Pneumologie 2019; 73(02): 71-73
DOI: 10.1055/a-0828-9493
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer: Pionier des prolongierten Weanings

Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer: Pioneer of Prolonged Weaning
W. Windisch
1   Lungenklinik Merheim, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Medizinische Fakultät, Universität Witten/Herdecke
,
D. Köhler
2   Schmallenberg, Winkhausen
,
C. P. Criée
3   Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende gGmbH, Pneumologie, Beatmung-medizin/Schlaflabor, Bovenden-Lenglern
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Wolfram Windisch
Chefarzt der Lungenklinik
Kliniken der Stadt Köln gGmbH
Lehrstuhl für Pneumologie
Universität Witten/Herdecke
Fakultät für Gesundheit/Department für Humanmedizin
Ostmerheimer Straße 200
51109 Köln

Publication History

Publication Date:
13 February 2019 (online)

 

Die Entwöhnung von der Beatmung (Weaning) macht einen fundamentalen Anteil an der Intensiv- und Beatmungsmedizin aus. So entfallen abhängig vom Patientenkollektiv ca. 40 – 50 % der gesamten Beatmungszeit eines Intensivpatienten auf die Beatmungsentwöhnung, nachdem die Akutproblematik, welche zur Beatmungspflichtigkeit geführt hat, erfolgreich behandelt ist [1] [2]. Bei einem Großteil der Patienten gelingt das Weaning innerhalb von Tagen erfolgreich. Gerade bei Patienten mit zusätzlich vorliegender chronischer respiratorischer Insuffizienz und anderen wesentlichen Komorbiditäten kann ein erfolgreiches Weaning allerdings erheblich erschwert oder gar unmöglich sein. Diese Patienten werden in Deutschland nach Verlegung von der Intensivstation vorzugsweise in spezialisierten, pneumologischen Weaning-Zentren behandelt [3] [4]. Hier gelingt bei einem Teil der Patienten auch nach Langzeitbeatmung über mehrere Wochen via Tracheostoma doch noch eine Beatmungsentwöhnung. Dies ist fundamentales Ziel, da die Alternative einer außerklinischen, invasiven Langzeitbeatmung mit erheblichen Komplikationen und zum Teil schweren Einschränkungen der Lebensqualität einhergehen kann und aufgrund einer rasanten Zunahme von Patientenzahlen in Deutschland einen erheblichen Kostenfaktor im Gesundheitssystem darstellt.

Vor diesen Hintergründen hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) bereits 2005 zunächst die Projektgruppe „pneumologischer Weaning-Zentren“ gegründet, während hieraus 2007 das Netzwerk der pneumologischen Beatmungs-Zentren „WeanNet“ entstanden ist [1] [2] [3] [4]. Das Ziel dieser Initiative der DGP liegt in der Optimierung einer Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Wesentlicher Bestandteil von „WeanNet“ ist die Zertifizierung von pneumologischen Weaning-Zentren anhand eines Kriterienkatalogs mit hohen Anforderungen (siehe hierzu auch den Artikel von Prof. Schönhofer in dieser Ausgabe).

Das „WeanNet“ ist eine Erfolgsgeschichte. Bis Oktober 2018 wurden in Deutschland mittlerweile 53 pneumologische Weaning-Zentren zertifiziert. Eine Voraussetzung zur Zertifizierung stellt die Dateneingabe in das Weaning-Register dar. Eine erste Analyse dieser Daten konnte auf 6899 Patienten zurückgreifen und konnte darlegen, dass dem „WeanNet“ in der Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning ein hoher Stellenwert zukommt [5]. Gegenwärtig werden aus den Jahren 2011 – 2015 die Daten von über 11 000 Patienten ausgewertet, wobei neben der Etablierung epidemiologischer Daten auch die Definition von Prädiktoren für das erfolgreiche Weaning detailliert errechnet werden. Mit einer Publikation ist im Jahre 2019 zu rechnen.

Die Initiative „WeanNet“ und damit auch die prolongierte Beatmungsentwöhnung in Deutschland ist von keinem Protagonisten in Deutschland mehr geprägt als von dem langjährigen Leiter des „WeanNets“ Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer. Dieser verkörpert geradezu das Gesicht des prolongierten Weanings und damit diesen wesentlichen Teil innerhalb der Pneumologie in Deutschland. Nun wird Bernd Schönhofer im März 2019 auf dem DGP-Kongress in München nach jahrelanger Pionierarbeit den Vorsitz vom „WeanNet“ abgeben, um diese Aufgabe jüngeren Kollegen zu übergeben. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit mit stetig wechselnden Anforderungen an die Medizin hinsichtlich klinischer, wissenschaftlicher und ökonomischer Gesichtspunkte ist es den Autoren dieses Editorials wichtig, inne zu halten und das Wirken von Prof. Schönhofer zu reflektieren.

