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DOI: 10.1055/a-0758-6166
Die Tagungsaktivitäten in der ehemaligen DDR
Conference Activities in the Former GDRKorrespondenzadresse
Publication History
Publication Date:
02 January 2019 (online)
Zusammenfassung
Durch die Errichtung der innerdeutschen Grenzanlagen 1961 war den ostdeutschen Dermatologen die Teilnahme an Tagungen in der Bundesrepublik, insbesondere auch an den traditionsreichen Kongressen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), nicht mehr möglich. In der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) mussten eigene Strukturen wie die Gesellschaft für Dermatologie der DDR geschaffen werden, um die entstandene Lücke zu kompensieren. Durch diese Neugründungen wurden von 1964 – 1990 10 zentrale Kongresse und zahlreiche weitere wissenschaftliche und Fortbildungsveranstaltungen zu aktuellen Aspekten des Fachgebietes initiiert. Der letzte zentrale Kongress fand 1990 in Dresden statt, dominiert vom historischen Ereignis der deutschen Wiedervereinigung. Im Rahmen dieser von zahlreichen Teilnehmern aus der Bundesrepublik besuchten Veranstaltung vollzog sich auch die offizielle Wiedervereinigung der deutschen Dermatologen in den traditionsreichen Tagungssälen des 1912 gegründeten Deutschen Hygienemuseums.
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Abstract
With the unexpected establishment of a borderline across Germany in 1961 the East German dermatologists lost their option to attend conferences in the Federal Republic of Germany including the traditional congresses of the German Dermatological Society (DDG). As compensation new structures like the Dermatological Society of the GDR had to be founded in the former German Democratic Republic (GDR). Between 1964 and 1990 they initiated 10 central congresses and different further scientific meetings and advanced training courses on topical aspects of dermatology. The last central congress in 1990 took place in the capital of Saxony in Dresden dominated by the historical event of the reunification of Germany. During this congress, visited by many dermatologists from the Federal Republic of Germany, too, also the official reunification of the German dermatologists was accomplished. It happened in the traditional assembly rooms of the German Hygiene Museum which was created in 1912.
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Durch den Bau der innerdeutschen Grenze 1961 verloren die Dermatologen der DDR auch den Zugang zu den gesamtdeutschen wissenschaftlichen Tagungen und Fortbildungsveranstaltungen. Hofften anfangs noch viele, dass die Spaltung nur ein passageres politisches Ereignis sei, so wurde bald deutlich, dass man sich auf eine längerfristige Abkoppelung einrichten musste.
Es brauchte einige Zeit, bis sich die Repräsentanten unseres Fachgebietes in der DDR zur Formierung eigener Organisations- und Tagungsstrukturen entscheiden konnten. Der Start wurde mit der Gründung der Sektion Dermatologie in der Gesellschaft für Klinische Medizin der DDR vollzogen. Letztere war bereits am 5. Juni 1962 als Dachorganisation der klinischen Fachgesellschaften etabliert worden. Aus der Sektion Dermatologie entwickelte sich in den folgenden Jahren die eigenständige „Dermatologische Gesellschaft der DDR“, die später in „Gesellschaft für Dermatologie der DDR“ umbenannt wurde. Insgesamt trugen diese Organisationen bis 1990 10 landesweite Tagungen [1] [2] in repräsentativen Orten unter wissenschaftlicher Leitung unterschiedlicher Lehrstuhlinhaber ([Tab. 1]) aus.
