Abb. 1 Ein unerfüllter Kinderwunsch ist mit einem hohen psychischen
Stresslevel verbunden. Zeit für Gespräche und das Erleben positiver Momente
sind daher besonders wichtig. (© icsnaps/Adobe Stock)
Seit einigen Jahren wird das Problem des unerfüllten Kinderwunsches immer drängender.
Das hat verschiedene Gründe:
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Kontinuierlich steigt das Alter der Frauen mit Wunsch nach einem ersten Kind
an. Während noch in den Sechzigerjahren das durchschnittliche Alter bei der
ersten Schwangerschaft unter 25 Jahren lag, liegt es inzwischen deutlich
über 30 Jahren. Die Ansprüche an das Leben, die veränderten
Familienstrukturen sowie die Berufstätigkeit von Frauen haben dazu geführt,
dass das Kinderkriegen gerne hinausgeschoben wird. Das ändert aber nichts
daran, dass die fertile Phase der Frau zeitlich begrenzt ist und die
Qualität der Eizellen mit zunehmendem Alter schlechter wird.
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Schädliche Umweltbelastungen haben zugenommen. Täglich werden neue
Chemikalien in Umlauf gebracht, deren Wirkungen auf die Fortpflanzung und
den weiblichen Organismus nie geprüft wurden. Erst Jahrzehnte später werden
nach und nach die Folgen klar: Pestizide, Schwermetalle, Phthalate,
Flammschutzmittel, Kosmetika usw. haben neben ihren toxischen Wirkungen,
bspw. auf die Mitochondrien, oft auch Wirkungen auf das Hormongleichgewicht
(Endokrine Disruptoren, Xenoöstrogene).
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Durch die geänderten Ernährungsgewohnheiten (Fast Food, Kantine, Fertigkost,
Verwendung von Konservierungsstoffen, einfacher Kohlenhydrate und viel
tierischem Protein, wenig Pflanzenkost) und die oft niedrigwertige
Industrienahrung verarmt der Organismus an Vitalstoffen und Antioxidantien,
sodass er die Umweltbelastungen nicht abfangen kann.
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Hinzu kommen Bewegungsmangel, Stress am Arbeitsplatz und in der Freizeit, zu
seltener Aufenthalt in der Natur, Elektrosmog.
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Die anfänglich hochgespannten Erwartungen, die in die
reproduktionsmedizinischen Techniken gesetzt wurden, konnten sich nur für
einen Teil der Kinderwunschpatienten erfüllen. Wiederholte Versuche, hohe
Eigenkosten, Hormonkuren und Erfolgsdruck haben viele Paare an ihre Grenzen
sowohl als Individuum als auch als Paar gebracht.
Aus dieser Aufzählung wird deutlich, dass das Vorgehen bei unerfülltem Kinderwunsch
nicht schematisch, sondern individuell erfolgen muss. Hier sehe ich große Chancen
für die Naturheilkunde. Denn der naturheilkundlich orientierte Arzt ist es gewohnt,
nicht nur ein Organ zu behandeln, sondern komplexe Zusammenhänge zu erkennen und
individuell den Patienten und nicht nur die Diagnose Kinderwunsch zu behandeln.
Bereits beim Erstkontakt mit der Patientin können durch eine eingehende Anamnese
Hinweise auf die Sterilitätsursachen gefunden werden. Ehe mit einer
naturheilkundlichen Behandlung begonnen wird, sollte gesichert sein, dass die
Basis-Sterilitätsdiagnostik erfolgt ist: Basaltemperaturmessung, Spermiogramm des
Partners, Tubenfunktion, eventuell Sims-Huhner-Test und Hormonbestimmungen. Auch bei
biphasischem Zyklus sollten die Schilddrüsenwerte und SD-Antikörper bestimmt
werden.
Bei der Behandlung ist im Einzelnen wie folgt vorzugehen.
Lifestyle optimieren
Umweltsanierung
Dem infertilen Paar sollte deutlich erklärt werden, dass „in schlechter Erde kein
guter Salat wachsen kann“. Das bedeutet, dass wir heute wissen, dass
epigenetische Faktoren über mehrere Generationen die Gesundheit der Nachkommen
beeinflussen. Mit diesem Verständnis wird die Bereitschaft eines Paares
vielleicht größer sein, folgende Umweltbedingungen zu schaffen:
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Mit dem Rauchen aufhören.
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Umweltverträgliche und schadstoffarme Produkte in Haushalt, Wohnung und
am Arbeitsplatz benutzen.
