Pneumologie 2019; 73(01): 49-53
DOI: 10.1055/a-0767-7960
Fallbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pflastersteine in der Lunge

Crazy Paving Pattern of the Lung
C. Fisser
1   Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinik Regensburg, Regensburg
2   Abteilung für Pneumologie, Fachklinik für Lungenerkrankungen Donaustauf, Donaustauf
,
O. W. Hamer
3   Institut für Röntgendiagnostik, Universitätsklinik Regensburg, Regensburg
4   Abteilung für Radiologie, Fachklinik für Lungenerkrankungen Donaustauf, Donaustauf
,
R. Eiber
5   Abteilung für Anästhesiologie, Sana Kliniken des Landkreises Cham, Cham
,
M. Pfeifer
1   Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinik Regensburg, Regensburg
2   Abteilung für Pneumologie, Fachklinik für Lungenerkrankungen Donaustauf, Donaustauf
,
C. Lerzer
2   Abteilung für Pneumologie, Fachklinik für Lungenerkrankungen Donaustauf, Donaustauf
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. med. Christoph Fisser
Abteilung für Pneumologie, Fachklinik für Lungenerkrankungen
Ludwigstraße 68
93093 Donaustauf

Publication History

eingereicht09 October 2018

akzeptiert nach Revision24 October 2018

Publication Date:
07 December 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Die pulmonale Alveolarproteinose ist eine seltene pulmonale Erkrankung (Inzidenz < 0,5/1 000 000). Charakterisiert ist sie durch eine erniedrigte Surfactant-Clearance. Bei Erwachsenen liegt in 90 – 95 % eine autoimmune pulmonale Alveolarproteinose vor. Für die restlichen 5 – 10 % sind sekundäre Auslöser wie z. B. Staubinhalation, hämatologische Erkrankungen, Infektionen, Drogen/Medikamente ursächlich. Meist sind männliche Patienten zwischen 30 – 60 Jahren, wie in unserem Fall, betroffen. Häufig leiden die Patienten unter Husten und Dyspnoe mit eingeschränktem Gasaustausch. Im CT-Thorax findet sich typischerweise ein Crazy-Paving-Muster. Laborchemisch sind bei der autoimmunen pulmonalen Alveolarproteinose in fast 100 % Antikörper gegenüber Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-bildende Faktoren zu finden. Die Therapie der Wahl, bei symptomatischen Patienten, ist die therapeutische Ganzlungenlavage mit großen Mengen an Spülflüssigkeit. In dem dargestellten Fall kam es dadurch zu einer deutlichen klinischen und funktionellen Verbesserung.


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Abstract

Pulmonary alveolar proteinosis (PAP) is a rare pulmonary disease. PAP results from impaired surfactant clearance. In adults, autoimmune pulmonary alveolar proteinosis is present in 90 – 95 % of the cases. In 5 – 10 %, other etiologies such as toxins and dust exposure, hematological disorders and infections have to be considered. Men between 30 – 60 years are commonly affected. Typical symptoms are cough, dyspnea and alteration in ventilatory function. CT scan of the lung is characterised by a crazy paving pattern. In serological testing, granulocyte macrophage colony-stimulation factor can be identified in most patients with autoimmune pulmonary alveolar proteinosis. Whole-lung lavage remains the therapy of choice. In the current case, treatment with whole-lung lavage resulted in clinical and functional improvement.


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Anamnese

Der 51-jährige männliche Patient wird im Dezember 2017 mit Dyspnoe vorstellig. Bereits in Ruhe bestehe eine Kurzatmigkeit, die sich bei Belastung aggraviert. Rückblickend habe er vor 3 Jahren erstmalig Dyspnoe verspürt, die sich bis zur Vorstellung progredient zeigte. Zudem berichtet er über einen trockenen Reizhusten, selten auch mit gelblich-weißlichem Auswurf. Der Patient war bis November 2017 aktiver Raucher (zuletzt 10 Zigaretten/Tag, kumulativ 50 packyears) und es wurden täglich ca. 20 g Ethanol konsumiert. Andere Noxen oder die Einnahme von Medikamenten wurden verneint. Beruflich war der Patient als Vorarbeiter in der Autobranche mit überwiegend Büroarbeit und überwachender Funktion in der Montage tätig. Ein ambulantes Röntgen-Thorax (11/2017) zeigte bipulmonale Konsolidierungen. Weitere Bildgebung des Thorax wurde im Vorfeld nicht angefertigt. Eine antiinfektiöse Therapie mit Levofloxacin wurde ambulant durchgeführt, jedoch ohne klinische Besserung. Die Reiseanamnese gestaltet sich unauffällig. Über Fieber, Infekte oder eine Immunsuppression wird nicht berichtet.


