Schlüsselwörter
Verbrennung - Infektion - Antibiotika
Key words
burn - infection - antibiotics
Einleitung
Das Risiko für Infektionen ist bei immungeschwächten Patienten, z. B.
Verbrennungspatienten, deutlich erhöht [1].
Ursächlich sind hierfür unter anderem die aufgrund der gestörten Barrierefunktion
der Haut herabgesetzte Immunkompetenz und die katabole Stoffwechsellage nach einem
schweren Verbrennungstrauma, die sich aus der Entwicklung der sogenannten
Verbrennungskrankheit ergibt [1]. Septische
Komplikationen stellen mit 75 % die vorherrschende Todesursache nach schwerem
Verbrennungstrauma dar [2]. Seit Einführung des
radikalen frühen operativen Debridements oder Nekrektomie der verbrannten Haut und
der systematischen Anwendung von lokalen antimikrobiellen Substanzen, sowie der
Einführung von spezialisierten Brandverletztenbehandlungseinheiten, ist die
Überlebenswahrscheinlichkeit von adulten und pädiatrischen brandverletzten Patienten
deutlich angestiegen [3]. Systemische Antibiotika
und Antimykotika stellen in der modernen Intensivmedizin ein wesentliches Instrument
zur Therapie und möglicherweise auch in der Prophylaxe schwerer Infektionen dar,
resultieren aber auch gleichzeitig in einem Selektionsdruck durch Entwicklung
multiresistenter Problemkeime [4]. Strikte Hygiene
am Patienten, die Unterbrechung der Kontaminationswege, die Anwendung
prophylaktischer Physiotherapie, wie Atemgymnastik oder Lagerungswechsel, und eine
frühe enterale Ernährung sind in der Summation höher einzuschätzen als der
vorbeugende Einsatz von Antibiotika [5]. Die
generelle Antibiotikaprophylaxe bei Schwerverbrannten wird nicht empfohlen [6]. Bei bakteriologisch gesichertem Keimnachweis und
entsprechendem klinischen Bild des Patienten sollten systemische Antibiotika nach
Antibiogramm zum Einsatz kommen [7]. Bei
Therapiebeginn vor dem Vorliegen der Antibiogramme ist von dem aktuellen
Keimspektrum und Resistenzmuster auf der Station auszugehen. Bei Leichtverbrannten
in ambulanter Behandlung verbessert der prophylaktische Einsatz von Antibiotika die
Ergebnisse nicht [8]. Bei Schwerbrandverletzten
sind häufiger lokale Pilzbesiedelungen, aber auch systemische Pilzinfektionen zu
beobachten [9]. Bei einem serologischen
Pilz-Nachweis mit Titeranstiegen empfiehlt sich zunächst die kalkulierte
antimykotische Behandlung unter Berücksichtigung des Patientenzustandes, des
Infektionsfokus und des zu erwartenden mykotischen Keimspektrums [9]. Hierfür stehen verschiedene Antimykotika zur
Verfügung. Nach Isolation und Austestung der Resistenzen der Spezies sollte das
passende Antimykotikum ausgewählt werden. Eine adäquate antibiotische
Initialtherapie senkt die Sterblichkeit von Patienten mit Infektionen auf der
Intensivstation beträchtlich. Die Festlegung einer solchen Therapie folgt
empirischen Gesichtspunkten, die als „Tarragona-Strategie“ für die Initialtherapie
der nosokomialen Pneumonie bekannt wurde.