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Kosmetische Produkte und Hygieneartikel gezielt ohne hormonaktive
Substanzen auswählen (hierbei hilft die App Toxfox vom Bund für Umwelt
und Naturschutz Deutschland e. V. und die App CodeCheck).
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Schadstoffarme Kleidung aus Naturmaterialen bevorzugen.
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Wasserfilter für Trink- und Kochwasser anschaffen, da unsere Wasserwerke
Medikamente, hormonaktive Substanzen und Pestizide aus dem Wasser nicht
herausfiltern können. Wasser aus Plastikflaschen meiden, da
Plastikpartikel immer mitgetrunken werden.
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Alle Elektrogeräte aus dem Schlafzimmer verbannen, eventuell
Netzfreischalter einbauen. Achtsamer Umgang mit Computer, Handy, Laptop,
z. B. Handy nicht in Hosentasche stecken, Laptop nicht auf den Schoß
stellen, sondern Abstand zur Strahlenquelle halten.
Innenweltsanierung
Toxische Belastungen können im Sinne von chronischen Entzündungen, Silent
Inflammation und Störfeldern sowohl beim Mann verantwortlich sein für zum Teil
hochpathologische Spermiogramme als auch bei der Frau zur Sterilität und
Infertilität führen. Naturheilkundeärzten ist das seit langer Zeit bekannt.
Von Reproduktionsmedizinern unterschätzt ist die Problematik des gestörten Darms
und – sehr aktuell – der Parodontitis [5],
[12]. Mit der aMMP-8-Biomarker-Diagnostik
(Periosafe: www.periopreventioncenter.de/) steht jedem Arzt ein einfaches
Präventionssystem in der eigenen Praxis zur Verfügung. Die Therapieansätze mit
Zahnreinigung, orthomolekularer Therapie und Mikrobiota haben sich in der Praxis
bereits als sehr erfolgreich erwiesen, um bei männlicher und weiblicher
Infertilität (inklusive Endometriose) Gesundheit und Schwangerschaften auf
natürlichem Wege zu ermöglichen [25].
Ernährungsoptimierung
Untergewichtige Frauen sollten zur Gewichtszunahme motiviert und darin
unterstützt werden. Denn nur bei einem optimalen Fettanteil kann mit guten
Ovulationen und einer ungestörten Schwangerschaft gerechnet werden.
Übergewichtige und adipöse Frauen müssen keine Crash-Diät machen, um rasch
schwanger zu werden. Meine Erfahrungen zeigen, dass durch eine optimierte
Ernährung, die automatisch zu einer verbesserten Stoffwechselfunktion und einem
langsamen Gewichtsverlust führt, die Prognose auf einen spontanen
Schwangerschaftseintritt deutlich erhöht wird. Dazu kann schon eine
durchschnittliche Gewichtsabnahme von 5 % reichen.
Übergewichtige und adipöse Männer haben ein schlechteres Spermiogramm als
normalgewichtige Männer. Besonders wenn bereits ein metabolisches Syndrom
vorliegt, ist die Spermienqualität deutlich eingeschränkt. Allein durch
Veränderungen des Lifestyles und Verbesserung der Ernährung lässt sich die
Anzahl mobiler Spermien erhöhen.
Abb. 2 Die Ernährung sollte mindestens drei Monate vor der
erwünschten Konzeption auf eine gesunde, nährstoffreiche Kost umgestellt
werden. (© marilyn barbone/Adobe Stock)
Die Ernährung sollte pflanzenbetont sein, mit einem hohen Anteil an komplexen
Kohlenhydraten (Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst), bevorzugt aus
regionalem Anbau und biozertifiziert. Es gibt inzwischen einige Studien, die
einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Isoflavonoiden oder Lignanen mit
verbesserten Fertilitätsparametern zeigten. Die Höhe der Lignanausscheidung im
Urin korrelierte bspw. positiv mit einer kürzeren Dauer bis zur Konzeption [20]. Mit zunehmendem Verzehr von Sojaisoflavonen
erhöhte sich bei In-vitro-Fertilisation (IVF) die Lebendgeburtenrate [24].
Fast Food, Softgetränke und Nahrungsmittel mit einfachen Kohlenhydraten (Zucker,
Mehle, Alkohol) sollen gemieden werden. Fleisch, ebenfalls biozertifiziert,
sollte nur 1–2 × pro Woche und Fisch höchstens 1 × pro Woche gegessen werden.
