenräumen die NO2-Konzentration im Vergleich zur Straße nochmals um ca. die Hälfte halbiert, wenn keine NO2-Quellen aus dem Innenraum hinzukommen (Kerzen, Kamin, Gasherd, Rauchen) [67] [78] [79].

Untersuchungen am Menschen haben gezeigt, dass gesunde Probanden auf eine Exposition von NO2 bis zu einer Konzentration von 4000 µg/m3 keine akuten Symptome entwickeln [80]. Asthmatiker zeigen ab einer Konzentration von ca. 500 µg/m3 mitunter eine Veränderung bzw. Triggerung der Hyperreagibilität [81] [82] [83]. Für die Entstehung eines Asthmas fanden sich keine Hinweise [81] [84]. Naturgemäß kann eine Reaktion auch auf geringe Konzentrationen nicht ausgeschlossen werden; Asthmatiker können zudem auf jedwede Exposition von Reizstoffen, einschließlich physiologischer Kochsalzlösung oder Parfüm, in niedriger Konzentration reagieren. Es erscheint jedoch sehr unwahrscheinlich, dass zehnfach niedrigere Konzentrationen chronische Lungenerkrankungen bewirken können. Immerhin rauchen mind. 15 – 30 % der Asthmatiker [85] [86].

Im Hauptstrom des Zigarettenrauchs entstehen beim Rauchen Konzentrationen von bis zu 1 000 000 µg/m³ NO und sicher auch über 50 000 µg/m³ NO2 [87] [88] [89]. Die Asthmatiker vertragen diese hohen NOx-Konzentrationen wahrscheinlich nur, weil sie den Hauptstrom aus der Zigarette (Ansaugvolumen) durch Nebenluft verdünnen. Damit reduzieren sich die Konzentrationen ca. um den Faktor 20 – 50.

Stickoxide sind wichtige Biomoleküle, die auch im Körper gebildet werden können. Im Jahr 1988 erhielten Robert Furchgott, Louis Ignarro und Ferrid Murad den Nobelpreis für Medizin für die Rolle der Stickoxide als „signalling molecules“. NO wird im Körper für unterschiedliche Zwecke, darunter Signaltransduktion und Vasodilatation, synthetisiert, da es als Gas sofort durch die Zellwand penetrieren kann [90] [91] [92]. NO ist heute ein zugelassenes Medikament zu Vasodilatation der Lungenkapillaren bei beatmeten Patienten.

NO findet sich auch im Exhalat, insbesondere aus der Nase (dabei werden bei Gesunden Konzentrationen bis zu 650 µg/m³ erreicht [93]. NO oxidiert an der Luft rasch zu NO2, das deutlich besser wasserlöslich ist [91]. Die hohe Diffusionsgeschwindigkeit und gute Wasserlöslichkeit der Moleküle führt beim NO2 dazu, dass es rasch von der Schleimhaut wieder absorbiert wird [94]. Das ist jedenfalls für das chemisch ähnliche SO2 nachgewiesen, wo bei Nasenatmung bereits 99 % des Gases in der Nase absorbiert wurde [95] [96]. In den Bronchien werden vermutlich etwa 10 % des NO im Exhalat in NO2 umgewandelt [97].

Im Atemtrakt befinden sich also möglicherweise bereits Konzentrationen im Bereich des Grenzwertes für NO2 von 40 µg/m³, wenn man davon ausgeht, dass nur 5 % des von der Nase erzeugten NO bereits in den Atemwegen zu NO2 oxidiert wird [97]. Damit ist es biologisch nicht plausibel, dass aus der Außenluft inhaliertes NO2 in diesen geringen Konzentrationen schädlich sein kann.

Diese Feststellung aus der Physiologie ist gleichzeitig ein weiteres Beispiel dafür, dass aus epidemiologischen Studien keine kausalen Schlüsse gezogen werden können, sofern für die zur Diskussion stehenden Konzentrationen keine experimentellen Befunde vorliegen.

Zusammengefasst hat der geltende Jahresmittelwert von 40 µg/m3 für NO2 wissenschaftlich keine ausreichend gesicherte Begründung. Es ist vor dem Hintergrund der hier offengelegten Unsicherheiten von epidemiologischen Studien und dem Mangel an experimentellen Befunden nicht belegbar, dass geringfügige Grenzwertüberschreitungen gesundheitliche Schäden nach sich ziehen. Zudem muss daran erinnert werden, dass der Grenzwert heute straßennah unterschritten werden muss, sich die Menschen jedoch zu 80 bis 90 % in Gebäuden aufhalten.