Epidemiologie
Für Verbrennungspatienten existieren neben zeitlich begrenzten, in der Regel
retrospektiv durchgeführten Untersuchungen, nur wenige aktuelle Übersichtsarbeiten
zur Inzidenz von Infektionen [10]. Aus
Untersuchungen in den 80er Jahren ist bekannt, dass im Blut von Brandverletzten
häufig Bakterien und Pilze nachgewiesen werden können [11]. Solche Septikämien stellen neben der Verbrennungsverletzung ein
zusätzliches Mortalitätsrisiko dar [11]. Aus
derselben Zeit stammen Untersuchungen zum Auftreten von Lungenentzündungen im
Zusammenhang mit Verbrennungen der Atemwege durch Hitze- oder Rauchgasinhalation
[12]. Hier wurde eine deutlich erhöhte Inzidenz
von Pneumonien und ein erhöhtes Sterberisiko beschrieben [12]. In der Folge rückte die Prävention von Infektionen bei
Brandverletzten in den Fokus der Behandlung. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG)
schreibt für Deutschland seit dem Jahr 2000 für operativ tätige Fachabteilungen eine
Infektionserfassung als Qualitätssicherungsmaßnahme verpflichtend vor. Da
nosokomiale Infektionen bei Brandverletzten besonders häufig auftreten, erfasst das
Nationale Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen seit Januar
2009 nosokomiale Infektionen bei Brandverletzten in einem gesonderten Modul. Die
deutsche Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) Erfassung ist
vergleichbar mit dem in den USA etablierten Erfassungssystem des National Healthcare
Safety Network (NHSN). Beide Surveillance-Systeme erfassen aber nicht alle
relevanten Infektionen, sondern beschränken sich auf Risiken im Zusammenhang mit der
intensivmedizinischen Behandlung, insbesondere mit der künstlichen Beatmung und der
Nutzung von Kathetersystemen. Sowohl in Deutschland als auch in den USA zeigt sich,
dass auf Brandverletztenintensivstationen verglichen mit anderen Intensivstationen
Sepsisfälle im Zusammenhang mit zentralen Venenkathetern etwa drei Mal häufiger
auftreten. Roham et al. haben Häufigkeit und Gründe für Infektionen auf Grund von
zentralvenösen Kathetern untersucht. Sie zeigten, dass die meisten Infektionen nach
17 Tagen auftraten. Obwohl es außer dem Auftreten von Infektionen im Allgemeinen
keine klaren zeitlichen Richtlinien zum Wechseln zentralvenöser Katheter gibt,
empfehlen Roham et al. die Katheter mindestens alle 14 Tage zu wechseln [13].
Erregerspektrum, Infektionsquellen und -wege
Erregerspektrum, Infektionsquellen und -wege
Erregerspektrum
In vielen Fällen werden sporadische postoperative Infektionen im Operationsgebiet
in der Regel von bakteriellen Erregern verursacht, aber auch Pilze kommen als
Erreger vor [14]. Insgesamt am häufigsten sind
in allen operativen Fachgebieten Staphylokokken, in erster Linie Staphylococcus
aureus (S. aureus). Auch koagulase-negative Staphylokokken können, insbesondere
im Zusammenhang mit Fremdkörpern, postoperative Infektionen verursachen [15]. Der Anteil methicillinresistenter
Staphylococcus aureus (MRSA) an den Gesamtisolaten von S. aureus ist lokal sowie
auch innerhalb einer Einrichtung in den verschiedenen chirurgischen Fachgebieten
unterschiedlich [16]. Abhängig vom
Operationsgebiet spielen auch Enterobakterien und Enterokokken eine Rolle als
Wundinfektionserreger. Gram-negative Anaerobier, z. B. Bacteroides spp., haben
an der Gesamtzahl der Isolate einen geringeren Anteil. Damit wird jedoch keine
Aussage über die pathogene Bedeutung im Einzelfall gemacht. Jeweils aktuelle
Daten zum Erregerspektrum von Wundinfektionen liegen aus dem Surveillance-System
KISS vor (http://www.nrz-hygiene.de). Die bakterielle Besiedlung der Haut
stellt insbesondere bei großflächigen Verbrennungen das primäre Risiko für
nachfolgende Infektionen dar, wobei zu der patienteneigenen, physiologischen
Besiedlung zusätzliche pathogene Keimbesiedlungen kommen [17]. Eine Zusammenfassung der in der Literatur
genannten relevanten Risikofaktoren für eine Infektion bei Verbrennungspatienten
ist in [
Tab. 1
] aufgeführt.
