PiD - Psychotherapie im Dialog 2019; 20(02): 1
DOI: 10.1055/a-0771-5150
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Michael Broda
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Publication Date:
12 June 2019 (online)

„Man hebt einen Stand am besten dadurch, dass man sich eine gute Konkurrenz schafft.“

Kurt Tucholsky

auf einem großen Fachkongress für Psychosomatik und Psychotherapie im Frühjahr wurde wieder deutlich, in welchem Ausmaß psychische, soziale und somatische Dimensionen bei einzelnen Symptomen miteinander interagieren. Es wurde auch deutlich, dass jede isolierte und nicht an einem bio-psycho-sozialen Modell ausgerichtete Betrachtung von Leid zwangsläufig die Lücke zwischen „objektivem Befund“ und „subjektivem Befinden“ vergrößert und nicht schließt.

Deutlich wurde auch, wie sehr das Fach Psychologie auf konzeptueller und auf forscherischer Ebene unentbehrlich für das Verständnis hochkomplexer Zusammenhänge im menschlichen Erleben und Verhalten geworden ist, und wie stark psychotherapeutische Erkenntnisse von diesem Wissen profitieren.

In der Politik wird gerade die Ausbildung in der Psychotherapie neu geregelt. Es soll einen neuen Studiengang geben, das sog. Direktstudium zum Psychotherapeuten bzw. zur Psychotherapeutin. In diesem Zusammenhang bleibt zu hoffen, dass dieses Direktstudium der Psychotherapie nicht der Gefahr erliegt, eine rein anwendungsbezogene Perspektive einzunehmen, sondern sich immer auf die geisteswissenschaftlichen Wurzeln der Psychologie besinnt und dabei weder die soziale noch die somatische Dimension aus dem Auge verliert. Wenn wir unser medizinisches, psychologisches und soziologisches Wissen in einen gemeinsamen Dialog einbringen, können wir PatientInnen besser helfen, als wenn wir der berufspolitischen Versuchung eines Konkurrenzdenkens den Vorzug geben.

Beispiele für diese Art einer bio-psycho-sozialen, aufeinander bezogenen Betrachtung finden Sie auch wieder in diesem Heft – ich wünsche Ihnen eine gewinnbringende Lektüre!

Ihr
Michael Broda