Pneumologie 2019; 73(10): 605-616
DOI: 10.1055/a-0835-1943
CME-Fortbildung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ambulant erworbene Pneumonie bei älteren Menschen

Community-acquired Pneumonia in the Elderly
N. Schöll
,
G. G. U. Rohde

Subject Editor: Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Univ.-Prof. Dr. med. Gernot G. U. Rohde, Frankfurt am Main.
Further Information

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Gernot G. U. Rohde
Pneumologie/Allergologie
Medizinische Klinik 1
Universitätsklinikum Frankfurt – Goethe-Universität
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main

Publication History

Publication Date:
17 October 2019 (online)

 

Die Pneumonie ist eine der häufigsten akuten Infektionskrankheiten mit einer hohen Zahl an Todesfällen weltweit [1]. Sie stellt ein zunehmendes Gesundheitsproblem der immer älter werdenden Bevölkerung dar. Bezüglich Klinik und Diagnostik der Pneumonie bei älteren Menschen müssen Besonderheiten beachtet werden – dem Stellenwert herkömmlicher laborchemischer Parameter und Diagnose-Scores ist aufgrund altersassoziierter Faktoren kritisch zu begegnen [4].


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Abstract

Pneumonia belongs to the most frequent and most deadly infectious diseases worldwide. It represents an increasing problem for the aging population. The incidence and mortality rises with every decade. The clinical presentation of pneumonia differs between elderly and younger patients. Multiple factors including functional status (self-dependency and immobilization), comorbidities, immunosenescence, nutritional status, swallowing disorders have to be accounted for. Pneumonia in the elderly has to be differentiated from nursing home acquired pneumonia. Diagnosis of pneumonia of the elderly demands special attention as the diagnostic value of common biomarkers and prognostic scores is different.


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Einleitung

Die Pneumonie ist eine der häufigsten akuten Infektionskrankheiten mit einer hohen Zahl an Todesfällen weltweit [1]. Sie stellt ein zunehmendes Gesundheitsproblem der immer älter werdenden Bevölkerung dar. Mit jeder Lebensdekade steigt die Inzidenz der Erkrankung [2]. Gleichzeitig kommt es alterskorreliert zu wachsenden Mortalitätsraten [3]. Die klinische Präsentation der Pneumonie unterscheidet sich bei älteren im Vergleich zu jüngeren Menschen. Hierzu tragen multiple Faktoren wie der funktionelle Status (Selbstversorgung und Bettlägerigkeit) des Patienten, Komorbiditäten, altersbedingte Schwäche des Immunsystems, Ernährungsstatus oder Schluckstörungen bei. Von ambulant erworbenen Pneumonien der älteren Normalbevölkerung zu differenzieren sind solche, die in Alten- und Pflegeeinrichtungen erworben wurden (NHAP, Nursing Home Acquired Pneumonia) [4]. Der Diagnostik der Pneumonie beim alten Menschen gebührt besondere Achtung. Aufgrund altersassoziierter Faktoren muss dem Stellenwert herkömmlicher laborchemischer Parameter und Diagnose-Scores kritisch begegnet werden [4].


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Definition

Die ambulant erworbene Pneumonie (Community-Acquired Pneumonia, CAP) ist definiert als die Lungenentzündung eines immunkompetenten Patienten, welche außerhalb des Krankenhauses erworben wurde. Abzugrenzen ist die nosokomial erworbene Pneumonie (Hospital-Acquired Pneumonia, HAP). Von einer nosokomial erworbenen Pneumonie spricht man, wenn die Symptome innerhalb von > 48 Stunden nach einer stationären Aufnahme auftreten oder innerhalb von 3 Monaten nach einer Hospitalisation.

Zudem wird die ambulant erworbene Pneumonie unterschieden von einer Pneumonie bei Patienten mit schwergradiger Immunsuppression (Pneumonia in the Immunosuppressed Host). Hierunter werden Pneumonien bei Patienten mit Neutropenie (< 1000 Neutrophile/μl), Patienten unter einer immunsuppressiven Therapie, Patienten nach Organ- oder Stammzelltransplantation oder Patienten mit Immundefekten im Rahmen einer Erkrankung (beispielsweise HIV/AIDS, Antikörpermangelsyndromen oder angeborenen Immundefekten) verstanden [5].

Die ambulant erworbene Pneumonie des älteren Menschen bezieht sich im Allgemeinen auf Patienten in einem Alter von über 65 Jahren. Eine konsentierte Definition liegt jedoch nicht vor.

Zusatzinfo

Methodik

Literaturrecherche bei PubMed unter Verwendung der Begriffe „community-acquired pneumonia, elderly, treatment, prognosis, predisposing factors, risk stratification“ sowie Bezug zur aktuellen Leitlinie der ambulant erworbene Pneumonie des Erwachsenen „Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie und Prävention – Update 2016“ [5] und der dort verwendeten Literatur.


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Ätiologie der ambulant erworbenen Pneumonie und Besonderheiten bei älteren Patienten

Im Allgemeinen ist die Ätiologie der Pneumonie bei älteren Patienten mit der von jüngeren vergleichbar. Streptococcus pneumoniae ist der häufigste Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie bei betagten Patienten. Die Häufigkeit sogenannter atypischer Erreger ist hingegen relativ gering; insbesondere Mykoplasmen-Infektionen sind sehr selten. Trotzdem ist das Risiko für die Infektion mit anderen Pneumonie-Erregern im Vergleich zu jüngeren Patienten erhöht. Auch Influenzaviren und Infektionen mit Antibiotika-resistenten Erregern sollten bedacht werden.

Im Alter sind zahlreiche Faktoren mit einem gesteigerten Risiko für das Erkranken an einer Pneumonie assoziiert. Physiologischerweise kommt es selbst bei gesunden älteren Menschen zu einem Nachlassen der mukoziliären Clearance im Nasen-Rachen-Raum. Außerdem führt die altersbedingte Abschwächung der humoralen und zellulären Immunantwort schneller zu Infektionen. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ist das Vorliegen einer Dysphagie. Neben der fulminanten Aspiration spielt auch die stille Aspiration eine bedeutende Rolle.