Tab. 1
Relevante Risikofaktoren für eine Infektion bei
Verbrennungspatienten
Organisatorisch
|
Unterbringung
|
Raumgröße und Raumausstattung
|
Betreuung
|
Patient/Pflegeverhältnis Qualifizierung
|
Compliance
|
Basishygiene wird nicht eingehalten
|
Patient
|
Alter
|
< 2 Jahre; > 60 Jahre
|
Ausmaß der Verbrennung
|
> 30 % besonders hohes Risiko
|
Grad der Verbrennung
|
IIa – III
|
Wundeigenschaften
|
proteinreiches Exsudat, Nekrose
|
Immunsystem
|
zelluläre Immunität beeinträchtigt
|
Physiologische Veränderungen
|
Elektrolytstörungen, Anämie, Dehydrierung, Schock
|
Grunderkrankungen
|
Immunsuppression, Steroidtherapie, Diabetes mellitus,
Niereninsuffizienz
|
Umgebung
|
Luft
|
wie z. B. Aspergillen
|
Medizinprodukte
|
unzureichend aufbereitet, kontaminiert bei Anwendung
|
Infektionsquellen und -wege
Infektionserreger können exogen oder endogen, bspw. von der Haut oder
Schleimhautflora des Patienten, in das Wundgebiet gelangen [18]. Jede Stauung oder Ansammlung von
Transsudat, Exsudat oder avitalem Gewebe bzw. jeder Fremdkörper oder eine
Minderung der Durchblutung erhöhen das Infektionsrisiko. Die Mehrzahl der
postoperativen Wundinfektionen im Operationsgebiet tritt typischerweise zwischen
dem 3. und dem 8. postoperativen Tag nach primärem Wundverschluss auf. Eine
primär heilende Wunde ohne Drainage gilt in der Regel nach 24 Stunden als
verschlossen und nicht mehr exogen kontaminationsgefährdet [19]. Das Haupterregerreservoir für
Wundinfektionen stellt die körpereigene Flora des Patienten dar. Dies ist nicht
zuletzt darin begründet, dass sich die physiologische Flora von Haut,
Schleimhäuten und Konjunktiven auch bei sorgfältiger präoperativer Antiseptik
nicht vollständig eliminieren lässt. In einer umfangreichen prospektiven Studie
wurde nachgewiesen, dass die nasale Kolonisierung mit S. aureus ein Reservoir
für nachfolgende Infektionen mit diesem Erreger darstellt [20]. So war der Stamm, der aus der Blutkultur
bzw. vom Infektionsherd isoliert werden konnte, zu 80 % identisch mit dem zuvor
isolierten Stamm aus dem Nasenvorhof. In einer nachfolgenden Studie konnten
diese Ergebnisse bestätigt werden. Auch wurde ein Zusammenhang zwischen
nasopharyngealer Besiedlung der Patienten mit S. aureus und einem erhöhten
Risiko für eine postoperative S. aureus-Infektionen beobachtet [21].
Eine endogene Streuung über die Blut- und Lymphgefäße führt zu einer Besiedlung
im Wundgebiet, welches fern des eigentlichen Infektionsfokus liegt. Die für eine
Wundinfektion erforderliche Erregermenge wird durch Fremdkörper, z. B. Katheter
oder Implantate, Nahtmaterial, Ischämie und Gewebsnekrosen, signifikant
erniedrigt. Voraussetzung für exogene postoperative Erregerübertragungen ist ein
Zugangsweg für die Erreger [18]. Dies geschieht
z. B. durch kleine Dehiszenzen einer sonst primär heilenden Wunde.
Operationswunden, die bis zu einem sekundären Wundverschluss offen bleiben,
Drainagen zur Ableitung von Flüssigkeits- oder Gasansammlungen, z. B.
Thoraxdrainagen, stellen ebenfalls potenzielle Eintrittspforten dar. Innerhalb
der intraoperativen exogenen Infektionsquellen kommt der Körperflora des
Operationspersonals/-teams im Vergleich zur unbelebten Umgebung im
Operationsraum, d. h. Flächen oder Luft, die größere Bedeutung zu. Die Abgabe
potenziell kontaminierter Tröpfchen aus dem Nasen-Rachen-Raum des
Operationspersonals, z. B. Träger von S. pyogenes oder S. aureus, wird durch das
Tragen einer chirurgischen Maske reduziert, aber nicht vollständig aufgehoben
[22]. Die Freisetzung von Keimen der
Nasopharyngealflora des Operationsteams ist wesentlich davon abhängig, wie viel
gesprochen wird (Niesen, Husten, Infektionen des Respirationstraktes). Bei
nosokomialen Infektionen, bei denen die Häufung gleichartiger Erreger, z. B.
S. aureus, S. pyogenes, Pseudomonas spp., Serratia spp., Klebsiella spp.,
Enterococcus, Candida, festgestellt wird, sind in erster Linie exogene Quellen
die Ursache [23]. Diese müssen daher erkannt
und unter Kontrolle gebracht werden. Siehe hierzu auch entsprechende Datenbanken
als Informationsquelle, sowie die Empfehlung der Kommission für
Krankenhaushygiene und Infektionsprävention „Ausbruchsmanagement und
strukturiertes Vorgehen bei gehäuftem Auftreten nosokomialer Infektionen“. Die
unbelebte Umgebung im Operationsraum kommt als Erregerreservoir in Betracht,
wenn z. B. Medizinprodukte, die nicht regelrecht aufbereitet oder durch falsche
Lagerung oder Bereitstellung auf kontaminierter Fläche verunreinigt wurden, in
direkten oder indirekten Kontakt mit dem Operationssitus kommen. Bei Beachtung
der konsequenten Schaffung und Aufrechterhaltung einer keimarmen Umgebung im
Operationsraum sowie aseptischer Bedingungen im Bereich des Instrumententisches
und des OP-Feldes kommt der Luft als Erregerreservoir eine untergeordnete
Bedeutung zu. In Studien belegt ist die Bedeutung der Luftqualität bei
Eingriffen mit höchsten Anforderungen an die Keimarmut mit Implantation großer
Fremdkörper, z. B. Endoprothetik, in infektionsanfälligen Geweben z. B. Knochen
[24].