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Klinische Untersuchung

Bei Aufnahme in unserer Klinik präsentiert sich ein leicht dyspnoischer Patient in Ruhe mit einer Atemfrequenz von 20/min. In der körperlichen Untersuchung fällt, neben Trommelschlegelfinger mit Uhrglasnägeln, ein leicht verschärftes Atemgeräusch ohne Nebengeräusche auf. Ödeme der Extremitäten sind nicht präsent.


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EKG

Im EKG zeigt sich eine regelrechte Erregungsausbreitung.


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Lungenfunktion und Blutgasanalyse

In der Lungenfunktion findet sich eine grenzwertige Restriktion (TLC: 5,37 l, 74,4 %; FVC: 3,57 l, 77 %) und eine hochgradig erniedrigte Diffusionskapazität (TLCO Single-Breath: 3,72, 35,5 %; Krogh-Faktor: 0,98, 67,8 %). In der Blutgasanalyse fällt eine Hypoxämie bei Hyperventilation (pO2 in Ruhe 57,9 mmHg, pCO2 33,7 mmHg; Standard pO2 47,4 mmHg) auf. Unter 2 l/min zeigt sich eine ausreichende Oxygenierung (pO2 64,1). Unter Belastung benötigt der Patient für eine adäquate Oxygenierung (SpO2 > 90 %) 10 l/min.


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Bildgebung

In der High-Resolution Computertomografie des Thorax präsentiert sich ein pflastersteinartiges Bild, im Sinne eines Crazy-Paving-Musters ([Abb. 1]), das geografisch konfiguriert ist und diffus beide Lungen mit leichter Betonung der rechten Seite betrifft.

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Abb. 1 HRCT-Thorax von 12/2017, exemplarische Schnitte.

Folgende Differenzialdiagnosen kommen beim Vorliegen eines Crazy Pavings prinzipiell in Betracht:

  • alveoläres Lungenödem

  • Acute Respiratory Distress Syndrom

  • Pneumocystis jirovecii-Pneumonie

  • pulmonale Alveolarproteinose

  • pulmonale Hämorrhagie

  • Lipidpneumonie

  • organisierende Pneumonie

  • nicht spezifische interstitielle Pneumonie


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Bronchoskopie

Zum Ausschluss einer infektiösen Genese sowie einer pulmonalen Hämorrhagie erfolgt die Bronchoskopie mit bronchioloalveolärer Lavage. Die Untersuchung auf Entzündungserreger verbleibt negativ, insbesondere Pneumocystis jirovecii ist nicht nachweisbar. Die Recovery ([Abb. 2]) präsentiert sich milchig-trüb mit Nachweis PAS-positiver, ausgedehnter, scholliger, eosinophiler Ablagerungen. In der Elektronenmikroskopie finden sich zahlreiche multilamelläre Strukturen mit trilamellärer Membran und amorphes Material entsprechend Myelin-like-Strukturen.

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Abb. 2 Gegenüberstellung der Lavage zu Beginn (links) und am Ende (rechts) der Untersuchung.

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Laborchemie

LDH, Hb, NSE, CEA und CYFRA 21-1 sind erhöht. Es liegen Antikörper gegenüber Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-bildende Faktoren (GM-CSF) vor (Bestimmung mittels Western-Blot, Labor Volkmann, Karlsruhe).


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Diagnose

In Zusammenschau aller Befunde mit typischer BAL-Trias (milchige Trübung, schaumige Makrophagen und vermehrtem Zelldetritus), dem Antikörper gegenüber GM-CSF, dem Crazy-Paving-Muster in der HRCT und passender Klinik wurde in unserem interdisziplinären Board für interstitielle Lungenerkrankung die Diagnose einer pulmonalen Alveolarproteinose (PAP) gestellt. Bei positivem Antikörper gegenüber GM-CSF und fehlendem Nachweis von sekundären Ursachen (z. B. Staubinhalation, hämatologische Erkrankungen, Infektionen, Drogen/Medikamente) erfolgte die Klassifikation als autoimmune pulmonale Alveolarproteinose.