In der Patientengruppe der über 65-Jährigen sind Lungenerkrankungen, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Diabetes mellitus sowie weitere Faktoren wie Malnutrition, langjähriges Rauchen und insbesondere ein schlechter funktioneller Status, beispielsweise Bettlägerigkeit, als unabhängige Risikofaktoren einer ambulant erworbenen Pneumonie identifiziert worden. Ebenso besteht ein erhöhtes Risiko bei Hypoalbuminämie sowie mit vorausgegangenen Antibiotikatherapien. Besonders schwerwiegende Begleiterkrankungen stellen die arterielle Hypertonie, Kardiomyopathien und zerebrovaskuläre Erkrankungen dar.

Dysphagie

Eine der Ursachen des steigenden Pneumonie-Risikos im zunehmenden Alter besteht in vermehrten Aspirationen. Hierzu kommt es durch altersentsprechende physiologische Veränderungen wie eine reduzierte Schleimhautsensibilität, eine eingeschränkte Speisebolus-Kontrolle, eine verzögerte Schluckreflex-Triggerung, eine inkomplette pharyngeale Reinigungskapazität und eine zunehmende Einschränkung der Öffnung des oberen Ösophagussphinkters.

Cave

Bei Anlage einer nasogastralen Ernährungssonde kommt es zu einer Abnahme des unteren Ösophagussphinkter-Tonus, sodass das Risiko einer Aspiration ebenfalls erhöht wird [6].

Zudem kommt es mit höherem Alter zu einer zunehmenden bakteriellen Kolonisation des Oropharynx, beispielsweise durch die Einnahme unterschiedlicher Medikamente mit anticholinerger Wirkung. Durch ebendiese kommt es zu einer reduzierten Speichelproduktion, wodurch die Reinigung des Oropharynx abnimmt und es vermehrt zu einer bakteriellen Kolonisation mit (fakultativ) pathogenen Erregern kommen kann.

Cave

Neuroleptika können die Koordination zwischen Atmungs- und Schluckfunktion beeinträchtigen, sodass hier ebenfalls das Risiko einer Aspiration zunimmt.

Auch die Inzidenz von Erkrankungen, welche eine Dysphagie auslösen oder begünstigen, steigt mit zunehmendem Alter. Als Beispiele sind hier zu nennen: Demenz, ischämischer oder hämorrhagischer Schlaganfall, neurodegenerative Erkrankungen (beispielsweise Parkinson-Syndrome, Krankheiten aus dem Formenkreis der demenziellen Erkrankungen) oder Malignome im Kopf oder Halsbereich. Aufgrund der genannten Mechanismen und Fehlregulationen kommt es vermehrt zu einem Eintritt (fakultativ) pathogener Keime in die unteren Atemwege mit einem erhöhten Risiko für Pneumonien.

Die Dysphagie führt neben Lungenentzündung zu einer Malnutration des Patienten. Dieser pathophysiologische Prozess fördert die Entstehung eines Circulus vitiosus mit einer Kraftabnahme der Pharynx- und Atemmuskulatur. Hieraus resultierend ergeben sich im Folgenden wiederum eine Dysphagie, aber auch ein abgeschwächter Hustenreflex. Im Rahmen der Malnutrition kommt es zu einem Flüssigkeitsmangel mit verminderter Speichelproduktion, welche eine verminderte Clearance des Mund- und Rachenbereichs begünstigt.

Merke

Durch Dysphagie und Malnutrition kommt es zunehmend zu Schwäche und Bettlägerigkeit, sodass nicht nur die Inzidenz ambulant erworbener Pneumonien steigt, sondern auch die hiermit verbundene Morbidität und Mortalität.


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Diagnostik

In der aktuellen S3-Leitlinie wird darauf hingewiesen, dass es keine Symptomkonstellation gibt, welche eine Pneumonie beweist. Stattdessen können Anamnese und Klinik nur den Hinweis auf eine Pneumonie geben. Um die Diagnose einer Pneumonie sicher stellen zu können, ist der Nachweis eines pneumonischen Infiltrats notwendig. Goldstandard in der Diagnostik der Pneumonie ist die Durchführung einer Röntgenaufnahme des Thorax. Ist die Möglichkeit einer Röntgenaufnahme nicht gegeben, stellt die Thoraxsonografie zum Nachweis pulmonaler Infiltrate eine Alternative dar.

Neben der körperlichen Untersuchung und der Bildgebung werden laborchemische sowie mikrobiologische Untersuchungen zur Therapiesteuerung genutzt. Laborchemisch zeigt sich im Fall einer Pneumonie ein erhöhter CRP-Wert, eine Leukozytose und ein erhöhtes Procalcitonin.

Cave

Im Alter zeigt sich nicht in jedem Fall eine Korrelation zwischen Schweregrad der Pneumonie und Ausprägung der Entzündungskonstellation, sodass hier vermehrt auf die Klinik des Patienten geachtet werden muss.


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Klinik und Unterschiede in der klinischen Ausprägung der Pneumonie

Klinische Symptome einer Pneumonie sind neben dem Nachweis neuer oder zunehmender Infiltrate in der Röntgenuntersuchung eine Körpertemperatur über 38 °C oder unter 36 °C, Schüttelfrost, allgemeines Krankheitsgefühl mit Myalgien, Arthralgien, Zephalgien, Palpitationen oder Kreislaufbeschwerden. Zudem können sich spezifischere Symptome wie produktiver Husten, anfangs auch unproduktiv, atemabhängige thorakale Schmerzen, Dyspnoe, Tachypnoe oder inspiratorische Rasselgeräusche zeigen. Vor allem bei schweren Infekten insbesondere bei zunehmendem Alter kann es auch zu einer Verwirrtheit kommen.

Fallbeispiel

Teil 1 – Anamnese, Klinik und Diagnostik

In der zentralen Notaufnahme wird am späten Abend via Rettungswagen ein 87-jähriger Patient vorgestellt. Es bestehen schwere Vigilanzminderung, Tachykardie und eine Oxygenierungsstörung mit O2-Bedarf von zunächst 10 l pro min via Sauerstoffmaske.