Antibiotische Therapie
Bei Verbrennungspatienten handelt es sich um Hochrisikopatienten, bei denen die
Gefahr eine Infektion zu erleiden mit dem Ausmaß des Verbrennungstraumas steigt.
Jedoch kann eine Kolonisation der Verbrennungswunden durch eine prophylaktische
Antibiotikagabe nicht verhindert werden [25]. In
einer Studie an pädiatrischen Verbrennungspatienten wurde gezeigt, dass eine
Infektion der Brandwunden in der Regel trotz prophylaktischer Antibiotika-Therapie
auftritt [26]. In einer Metaanalyse, die sowohl
Studien zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe als auch Arbeiten zu genereller,
systemischer antibiotischer Prophylaxe mit bis zu zweiwöchiger Dauer eingeschlossen
hat, kamen die Autoren zu dem Schluss, dass eine prophylaktische Therapie zwar
effektiv zu sein scheint, aber aufgrund der geringen methodischen Qualität und der
eingeschränkten Vergleichbarkeit der Studien eine generelle antibiotische Prophylaxe
nicht empfohlen werden kann [6]. Auch
medikamenten-assoziierte Nebenwirkungen, allergische Reaktionen, eine Induktion von
Resistenzen, Clostridien-assoziierter Kolitis und möglicherweise gesteigerte Kosten
sprechen für einen eher restriktiven Einsatz antiinfektiver Substanzen. Nach einem
Inhalationstrauma hat eine prophylaktische Antibiotikatherapie keinen Stellenwert,
obwohl in bis zu 70 % der Fälle eine beatmungsassoziierte Pneumonie auftritt [27]. Ein festes Konzept hingegen ist die
periinterventionelle oder perioperative antibiotische Prophylaxe (PAP). In der
Verbrennungsmedizin soll die PAP durch eine Reduktion der Erregermenge in den
Verbrennungswunden die Erfolgsrate einer plastischen Deckung erhöhen sowie
Bakteriämien verhindern. Auf der anderen Seite muss ein Selektionsdruck vermieden
werden. Daher handelt es sich bei der PAP im Allgemeinen um eine einmalige Gabe
eines Antibiotikums, diese kann jedoch in einzelnen Fällen ≤ 48 h postoperativ
fortgeführt werden. Besteht die Situation, dass durch den chirurgischen Eingriff das
Wundgebiet nicht vollständig saniert wird und demnach für den Patienten ein hohes
Infektionsrisiko fortbesteht, kann die begonnene PAP auch mehrtägig fortgesetzt
werden. In diesem Fall ist jedoch eine saubere Abgrenzung von Prophylaxe und
Therapie nicht mehr möglich.
Die internationalen Sepsis-Leitlinien empfehlen eine selektive Darmdekontamination
(SDD) zur Prophylaxe einer beatmungsassoziierten Pneumonie bei Patienten, bei denen
eine längere Beatmungsdauer (> 48 h) zu erwarten ist [28]. Zur selektiven Darmdekontamination (SDD) werden nichtabsorbierbare
Antibiotika topisch in den Oropharynx und den Magen appliziert. Dadurch sollen in
erster Linie beatmungsassoziierte Pneumonien vermieden werden, deren Ursprung in der
großen Mehrzahl der Fälle die patienteneigene oropharyngeale Mikroflora ist [29]. Die selektive Darmdekontamination wird auch bei
nekrotisierender Pankreatits und bei Lebertransplantation zur Prävention von
Infektionen eingesetzt, die von der mikrobiellen Darmflora ausgehen. Trotz zahlloser
klinischer Studien und etlicher Metaanalysen wird SDD nach wie vor kontrovers
diskutiert. Es ist heute allgemein akzeptiert, dass die Inzidenz von Pneumonien
gesenkt werden kann.
Liegt eine schwere Infektion vor und Ergebnisse der mikrobiologischen Diagnostik
stehen aus, erfolgt eine kalkulierte Therapie unter Berücksichtigung des
Patientenzustandes, des Infektionsfokus und des zu erwartenden Keimspektrums.