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Therapie und Verlauf

Eine therapeutische Ganzlungenlavage der rechten Seite mit 18 Liter Spülflüssigkeit wird am 10.01.2018 in Einseitenventilation durchgeführt. Dafür wird der Patient mittels Doppellumentubus intubiert. Die korrekte Lage des Tubus wird bronchoskopisch, die Abdichtung vom Cuff zur Bronchuswand der beatmeten Seite bei Fehlen von Luftaustritt in der Wasserprobe gesichert. Die Spülflüssigkeit klart unter kontinuierlicher Thoraxperkussion stufenweise auf ([Abb. 3]). Bereits in der Lungenfunktionsanalyse vom 15.01.2018 kann eine gebesserte Funktion (TLCO SB: 4,2 mmol/min/kPa, 40 %) nachgewiesen werden. Die therapeutische Lavage der linken Seite mit 21 Liter erfolgt am 27.02.2018. Zu diesem Zeitpunkt benötigt der Patient tagsüber keinen Sauerstoff mehr, bei Belastung bereits nur noch 1,5 l/min. Die weiteren Lavagen erfolgen im Mai und Juni 2018. Klinisch, lungenfunktionell ([Abb. 4]) und in der Verlaufsbildgebung ([Abb. 5]) tritt eine deutliche Besserung ein, sodass es zu keinem relevanten Abfall der Sauerstoffsättigung bei Belastung mehr kommt. Die Sauerstofftherapie bei Belastung kann beendet werden. Auf eine weitere Therapie (Lavage oder GCS-AK) wird verzichtet. Der Patient ist weiterhin zur regelmäßigen pneumologischen Verlaufskontrolle an unsere Ambulanz angebunden.

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Abb. 3 Charakteristisch milchige Spülflüssigkeit (hintere Reihe), die bei Fortführung der Spülung zunehmend aufklart (vordere Reihe).
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Abb. 4 SaO2, FVC und Temperatur im zeitlichen Verlauf (SaO2: arterielle Sauerstoffsättigung; FVC: forcierte Vitalkapazität; GLL: Ganzlungenlavage).
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Abb. 5 HRCT-Thorax von 04 /2018, exemplarische Schnitte.

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Diskussion

Die PAP wurde erstmalig 1958 beschrieben [1]. Sie ist charakterisiert durch eine erniedrigte Surfactant-Clearance, aufgrund einer durch ein gestörtes GM-CSF-Signal beeinträchtigen Alveolarmakrophagenfunktion. In über 90 % der Fälle handelt es sich um eine autoimmune PAP [2]. Bei der autoimmunen PAP wird dies durch GM-CSF-Antikörper verursacht. Die sekundäre PAP kann unter anderem durch hämatologische Erkrankungen, Infektionen, Inhalation von Staub, Metallen und verschiedene Medikamente verursacht werden [3]. Noch seltener sind angeborene PAP durch rezessive Mutationen im GM-CSF-Signalweg.

Klinisch sind meist männliche Patienten zwischen 30 – 60 Jahren betroffen. Häufig liegen Husten und Dyspnoe in unterschiedlicher Ausprägung vor. Neben fehlenden klinischen Zeichen, können Sklerosiphonie und Trommelschlegelfinger vorkommen. In der Lungenfunktion lässt sich typischerweise eine Restriktion und/oder eine Einschränkung der Diffusionskapazität nachweisen. Neben unspezifischen Biomarkern wie LDH können bei der autoimmunen PAP Antikörper gegenüber GM-CSF mit annähernd 100 % Sensitivität und Spezifität nachgewiesen werden [4]. In der Röntgen-Thorax-Bildgebung zeigen sich schmetterlingsartige Verschattungen. In der HRCT ist ein typisches Pflastersteinmuster (Crazy Paving Pattern) zu erkennen. Darunter versteht man die Kombination aus Milchglastrübungen mit einer Verdickung der interlobulären Septen und meist auch intralobulären Linien. Die bronchioloalveoläre Lavage ist typischerweise aufgrund des Zelldetritus milchig gefärbt. In der Aufarbeitung zeigt sich häufig PAS-positives und eosinophiles Material.