Aus ökologischen Gesichtspunkten und in Anbetracht der starken Belastung mit
Umweltgiften kann auf Fisch verzichtet werden, allerdings sollten dann die
wichtigen Omega-3-Fettsäuren als Nahrungsergänzungen eingenommen werden. Der
Verzehr von Kuhmilchprodukten sollte reduziert werden, da die
Intensiv-Viehwirtschaft zu erhöhten Hormonkonzentrationen und anderen
unerwünschten Stoffen in der Milch geführt hat. Es kann teilweise auf Ziegen-
und Schafsmilchprodukte ausgewichen werden.
Besonders strenge Ernährungsempfehlungen gelten für Frauen mit Myomen,
Endometriose oder polyzystischen Ovarien (PCO). Nahrungsmittel, die viele
endokrine Disruptoren (Milchprodukte) und viele entzündungsfördernde Substanzen
(Fleisch, Milch) enthalten oder den Zuckerstoffwechsel belasten (Einfachzucker),
sind zu reduzieren.
Stressregulation
Gespräche mit dem Paar über die Hintergründe des Kinderwunsches, belastende
Lebensfaktoren, Partnerschaft und Lebensentwürfe können sehr wichtig sein. Dafür
braucht es nicht unbedingt eine Psychotherapie. Bei einem psychologischen
Projekt zum unerfüllten Kinderwunsch, das vor einigen Jahren multizentrisch in
Deutschland durchgeführt wurde, ergab sich in meiner Arbeitsgruppe, dass sich
durch eine dreimalige Paarberatung zwar nicht kurzfristig die spontane
Schwangerschaftsrate erhöhte. Die Paare gaben jedoch übereinstimmend an, dass
sie sich dadurch deutlich entlastet gefühlt hätten, das Verhältnis zum Partner
sich gebessert hätte und sie optimistisch und realistisch der weiteren
Kinderwunschbehandlung entgegensehen konnten.
Die Mehrzahl der Kinderwunschpaare hat heute Bewegungsmangel. Sport sollte nicht
zum Freizeitstress werden, es ist den Paaren aber zu empfehlen, 3 × pro Woche
mindestens eine Stunde Sport zu machen (bevorzugt im Freien), um den
Stoffwechsel zu aktivieren und die Sauerstoffversorgung zu verbessern.
„Dauersitzer“ sollten regelmäßig aufstehen und laufen, um die Durchblutung der
Beckenorgane zu verbessern. Bei pathologischen Spermiogrammen kann allein diese
Maßnahme „Wunder wirken“.
Entspannungsmethoden und Visualisierungen können für Frauen sehr wichtig sein. Da
bei Stress zu viel Progesteron zur Produktion von Nebennierenhormonen verbraucht
wird, leidet heute die Mehrzahl der Frauen an einer Lutealinsuffizienz. Methoden
wie Yoga, Qigong, Tai-Chi oder Achtsamkeitstraining können dazu beitragen, dass
das Stressniveau sinkt und sich der Zyklus verbessert.
Viele Frauen haben den Bezug zu ihrem Schoßraum, zu ihrer Gebärmutter, verloren.
Hier setzen verschiedene Methoden an, die von Therapeutinnen angeboten werden:
Gespräche mit der Gebärmutter, Fruchtbarkeitsmassagen, Rituale zur Einladung der
Seele eines Kindes. Manchem Therapeut werden diese Methoden esoterisch
erscheinen, sie bieten Frauen, die unter den technischen Prozeduren der
Reproduktionsmedizin am meisten zu leiden haben, jedoch eine Hilfe, das
Vertrauen in den eigenen Körper und die eigene Kraft wiederzuerlangen.
Therapeutische Ansätze
Entgiftung
Ehe mit einer gezielten Therapie zur verbesserten Eireifung oder Verbesserung des
Spermiogramms begonnen wird, ist es sinnvoll, eine Entgiftungsbehandlung
durchzuführen. Diese hat zum Ziel, nicht nur sog. Umweltgifte zur Ausscheidung
zu bringen, sondern auch die Funktion der Entgiftungsorgane zu verbessern, da
diese gerade bei Frauen oft durch langjährige Hormoneinnahme oder Medikamente
gestört ist. Eine Entgiftungsbehandlung könnte eine Fasten- oder Kräuterteekur,
eine unterstützende Therapie für Leber, Nieren und Darm oder die gezielte Gabe
von Chelatbildnern sein. In der Entgiftungsphase, die für beide Partner sinnvoll
ist, sollte nach Möglichkeit noch keine Schwangerschaft eintreten.