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Stickoxide als Surrogatparameter für Schadstoffbelastung

Die Grenzwertfestlegung für Stickoxide wird zusätzlich damit begründet, dass die Schädlichkeit von Stickoxiden selbst nicht entscheidend sei, diese vielmehr zusätzliche indirekte Wirkungen erzeugten und insgesamt als Surrogatparameter für Schadstoffbelastung herangezogen werden können. So schreibt die Expertise der IHSS und ERS: „Stickoxide sind wichtige Vorläufer von Ozon und tragen zur Bildung von Feinstaub bei.“

Insbesondere die Ozonbildung ist komplex und von mehreren Faktoren abhängig, die sich gegenseitig beeinflussen. Durch den Rückgang der Stickoxidemissionen (NOx) und der volatilen organischen Substanzen im Abgas (VOC) durch verbesserte Motorentechnik und Abgasreinigung, insbesondere durch den weitverbreiteten Katalysatoreinsatz, ist auch die Ozonspitzenkonzentration zurückgegangen, sodass seit Jahren kein Ozonalarm mehr ausgelöst wurde und nur vereinzelt Werte oberhalb von 240 µg/m³ gemessen werden [98] [99].

Wesentlich ist die Titrationsreaktion im Zusammenspiel mit NO

NO + O3 < = > NO2 + O2


Es handelt sich bei dieser Darstellung des Leighton-Gleichgewichtes um eine Vereinfachung, da die Rückreaktion nur unter Beisein von UV-Strahlung über den Zwischenschritt der Photolyse von NO2 zu NO plus O erfolgt.

Die Rückreaktion erfolgt also am Tag durch photolytische Spaltung von NO2. Es kann abhängig von den Randbedingungen sowohl eine Bildung als auch eine Reduzierung von Ozon O3 erfolgen. Der Ozonjahresmittelwert steigt nun v. a. an vielbefahrenen Straßen seit vielen Jahren etwas an, liegt aber deutlich niedriger als im ländlichen Hintergrund [100]. Dies ist mit der über die Jahre abnehmenden NOx-Emission der Fahrzeuge begründet. Im ländlichen Hintergrund führen großskalige Transportprozesse von NOx und Reaktion insbesondere mit biogenen VOCs zur Ozonbildung, die Titration von Ozon mit NO ist dort nicht mehr dominant, Ozon ist folglich im Hintergrund erhöht.

Werte oberhalb der Informationsschwelle von 180 µg/m³ werden insbesondere an sonneneinstrahlungsreichen Tagen noch häufiger erreicht, sowohl stadtnah als auch stadtfern. Der photochemische Bildungsmechanismus sowie die oben genannte Titration von O3 mit NO führen zu einem O3-Tagesgang mit einem Maximum am Nachmittag.


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Widersprüche und Ungereimtheiten

Schadstoffbelastung durch Fahrzeug-Verkehr

In der Diskussion um die Schadstoffbelastung der Außenluft steht sehr einseitig der Straßenverkehr, der jedoch nur einen Bruchteil der Feinstaub-Belastung der Außenluft ausmacht. Selbst an Autobahnen und hoch belasteten Straßen im innerstädtischen Bereich sind maximal 6 µg/m³ bis 8 µg/m³ auf den Verkehr zurückzuführen. Etwa die Hälfte davon ist dem Anteil schwerer Nutzfahrzeuge zuzuschreiben. Die verbleibenden 3 µg/m³ bis 4 µg/m³ werden durch den PKW-Verkehr verursacht, wobei 50 % dem Abrieb und der Aufwirbelung durch alle PKW-Fahrzeugklassen und lediglich 1 µg/m³ bis maximal 2 µg/m³ den Abgasen aus den Verbrennungsmotoren der PKWs zuzuordnen [44] [45] [46] [47] sind.

Durch das Silvesterfeuerwerk werden bspw. Peaks bis über 600 µg/m³ erzeugt. Wirtschaft, Privathaushalte, Elektrizitäts- und Fernheizwerke und Landwirtschaft erzeugen zusammen wesentlich höhere Emissionen als der Fahrzeug-Verkehr [101]. Das Umweltbundesamt beziffert den Anteil des Straßenverkehrs an der Feinstaub-Belastung mit 13,8 Prozent [102].

Es muss daher daran erinnert werden, dass Reduktionen der Grenzwerte für eine Feinstaubbelastung durch den Fahrzeug-Verkehr nur marginale Effekte auf die Gesamt-Exposition der Bevölkerung haben werden, europa- oder gar weltweit betrachtet so gut wie keine [41] [42] [47].