Eine Eigenanamnese ist nicht möglich. Der Rettungsdienst berichtet nach dem Gespräch mit den Angehörigen, dass der Patient während des Abendessens plötzlich habe husten müssen. Im Verlauf sei es zu einem Anstieg der Atemfrequenz sowie einer zunehmenden Vigilanzminderung gekommen, aufgrund derer letzten Endes der Rettungsdienst verständigt worden sei.

Zuvor habe bereits eine dauerhafte Bettlägerigkeit (> 50 %/Tag) bestanden. Jedoch sei der Patient orientiert gewesen, habe kommunizieren und mit etwas Hilfe eigenständig Nahrung zu sich nehmen können. An Komorbiditäten bestehe ein nichtinsulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2. Zudem habe der Patient vor 2 Jahren einen ischämischen Schlaganfall mit leichten Residuen erlitten.

Bei Vorstellung präsentiert sich der Patient somnolent, ist aber auf Ansprache erweckbar, eine Kommunikation ist zunächst nicht möglich. In der körperlichen Untersuchung fallen Kachexie (BMI 18 kg/m2) und Tachypnoe mit einer Atemfrequenz von 28/min auf. Zudem zeigt sich eine rhythmische Tachykardie (HF 110/min) bei normotensiven Blutdruckwerten (135/80 mmHg). In der Untersuchung der Lunge fallen rechtsseitig deutliche mittel- bis grobblasige Rasselgeräusche auf.

In der Röntgenuntersuchung des Thorax ist im rechten Unterlappen ein ausgedehntes Infiltrat erkennbar. Sonografisch kann ein Pleuraerguss ausgeschlossen werden. Laborchemisch zeigen sich ein leicht erhöhtes CRP (2 mg/dl) sowie eine Leukozytose (16/nl). Kreatinin, Harnstoff und Transaminasen sind ebenso wie die Gerinnung des Patienten normwertig. In der Urinuntersuchung zeigt sich eine Leukozyturie ohne Nachweis von Nitrit. In der arteriellen Blutgasanalyse findet sich unter 8 l O2 pro min ein pO2 von 98 mmHg ohne CO2-Retention. Der Säure-Basen-Haushalt ist unauffällig.

Bei älteren Patienten ist eine Diagnosestellung ohne die Durchführung einer Röntgenuntersuchung oder Sonografie des Thorax teilweise deutlich erschwert. Mit zunehmendem Alter präsentieren sich Pneumoniepatienten oftmals oligosymptomatisch. Klinisch können sich ältere Patienten mit einer CAP afebril präsentieren. Eine veränderte Bewusstseinslage sowie eine plötzliche Abnahme funktioneller Kapazitäten und Verschlechterung des Allgemeinzustandes können die einzigen Symptome sein. Zudem kann es – insbesondere bei sogenannten atypischen Erregern – zu extrapulmonalen Symptomen kommen, beispielsweise zum Auftreten einer Diarrhö (insbesondere im Rahmen einer Legionellen-Pneumonie) oder einer begleitenden Hyponatriämie im Rahmen einer Mykoplasmenpneumonie. Daher sollten behandelnde Ärzte bei Auftreten solcher Befunde an die Möglichkeit einer Pneumonie auch bei Fehlen klassischer Symptomatik denken.


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Therapie

Zur Optimierung der Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie und Senkung der Letalität ist die richtige Einschätzung des Schweregrads der Erkrankung gefordert. Die initiale richtige Einschätzung führt hierbei auch zu einer Senkung der verursachten Kosten für das Gesundheitssystem. Studien haben zudem gezeigt, dass Patienten mit schwerer Pneumonie, die primär auf eine Intensivstation aufgenommen wurden, eine bessere Prognose mit besserem Outcome haben. Dies liegt vor allem daran, dass eine klinische Verschlechterung auf Normalstation zu spät erkannt wird. Um das Outcome zu verbessern, sind eine rasche Diagnose und adäquate Risikostratifizierung zur Auswahl der optimalen Therapie sowie Behandlungsform (ambulant/stationär/palliativ) sowie Reevaluation der Therapie im Verlauf von besonderer Bedeutung.

Risikostratifizierung

Die aktuelle S3-Leitlinie der ambulant erworbenen Pneumonie teilt die betroffenen Patienten hierzu zunächst in 3 Gruppen auf. In den Gruppen 1a, 1b, und Gruppe 2 sind Kriterien für die Behandlung der Pneumonie in der Klinik mit entsprechenden Therapiestrategien einschließlich kalkulierter antiinfektiver Initialtherapie als auch die entsprechend durchzuführenden Untersuchungen definiert. Bei der Einteilung der Gruppen wird der funktionelle Status der Patienten berücksichtigt, da sich in Studien zeigte, dass dieser einen hohen Einfluss auf die Letalität der Erkrankung hat. Als stärkster unabhängiger Prädiktor für die Krankenhausletalität wurde hier die chronische Bettlägerigkeit identifiziert.

In Gruppe 1a befinden sich Patienten mit guter bis ausreichende Funktionalität. Diese ist definiert als Bettlägerigkeit unter 50 % pro Tag. Aufgrund der prognostischen Bedeutung von Komorbiditäten (Herzerkrankungen, chronisches Nierenversagen, Lebererkrankungen, zerebrovaskuläre Erkrankungen, maligne Grunderkrankung) sollte bei der Diagnostik ebenso auf potenziell instabile Komorbiditäten geachtet werden, und diese sind auch ausreichend zu therapieren. Zusätzlich sollte die Sauerstoffsättigung berücksichtigt werden. Als Scoring-System steht hier der DS-CRB-65-Score zur Verfügung [7]. Neben den Kriterien des CRB-65 Score werden hier Sauerstoffsättigung (S) und Komorbiditäten (D) berücksichtigt.