Erster Vorsitzender der Sektion Dermatologie und nachfolgend erster Präsident der Dermatologischen Gesellschaft der DDR war der Direktor der Hautklinik der Humboldt-Universität Berlin und Lehrstuhlinhaber unseres Fachgebietes Wolfgang Gertler (1904 – 1982). Ihm folgten bis 1990 im Amt Niels Sönnichsen, Hans-Jürgen Schubert und Uwe Frithjof Haustein. Innerhalb der Gesellschaft entwickelten sich im Laufe der Jahre, teilweise auf der Basis vorbestehender Arbeitsgemeinschaften, die Sektionen Andrologie, Arbeitsdermatologie, Dermatochirurgie und Phlebologie. Als eigenständige Arbeitsgemeinschaften entstanden Dermatohistologie, Fotodermatologie, Externe Therapie, Kinderdermatologie, Kosmetische Dermatologie und Venerologie. Ein staatlich gefördertes, zentrales „Sonderforschungsprojekt “, das überwiegend von den Hochschulhautkliniken getragen wurde, fokussierte sich auf die Psoriasis. Dermatologen waren aber auch in verschiedene interdisziplinäre Forschungsaktivitäten z. B. in der Arbeitsmedizin involviert. In den 80er-Jahren wurde von Dermatologen in den 15 DDR-Bezirken zudem viel Kraft in Veranstaltungen und Aktionen zur Aufklärung der Bevölkerung über AIDS und die erforderlichen Vorbeugungsmaßnahmen investiert.
Parallel zur Gesellschaft für Dermatologie der DDR existierten in den meisten ehemaligen, später in Bezirke zergliederten ostdeutschen Ländern Regionalgesellschaften, die ebenso wie viele Hautkliniken eigenständige Tagungen in ihren Einzugsbereichen durchführten.
Reger wissenschaftlicher Austausch wie auch aktuelle Wissensvermittlung erfolgten auch auf den von den Sektionen und Arbeitsgemeinschaften getragenen Veranstaltungen. Die Organisatoren waren stets bemüht, auch ausländische Kollegen und Experten aus der Bundesrepublik einzuladen. Bei Bürgern aus den osteuropäischen sozialistischen Ländern war dies in größerem Umfang möglich und meist nur durch die begrenzten finanziellen Spielräume limitiert. Für die Einladung von Gästen aus dem „nichtsozialistischen Währungsgebiet“ galten staatlich vorgegebene Beschränkungen, die für Teilnehmer aus der Bundesrepublik besonders stringent waren. Trotzdem gelang es im Laufe der Jahre vielen Veranstaltern, durch entsprechend gewichtete Begründungen vermehrt anerkannte Fachexperten aus diesen Ländern für die Tagungen zu gewinnen.
Die erste offizielle DDR-Dermatologentagung fand 1964 in Berlin noch in der Verantwortung der Sektion Dermatologie der „Gesellschaft für Klinische Medizin“ statt. Tagungsleiter war der Direktor der Hautklinik der Charité, Wolfgang Gertler, der den Gästen in seinem neu erbauten Haus einen würdigen Tagungsrahmen präsentieren konnte. Unter den Teilnehmern durfte er auch den Altmeister der deutschen Dermatologie, Heinrich Gottron (1890 – 1976), begrüßen. Die Tagungsthemen waren breit gefächert und spiegelten die zunehmende Hinwendung zu einer auf Ätiologie und Pathogenese ausgerichteten Forschung wider, die sich vermehrt auch immunologischer Arbeitsmethoden bediente. Eine profunde Krankendemonstration rundete die Veranstaltung ab.
Es mussten fünf Jahre vergehen, ehe in Rostock 1969 der zweite, nun von der „Dermatologischen Gesellschaft der DDR“ getragene Kongress unter der wissenschaftlichen Leitung von Wolfgang Gertler und der organisatorischen Leitung von Heinz Flegel (1923 – 2017), dem damaligen Direktor der Rostocker Universitätshautklinik, stattfand. Äußerer Anlass für die Vergabe an Rostock war die 550-Jahr-Feier der als „Leuchte des Nordens“ apostrophierten Rostocker Universität. Die Themen Melanom und Genodermatosen spiegelten auch Forschungsschwerpunkte der Tagungsausrichter wider. Der Rostocker Kongress hat wesentlich zur Selbstfindung der Dermatologen der DDR beigetragen und den Boden für eine fortan engmaschigere Tagungsabfolge bereitet.