Naturheilkundlich arbeitende Kollegen berichten immer wieder, dass allein diese
Maßnahmen ausreichen, um deutlich verbesserte Spermiogramme zu erhalten und den
Eintritt spontaner Schwangerschaften zu ermöglichen.
Nahrungsergänzungen
In den vergangenen Jahren erschien eine regelrechte Flut von Publikationen, die
sich mit der orthomolekularen Therapie und der Verbesserung der männlichen
Fertilität befassen. Sowohl in vitro als auch in Tierversuchen und beim Menschen
wurden die unterschiedlichsten Produkte eingesetzt, meist einzeln, seltener in
Kombination, sodass die Beurteilung der Effektivität sehr schwierig ist.
Inzwischen ist es dank der In-vitro-Fertilisierung möglich, auch bei Frauen in
kurzer Zeit den Effekt einer Nahrungsergänzung auf die Fertilisierungsrate der
Eizellen und die frühe Embryonalentwicklung zu beurteilen. Heute ist es weniger
die Frage, ob Nahrungsergänzungen die Fruchtbarkeit verbessern können, sondern
welche und in welcher Kombination.
Hilfreiche Nahrungsergänzungen für den Mann
Hilfreiche Nahrungsergänzungen, die in Studien eine Verbesserung des
Spermiogramms erreichten, wurden gerade zusammenfassend publiziert [11], daher gehe ich hier nicht auf
Einzelheiten ein. Zu diesen gehören (Dosierungen und Kombinationen
variabel): Zink, Selen, Folsäure, Vitamin E (auch in Kombination mit
Clomifen), Coenzym Q10, DHA, L-Carnitin, L-Arginin, Acetylcystein,
Myo-Inositol. Besonders wirksam ist Myo-Inositol offenbar bei Männern mit
Metabolischem Syndrom. Obwohl Spermiogramme bei Männern mit guter
Vitamin-D-Versorgung besser waren als bei schlechter Vitamin-D-Versorgung,
sind Supplementierungsstudien nicht eindeutig [1], [2]. Sinnvoll ist es in
jedem Fall, im Serum/Vollblut die Spiegel der wichtigsten Vitalstoffe zu
überprüfen und dann gezielt Mängel auszugleichen. Die Supplementierung
sollte mindestens über 3, besser über 6 Monate mit Spermiogrammkontrolle
erfolgen. Das für Frauen empfohlene Nahrungsergänzungsmittel
PREGNASana® kann auch bei Männern in Kombination mit einer
Darmsanierung zu unerwarteten Verbesserungen des Spermiogramms und
Konzeptionen führen. Selbst bei einem schweren
Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom lohnt sich der Versuch der
Verbesserung von Lifestylefaktoren und der Gabe von ausgewogenen
Nahrungsergänzungen [17].
Hilfreiche Nahrungsergänzungen für die Frau
Wurde eine hormonelle Kontrazeption beendet, dann ist die Nahrungsergänzung
mit verschiedenen Vitalstoffen ein Muss, denn Hormone sind Vitaminräuber:
Sämtliche B-Vitamine, Magnesium, Zink, Vitamin C und Jod werden offenbar
vermehrt verbraucht oder ausgeschieden. Obwohl bekannt ist, dass Frauen mit
einer guten Versorgung an Vitalstoffen bessere Fertilitätschancen haben als
Frauen mit Defiziten, wird der Status nicht regelmäßig durch geeignete
Blutuntersuchungen überprüft. In einem großen italienischen
Kinderwunschzentrum wurden solche Überprüfungen kürzlich vorgenommen: von
269 Frauen (Durchschnittsalter 37 Jahre) hatten nur 69 % normale
Homocysteinwerte und 44 % normale B12-Konzentrationen. Nur 12 %
wiesen Erythrozytenfolatwerte, die als optimal für die Verhinderung eines
Neuralrohrdefekts gelten, auf [15].
Im vergangenen Jahr erschien eine systematische Literaturübersicht zur
orthomolekularen Therapie im Zusammenhang mit IVF [4]. Fünf Studien mit insgesamt 467
Teilnehmerinnen erfüllten die Kriterien. Obwohl auch hier die Therapien sehr
heterogen waren, waren Schwangerschafts- und Lebendgeburtraten in den
Orthomolekulariagruppen überzeugend besser als in den Kontrollgruppen. Eine
italienische Arbeitsgruppe verglich bei über 39-jährigen Frauen jeweils 2
IVF-Zyklen, einen ohne und einen nach 3-monatiger Therapie mit
Antioxidantien. Nach der Antioxidantientherapie war die Qualität der Oozyten
signifikant besser und die Follikelflüssigkeit bot optimalen Schutz [16].