Die Patienten der Gruppe 1b sind Patienten mit NHAP oder einem schlechten funktionellen Status, also einer Bettlägerigkeit von mindestens 50 % des Tages. Auch hier ist die Einteilung mittels modifiziertem DS-CRB-65-Score möglich, jedoch stellt die hohe Bettlägerigkeit an sich einen starken Prädiktor für eine hohe Letalität dar, sodass das Komplikations- und Letalitätsrisiko bei Patienten mit einem niedrigen CRB-65-Score deutlich unterschätzt wird. In dieser Gruppe sollten weitere Faktoren für die Einschätzung des Schweregrads und der Prognose herangezogen werden.

Gruppe 2 definiert Patienten mit schwerster Komorbidität, bei denen die akute Pneumonie als terminale Erkrankung mit infauster Prognose angesehen wird; eine Palliation ist entsprechend Therapieziel.

Der CRB-65-Score wurde durch viele Studien und Analysen validiert. Er zeigt einen vergleichbaren Prädiktionswert bezüglich der Legalität wie aufwendigere Scoring-Systeme, z. B. der CURB-65-Score oder der PSI (Pneumonia-Severity-Index) auf [8].

CRB-65 ist ein Akronym und steht für:

  • C – Confusion (Verwirrtheit)

  • R – Respiratory Rate (Atemfrequenz ≥ 30 /min)

  • B – Blood Pressure, Blutdruck diastolisch ≤ 60 mmHg oder Blutdruck systolisch < 90 mmHg

  • 65 – Alter ≥ 65 Jahren

Für Patienten der Gruppe 1a zeigt sich bei 3 und 4 erfüllten Kriterien eine Letalität von 23 – 34 %, bei einem Wert von 1 oder 2 eine Letalität zwischen 6 und 13 % und bei einem Score von 0 eine Letalität von 0 – 2 %.

Anhand des CRB-65-Scores kann man die ambulant erworbene Pneumonie der Patienten der Gruppe 1a wie folgt in eine leichte, mittelschwere oder schwere Pneumonie einteilen:

  • leichte Pneumonie: CRB 65 = 0, normale oder kompensierte Oxygenierung, minimale O2-Sättigung 90 %, keine dekompensierte Komorbidität

  • mittelschwere Pneumonie: weder leicht noch schwer

  • schwere Pneumonie: akute respiratorische Insuffizienz und/oder Sepsis bzw. septischer Schock und/oder dekompensierte Komorbidität

Merke

Patienten mit einer leichten Pneumonie können ambulant behandelt werden. Bei Patienten mit mittelschwerer und schwerer Pneumonie sollte eine stationäre Behandlung erfolgen.

Fallbeispiel

Teil 2 – Risikostratifizierung und Einleitung der Therapie

In Zusammenschau der Befunde besteht der Verdacht auf Vorliegen einer ambulant erworbenen Pneumonie. Nach Risikostratifizierung wird der Patient in die Gruppe 1b eingeteilt und mittels CRB-65 Score weiter evaluiert. Bei einem Score von 2 (C = 1, R = 0, B = 0, 65 = 1) und vorliegenden relevanten Komorbiditäten wird die Indikation einer stationären Aufnahme zur Einleitung einer intravenösen antiinfektiven Therapie gestellt. In der Evaluation der Minorkriterien nach ATS zeigen sich 2 Kriterien erfüllt (schwere Oxygenierungsstörung und Bewusstseinsstörung).

Nach Abnahme von Blutkulturen, Urin und dem frustranen Versuch der Gewinnung von Sputum erfolgt leitliniengerecht nach oben genannter Risikostratifizierung die Einleitung einer antiinfektiven Therapie mit Ampicillin/Sulbactam sowie der Gabe von Clarithromycin nach Kontrolle der QT-Zeit im EKG sowie eine vorsichtige Volumensubstitution. Die O2-Gabe wird auf 6 l/min via Sauerstoffbrille reduziert. Hierunter zeigt sich im Verlauf ein pO2 von 70 mmHg.

Aufgrund des fortgeschrittenen Alters wird nach Rücksprache mit den inzwischen eingetroffenen Angehörigen des Patienten trotz bestehender Indikation für eine Überwachung auf die Aufnahme auf eine intermediate Care Station aus prognostischen Gründen verzichtet. Nach Einleitung der Therapie wird der Patient auf die Normalstation verlegt.


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Ambulante Behandlung

Bei Patienten der Gruppe 1a mit einem CRB-65-Score von 0 ist eine ambulante Behandlung möglich. Bei Patienten der Gruppe 1b mit einem CRB-65 von 0 kann ebenfalls eine ambulante Therapie erwogen werden, jedoch sollten hier eine engmaschigere Überwachung und Reevaluation durchgeführt werden. Zudem sollte auch im ambulanten Setting eine ausreichende personelle sowie strukturelle Versorgung gewährleistet sein.

Bei einer leichten ambulant erworbenen Pneumonie ist eine mikrobiologische Diagnostik nicht regelhaft notwendig. Bei einer adäquaten Untersuchung und Anwendung des DS-CRB-65 ist auch eine laborchemische Untersuchung nicht erforderlich.

Merke

Als antiinfektive Therapie der leichten ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) bei Patienten ohne Komorbiditäten wird eine Monotherapie mit Amoxicillin empfohlen.

Bei Vorliegen relevanter Komorbiditäten sollte die Therapie um einen Beta-Laktamase-Inhibitor (Clavulansäure) erweitert werden. Hierdurch kommt es zu einer Erweiterung des Wirkspektrums, sodass zusätzlich Staphylococcus aureus, Enterobakterien und Beta-Laktamase-bildende Haemophilus influenzae erfasst werden.