Folgende Substanzen kommen hier in der Regel zum Einsatz:
Die Daten für eine Kombinationstherapie sind insgesamt widersprüchlich. Die
Leitlinien empfehlen bei schwerer Sepsis eine antibiotische Kombinationstherapie bei
schwierig zu behandelnden Infektionen mit multiresistenten Erregern, wie
Acinetobacter baumannii oder Pseudomonas aeruginosa [30]. Eine typische Kombinationstherapie bei schwerem septischem Verlauf
ist die Gabe von einem Carbapenem oder einem Breitspektrumpenicillin kombiniert mit
einem Fluorchinolon. Wird bei einem Patienten ein MRSA als Auslöser einer Infektion
vermutet, kann der Einsatz von Glykopeptiden, z. B. Vancomycin, unter Kontrolle der
Serumkonzentration erwogen werden.
Antimykotische Therapie
Bei Verbrennungspatienten sind häufiger lokale Pilzbesiedelungen, aber auch
systemische Pilzinfektionen zu beobachten [9].
Verbrennungspatienten mit einem zentralen Venenkatheter weisen die höchsten Raten an
Candida-Infektionen unter den Krankenhauspatienten auf [31]. Zunehmend spielen Infektionen mit Non-albicans-Stämmen eine
relevante Rolle. Bei einem serologischen Nachweis mit Titeranstiegen empfiehlt sich
die antimykotische Behandlung. Hierbei stehen verschiedene Antimykotika zur
Verfügung, wie Amphotericin B, Ketoconazol, Miconazol, Diflucan und 5-Fluorcytosin.
Nach Isolation und Austestung der Resistenzen der Spezies sollte das passende
Antimykotikum ausgewählt werden. Bei der Wahl der systemischen antimykotischen
Therapie sollte dabei unbedingt der klinische Zustand des Patienten berücksichtigt
werden. Die amerikanischen Leitlinien der Infectious Diseases Society of America
(IDSA) empfehlen bei hämodynamisch stabilen Patienten eine primäre Therapie mit
Fluconazol und bei instabilen Patienten oder bei vorausgegangener Therapie mit
Fluconazol den Einsatz von Voriconazol oder einem Echinocandin.
Der Anteil an Wundinfektionen mit Pilzen wird mit 20 % geschätzt [32]. Davon sind 99 % Hefepilzinfektionen, während
der Rest von Schimmelpilzen und Zygomycota verursacht wird. Bei lokaler,
problematischer Wundkontamination mit Pilzen kann die topische Therapie je nach Keim
mit Nystatin, Amphotericin B, Clotrimazol oder Silbersulfadiazin erwogen werden. Bei
Wundinfektion sind außerdem das rasche chirurgische Debridement sowie die
systemische Therapie erforderlich.
Als Besonderheit sei erwähnt, dass wenn in der Nähe des Behandlungszentrum
Baumaßnahmen mit Erdaushub durchgeführt werden das Risiko einer Pilzinfektion, vor
allem durch Aspergillen, steigt [33].
Virale Infektionen
Der klinische Stellenwert von viralen Infektionen bei Verbrennungspatienten ist
unklar, da z. B. sich bei Cytomegalievirus (CMV)-Infektionen, die überwiegend auf
eine endogene Reaktivierung zurückzuführen sind, keine Unterschiede in den
Mortalitätsraten zeigte [34]. Jedoch wurde
berichtet, dass Varizella Zoster Virus (VZV)-Infektionen mit schwerwiegenden
Verläufen und erhöhter Mortalität assoziiert sind, auch wenn sie insgesamt selten
bei Verbrennungspatienten anzutreffen sind. Bei Nichtansprechen einer antibiotischen
Therapie sollte dennoch immer auch an das Vorliegen einer viralen Infektion gedacht
werden [35].
Tarragona-Strategie
Eine adäquate antibiotische Initialtherapie senkt die Sterblichkeit von Patienten mit
Infektionen auf der Intensivstation beträchtlich. Die Festlegung einer solchen
Therapie folgt empirischen Gesichtspunkten, die als „Tarragona-Strategie“ für die
Initialtherapie der nosokomialen Pneumonie bekannt wurde [36], [37].
Die Grundelemente des Strategieprinzips sind auf die antibiotische Initialbehandlung
von Patienten mit Infektionen auf der Intensivstation allgemein übertragbar und
beinhalten
-
die Sicht auf den Patienten und dessen Anamnese;
-
die Berücksichtigung der mikrobiologischen Umgebung, in der der Patient
erkrankte;
-
die Forderung nach einer sorgfältigen Erregerkalkulation und dem sofortigen
Therapiebeginn mit einer hohen antibiotischen Initialdosis;
-
die pharmakokinetischen/pharmakodynamischen Aspekte, die von den
pathophysiologischen Vorgängen im kritisch Kranken, der Erregerspezifik, den
Eigenschaften des Antibiotikums im Organismus und von therapeutischen
Maßnahmen beeinflusst werden sowie
-
das Prinzip, eine breit kalkulierte Therapie in Kenntnis der unabdingbar
initial erhobenen mikrobiologischen Befundung auf das notwendige und
mögliche Maß zu begrenzen.