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Implikationen der Messung von Schadstoffen

Das geltende EU-Recht schreibt vor, an welcher Stelle und in welcher Weise die Schadstoffbelastung gemessen werden soll. Es gestattet insofern Spielraum bei der Aufstellung von Messstationen, dass die Abstände von der Fahrbahn bis zu 10 Metern betragen dürfen. In Deutschland wurde von dieser Möglichkeit meist kein Gebrauch gemacht, was tendenziell zu höheren Messwerten, insbesondere bez. der Stickoxide führt. Das Abstandsquadratgesetz aus der Physik beweist, dass hohe Stickoxidkonzentrationen in unmittelbarer Fahrbahnnähe bereits nach wenigen Metern deutlich reduziert gemessen werden. Andere Vorgaben wie die Gewährleistung eines ausreichenden Vermischens der Emissionen mit der Außenluft oder der geforderte Abstand von Kreuzungsbereichen von 25 m werden in Deutschland oftmals nicht eingehalten. Zudem ist die Position der Messstation häufiger an Stellen gewählt, an denen höhere Emissionen durch Anfahrvorgänge und/oder Steigungen die Messwerte zusätzlich in die Höhe treiben.


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Diesel- und Benzinmotoren sowie Elektrofahrzeuge

Diesel- und Benzinmotoren unterscheiden sich in ihren Motor-Rohemissionen erheblich. Durch den flächendeckenden Einsatz der Abgasnachbehandlung gleichen sich die relevanten „Tailpipe-out“-Emissionen immer mehr auf niedrigem Niveau an.

Dieselmotoren arbeiten mager mit Luftüberschuss und weisen deshalb im Abgas auch Sauerstoff auf. Beide Motortypen emittieren ca. 73 % N2 und 10 – 12 % H20. Der Benzinmotor emittiert mehr CO2. Im Zuge der Bemühung um eine Reduktion des CO2-Ausstoßes wurde die Direkteinspritztechnik entwickelt, die ihrerseits allerdings zu einer Erhöhung der Partikelrohemission führte [103] [104].

Für die modernste Emissionsstufe EURO6dtemp/EURO6dfinal hat die wissenschaftliche Gesellschaft für Kraftfahrzeugtechnik und Motorenbau das Emissionsverhalten dieser Technologie als nahezu immissionsneutral beschrieben [105].

Im Mittel gilt für viele Fahrzeuge dieses Jahrzehntes, dass sich Diesel-PKW durch höhere NOx-Emissionen auszeichnen (200 bis 800 mg/km mit Ausreißern und einem NO2-Anteil von bis über 40 Prozent). Fast alle Ottomotoren liegen im Bereich unter 60 mg/km [106].

Ottomotoren emittieren teilweise bis 6*1012 Partikel/km [107] [108] [109]. Dieselfahrzeuge emittieren durch den Einsatz der Partikelfilter mehr als 100-fach weniger, womit sie im Bereich der unbelasteten Außenluft liegen. Mit der bereits laufenden Einführung der EURO6dtemp-Gesetzgebung werden auch alle Ottomotoren spätestens ab 1. September 2019 einen Partikelfilter erhalten.

Insgesamt weisen Dieselfahrzeuge weiterhin einen höheren Wirkungsgrad auf als Ottomotoren, weswegen sie bei gleicher Leistung rund 15 Prozent weniger CO2 produzieren. Das kommt den angestrebten CO2-Zielen entgegen.

Elektrofahrzeuge erzeugen keine direkten Emissionen durch Verbrennungsprozesse, jedoch ebenfalls durch fahrzeugseitige Effekte. Zudem unterliegen auch diese Fahrzeuge einer Energiebilanzierung. Die aktuell noch ungelösten Probleme der Elektromobilität (extrem hoher Strombedarf, Bau und Entsorgung von Batterien) sprechen nicht dafür, Grenzwerte zum Vehikel der schleichenden Elimination von Verbrennungsmotoren zu machen. Angemessener erscheint vor dem Hintergrund der weltweiten Notwendigkeit der CO2-Reduktion eine intensive Bemühung um neue Antriebs-Technologien.


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Unterschiedliche Grenzwerte für die Außenluft und Arbeitsplätze

Die geltenden Grenzwerte für eine NO2-Exposition liegen in Deutschland für die Außenluft bei 40 µg/m³, am Arbeitsplatz bei 950 µg/m3. Für Büro- und Wohnräume gibt es nur einen Richtwert von 60 µg/m3, wobei das Umweltbundesamt (UBA) in einem Protokoll vom Dez. 2018 inzwischen [110] sogar davon spricht, dass erst ab 500 µg/m3 belastbare Daten für Kurzzeiteffekte bei Personen mit leichtem Asthma vorliegen. Diese Unterschiede werden damit begründet, dass gegenüber der Außenluft eine dauerhafte Exposition bestehe, während sie andernorts nur temporär sei.