Leitliniengemäß stellt die Gabe von Fluorchinolonen zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin das Mittel der 2. Wahl dar. Aufgrund eines erneuten Rote-Hand-Briefs, welcher im April diesen Jahres erschienen ist, sollte, wenn die Indikation für diese Substanzklasse gegeben ist, der Patient vor Einnahme der Therapie (möglichst schriftlich) über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt und bei Auftreten das Medikament umgehend abgesetzt sowie durch eines aus einer anderen Substanzklasse ersetzt werden. Beispielsweise wurde bei älteren Patienten ein erhöhtes Risiko von Aortenaneurysmen beschrieben. Zudem wurde berichtet, dass eine Patientengruppe mit einem Alter von über 60 Jahren anfälliger für Gelenkschmerzen, Gelenkschwellungen oder Sehnenrisse ist. Weitere, teils dauerhafte Nebenwirkungen, welche die Lebensqualität im Alter einschränken, sind zunehmende Müdigkeit, Depressionen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen, Probleme beim Sehen oder Hören sowie ein veränderter Geschmacks- oder Geruchssinn.

Merke

Bei Kontraindikation oder Resistenzen gegen andere Medikamente kann jedoch weiterhin der Einsatz von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone als Reserve-Option erwogen werden [9].

Eine (begrenzt einsetzbare) Alternative stellen Makrolide und Tetracycline dar. Im Falle der Makrolide sind jedoch gerade in der betroffenen Patientengruppe ebenfalls auf zu achtende Nebenwirkungen wie Kardiotoxizität, Verlängerung der QT-Zeit oder Hörstörungen beschrieben. Ebenso sollte bei der Einnahme von Makroliden auf die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten, insbesondere Statine oder orale Antikoagulanzien geachtet werden.

Cave

Die orale Gabe von Cephalosporinen zeigte in den Patienten der CAPNETZ-Kohorte ein erhöhtes Risiko von Therapieversagen sowie einer Selektion von Bildnern der „Extended-Spectrum-Beta-Lactamase“ (ESBL). Daher sollten sie nicht verwendet werden.

[Tab. 1] zeigt einen Überblick über die empfohlenen Wirkstoffe und entsprechenden Dosierungen.

Tab. 1

Ambulante Therapie der CAP.

Schweregrad

Therapie der 1. Wahl

Alternative Therapie

leichte Pneumonie, Gruppe 1a ohne Komorbidität

Amoxicillin (3 × 750 – 1000 mg)

Clarithromycin (2 × 500 mg), Azithromycin (1 × 500 mg über 3 Tage) oder Doxycyclin (1 × 200 mg)

leichte Pneumonie, Gruppe 1a mit Komorbidität oder Gruppe 1b

Amoxicillin/Clavulansäure (3 × 875/125 mg)

Moxifloxacin, Levofloxacin[1]

1 Cave: 4 Rote-Hand-Briefe, siehe Text


Das Ansprechen der Therapie sollte nach 48 Stunden (bis maximal 72 Stunden) reevaluiert werden. Sollte es zu einer Verschlechterung der Pneumonie kommen, so tritt diese meistens in diesem Zeitraum auf. Im Falle einer Verschlechterung oder bei fehlendem Ansprechen der Therapie ist im Regelfall eine stationäre Behandlung notwendig. Bei Ansprechen der antiinfektiven Therapie sollte diese im Normalfall nach 5 – 7 Tagen beendet werden [5].

Merke

Neben der antiinfektiven Therapie sollten auch bei ambulanter Behandlung der Pneumonie eine adäquate supportive Therapie und optimale Einstellung von vorhandenen Komorbiditäten erfolgen.


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Stationäre Behandlung

Patienten, bei denen eine ambulante Therapie nicht in Frage kommt oder bei denen es zu einem Versagen der ambulanten Therapie gekommen ist, sollten während einer stationären Behandlung mittels parenteraler antiinfektiver Therapie behandelt werden. Um die Prognose zu verbessern, ist bei der Aufnahme in das Krankenhaus, insbesondere bei der Ersteinschätzung in der Notaufnahme, eine erneute Risikostratifizierung notwendig. So sollte insbesondere auf die Vitalparameter der Patienten geachtet werden. Wichtigste Prädiktoren für eine notwendige intensive Therapie sind eine hohe Herzfrequenz sowie eine erhöhte Atemfrequenz, ein niedriger Blutdruck, eine Hypothermie sowie das Auftreten von Bewusstseinsstörungen.

Patienten, bei denen initial die Indikation einer Katecholamintherapie sowie einer maschinellen Beatmung gestellt wurde, sollten unverzüglich auf einer Intensivstation behandelt werden. Jedoch sollten auch Patienten ohne Beatmung oder Katecholamintherapie, bei denen die genannten Prädiktoren zutreffen, eine intensivierte Therapie beispielsweise auf einer Intermediate-Care-Station (IMC) zum besseren Monitoring erhalten. Zur Erfassung der Patienten, für die eine solche Überwachung notwendig ist, empfiehlt die Leitlinie der ambulant erworbenen Pneumonie die Beachtung der Minorkriterien nach ATS.

Praxis

Minorkriterien nach ATS

  • schwere akute respiratorische Insuffizienz (PaO2 ≤ 55 mmHg bzw. ≤ 7kPa bei Raumluft)

  • Atemfrequenz ≥ 30 /min

  • multilobuläre Infiltrate in der Thoraxröntgenaufnahme

  • neu aufgetretene Bewusstseinsstörung

  • systemische Hypotension mit Notwendigkeit der aggressiven Volumentherapie

  • akutes Nierenversagen (Harnstoff-N ≥ 20 mg/dl)

  • Leukopenie (Leukozyten < 4000 Zellen/mm3)

  • Thrombozytopenie (Thrombozyten < 100 000 Zellen/mm3)

  • Hypothermie (Körpertemperatur < 36 °C)

Ein hohes Risiko der intensivmedizinischen Therapienotwendigkeit besteht, wenn mehr als 2 von 9 Minorkriterien vorhanden sind [ATS/ISDA 2007: 59, 60, 97, 98, 104 – 109].