Ein solches Vorgehen ist sicher, senkt die Sterblichkeit, behindert die
Resistenzentwicklung und ist wirtschaftlich.
Material und Methoden
In einer systematischen Übersicht mit Hilfe der medizinischen Datenbank PubMed in der
deutsch- und englischsprachigen Literatur zwischen 1990 und 2018 werden
epidemiologische und diagnostische Aspekte sowie der therapeutische Einsatz von
Antibiotika bei Infektionen von Verbrennungspatienten in klinischen Studien
analysiert. Angaben zum freien Text und genutzte Indexbegriffe sind in [
Abb. 1
] demonstriert. Nach Ausschluss der
Doppelstudien und nicht-deutsch- oder englischsprachigen Artikel wurden final 53
Artikel zur Auswertung eingeschlossen.
Abb. 1 Angaben zum freien Text und genutzte Indexbegriffe mittels
PubMed Datensuche.
Ergebnisse
Die elektronische Suche ergab 69 Veröffentlichungen, wovon nach Durchsicht der
Zusammenfassungen insgesamt 53 randomisiert kontrollierte klinische Studien die
Auswahlkriterien erfüllten. Untersucht wurden verschiedene Arten/Applikationsformen
der antibiotischen Prophylaxe bei Verbrennungswunden: topisch, systemisch generell,
systemisch perioperativ, nicht absorbierbare Antibiotika zur selektiven
Darmdekontamination, inhalierende und jegliche Applikationsformen versus Kontrolle.
Die frühe „Postburn-Prophylaxe“ bei Patienten mit geringgradiger Verbrennung wurde
in sechs Studien und bei Patienten mit schwerer Verbrennung in sieben Studien
untersucht. Die antimikrobielle Prophylaxe zeigte keine Wirksamkeit bei der
Prävention des toxischen Schocksyndroms oder der geringgradigen Verbrennung, könnte
aber bei Patienten mit schweren Verbrennungen und der Notwendigkeit einer
mechanischen Beatmung nützlich sein. Die perioperative Prophylaxe wurde in zehn
Studien untersucht.
Diskussion
Die absoluten Ziele der Behandlung von Brandwunden sind der Verschluss und die
Heilung der Wunde. Die frühzeitige chirurgische Nekrektomie von verbranntem Gewebe
mit ausgedehntem Debridement nekrotischen Materials und Transplantation von Haut
oder Hautersatzmaterialien verringert die mit schweren Verbrennungen verbundene
Mortalität erheblich [38]. Zudem vermindern die
vier hauptsächlich verwendeten antimikrobiellen Topika – Sulfadiazin-Silber-Creme,
Mafenidcreme, Silbernitratcreme und kristalline Silberverbände – die bakterielle
Besiedlung der Wunden und verringern die Inzidenz von Infektionen der Brandwunden
[39]. Diese Substanzen werden routinemäßig auf
Verbrennungen 2. und 3.Grades aufgetragen. Die bakteriziden Eigenschaften von Silber
beruhen auf seiner Wirkung auf die respiratorischen Enzyme der bakteriellen
Zellwände [40]. Die Interaktion mit
Strukturproteinen bewirkt eine Toxizität gegenüber Keratinozyten und Fibroblasten,
welche die Wundheilung bei willkürlichem Einsatz von silberhaltigen Präparaten
hinauszögern kann [41]. Alle Substanzen sind breit
gegen zahlreiche Bakterien und einige Pilze wirksam und sind vor dem Einsetzen der
bakteriellen Kolonisierung hilfreich. Sulfadiazin-Silber wird häufig in der
Anfangsphase appliziert, jedoch kann sein Nutzen durch bakterielle Resistenzen,
schlechte Wundpenetration oder Toxizität, wie Leukopenie, begrenzt sein [42]. Mafenidacetat zeigt eine breitere Aktivität
gegenüber gramnegativen Bakterien [43]. Die Creme
durchdringt Schorf und kann somit eine Infektion darunter verhindern oder behandeln.
Der Einsatz ohne Verband ermöglicht die regelmäßige Untersuchung des Wundgebietes.
