Informationen aus Orthodontie & Kieferorthopädie 2019; 51(01): 6-7
DOI: 10.1055/a-0809-2937
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Effekt der forcierten Gaumennahterweiterung auf monosymptomatische primäre nächtliche Enurese

B. A. Jung
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Publication Date:
19 March 2019 (online)

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Al-Taai N, Alfatlawi F, Ransjö M, Fakhry S. Effect of rapid maxillary expansion on monosymptomatic primary nocturnal enuresis. Angle Orthod 2015; 85: 102–108

Unter Enuresis versteht man das Einnässen im Schlaf beziehungsweise eine intermittierende nächtliche Inkontinenz nach Vollendung des 5. Lebensjahres. Es handelt sich dabei um eine verzögerte Entwicklung der Blasenkontrolle, die verschiedene Ursachen haben kann.

So wird bspw. eine isolierte Reifestörung des Zentralnervensystems oder aber auch fehlende Zuwendung, Tröstung und Orientierung im frühen Kindesalter diskutiert. Oft führen Bestrafungen und Abwertungen zu einer sekundären Fixierung. Etwa 15% der Jungen und bis zu 10% der Mädchen sind davon betroffen. Mit zunehmendem Alter sinkt der Anteil der Betroffenen deutlich und liegt in der späten Adoleszenz zwischen 1 und 3%.

Andere Kinder zeigen ein sporadisches oder ein Einnässen in kurzen Episoden als Symptom nächtlicher hirnorganischer Anfälle oder akuter hirnorganischer Funktionsstörungen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die nächtliche Enurese als eine behandlungsbedürftige Erkrankung ein. Einschlägige internationale (European Association of Urology; European Society for Paediatric Urology) und nationale Fachgesellschaften (Deutsche Enuresis-Akademie e.V.) schätzen, dass circa 640 000 Kinder in Deutschland zwischen 5 und 10 Jahren betroffen sind. Mögliche Therapieoptionen sind unter anderem psychologische Verhaltens-, und Entspannungsübungen oder medikamentöse Therapien.

Material und Methoden Im Rahmen einer prospektiven, placebo-kontrollierten, nicht-randomisierten Untersuchung an insgesamt 19 Patienten im Alter zwischen 6 und 15 Jahren (8 weiblich, 11 männlich; Durchschnittsalter: 11 Jahre) mit monosymptomatischer primärer nächtlicher Enurese untersuchte die Arbeitsgruppe den Therapieeffekt der forcierten Gaumennahterweiterung auf die nächtliche Enurese.

Alle Patienten wurden initial auch kieferothopädisch untersucht: 2 von 19 Patienten hatten einen Kreuzbiss, die übrigen moderate Engstände. Bei allen Kindern wurde im Oberkiefer eine festsitzende Hyrax-Apparatur eingesetzt. Um einen möglichen Placebo-Effekt aufdecken zu können, wurden 7 Kinder der Kontrollgruppe zugeordnet. Die Hyrax-Apparatur verblieb bei diesen Patienten für 30 Tage ohne Aktivierung. Danach starteten auch diese Kinder mit der Aktivierung und wurden der Studiengruppe mit Hyrax-Aktivierung zugeordnet. Bei den übrigen 12 Kindern begann die Aktivierung der Hyrax-Schraube unmittelbar nach dem Einsetzen der Apparatur.

Bei allen Kindern erfolgte die Aktivierung durch ein Elternteil 2x täglich (1x morgens und 1x abends). Die tägliche Gesamt-Aktivierung betrug 0,45 mm pro Tag für insgesamt 10–15 Tage bis die palatinalen Höcker der oberen Seitenzähne die bukkalen Höcherspitzen der unteren Seitenzähne berührten. Danach wurde die Apparatur ohne Aktivierung für 1 weiteren Monat in situ belassen, um später durch einen Hawley-Retainer für weitere 6 Monate ersetzt zu werden. Danach erhielten die Kinder keine zusätzliche kieferorthopädische Therapie. Die Eltern wurden nach 1 und 3 Jahren telefonisch kontaktiert.

Bei allen Kindern wurden die Oberkiefer jeweils vor und nach der transversalen Erweiterung abgeformt und die Modelle in Bezug auf den Parameter der intermolaren Distanz, also der transversalen Weite, vermessen. Zusätzlich wurden Blutproben zur Bestimmung der ADH (Anti-diuretisches Hormon)-Konzentration 2–3 Tage vor dem Einsetzen der Gaumennahterweiterungsapparatur sowie 2–3 Monate nach durchgeführter transversaler Dehnung genommen. Zu den gleichen Zeitpunkten wurden die nasale Belüftung und der nasale Widerstand mit Hilfe eines Rhinomanometers (ATMOS® 300) gemessen. CT-Aufnahmen 2–3 Tage vor und 2–3 Monate nach der transversalen Dehnung dienten zur Beurteilung von möglichen nasalen Obstruktionen.

Ergebnisse 30 Tage nach der Gaumennahterweiterung zeigte sich in Bezug auf die nächtliche Enurese bei 13 Kindern eine Verbesserung und 6 Kinder blieben trocken. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (30 Tage ohne Aktivierung) zeigten sich aber keine relevanten Unterschiede (p>0,05). Die durchschnittliche Episodenhäufigkeit lag initial bei 2,21 und reduzierte sich 2–3 Monate später auf 0,42 (p<0,005) sowie 1 Jahr später auf 0,06 pro Nacht. 3 Jahre später waren alle Kinder erfolgreich therapiert.

Die transversale Weite zeigte nach der transversalen Dehnung einen Gewinn von durchschnittlich 4,6 mm (p<0,001), einen signifikant breiteren Nasenboden (durchschnittlich: 1,8 mm; p<0,001), eine verbesserte nasale Belüftung (durchschnittlich: 584,86 cm3/s; p<0,001), einen verminderten nasalen Widerstand (durchschnittlich: 0,24 pa/cm3/s; p<0,001) und eine physiologische Osmolarität (durchschnittlich: 295,01 mosmol/L; p<0,05).