Für Patienten mit ausgeprägter Komorbidität und/oder fortgeschrittenem Alter sowie schlechtem funktionellem Status (Patienten der Gruppe 1b) kann hier nach Rücksprache mit dem Patienten und den Angehörigen jedoch auch von einer solchen Überwachung abgesehen werden. Im Rahmen jeder Behandlung sollte die Autonomie des Patienten gewahrt werden. Hier ist zu bedenken, dass es im Rahmen von Intensiv- oder Intermediate-Care-Aufenthalten zu einer deutlichen Einschränkung der Patienten-Independenz, einem Einschnitt in die Privatsphäre und einer Störung des Tag-Nacht-Rhythmus mit Entwicklung eines Delirs im Alter kommen kann.

Merke

Bei schwerer Pneumonie ist die antiinfektive Therapie schnellstmöglich einzuleiten, bei Auftreten von Organdysfunktionen unverzüglich nach Diagnosestellung, aber nach Abnahme von geeigneten Kulturmaterialien zur mikrobiologischen Diagnostik.

Ohne Vorliegen einer Organdysfunktion sollte die Therapie innerhalb von maximal 8 Stunden eingeleitet werden. Bei Auswahl einer kalkulierten antiinfektiven Therapie sollte das erwartete Erregerspektrum abgedeckt werden. Es sollte im Falle einer Lungenentzündung ein Medikament ausgewählt werden, welches gegen Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Staphylococcus aureus und Enterobacteriaceae wirksam ist. In der aktuellen Leitlinie wird die Gabe eines Beta-Laktam-Antibiotikums als Mittel der 1. Wahl empfohlen. Bei Verdacht auf eine Infektion mit Legionella pneumophila oder einer schweren Pneumonie mit Organdysfunktion sollte zusätzlich zu einem Beta-Laktam-Antibiotikum die Gabe eines Makrolids erfolgen.

Auch im Falle einer stationär zu behandelnden Pneumonie wird in der aktuellen Leitlinie die Gabe von Fluorchinolonen als Mittel der 2. Wahl empfohlen. Jedoch sollten hier analog der ambulanten Therapie die aktuellen Warnhinweise bei der Verwendung von Fluorchinolonen beachtet [9] und die Therapie bei Auftreten von Nebenwirkungen zeitnah umgestellt oder abgesetzt werden (s. o.). Auch bei bestehender Niereninsuffizienz sollte zunächst initial die Tageshöchstdosis verabreicht werden und nach Befundbesserung rasch eine adaptierte Dosis gewählt werden.

In [Tab. 1] ist ein Überblick über die kalkulierte parenterale antiinfektive Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie sowie der empfohlenen Dosierungen zu finden.

Cave

An eine Infektion mit multiresistenten Erregern sollte nach häufiger und langer Breitspektrumantibiotika-Therapie, Reisen in MRE-Risikoländer mit dortiger Krankenhausbehandlung sowie vorangegangener Hospitalisierung (mehr als 3 Monate zurückliegend, sonst nosokomiale Pneumonie) gedacht werden. Insbesondere in der Gruppe der älteren Patienten kann dies gehäuft zutreffen.

Bei Auftreten einer ambulant erworbenen Pneumonie während einer Influenza-Saison sollte zusätzlich die Gabe von Oseltamivir erwogen werden. Zudem sollte eine Testung auf Influenza erfolgen und im Falle eines negativen Ergebnisses die Therapie rasch beendet werden.

Die antiinfektive Therapie sollte für mindestens 48 Stunden in ausreichender Dosierung parenteral verabreicht werden. Während dieser Zeit sollte eine engmaschige Kontrolle der Vitalparameter erfolgen, da es vor allem innerhalb der ersten 72 Stunden zu einer klinischen Verschlechterung kommen kann. Nach 48 – 72 Stunden ist eine Reevaluation der Therapie durchzuführen.

Bei Befundbesserung sollte die antiinfektive Therapie nach Möglichkeit deeskaliert werden. So kann z. B. bei negativem Nachweis atypischer Erreger, wie Legionellen, eine bestehende Makrolid-Therapie beendet werden. Bei Nachweis eines plausiblen Keimes aus den gewonnenen Kulturisolaten sollte die Therapie antibiogrammgerecht deeskaliert werden, um die Entwicklung von Resistenzen gering zu halten.

Auch die Sequenztherapie ist bei klinischer Stabilität möglich. So ist es zudem möglich, die Dauer des Krankenhausaufenthalts kurz zu halten und Kosten einzusparen. Auch bei der schweren ambulant erworbenen Pneumonie ist im Falle einer Befundbesserung und klinischen Stabilität des Patienten eine Therapie-Dauer von 5 bis maximal 7 Tagen im Regelfall ausreichend.

Im Falle eines Therapieversagens sollte die Durchführung einer Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL) zur weiteren Erregerdiagnostik und die Durchführung einer erneuten Bildgebung der Lunge, gegebenenfalls auch einer Schnittbildgebung des Thorax (Computertomografie), evaluiert werden. Mittels einer Sonografie des Thorax sollte ein möglicher Erguss ausgeschlossen werden. Im Fall eines Ergussnachweises hat immer eine Punktion zum Ausschluss eines Pleuraempyems zu erfolgen. Zudem sollten neben einer Pneumonie weitere Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen und abgeklärt werden.

Merke

Vor einer Eskalation der antiinfektiven Therapie sollte eine erneute Gewinnung von Kulturmaterialien, mindestens Blut und Sputum erfolgen. Bei Verdacht auf extrapulmonale Foci sollten zusätzlich Urin, Stuhl oder weitere Proben asserviert werden.

Im Rahmen einer Eskalation der antiinfektiven Therapie sollte auf Erreger geachtet werden, welche durch die Initialtherapie nicht ausreichend erfasst wurden. Nach Umstellung der antiinfektiven Therapie ist weiterhin eine engmaschige Kontrolle der Vitalparameter notwendig. Wiederum nach 48 – 72 Stunden sollte eine erneute Reevaluation der Therapie erfolgen. Analog zu einem initialen Ansprechen sollte bei Befundbesserung oder Nachweis von Erregern, welche die Symptomatik des Patienten erklären, die Therapie zügig deeskaliert werden.