Prof. Schönhofer hat nach Studium und Promotion in Aachen 1985 seine Ausbildung als Assistenzarzt in der Medizinischen Klinik des Caritas Krankenhauses in Bad Mergentheim begonnen und wechselte bereits 1992 als Oberarzt in das Lungenfachkrankenhaus Kloster Grafschaft in Schmallenberg im Sauerland. Dort war er zusammen mit Prof. Köhler nach dem Team um Prof. Criée in Lenglern einer der ersten, die sich intensiv mit der nicht-invasiven Beatmung und dem Weaning auseinander gesetzt hat. Dabei hat er auch sein wissenschaftliches Leben in dieser Zeit vollumfänglich diesem Teil der Medizin gewidmet. Folgerichtig absolvierte er von 2001 – 2002 einen Forschungsaufenthalt als Visiting Professor bei Prof. Martin Tobin in Chicago, USA. Seit Ende 2002 ist er Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin im KRH Klinikum Oststadt-Heidehaus, Klinikum Region Hannover.

Wesentlich für sein Wirken ist die historische Entwicklung der pneumologischen Beatmungsmedizin in Deutschland. So muss das Krankenhaus in Lenglern bei Göttingen als Wiege der nicht-invasiven Beatmung in Deutschland angesehen werden, wo der ärztliche Leiter, Herr Prof. Dr. Carl-Peter Criée, zusammen mit seinem Oberarzt Prof. Dr. Gerhard Laier-Groeneveld bereits Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts Konzepte zur Pathophysiologie und Diagnostik der gestörten Atempumpe entwickelt und die ersten Patienten auf eine nicht-invasive Beatmung eingestellt hat. Es war dann aber auch die Klinik in Schmallenberg, wo Prof. Köhler und Prof. Schönhofer wesentlich das Thema der Beatmungsentwöhnung in Deutschland vorangetrieben haben und ihre Klinik zu einer der für dieses Thema bekanntesten Klinik mit überregionalem Einzugsbereich ausgerichtet haben. Somit war Prof. Schönhofer bereits viele Jahre vor der offiziellen Gründung von „WeanNet“ wissenschaftlich, klinisch und berufspolitisch mit diesem, seinem Lebenswerk vertraut.

Prof. Schönhofer hat eine Vielzahl von wissenschaftlichen Originalarbeiten zum Thema der nicht-invasiven Beatmung und des Weanings publiziert. Als Beispiel sei die international viel beachtete und hochrangig im Jahre 2002 im Fachjournal „Intensive Care Medicine“ publizierte Arbeit genannt, in welcher über 400 Patienten mit prolongiertem Weaning detailliert analysiert worden sind. Dabei zeigten die Daten aus dem Krankenhaus Schmallenberg erstmalig unter wissenschaftlichen Aspekten die durchaus eingeschränkte Prognose in dieser speziellen Patientengruppe, während zusätzlich Prädiktoren für eine erfolgreiche Entwöhnung erarbeitet werden konnten [6]. Zusätzlich hat Herr Prof. Schönhofer eine Vielzahl von Übersichtsarbeiten und Buchartikeln publiziert und ist mehrfach auch als Buchherausgeber aufgetreten. Er fungierte zudem als Mitherausgeber in mehreren wissenschaftlichen Fachjournalen; besonders hervorzuheben ist hier seine Funktion als „Associate Editor“ bei dem hoch dotierten britischen Fachjournal „Thorax“. Zudem hat Prof. Schönhofer die Pneumologie in Deutschland auch durch seine federführende Tätigkeit als Autor bei mehreren Leitlinien der DGP mitgeprägt. Als Beispiel sei selbstverständlich auf die Leitlinie zum prolongierten Weaning verwiesen, welche 2014 erst publiziert worden war und gegenwärtig in Überarbeitung ist [1] [2].

Herr Prof. Schönhofer hat insgesamt auch dreimal den Jahreskongress der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB) – früher Arbeitsgemeinschaft Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung e. V. – ausgerichtet: bereits 1993 zusammen mit Prof. Köhler in Schmallenberg (1. Jahrestagung) sowie nachfolgend 2005 in Celle (13. Jahrestagung) und 2018 in Hannover (26. Jahrestagung).