Tatsächlich macht diese Unterscheidung keinen Sinn. Eine grenzwertnahe Exposition von 8 h pro Tag in Innenräumen bzw. 40 h in der Woche dürfte wesentlich intensiver sein als eine Exposition von 2 – 4 h pro Tag, an denen sich ein Mensch im Freien aufhält, denn dort wechselt er seine Position i. d. R. viel häufiger und bleibt selten ständig im Grenzwertbereich. Das UBA erwähnt auf seiner Homepage, dass sich Menschen zu 90 % in Innenräumen aufhalten [111].

Feinstaubkonzentrationen, egal zu welcher Korngröße, sind aufgrund der natürlich bedingten Grundbelastung und witterungsabhängigen Schwankungen als Immissionsgrenzwerte für die Außenluft keine geeignete Messgröße. Sinnvoll ist allein die emissionsseitige Begrenzung der anthropogenen Quellen.


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Bisherige Effekte der Umweltpolitik

Schließlich ist es notwendig, auf das bisher Erreichte in der Umweltpolitik bzw. die Reduktion der Schadstoffe hinzuweisen.

Ausweislich der Angaben des Umweltbundesamtes konnte die Belastung durch Feinstaub (PM10) von 1990 bis 2016 von 328 auf 203 Tausend Tonnen zurückgeführt werden [112]. Ebenso wurde die Belastung durch Stickoxide in diesem Zeitraum von 2892 auf 1217 Tausend Tonnen reduziert, also mehr als halbiert [113]. Darüber hinaus reduzierte sich auch kontinuierlich der relative Anteil des Verkehrs an der Schadstoffbelastung.

Das Umweltbundesamt schreibt: „Während zu Beginn der 1990er-Jahre im Jahresmittel großräumig Werte um 50 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) gemessen wurden, treten heute PM10-Jahresmittelwerte zwischen 15 und 20 µg/m³ auf.“ Grenzwertüberschreitungen sind heute eine extreme Ausnahme [102].


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Sommer-Winter-Vergleich

Ein wesentlicher potenzieller Störfaktor sind die jahreszeitlichen Änderungen der Wetterbedingungen. So sind in vielen Regionen, bedingt durch häufige Inversionswetterlagen, die Feinstaub- und NO2-Konzentrationen im Winter doppelt so hoch wie im Sommer. Gleichzeitig ist die Mortalität im Winter deutlich größer als im Sommer. Dieser deutliche Zusammenhang könnte nun dadurch erklärt werden, dass die schlechte Luftqualität im Winter die Mortalität erhöht, aber auch damit, dass die gehäuften viralen und bakteriellen Infektionen im Winter oder einfach die Kälte die Mortalität erhöhen. Während austauscharmer Wetterlagen sind nicht nur die inhalierbaren Schadstoffe erhöht, sondern auch die infektiösen Aerosole [114]. Erst seit einigen Jahren weiß man, dass bereits durch die Ausatmung, also auch ohne Husten, der Mensch immer Aerosole um 1 µm erzeugt [115]. Diese können infektiöse Erreger, insbesondere Viren, enthalten [116] [117]. Nach Wissen der Autoren wurde das Problem bisher in keiner epidemiologischen Studie berücksichtigt oder diskutiert.

Vor diesem Hintergrund von Unsicherheiten sind zum jetzigen Zeitpunkt rigorose Maßnahmen zur Reduktion von Grenzwertüberschreitungen nicht verhältnismäßig. Stattdessen sollte kontinuierlich durch technologische Fortschritte an der Reduktion der emittierten Schadstoffbelastung gearbeitet werden.


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Entgegnungen

Rauchen

Die Initiative deutscher Lungenärzte weist darauf hin, dass die Exposition durch Rauchen eine ungleich höhere Feinstaubbelastung impliziert und aufgrund dessen die postulierten Gesundheitsrisiken der Feinstaubexposition durch Verkehr erheblich zu relativieren sind.