Praxis

Medikation im Alter und Polypharmazie

Bei der Wahl des Antibiotikum sollte bei häufig bestehender Polypharmazie im Alter immer auf Wechselwirkungen mit einer bestehenden Dauermedikation geachtet werden. Neben Wechselwirkungen kommt es zu Unterschieden in der Pharmakokinetik im Vergleich zu jüngeren Patienten, sodass die Anwendung bestimmter Medikamente mit fortgeschrittenem Alter nicht empfohlen wird. Einen Überblick, welche Medikamente nicht empfohlen werden, bietet beispielsweise die PRISCUS-Liste (www.priscus.net) oder die FORTA-Klassifikation (www.umm.uni-heidelberg.de/klinische-pharmakologie/forschung/forta-projekt-deutsch/).


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Behandlung von Komorbiditäten und supportive Therapie

Neben der antiinfektiven Therapie spielen mit höherem Alter insbesondere eine begleitende Supportivtherapie, die Beachtung relevanter Komorbiditäten, die Behandlung relevanter Begleiterkrankungen sowie Optimierung bestehender Therapien, insbesondere einer bestehenden Dysphagie, eine zunehmend große Rolle. Ein besonderes Augenmerk sollte hier auch auf ein adäquates Volumenmanagement gelegt werden.

Fallbeispiel

Teil 3 – Therapieergebnisse und supportive Therapie

Unter der genannten Therapie kommt es zu einem Rückgang der Herzfrequenz auf < 100/min sowie einer leichten Besserung der Atemfrequenz. In der laborchemischen Verlaufskontrolle zeigt sich ein leichter Rückgang der Leukozytose auf 11/nl, jedoch ein deutlich steigendes CRP auf 19 mg/dl. Nach Reevaluation der Therapie nach 48 Stunden wird bei klinischer Besserung und abnehmendem Sauerstoffbedarf die Therapie zunächst unverändert belassen.

In der durchgeführten Urinanalyse findet sich die Untersuchung auf Legionellen-AG negativ, sodass die Makrolidtherapie nach Erhalt der Ergebnisse und nach 3-tägiger Gabe beendet wird. In den abgenommenen Blutkulturen konnte kein Erreger nachgewiesen werden. In den Verlaufskontrollen der arteriellen Blutgase zeigt sich eine Besserung des pO2, sodass die Therapie nach 4 Tagen weiter auf 2 l pro min reduziert werden kann. In einer erneuten Laborkontrolle nach 4 Tagen zeigt sich das CRP deutlich fallend auf 8 mg/dl, die Leukozyten sind inzwischen normwertig. Klinisch zeigt sich die Vigilanz des Patienten auch rasch gebessert. Bei weiterhin bestehender Bettlägerigkeit ist nun wieder eine verbale Kommunikation mit dem Patienten möglich.

Neben der antiinfektiven Therapie erfolgen eine intensivierte Atemtherapie sowie Physiotherapie und nach Besserung der Vigilanz eine Betreuung des Patienten durch einen Schlucktherapeuten. Hier zeigt sich eine leichte Dysphagie, sodass dem Patienten geraten und gezeigt wird, die Nahrung nur in aufrechter Position zu sich zu nehmen sowie auf eine intensive Mundhygiene zu achten. Die Blutzuckerwerte zeigen sich im Verlauf allzeit normwertig. Nach 7 Tagen zeigt sich das CRP nur noch minimal erhöht (1,5 mg/dl). In der klinischen Untersuchung zeigt sich der Patient hämodynamisch stabil, die Sauerstofftherapie kann beendet werden. Nach Evaluation des Therapieerfolgs wird die antiinfektive Therapie nach Tag 7 beendet, und der Patient kann in stabilem Allgemeinzustand in die ambulante Betreuung entlassen werden.


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Palliative Maßnahmen

Bei Patienten der Gruppe 2, bei denen es im Rahmen schwerer Grunderkrankungen zu einer Pneumonie kommt und diese als terminales Erkrankungsereignis angesehen wird, sollte der Verzicht auf eine antiinfektive Therapie in Betracht gezogen werden. Die palliativen Maßnahmen sollten sich auf maximale Symptomkontrolle, im Sinne einer adäquaten analgetischen Therapie sowie der Behandlung möglicher Dyspnoe durch Sauerstofftherapie, gegebenenfalls auch der Einleitung einer nicht invasiven Beatmung und insbesondere der Gabe von Opiaten (subkutan oder intravenös), konzentrieren.

Im Falle ausgeprägter Angstgefühle oder Unruhe, bei denen durch die Gabe von Opioiden alleine keine Besserung erreicht werden kann, ist die Gabe von Benzodiazepinen zu erwägen. Jedoch sollte hierbei auf die Möglichkeit einer paradoxen Reaktion geachtet werden. Auch eine Volumensubstitution kann erwogen werden. Keine der Maßnahme sollte hierbei den natürlichen Krankheitsverlauf künstlich hinauszögern.

Merke

Wie in allen Feldern des ärztlichen Handelns sollte die Patientenautonomie den wichtigsten Faktor darstellen, und diese ist, wenn möglich, zu erhalten.


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Prävention der ambulant erworbenen Pneumonie des älteren Menschen

Impfungen

Eine der wichtigsten Präventivmaßnahmen zur Vorbeugung einer Pneumonie in der Bevölkerung ab 65 Jahren sind Impfungen gegen Influenza und Streptococcus pneumoniae. Jedoch konnte in aktuellen Studien gezeigt werden, dass es mit zunehmendem Alter zu einer Abnahme der Impfeffektivität ([Tab. 2]) kommt, sodass trotz Impfung eine Streptokokken- oder Influenza-Infektion nicht völlig ausgeschlossen ist und differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden muss.

Tab. 2

Impfeffektivität.