Leitlinien zur Therapieindikation der PAP sind nicht existent. Asymptomatische Patienten (erhaltene oder nur mild erniedrigte Vital- bzw. Diffusionskapazität und regelrechte Sauerstoffsättigung) werden als nicht behandlungsbedürftig angesehen. Im Falle einer Einschränkung oder Verschlechterung der o. g. Parameter sollten primär Infektionen ausgeschlossen werden. Danach ist die wiederholte therapeutische Ganzlungenlavage mit großen Mengen Spülflüssigkeit (meist > 15 Liter) der Goldstandard. Die exakten Modalitäten der Lavage ist abhängig von den klinikinternen Möglichkeiten. Im Rahmen der Lavage kann es, neben Hypoxämien, gehäuft zu Fieberepisoden kommen. Im Median wurden in einer weltweiten Befragung 2,5 Prozeduren innerhalb von 5 Jahren pro Patienten durchgeführt [5]. Bei fehlender Besserung (o. g. Parameter und Klinik) sollte eine Therapie mit subkutanem oder inhalativem rekombinantem GM-CSF erwogen werden. In verschiedenen Studien konnte dadurch eine relevante Verbesserung erzielt werden. Eine Therapie mit Kortikoiden scheint eher nachteilig zu sein. Zu weiteren Therapien mit Rituximab, Plasmapherese oder Lungentransplantation sind nur vereinzelte Fallberichte vorliegend. Bei der sekundären PAP muss vordringlich die Grunderkrankung behandelt werden. Der Verlauf ist sehr variabel, von spontaner Remission bis zum Tod durch respiratorisches Versagen [3].

Zusammenfassend sollte bei Patienten mit Crazy-Paving-Muster in der HRCT die seltene Erkrankung pulmonale Alveolarproteinose in Erwägung gezogen werden. Insbesondere bei passendem klinischem und laborchemischem Korrelat und vor dem Hintergrund, da es sich um eine erfolgreich therapierbare Krankheit handelt.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Rosen SH, Castleman B, Liebow AA. Pulmonary alveolar proteinosis. N Engl J Med 1958; 258: 1123-1142
  • 2 Inoue Y, Trapnell BC, Tazawa R. et al. Characteristics of a large cohort of patients with autoimmune pulmonary alveolar proteinosis in Japan. Am J Respir Crit Care Med 2008; 177: 752-762
  • 3 Kumar A, Abdelmalak B, Inoue Y. et al. Pulmonary alveolar proteinosis in adults. Pathophysiology and clinical approach. The Lancet Respiratory Medicine 2018; 6: 554-565
  • 4 Uchida K, Nakata K, Carey B. et al. Standardized serum GM-CSF autoantibody testing for the routine clinical diagnosis of autoimmune pulmonary alveolar proteinosis. J Immunol Methods 2014; 402: 57-70
  • 5 Campo I, Luisetti M, Griese M. et al. Whole lung lavage therapy for pulmonary alveolar proteinosis. A global survey of current practices and procedures. Orphanet J Rare Dis 2016; 11: 115

Korrespondenzadresse

Dr. med. Christoph Fisser
Abteilung für Pneumologie, Fachklinik für Lungenerkrankungen
Ludwigstraße 68
93093 Donaustauf

  • Literatur

  • 1 Rosen SH, Castleman B, Liebow AA. Pulmonary alveolar proteinosis. N Engl J Med 1958; 258: 1123-1142
  • 2 Inoue Y, Trapnell BC, Tazawa R. et al. Characteristics of a large cohort of patients with autoimmune pulmonary alveolar proteinosis in Japan. Am J Respir Crit Care Med 2008; 177: 752-762
  • 3 Kumar A, Abdelmalak B, Inoue Y. et al. Pulmonary alveolar proteinosis in adults. Pathophysiology and clinical approach. The Lancet Respiratory Medicine 2018; 6: 554-565
  • 4 Uchida K, Nakata K, Carey B. et al. Standardized serum GM-CSF autoantibody testing for the routine clinical diagnosis of autoimmune pulmonary alveolar proteinosis. J Immunol Methods 2014; 402: 57-70
  • 5 Campo I, Luisetti M, Griese M. et al. Whole lung lavage therapy for pulmonary alveolar proteinosis. A global survey of current practices and procedures. Orphanet J Rare Dis 2016; 11: 115

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Abb. 1 HRCT-Thorax von 12/2017, exemplarische Schnitte.
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Abb. 2 Gegenüberstellung der Lavage zu Beginn (links) und am Ende (rechts) der Untersuchung.
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Abb. 3 Charakteristisch milchige Spülflüssigkeit (hintere Reihe), die bei Fortführung der Spülung zunehmend aufklart (vordere Reihe).
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Abb. 4 SaO2, FVC und Temperatur im zeitlichen Verlauf (SaO2: arterielle Sauerstoffsättigung; FVC: forcierte Vitalkapazität; GLL: Ganzlungenlavage).
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Abb. 5 HRCT-Thorax von 04 /2018, exemplarische Schnitte.