Der „Großversuch“ Rauchen falsifiziert die Hypothese der Schädlichkeit von Feinstaub in der legislativen Grenzwertdosis:

Konkret gerechnet, ergibt sich folgendes Bild: Der Mensch atmet in Ruhe ca. 9 m3/Tag oder ca. 260 000 m3 in seinem Leben ein (bei angenommenen 80 Jahren, ohne Berücksichtigung des reduzierten Atemvolumens in der Kindheit und im Schlaf). Bei einer lebenslangen Inhalation von 50 µg/m³ Feinstaub (hier wurde eine Deposition von 100 % angenommen; obwohl die Deposition bei Spontanatmung unter 50 % liegt [118]) ergibt sich im ungünstigsten Falle eine lebenslange Belastung von ca. 13 g PM10. Zum Vergleich: Pro Zigarette werden aktuell max. 10 mg Tabakverbrennungsprodukte in der Lunge deponiert, da im Gegensatz zu früher die Kondensatdosis durch EU-Verordnung reduziert wurde. Bei einer angenommenen Deposition von 100 % der Zigarettenrauchpartikel (realistische Deposition beim Raucher ca. 80 % [119] [120] [121]) erreicht der Raucher die gleiche retinierte Dosis von 13 g bereits nach ca. 1300 Zigaretten oder nach ca. 65 Packungen (gut 2 Monate bei 1 Packung/Tag).

Hinzu kommt noch erschwerend, dass der Zigarettenrauch ungleich toxischer ist als der Feinstaub [122] [123] [124]. Einen Vergleich der inhalierten Dosen aus dem Zigarettenrauch und der Jahresmittelkonzentration PM10 am Stuttgarter Neckartor zeigt [Abb. 1].

Die ISEE- und ERS-Expertise hatte erwidert, dass im Falle des Feinstaubs keine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung hinsichtlich kardiovaskulärer Erkrankungen besteht.

Dieser Einwand eines nicht-linearen Zusammenhangs von Exposition und Effekt trifft in dieser Form nicht zu. Mit zunehmender Rauchdosis steigt das relative Risiko für eine koronare Herzerkrankung [125] [126] oder Mortalität [123] [127] deutlich an. Ebenso besteht eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Rauchen und Lungenkrebs [37]. In gleicher Weise gilt diese Assoziation auch für die COPD [131] [132]. Zu beachten ist dabei, dass bei der Risikoschätzung von Tabakrauchen eine kumulative Dosis (Packungsjahre) zugrunde gelegt wird, bei Feinstaub hingegen wird lediglich eine Konzentration, extrapoliert auf den Untersuchungszeitpunkt, als Expositionsmaß genommen.

Darüber hinaus weist die Expertise der ISEE und ERS auf die Unterschiede in der Dauer der Exposition hin (kurze hohe Exposition beim Rauchen, geringere, aber andauernde Exposition durch Umgebungsluft).

Bislang wurde in epidemiologischen Studien noch nicht ausreichend detailliert untersucht, ob eine kurze hohe Exposition weniger schädlich ist als eine andauernde niedrige, wobei die hohe Innenraumbelastung in den Rauchpausen noch hinzukommt. Die durch Rauchen deponierte Menge Feinstaub verweilt in der Lunge, was auch im Gewebe und in den Makrophagen unmittelbar sichtbar ist. Die Konstruktion einer andauernden Umweltexposition ist ebenfalls falsch. Die Exposition und Dauer der Belastung wechseln, weil alle Menschen regelmäßig ihre Position ändern, sich im Laufe des Tages am Arbeitsplatz und zu Hause aufhalten, unterwegs sind, Freizeitaktivitäten ausüben und in den Urlaub fahren. Insofern ist es wichtig, die Exposition gegenüber Feinstaub mit personengetragenen Messgeräten zu validieren.

Dass Rauchen in erster Linie erwachsene Menschen betrifft, ist ebenfalls nicht richtig. Bspw. werden Kinder rauchender Mütter mit einem geringeren Gewicht geboren. Dies ist per se jedoch ebenso wenig ein Argument für die geltenden Grenzwerte des Feinstaubs wie der Hinweis darauf, dass das Rauchen ja auch eingestellt werden kann, da es hier um die Frage der Verhältnismäßigkeit – der relativen Schädlichkeit von Rauchen und Feinstaubexposition – geht. Rauchen stellt gewissermaßen einen toxikologischen Expositionsversuch dar, der sonst wegen der ethischen Limitation nicht möglich wäre.


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Vergiftungsmuster

Die ISEE- und ERS-Expertise verweist darauf, dass es ein typisches Vergiftungsmuster der Schadstoffe sehr wohl in Form eines oxidativen Stresses sowie entzündlicher Reaktionen gibt, das für unterschiedlichste Folgen, von der Demenz bis zum Diabetes, verantwortlich gemacht werden kann.