Altersgruppe (Jahre)

Nicht geimpfte Fälle/Kontrollen

Geimpfte Fälle/Kontrollen

OR

Impfeffektivität (%)

95 % KI

p-Wert

alle

476/1385

25/116

0,63

37

2 – 60

0,04

alle

451/1286

25/103

0,51

49[1]

17 – 69

0,007

0 – 14

249/859

 5/45

0,35

65[2]

9 – 86

0,032

15 – 34

 71/200

 3/14

0,51

49[2]

– 90 – 86

0,318

35 – 59

108/194

 9/27

0,56

44[2]

– 29 – 75

0,176

 ≥ 60

 23/33

 8/17

0,73

27[2]

– 110 – 74

0,563

Aus: EpidBull 15. Oktober 2012/Nr. 41

KI: Konfidenzintervall; OR: Odds Ratio

1 adjustiert für Altersgruppe und Erkrankungswoche


2 adjustiert für Erkrankungswoche



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Prävention von Aspirationen

Im Falle einer bestehenden Dysphagie ist eine intensive Mundhygiene wichtig, um das Risiko einer Lungenentzündung zu verringern. Des Weiteren sollten Patienten mit bestehender Dysphagie eine intensivierte, assistierte orale Nahrungsaufnahme erhalten. Somit wird das Risiko einer Aspirationspneumonie im Gegensatz zu Patienten mit Versorgung über eine nasogastrale oder -duodenale Sonde gesenkt. Zudem verringert eine aufrechte Körperposition während der Nahrungsaufnahme das Aspirationsrisiko. Das Andicken der Nahrung hingegen scheint keinen adäquaten Vorteil zu bringen [10].

Eine ausreichende Kalorienzufuhr und Verhinderung einer Malnutration sollten gewährleistet werden. Im Falle einer bestehenden Dysphagie sollte zudem eine logopädische Behandlung erfolgen. Der Verzicht auf sedierende Medikamente oder solche mit einer Hemmung der Speichelproduktion sowie der Verzicht auf Antazida, zum Erhalt der Barrierefunktion des Magens, können das Aspirationsrisiko und somit auch die Gefahr der Entwicklung einer Pneumonie senken. Des Weiteren sollte bei älteren Patienten jede Einnahme von Medikamenten kritisch evaluiert und die Einnahme von Medikamenten minimiert werden.

Fallbeispiel

Teil 4 – Epikrise

Im geschilderten Fallbeispiel zeigt sich ein Patient im fortgeschrittenen Lebensalter mit dem Befund einer Aspirationspneumonie. In der Risikostratifizierung wurde der Patient der Gruppe 1b mit schwerer Pneumonie zugeordnet, sodass eine kombinierte antiinfektive Therapie mit Beta-Laktam-Antibiotikum sowie Makrolid nach Asservierung von Blutproben und Urin eingeleitet wurde. Bei einem Patienten der Gruppe 1b im fortgeschrittenen Alter wurde auf eine intensivierte Überwachung verzichtet. Der Verlauf der Pneumonie gestaltete sich unkompliziert. In der Reevaluation der Therapie zeigte sich eine kontinuierliche klinische Besserung, sodass die Therapie zeitgerecht beendet werden konnte. Das Beispiel zeigt den Verlauf einer komplikationslosen schweren Aspirationspneumonie eines Patienten in fortgeschrittenem Lebensalter.

Kernaussagen
  • Die Ätiologie der CAP beim älteren Menschen unterscheidet sich nicht grundlegend von der bei jüngeren Patienten.

  • Die Dysphagie mit teilweise stillen Aspirationen stellt neben vielen anderen einen wichtigen Risikofaktor im Alter dar.

  • Die klinische Präsentation kann im Alter oligosymptomatisch sein, und somit muss auf Veränderungen der Bewusstseinslage, eine Abnahme der Funktionalität und eine Verschlechterung des Allgemeinzustands geachtet werden.

  • Zur Risikostratifizierung steht der DS-CRB-65-Score zur Verfügung, der zusätzlich zum CRB-65 potenziell instabile Komorbiditäten und die Sauerstoffsättigung umfasst.

  • Die antiinfektive Therapie unterscheidet sich nicht maßgeblich von der jüngerer Patienten, wobei ein besonderes Augenmerk auf bestehende chronische Begleiterkrankungen und deren Behandlung gerichtet sein muss. Bestehende Medikationen können die Wirksamkeit und Verträglichkeit der antiinfektiven Therapie beeinflussen.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde gemäß folgendem Erratum vom 20. 11. 2019 geändert:

Erratum

Schöll N, Rohde GGU. Ambulant erworbene Pneumonie bei älteren Menschen Pneumologie 2019; 73: 605–616
Im oben genannten Artikel ist auf S. 605 (linke Spalte, letzter Absatz) ein Satz fehlerhaft. Richtig ist:

Von einer nosokomial erworbenen Pneumonie spricht man, wenn die Symptome > 48 Stunden nach einer stationären Aufnahme auftreten oder innerhalb von 3 Monaten nach einer Hospitalisation. Zudem fehlt in Tabelle 1 auf S. 609 die genaue Dosierungsangabe von Doxycyclin. Richtig ist: 1 × 200 mg.


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Autorinnen/Autoren


Gernot G. U. Rohde

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Univ.-Prof. Dr. med. 1991–1998 Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum. 1998–2004 Facharztausbildung Innere Medizin, 2006 Schwerpunkt Pneumologie, 2007 Zusatzbezeichnung Infektiologie, 2008 Schlafmedizin und Allergologie. 2010–2017 Associate Professor for Respiratory Infections, Maastricht University Medical Center. Seit 06/2017 Leiter des Schwerpunktes Pneumologie/Allergologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Schwerpunkte: Pneumonie, Atemwegsviren bei chronischen Atemwegserkrankungen, Bronchiektasen.


Niklas Schöll

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2007–2013 Studium der Humanmedizin an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 2014 Facharztausbildung für Innere Medizin/Pneumologie in der Medizinischen Klinik 1, Schwerpunkt Pneumologie/Allergologie am Universitätsklinikum Frankfurt.

Interessenkonflikt

Erklärung zu finanziellen Interessen

Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.);Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbildung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein.

Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen

Vorstandsvorsitzender CAPNETZ-Stiftung


Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Gernot G. U. Rohde
Pneumologie/Allergologie
Medizinische Klinik 1
Universitätsklinikum Frankfurt – Goethe-Universität
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main


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