Eine besondere Herausforderung stellen Patientinnen mit PCO dar, da das
Risiko der Überstimulation sehr hoch ist und die Qualität der Oozyten oft zu
wünschen übriglässt. Bei Frauen mit niedrigen Vitamin-D-Spiegeln
verbesserten sich zahlreiche Stoffwechsel- und Fertilitätsparameter durch
eine 2-monatige Aufdosierung mit 50 000 IE Vitamin D pro Woche [14]. Ein optimaler Vitamin-D-Spiegel erwies
sich in einer anderen Studie als guter prognostischer Parameter, wobei die
Rate von Lebendgeburten am höchsten war, wenn 25OH-Vitamin-D über 45 ng/ml
betrug [22]. Es gibt Hinweise dafür, dass
durch hohe Vitamin-D-Konzentrationen in der Follikelflüssigkeit qualitativ
hochwertigere Spermien selektioniert werden [6].
Ein relativ neuer Aspekt wurde bei PCO-Patientinnen bestätigt: die Gabe von
Myo-Inositol verbessert nicht nur den Zuckerstoffwechsel, sondern auch die
Fertilität. In einer randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass
Frauen unter Myo-Inositol weniger follikelstimulierendes Hormon (FSH) bei
der Follikelstimulation benötigten und eine bessere Schwangerschaftsrate
erzielt werden konnte [8]. In einer anderen
Studie wurden Myo-Inositol und Melatonin vom ersten Zyklustag bis 14 Tage
nach dem Embryotransfer verabreicht: Oozyten- und Embryoqualität
verbesserten sich signifikant [21].
Empfohlen wird eine Dosis von 2 g Myo-Inositol, 2 × täglich [9]. Auch für Frauen gilt, dass durch eine
Laboruntersuchung der Versorgungstatus dokumentiert werden sollte. Optimale
Vitamin-D-Werte sollten dauerhaft über 45 ng/ml Serum liegen.
Die kanadische Ärzteschaft hält es für sinnvoll, dass jede Frau in der
generativen Phase ein Multivitamin- und Mineralprodukt mit 0,4 mg Folat
einnehmen sollte, da zu viele Schwangerschaften unverhofft eintreten würden
und dann das Risiko für Missbildungen erhöht sei [26]. Bei anamnestisch erhöhtem Missbildungsrisiko sollte dann ein
zusätzliches Folatpräparat verordnet werden. Auch in Deutschland werden
solche Multivitamintabletten beworben. Wichtig ist, Produkte ohne
Konservierungs- und Farbstoffe, ohne weitere E-Stoffe und ohne künstliche
Süßstoffe zu bevorzugen. Andernfalls kann die Einnahme von
Nahrungsergänzungen eher schaden als nutzen. Nach meiner Erfahrung eignet
sich PREGNASana®, da es keine Zusatzstoffe enthält.
Probiotika zur Steigerung der Fertilität
Der vaginale pH-Wert ist bei Frauen niedriger als bei allen anderen Säugetieren.
Im Vergleich zu anderen Säugetieren (max. 1 %) besteht die Vaginalflora zu über
70 % aus Lactobazillen [19]. Die
H2O2-bildenden Milchsäurebakterien haben die
Eigenschaft, das Vaginalepithel zu schützen und pathogene Keime anzugreifen
[27]. Bei einem optimalen Scheidenmilieu
sind die Chancen für eine spontane Konzeption besser als bei einer
Fehlbesiedelung der Scheide. Empfehlenswert sind milchsäurehaltige Probiotika,
die per oral verabreicht werden oder direkt über die Scheide.
Pflanzenheilmittel
Es gibt zwar typische Pflanzenheilmittel bei Fertilitätsstörungen, aber nur
wenige Studien, auf die sich ein Therapeut beziehen kann. Agnus castus, der
Mönchspfeffer, ist wohl die Pflanze, für die die beste Evidenz vorliegt. In
einem Review über 13 randomisierte Studien kann der Einsatz von Agnus castus
beim Prämenstruellen Syndrom (PMS), bei prämenstrueller Dysphorie und latenter
Hyperprolaktinämie als berechtigt angesehen werden [7]. Es sollten standardisierte Extrakte gewählt (Agnolyt®,
Agnucaston®, Femicur® N) und über mindestens drei
Monate während des gesamten Zyklus therapiert werden.