Bereits zwei Jahre später erlebte Dresden den dritten Kongress der „Dermatologischen Gesellschaft der DDR“, der in Kooperation mit der „Gesellschaft für Allergologie und Immunitätsforschung“ organisiert wurde. Entsprechend standen Themen der Allergologie und Immunologie im Mittelpunkt des Tagungsprogrammes. Dem Tagungspräsidenten Heinz-Egon Kleine-Natrop (1917 – 1985) gelang es, auch verschiedene Wissenschaftler aus dem westlichen Ausland und der Bundesrepublik einzuladen, was inspirierend auf die Gestaltung der nachfolgenden Kongresse wirkte.
Auch auf dem 1973 in Leipzig abgehaltenen IV. Kongress der Gesellschaft konnte eine Reihe von ausländischen Gästen und Experten aus der Bundesrepublik begrüßt werden. Der Kongress war eine Gemeinschaftsveranstaltung mit der „Gesellschaft für Allgemeinmedizin der DDR“ und damit auch auf das Zusammenwirken der beiden Fachdisziplinen ausgerichtet. Ein Rundtischgespräch zum Thema „Allgemeinmedizin und Dermatologie“ beleuchtete diese nach wie vor aktuelle Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln. Erstmalig war als austragendes Organ die „Gesellschaft für Dermatologie der DDR“ ausgewiesen.
Der V. Kongress fand 1975 im traditionsreichen Schauspielhaus Erfurt unter der gemeinsamen Leitung der Direktoren der Erfurter und Jenaer Hochschulhautkliniken Hans-Jürgen Schubert bzw. Erwin Günther statt. Auf dem Kongress wurde das gesamte Spektrum der kutan-vaskulären Intoleranzreaktionen, auf dem sich besonders die Erfurter Kollegen wissenschaftliche Verdienste erworben hatten, abgehandelt. Nach diesem Kongress wurde entschieden, dass die Tagungen der „Gesellschaft für Dermatologie der DDR“ fortan alle drei Jahre stattfinden sollten.
Demzufolge wurde der VI. Kongress erst 1978, und zwar wiederum in Dresden, durchgeführt. Unter der bewährten Leitung von Heinz-Egon Kleine-Natrop wurden ausgewählte Fragen der Dermatotherapie abgehandelt. Zum ersten Mal wurde auf einem Kongress der Gesellschaft mit großem Erfolg eine Falldemonstration als Diapositiv-Kasuistik dargeboten. Sie wurde von der Dresdener Hochschulhautklinik und der traditionsreichen Hautklinik des Städtischen Klinikums Dresden-Friedrichstatt gemeinsam gestaltet.
Zum VII. Kongress 1981 in Berlin, der wegen Rekonstruktionsmaßnahmen in der Charité in der Akademie der Künste abgehalten wurde, konnten 650 Teilnehmer durch den Tagungspräsidenten Niels Sönnichsen begrüßt werden. Themenschwerpunkte waren Psoriasis, Fotodermatologie und dermatologisch relevante Probleme der inneren Medizin. Erstmals wurden verdienstvolle Mitglieder der Gesellschaft mit der Karl-Linser-Gedenkmedaille geehrt sowie Preise an Nachwuchswissenschaftler und Forschergruppen verliehen. Premiere hatte auch eine Posterausstellung mit Honorierung der drei besten Arbeiten. Für die Diapositiv-Kasuistik wurden Fälle aus zahlreichen Hautkliniken der DDR zusammengetragen. Auf großes Inter-esse stießen die Plenarvorträge von Vertretern anderer Fachdisziplinen.