Die wesentlichsten Nachteile von Mafenidacetat sind die Hemmung der Carboanhydrase,
welche mit einer metabolischen Azidose einhergehen kann, sowie die Entstehung von
Hypersensitivitätsreaktionen bei bis zu 7 % der Patienten. Diese Substanz wird
meistens verwendet, wenn gramnegative Bakterien in die Brandwunde eindringen und
eine Behandlung mit Sulfadiazin-Silber fehlgeschlagen ist. Die Aktivität von
Mafenidacetat gegenüber grampositiven Bakterien ist eingeschränkt. Nanokristalline
Silberverbände bieten eine breitere antimikrobielle Abdeckung als andere topische
Substanzen, dadurch dass sie eine Aktivität gegen MRSA und vancomycinresistente
Enterokokken (VRE) zeigen, ein hinreichendes Vermögen besitzen, Schorf zu
durchdringen und nur eine eingeschränkte Toxizität aufweisen [44]. Zusätzlich bewirkt dieser Ansatz eine
kontrollierte und verlängerte Freisetzung von nanokristallinem Silber in die Wunde
und beschränkt damit die Anzahl der Verbandswechsel und somit auch das Risiko der
nosokomialen Infektion sowie folglich auch der Therapiekosten. Mupirocin, eine
topisch eingesetzte antimikrobielle Substanz, die zur Eradikation der nasalen
Kolonisation mit MRSA verwendet wird, wird vermehrt in Verbrennungseinheiten
genutzt, da MRSA dort sehr prävalent ist [45]. Die
Effizienz von Mupirocin in der Reduktion der Bakterienzahl in Brandwunden und der
Verhinderung einer systemischen Infektion ist mit der von Sulfadiazin-Silber
vergleichbar [46]. In den letzten Jahren haben sich
die Raten der Pilzinfektionen bei Verbrennungspatienten erhöht. Bei oberflächlichen
Pilzinfektionen kann Nystatin mit Sulfadiazin-Silber oder Mafenidacetat zur
topischen Therapie gemischt werden. Eine kleine Studie hat gezeigt, dass
Nystatinpuder, 6 Millionen Einheiten/Gramm, effektiv in der Behandlung von
oberflächlichen und tiefen Brandwundeninfektionen durch Aspergillus fusarium spp.
ist [47]. Zudem begünstigen
feuchtigkeitsspeichernde Salben mit antimikrobiellen Substanzen eine rasche
Autolyse, Debridement und feuchte Heilung von Verbrennungen 2. Grades. Wird eine
invasive Wundinfektion diagnostiziert, so sollte die topische Therapie auf
Mafenidacetat umgestellt werden. Eine Wundspülung als direkte Instillation des
Antibiotikums–häufig Piperacillin in das Wundgebiet unter den Schorf stellt eine
sinnvolle additive Maßnahme zur chirurgischen und systemischen antimikrobiellen
Therapie dar [48]. Eine systemische Therapie mit
Antibiotika, die gegen die Pathogene in der Wunde wirksam sind, sollte eingeleitet
werden. Ohne Nachweis eines Erregers mit Anzucht ist eine Breitspektrumbehandlung,
welche die gängigsten Erreger der jeweiligen Umgebung einbezieht, einzuleiten. Eine
solche Abdeckung wird in der Regel durch Antibiotika erreicht, die im gram-positiven
Bereich, z. B. Oxacillin 2 g i. v. alle 4–6 h, und gegen Pseudomonas aeruginosa und
andere gramnegative Stäbchen, z. B. Gentamicin 5 mg/kg i. v. alle 24 h, Piperacillin
3 × 4 g/d i. v. oder Meropenem 3 × 1 g/d i. v., wirksam sind. Bei Penicillinallergie
können Vancomycin 1 g i. v. alle 12 h; auch mit Abdeckung von MRSA statt Oxacillin
und Ciprofloxacin (400 mg i. v. alle 12 h) statt Piperacillin eingesetzt werden.
Oxazolidinon-Antibiotika, wie Linezolid, konnten im Tiermodell von MRSA infizierten
Brandwunden das bakterielle Wachstum und die Konzentration von Toxin 1 bei toxischem
Schocksyndrom vermindern [49]. Patienten mit
Brandwunden zeigen häufig metabolische Veränderungen und Störungen der
Nierenfunktion, sodass eine Spiegelbestimmung mancher Antibiotika notwendig wird.
Die Spiegel, welche mittels der Standarddosierungen erreicht werden, befinden sich
häufig im subtherapeutischen Bereich [50]. Die
Behandlung der Infektionen durch resistente Erreger bleibt eine Herausforderung in
der Wundbehandlung. MRSA, resistente Enterokokken, multiresistente gramnegative
Stäbchen und Beta-Laktamase produzierende Enterobakterien wurden mit Infektionen von
Brandwunden assoziiert und bei Ausbrüchen in Verbrennungszentren als deren Auslöser
identifiziert [51]. Strenge Vorkehrungen zur
Infektionskontrolle inklusive mikrobiologischer Überwachung in Verbrennungseinheiten
und eine adäquate antibiotische Therapie bleiben wichtige Maßnahmen in der Reduktion
von Infektionsraten durch resistente Erreger. Neuere Antibiotika, wie Linezolid oder
Torezolid, Tigecyclin oder Daptomycin, sind für die Behandlung komplizierter Haut-
und Weichgewebeinfektionen zugelassen, (Empfehlungen zur kalkulierten parenteralen
Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2010. www.p-e-g.org).