In dem Buch „Das alternative Kinderwunschbuch“ von Margret Madejsky gibt es eine
Fülle von Anleitungen, um Frauen und Männer mit den unterschiedlichsten
Fertilitätsstörungen mit Naturheilmitteln zu begleiten. Von der Entgiftung über
die Optimierung der Ovarial- und Schilddrüsenfunktion bis hin zur postoperativen
Nachsorge können Pflanzen der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM) sinn-
und erfolgreich eingesetzt werden.
Homöopathie
In der Ambulanz für Naturheilkunde wurden Pilotstudien bei infertilen Paaren mit
Homöopathie durchgeführt. Bei infertilen Männern mit Oligoasthenozoospermie
konnten signifikante Verbesserungen des Spermiogramms mit Einzelmitteln erzielt
werden, sofern keine Umweltbelastungen oder chronischen Entzündungen vorlagen
[10].
Frauen wurden in Abhängigkeit von den nachgewiesenen Sterilitätsursachen in
verschiedenen Studien mit Komplex- oder Einzelmitteln behandelt. Komplexmittel
mit Vitex agnus castus verbesserten die Lutealinsuffizienz, mit Einzelmitteln
konnten Schwangerschaften erzielt werden. Der Therapieaufwand ist groß, sodass
in Einzelfällen homöopathische Behandlungen sicher sinnvoll sind, für das Gros
der infertilen Paare aber eher nicht in Frage kommen.
Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
Durch die zunehmende Akzeptanz der Akupunktur im Westen wird diese hierzulande
auch bei Fertilitätsstörungen eingesetzt. Es zeigte sich, dass die Ergebnisse
verbessert werden können, wenn nicht nur Nadeln benutzt werden, sondern auch die
chinesische Kräutermedizin bzw. weitere Säulen der TCM berücksichtigt werden. In
einer Metaanalyse, in der 40 randomisierte Studien mit über 4000 unfruchtbaren
Frauen ausgewertet wurden, verdoppelte sich die Schwangerschaftsrate innerhalb
von 3–6 Monaten, wenn chinesische Kräuter eingesetzt wurden, im Vergleich zur
klassischen westlichen Medizin [23].
Eingeschlossen waren Frauen mit Endometriose, PCO, schlechter
Tubendurchgängigkeit, Anovulation und idiopathischer Infertilität.
In einer retrospektiven Kohortenstudie aus den USA wurden 1000 IVF-Zyklen
untersucht, wobei eine Gruppe nur IVF erhielt, eine Gruppe Akupunktur beim
Embryotransfer und eine dritte TCM mit allen Aspekten [13]. Die Schwangerschaftsrate war nach TCM
doppelt bis dreimal so hoch wie in der konventionellen Gruppe. In Deutschland
behandelte Dr. Annemarie Schweizer-Arau Patientinnen mit schwerer Endometriose
mit TCM und Hypnotherapie (SART). Damit erzielte sie eine signifikante und
dauerhafte Schmerzreduktion und eine Schwangerschaftsrate von 55 % [18]. Auch bei PCO können chinesische Kräuter
punkten. Für eine Metaanalyse wurden 33 Studien ausgewählt, in denen sechs
verschiedene Kräuter eingesetzt worden waren, die unterschiedliche Effekte
auslösten [3]: LH-Suppression,
Zyklusverbesserung, Besserung des Zuckerstoffwechsels und Eintritt von
Schwangerschaften.
Fazit
In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass alleine die Berücksichtigung und
Verbesserung der Lebensstilfaktoren die spontane Schwangerschaftsrate mindestens
verdoppeln kann. Von wissenschaftlicher Seite sind die zuverlässigsten Daten zu
Naturheilkunde und Kinderwunsch Studien, die sich auf die Optimierung des
Lebensstils, der Ernährung und Nahrungsergänzung beziehen. Es ist jedoch keine
Frage, dass die europäische und chinesische Pflanzenheilkunde noch viele Schätze
bergen, mit denen der geschulte Therapeut infertile Paare unterstützen kann. Nach
einer Basisdiagnostik der möglichen Sterilitätsursachen kann vielen Paaren durchaus
empfohlen werden, diese Methoden zu nutzen, ehe sie sich auf die Methoden der
assistierten Reproduktionsmedizin einlassen.