Diese Annahme ist in der Theorie zulässig. Für den diskutierten Niedrigdosisbereich von Schadstoffen ist die Annahme eines dadurch ausgelösten dramatischen oxidativen Stresses sehr wenig plausibel, zumal die Evolution entsprechende Abwehrmechanismen entwickelt hat.

Die Vielfalt der gefundenen Assoziationen, sämtlich in schwacher Ausprägung, unterstützt jedoch nicht zusätzlich eine Bedeutung der Feinstaub-Expositionen für die Gesundheit, sondern stellt sie eher infrage. Nach dem Wissen der Autoren fehlen geeignete Tierversuche im Niedrigdosisbereich.

Häufig wird erwähnt, dass Feinstaub Mediatoren der Entzündung in Zellkulturen oder im Blut induzieren würde. Diese würde dann zu Krankheiten führen. Solche Mediatoren sind jedoch eine unspezifische Abwehrreaktion, die man praktisch auf jeden Fremdstoff oder auch schon auf körperliche Belastung messen kann [133]. Ein pathophysiologisches Konzept für die zahlreichen Krankheitsbilder, deren Entstehung dem Feinstaub angelastet wird, ist experimentell unter den diskutierten Konzentrationen nicht belegt.

Schlüssiger wären Tiermodelle. Hier hätte man erwartet, dass man bei dem großen Forschungsaufwand, der für Feinstaub getrieben wird, ausreichend belastbare Ergebnisse in Bezug auf die zahlreichen in den epidemiologischen Studien gefundenen Erkrankungen finden würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zahlreiche experimentelle Untersuchungen gibt es bspw. für die Toxizität von Zigarettenrauch [123] [134].

Regelhaft wird auf Veröffentlichungen hingewiesen, in denen transgen veränderte Mäuse in Verbindung mit cholesterinreicher Kost mehr Atherosklerose entwickeln, wenn sie etwa zehnfach aufkonzentrierten Feinstaub aus Innenstädten inhalieren im Vergleich zu einer Kontrollgruppe [135]. Dies steht im Widerspruch zu den letzten großen epidemiologischen Metaanalysen an über 300 000 Personen, in denen sich kein Einfluss des Feinstaubs mehr auf die kardiorespiratorische Mortalität zeigte [5].

Diese Ergebnisse weisen auf einen systematischen Fehler hin, den man häufig in der Literatur zum Feinstaub oder NOx findet. Obwohl in der Literatur andere Erklärungsmodelle existieren, werden sie nicht zitiert.

Das Modell mit den transgenen Mäusen, die auf cholesterinreiche Kost verstärkt eine Arteriosklerose entwickeln, wird in verschiedenen Bereichen angewendet, auch zur Stressforschung. Hier findet sich allein durch Anwendung von unregelmäßigem Stress im Tierlabor eine ähnliche und sogar beschleunigte Zunahme der Arteriosklerose [136]. Ähnliches wurde auch bei genetisch unveränderten Kaninchen gefunden, und zwar bereits auf milde Stressreaktionen [137].

Es ist daher plausibel, dass in dem konzentrierten Feinstaub aus den Innenstädten viele Geruchsstoffe von Katzen, Hunden, aber auch Autoabgasen enthalten sind, die bei den Versuchstieren eine natürliche Fluchtreaktion auslösen, die aber im Käfig frustran bleiben muss. Das erzeugt natürlich maximalen Stress.

Für diese Hypothese spricht, dass allein die Gabe von Geruchsstoffen von Raubtieren bereits bei nicht genetisch veränderten Mäusen Veränderungen im Gehirn auslösen kann [138].

Diese Modelle wären also nur valide, wenn sie eine weitere Kontrollgruppe mit vergleichbarer Belastung mit Stressoren enthalten würden.


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Tote durch Feinstaub und Stickoxide

Die ISEE- und ERS-Expertise weist das Argument zurück, dass Effekte der Schadstoff-Belastung in der Luft für Kliniker nicht wahrnehmbar sind. Sie begründet diese Fragestellung damit, dass Zusammenhänge von Erkrankung und Exposition immer nur epidemiologisch und toxikologisch belegt werden können.

Dies trifft grundsätzlich zu. Allerdings sind die Folgen des Rauchens klinisch sichtbar mit einer „schwarzen“ Lunge und ebenso offensichtlich bei Lungenärzten in Form von COPD und Lungenkrebs. V. a. (keineswegs ausschließlich) sind Plattenepithelkarzinome und kleinzellige Lungenkarzinome typische Rauchererkrankungen. Ein auch nur annähernd ähnlicher Zusammenhang zu Feinstaub und Stickoxiden ist für Lungenärzte nicht erfahrbar; dies weist auf das drastische Missverhältnis der Bedeutung beider Einflussgrößen für die Verursachung tödlich verlaufender oder lebenszeitverkürzender Erkrankungen hin.