Herr Prof. Schönhofer war aber auch in der European Respiratory Society (ERS) hoch aktiv. So war er sowohl als Sekretär als auch als Vorsitzender innerhalb der Gruppe „nicht-invasive“ Beatmung und zuletzt auch als Sekretär der Assembly No. 2 „Respiratory Intensive Care“ tätig (2000 – 2009). Für die ERS hat er zudem in Hannover mehrfach den international hoch anerkannten Postgraduierten-Kurs zur nicht-invasiven Beatmung organisiert (ERS School Course) [7], und zwar 2007, 2009, 2010, 2012, 2014 sowie 2017. Unvergessen bleiben hier die gewachsenen Freundschaften mit einer Gruppe von internationalen Vertretern des Fachgebietes, vorzugsweise aus den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Deutschland. Tatsächlich waren diese stets ausgebuchten Kurse freudvolle Highlights über viele Jahre. So war es am Ende bereits Tradition, dass Bernd Schönhofer zusammen mit seiner Frau Maria Schönhofer die internationale Referentengruppe zum Abend zu sich nach Hause einlud, was in der Regel in einer Jazz-Jam-Session gipfelte ([Abb. 1]). Dabei ist es keinem der Beteiligten entgangen, dass der Enthusiasmus und die Freude, mit welcher Bernd Schönhofer seinen Beruf ausübt, und die Freude sowie die Leidenschaft, mit welcher er seinen Kontrabass zupft, eine gemeinsame Wurzel haben, die ihn auch durch all die Schwierigkeiten der vielen Jahre getragen hat, die zwangsläufig mit einer solchen Karriere einhergehen.

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Abb. 1 Jam-Session im Hause Schönhofer (v. l. n. r. Bernd Schönhofer, Bass; Sohn Felix Schönhofer, Trompete; Wolfram Windisch, Piano) – Let’s jazz!

Prof. Bernd Schönhofer ist ein Pionier in der pneumologischen Beatmungsmedizin. Er hat sich hier wie kein anderer in seiner systematischen Arbeitsweise über mehr als 25 Jahre um seine Herzensangelegenheit, das prolongierte Weaning, bemüht und wesentliche Strukturen in Deutschland etabliert, die heute nicht mehr wegzudenken sind. Es wäre hier ein Leichtes, primär seine vielen Errungenschaften zu summieren, um ihn als herausragende Persönlichkeit in der pneumologischen Beatmungsmedizin zu bezeichnen. Viel mehr als das ist Bernd Schönhofer aber auch Enthusiast, Freund und Mensch. Er ist stets auf seinem eigenen Weg geblieben und hat sich nicht durch andere verlockende Angebote ablenken lassen, die nicht seinem Weg entsprechen. Er ist damit authentisch seinem inneren Ruf gefolgt und hat diese, seine Aufgabe zum zentralen Thema seines Lebens gemacht. Sicherlich war es hier auch notwendig, an der einen oder anderen Stelle Ecken und Kanten zu zeigen, was er auf seine ganz individuelle Weise getan hat. Wir sprechen hier allerdings nicht von individuellen Eitelkeiten als vielmehr von liebevollen Eigenheiten.

Der Erfolg in der Medizin wird mehr und mehr an nummerischen Kenngrößen ausgerichtet (wissenschaftlich an Impactpunkten, ökonomisch an DRG-Punkten). Die Kraft des individuellen Vorwärtsdrangs mag im Zuge dessen an der einen oder anderen Stelle ausgebremst werden. Die Gefahr besteht hier, dass viel Potenzial, die Medizin zu verbessern, verloren gehen kann. Bernd Schönhofer hat seinen Weg aber nicht primär nach etablierten Erfolgskriterien ausgerichtet, sondern ist seiner Berufung gefolgt. Aus unserer langjährigen Freundschaft wissen wir, dass er an vielen Stellen auch im Stillen und Verborgenen gearbeitet hat, ohne dass sein Wirken direkt sichtbar geworden ist. Sein Wirken zeigt sich vielmehr im Ganzen, wenn wir heute auf die Strukturen des prolongierten Weanings in Deutschland schauen. Bernd Schönhofer hat ja gerade durch seinen individuellen Weg gezeigt, dass die Kunst des Wirkens darin besteht, seine individuelle Kraft, ja seine eigene Person, der Gesamtheit zur Verfügung zu stellen. So hat der berühmte Jazz-Pianist Dave Brubeck einmal gesagt:


„Jazz ist wahrscheinlich die einzige heute existierende Kunstform, in der es die Freiheit des Individuums ohne den Verlust des Zusammengehörigkeitsgefühls gibt.“

Prof. Bernd Schönhofer verkörpert dies in ganzer Weise – nicht nur in der Musik, sondern auch in der Pneumologie. Dafür gebührt ihm großer Dank.


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Prof. Dr. Wolfram Windisch
Chefarzt der Lungenklinik
Kliniken der Stadt Köln gGmbH
Lehrstuhl für Pneumologie
Universität Witten/Herdecke
Fakultät für Gesundheit/Department für Humanmedizin
Ostmerheimer Straße 200
51109 Köln


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Abb. 1 Jam-Session im Hause Schönhofer (v. l. n. r. Bernd Schönhofer, Bass; Sohn Felix Schönhofer, Trompete; Wolfram Windisch, Piano) – Let’s jazz!