Der VIII. Kongress führte 1984 wiederum die DDR-Dermatologen in der Messestadt Leipzig − und zwar in der Kongresshalle am Zoo − zusammen. Das Themenangebot umfasste Immundermatologie, Arbeitsdermatologie, Dermatotherapie und Venerologie. Die Leipziger Kollegen mit dem Tagungsleiter Uwe-Frithjof Haustein und dem organisatorischen Leiter Volker Ziegler mussten in bravouröser Weise eine kurzfristig notwendig gewordene Terminverschiebung des Kongresses bewältigen. Die konsequente Trennung in primär der Wissensvermittlung dienende Übersichtsreferate und neue Forschungsergebnisse präsentierende Kurzvorträge fand großen Zuspruch. Erneut war die von verschiedenen Hautkliniken der DDR gestaltete Diapositiv-Kasuistik ein Tagungshöhepunkt.
Im Kurhaus des schönen Ostseebades Binz auf der Insel Rügen fand der IX. Kongress der Gesellschaft statt. Die wissenschaftliche Leitung hatte der Direktor der Hautklinik der Universität Rostock, Heinz Flegel. Wie bei den beiden vorhergehenden Kongressen moderierte er auch die Diapositiv-Kasuistik der Hautkliniken der DDR. Das breit angelegte Tagungsprogramm beinhaltete dermatologische Probleme aller Altersgruppen. Trotz des vergleichsweise weiten Anfahrtsweges konnten zahlreiche ausländische Gäste und Referenten aus der Bundesrepublik begrüßt werden, von denen einige die Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft verliehen bekamen.
Die zehnte und letzte Tagung der Gesellschaft für Dermatologie der DDR wurde von dem großen Ereignis der Wiedervereinigung Deutschlands dominiert. Sie fand im Herbst 1990 unter der Tagungsleitung von Joachim Barth und der organisatorischen Leitung von Günter Sebastian im traditionsreichen Deutschen Hygienemuseum Dresden ([Abb. 1]) statt. Die Veranstalter konnten sich auch über zahlreiche ausländische Gäste und einen Ansturm von Kollegen aus den alten Bundesländern freuen, der letztendlich nur mit zusätzlicher professioneller Hilfe zu bewältigen war. Das Tagungsthema „Therapie 1990 − Bilanz und Ausblick“ reflektierte nicht nur die wesentliche Forschungsausrichtung der Dresdener Hochschulhautklinik, sondern hätte eingedenk der erfolgten gesellschaftlichen Umwälzungen partiell auch für eine politische Aussage stehen können. Der gesundheitspolitische Ausblick war die Integration der „Gesellschaft für Dermatologie der DDR“ in die traditionsreiche „Deutsche Dermatologische Gesellschaft“. Diese Integration verlief trotz mancher individueller Blessuren auf ostdeutscher Seite vergleichsweise problemlos. Auf ihrer letzten Mitgliederversammlung wurde die Auflösung der DDR-Gesellschaft beschlossen und drei ihrer Mitglieder (Günter Sebastian, Niels Sönnichsen, Irene Tausch) wurden in den nunmehr erweiterten DDG-Vorstand gewählt. Die Tagung selbst wurde von der Euphoriewelle der Wiedervereinigung getragen und v. a. auch durch die aktive Mitwirkung vieler Experten aus den alten Bundesländern einschließlich der erstmals möglich gewordenen Unterstützung der Industrie zu einem allseits anerkannten Erfolg. Sie wird in die Geschichte unseres Fachgebietes als das bewegende Ereignis eingehen, auf dem die deutsche Dermatologenfamilie wieder zusammenfand.
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Interessenkonflikt
Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Barth J, Scholz A. Die Dermatologenkongresse der DDR. Dermatol Monschr 1990; 176: 525-530
- 2 Scholz A, Holubar K, Burg G. et al. Geschichte der deutschsprachigen Dermatologie – History of German Language Dermatology. Weinheim: Wiley-VCH; 2009
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 Barth J, Scholz A. Die Dermatologenkongresse der DDR. Dermatol Monschr 1990; 176: 525-530
- 2 Scholz A, Holubar K, Burg G. et al. Geschichte der deutschsprachigen Dermatologie – History of German Language Dermatology. Weinheim: Wiley-VCH; 2009