Generell spielt die prophylaktische systemische Antibiotikatherapie beim
Wundinfektionsmanagement keine Rolle, da sie zur Kolonisierung mit resistenten
Erregern führen kann [52]. In einigen Studien wurde
eine antibiotische Prophylaxe mit vermehrten sekundären Infektionen der oberen und
unteren Atemwege und der Harnwege sowie mit verlängertem Krankenhausaufenthalt
assoziiert [53]. Eine Ausnahme bilden die Fälle,
welche einer Wundmanipulation bedürfen. Da Prozeduren wie Debridement, Exzision oder
Transplantation häufig mit einer Bakteriämie einhergehen, werden systemische
Antibiotika prophylaktisch zu dem jeweiligen Eingriff verabreicht. Die spezifische
Therapie sollte anhand einer Erregeridentifizierung aus einem Wundabstrich oder in
Anlehnung an die Umgebungsflora des Krankenhauses erfolgen. Der Einsatz oraler
Antibiotika zur selektiven Darmdekontamination (SDD), um die bakterielle
Kolonisation und das Risiko einer Wundinfektion zu senken, ist umstritten und wurde
bislang nicht umfangreich umgesetzt. In einer randomisierten, doppelblinden,
placebokontrollierten Studie von Verbrennungspatienten, bei denen mehr als 20 % der
Körperoberfläche betroffen war, wurde die SDD mit einer verringerten Mortalitätsrate
auf der Intensivstation und im Krankenhaus sowie mit einer geringeren Inzidenz von
Pneumonien assoziiert [6]. Die Effekte der
selektiven Darmdekontamination auf die normale anaerobe Darmflora sollten vor
Anwendung dieses Ansatzes berücksichtigt werden. Strategien, die die systemische
Ausbreitung – vor allem in die Lunge – der Erreger bei Wundinfektionen vermindern
oder eingrenzen sollen, können möglicherweise die Therapie ergänzen. Eine Taktik
zielt auf eine Reduktion der lokalen neutrophilen Inflammation ab, die ansonsten die
Bildung von Biofilmen beschleunigen kann, vor allem durch Pseudomonas aeruginosa.
Beispielsweise konnte tierexperimentell nach Einbringen von Pseudomonas aeruginosa
in eine Verbrennungswunde die einmalige frühzeitige Gabe von Azithromycin die
Häufigkeit von Pseudomonas-Infektionen und die systemische Aussaat in Lunge und Milz
vermindern und war dabei ähnlich wirksam wie klassische pseudomonas wirksame
Substanzen, z. B. Tobramycin [54]. Ob und in
welchem Ausmaß dieser Effekt auch beim Menschen nachweisbar ist, wird derzeit
untersucht. Bei allen Verbrennungspatienten sollte die Tetanusimpfung aufgefrischt
werden, wenn die primäre Immunisierung abgeschlossen ist, aber in den letzten fünf
Jahren keine Auffrischung erfolgt ist. Patienten ohne vorherige Immunisierung
sollten simultan mit Tetanus-Hyperimmunglobulinen und primärer Immunisierung
versorgt werden. In diesem systematischen Review können wir eine signifikante
Abnahme der Gesamtmortalität mit systemischer Antibiotikaprophylaxe für 4–14 Tage
bei Patienten mit Verbrennungen (meist 2b-3°) zeigen. Systemische Prophylaxe wurde
mit einer reduzierten Pneumonierate verbunden und, wenn perioperativ verabreicht,
mit einer verringerten Rate von Brandwundeninfektionen. Die Resistenz der Bakterien
gegen das zur Prophylaxe verwendete Antibiotikum ist gestiegen.
Zusammenfassung
Der Nutzen für eine längerfristige systemische antibiotische Prophylaxe bei der
Mehrheit von Verbrennungspatienten ist nicht evident. Leichte Infektionen bei
stabilem klinischen Zustand sind engmaschig zu beobachten, während bei schwerer
Infektion die internationalen Sepsis-Leitlinien und das Tarragona-Prinzip empfohlen
werden.
Ein Ethikvotum war für diese Studie nicht erforderlich.
Ethical approval was not required for this study.