Das prinzipielle Problem eines Zusammenhangs zwischen Exposition und Erkrankung wird in der Arbeitsmedizin bei Berufserkrankungen aufwendig ermittelt, wo zwischen Exposition und klinisch nachgewiesener Berufserkrankung (z. B. Silikose) ein Zusammenhang mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Entschädigung dargestellt werden muss.

In der UBA-Publikation werden etwa 6000 Sterbefälle dem NO2 angelastet [139]. Es wurde nachgewiesen, dass die Berechnung der Todesfälle aus den epidemiologischen Untersuchungen über das sog. attributable Risiko nicht nur wegen der fehlenden Kausalität falsch, sondern – wenn man das Risiko als gegeben annehmen würde – auch mathematisch unrichtig ist [140]. Richtig wäre die Angabe von reduzierter Lebenszeit (YLL, Years of Life Lost). Bei der in der UBA-Publikation angegebenen YLL/100 00 Einwohner von 87,96 wären das dann ca. 8 Std./Einwohner Lebenszeitverkürzung. Dagegen verlieren die Deutschen durch ungesunden Lebensstil mehrere Lebensjahre, und zwar Männer bis zu 17 Jahre [38].


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Kanzerogenität des Feinstaubs

Die chemische Zusammensetzung des Feinstaubs ist lokal sehr unterschiedlich. Das kann natürliche (z. B. Aerosole, Salze in Meeresnähe, mineralische Anteile in Wüstengebieten, Vulkanasche u. a.) oder anthropogene Ursachen (z. B. Brandrodung, Industrieabgase, Heizungsanlagen, Verkehr, Abrieb in U-Bahnstationen u. a.) haben. Als Feinstaub werden auch biogene Anteile (z. B. Pollen) gemessen.

Auch aus diesem Grund ist es sehr fragwürdig, allgemein von einer karzinogenen Wirkung des Feinstaubs zu sprechen; ein solcher Effekt müsste einer oder mehreren Substanzgruppen zuzuordnen, tierexperimentell als karzinogen nachgewiesen und epidemiologisch reproduzierbar zu zeigen sein. Diese Beweiskette ist jedoch bislang nicht vorgelegt worden.


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Unterschiede in den Grenzwerten EU versus USA

Während in der EU der Grenzwert für NO2 40 µg/m3 beträgt, wurde in den USA ein Grenzwert von ca. 100 µg/m3 festgelegt. Auch die in Kalifornien und weiteren 16 Bundesstaaten geltenden strengeren Stickoxid-Grenzwerte von 57 µg/m3 würden Fahrverbote in Deutschland infolge von Grenzwertüberschreitungen weitgehend ausschließen.

Die ISEE- und ERS-Expertise argumentiert: Dafür hätten die USA deutlich schärfere Grenzwerte für die Emission von Fahrzeugen. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig, da die letztlich eingeatmete Umgebungsluft entscheidend für eine Exposition ist, nicht der Emissionsgrenzwert. Es bleibt daher dabei, dass in den USA ein zweieinhalbfach höherer Grenzwert akzeptiert wird.

Schließlich weist die Expertise auf den nur halb so großen Grenzwert für Feinstaub (PM2,5) hin, der in den USA gilt (12 µg/m3 versus 25 µg/m3).

Diese Tatsache ist jedenfalls nicht vereinbar mit der häufig geäußerten Position, NO2 sei nicht selbst schädlich, sondern ein Korrelat für die Feinstaubbelastung.

In der Schweiz liegt ein niedriger NO2-Grenzwert von 30 µg/m3 vor. Dieser ist jedoch v. a. aus Biodiversitätsgründen zum Schutze der Artenvielfalt auf dem Lande niedrig gewählt. Auch in Deutschland wird dieser Wert im Hintergrundmessbereich typischerweise schon heute eingehalten.


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Ethische Überlegungen

Dem Staat kommt gegenüber seinen Bürgern eine Fürsorgepflicht zu. Interventionen, die dieses Ziel verfolgen, müssen 1) wirksam und 2) verhältnismäßig sein. Keinesfalls gibt es eine absolute Fürsorgepflicht des Staates, denn der Staat kann immer nur eine Risikominimierung, niemals aber eine Risikoelimination, leisten. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine Risikoelimination prinzipiell unmöglich ist. Die Fürsorgepflicht vollzieht sich somit i. d. R. im Rahmen einer Güterabwägung.

Die Wirksamkeit für eine gesundheitliche Risikoreduktion von rigorosen Maßnahmen zur Verhinderung von Grenzwertüberschreitungen sowie der weiteren Reduktionen von Grenzwerten muss angezweifelt werden. Für NO2 liegt keine überzeugende Evidenz für gesundheitliche Risiken in aktuell erzielten Konzentrationen vor, wie insbesondere die aktuelle Meta-Analyse in ESCAPE gezeigt hat [11]. Adäquate Tierversuche, insbesondere im Niedrigdosisbereich, fehlen.

Die Steuerungsmöglichkeiten der Feinstaubimmissionen sind auf den geringeren anthropogenen Anteil begrenzt.

Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten erscheinen die aktuell durchgeführten oder anstehenden Fahrverbote als völlig unverhältnismäßig. Die Tatsache, dass Lifestyle-Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, übermäßiger Konsum von Alkohol und rotem Fleisch zusammen mit einer Einbuße an Lebenszeit von 17 Jahren für Männer und 14 Jahren für Frauen assoziiert sind [38], zeigt deutlich, wo die wesentlichen individuell beeinflussbaren Gesundheitsrisiken liegen und wo die Prävention mit großem Erfolgspotenzial erfolgen sollte.

Schließlich sind auch die sozialen und anderen Folgen unangemessener und unverhältnismäßiger Interventionen zu beachten. Dazu gehören neben der finanziellen Belastung größerer Bevölkerungsgruppen auch die negativen ökologischen Schäden einer vorzeitigen Abwrackung von älteren Dieselfahrzeugen und unnötiger Herstellung von Neuwagen.


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Interessenkonflikt

D. Köhler, M. Hetzel, M. Klingner, S. Ewig, G. Becher, H. Lindemann, T. Voshaar, und U. Costabel geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
T. Koch: Das Institut für Kolbenmaschinen am KIT finanziert sich neben einer Basisfinanzierung zu einem überwiegenden Maße durch öffentliche Drittmittel von Ministerien, Stiftungen, Fördergesellschaften oder der Forschungsvereinigung FVV, typischerweise mit Fördermitteln der AIF oder Cornet. Ein deutlich kleinerer Anteil wird durch Drittmittel aus einer weitgefächerten Industrielandschaft (Energietechnik, Zulieferindustrie, Messtechnik, Fertigungstechnik, Fahrzeug- und Motorenindustrie) durch Forschungsaktivitäten beigesteuert. Ein Interessenkonflikt oder gar eine Beeinflussung hinsichtlich der Beiträge in dieser Publikation liegen nicht vor.

Danksagung

Wir danken Herrn Prof. Dr. med. univ. Horst Olschewski (Graz) und Herrn Prof. Dr. med. Matthias Griese (München) herzlich für ihre kritische Durchsicht des Manuskriptes.

* Die Immission von Feinstaub und NOx nimmt etwa proportional zur Entfernung von der Quelle ab.



Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Dieter Köhler
Auf dem Kamp 11
57392 Schmallenberg


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Abb. 1 Gegenüberstellung der inhalierten Dosen von Feinstaub am Stuttgarter Neckartor (Mittelwert 2018) im Vergleich zum Inhalationsrauchen. Ein Gesunder würde etwa 6,7 g im Laufe seines 70-jährigen Lebens einatmen. Der verkehrsbedingte Anteil am Feinstaub in unmittelbarer Nähe zur Messstation liegt dabei inzwischen bei ca. 4 µg/m³, was dann ca. 1,4 g Deposition in 70 J ausmacht. Nach den epidemiologischen Studien soll diese vergleichsweise geringe Menge eine große Anzahl von Erkrankungen verursachen.
Ein Zigarettenraucher würde bei einer Packung/Tag in 40 J 2920 g Feinstaub inhalieren, also 435 × mehr; bei Bezug auf den verkehrsbedingten Anteil sogar 1537 × mehr. Gesichert ist hier die Verursachung von Lungenkrebs und COPD und weniger stark auch von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Blasenkrebs.
Es gibt zahlreiche Erkrankungen, die mit dem Zigarettenrauch assoziiert sind; es wurden jedoch nur diejenigen erwähnt, für die es eine sehr deutliche Risikoerhöhung und pathophysiologische Hinweise mit Tierversuchen gibt. Im Unterschied zum Feinstaub an befahrenen Straßen ist die nachgewiesene Toxizität des Zigarettenrauchs zudem noch ungleich höher, da durch die Glut und den Tabak viel mehr Reizstoffe und Kanzerogene entstehen.