Pneumologie 2019; 73(01): 12-13
DOI: 10.1055/a-0749-5261
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MAC-Lungenerkrankung: Liposomales Amikacin vielversprechend

Griffith DE. et al.
Amikacin Liposome Inhalation Suspension for Treatment-Refractory Lung Disease caused by Mycobacterium avium Complex (CONVERT): A Prospective, Open-Label, Randomized Study.

Am J Respir Crit Care Med 2018; PMID: 30216086;
DOI: 10.1164/rccm.201807-1318OC.
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Publication Date:
17 January 2019 (online)

 

    Die Lungenerkrankung durch Mycobacterium avium Complex (MAC) verläuft häufig progressiv, ist mit erheblicher Morbidität und Mortalität vergesellschaftet und ist besonders bei Patienten mit zugrunde liegenden chronischen Lungenerkrankungen schwierig zu therapieren. Bei Versagen der oralen Standardtherapie stellt liposomales Amikacin per inhalationem eine mögliche neue, wenig systemisch wirkende Option dar. Wie effektiv und sicher diese Maßnahme zusätzlich zur Standardtherapie ist, prüfte ein internationales Team.


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    Die Lungenerkrankung durch nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM) wird in Europa, Australien und Japan zunehmend häufiger. In diesen Regionen und den USA liegt diesen Infektionen meist Mycobacterium avium Complex (MAC) zugrunde. Reagiert ein Patient mit einer solchen Lungenerkrankung nicht auf die mindestens 12 Monate über die Sputumkonversion hinausreichende orale Standardtherapie aus einem Makrolid, Ethambutol und einem Rifamycin, sind der Intensivierung der Behandlung wegen unerwünschten Wirkungen und mangels Alternativen enge Grenzen gesetzt. Amikacin wirkt effektiv gegen Mykobakterien; ist jedoch in der üblichen i. v.-Applikation nephro- und ototoxisch. Eine Alternative stellt liposomales Amikacin zur Inhalation (LAI; auch ALIS) dar: Es wird direkt in die Alveolarmakrophagen aufgenommen und wirkt damit lokal dort, wo sich NTM bevorzugt aufhalten.

    Um die Wirksamkeit und Sicherheit von LAI zu prüfen, rekrutierten die Autoren zwischen 2015 und 2017 an 127 Kliniken in 18 Ländern (USA, asiatischer Raum, Europa) 336 erwachsene Patienten mit aktiver Lungenerkrankung infolge MAC. Alle Patienten litten an einer Amikacin-sensiblen Infektion und wiesen trotz der leitliniengerechten Standardtherapie über mindestens 6 Monate persistierend positive MAC-Kulturen auf. Zudem zeigten alle die typischen radiologischen Merkmale dieser Lungenerkrankung. Ausgeschlossen wurden Patienten mit u. a. cystischer Fibrose, aktiver Lungentuberkulose, Immunschwäche oder einer malignen Erkrankung. In einer randomisierten Open-label, nicht placebokontrollierten Studie erhielten 224 Patienten eine Kombination aus der Standardtherapie und LAI (je 590 mg Amikacin im Vernebler einmal täglich), 112 wurden nur gemäß Standard behandelt. Die Therapie erfolgte zunächst bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sputumkulturen negativ wurden und dann noch weitere 12 Monate (maximal 16 Monate). Bei der Randomisierung wurden die Patienten stratifiziert nach noch laufender oder kürzlich beendeter (3 – 12 Monate zuvor) Standardtherapie und nach dem Raucherstatus.

    Die Autoren berichten hier die 6-Monats-Ergebnisse aus der laufenden Phase-3-Studie. Monatlich waren körperliche Untersuchungen, Labortests inkl. Sputumkulturen erfolgt; der 6-Minuten-Gehtest sowie Hörtests wurden 3-mal durchgeführt. Die Patienten waren überwiegend weiblich und durchschnittlich 64,7 Jahre alt. Die Mehrheit litt an Bronchiektasien und/oder chronisch obstruktiver Lungenkrankheit.

    Die Analyse des primären Endpunkts, die Konversion der Sputumkultur nach 6 Monaten, umfasste die Intention-to-treat-Population: Drei negative Sputumkulturen in Folge bis Monat 6 der Therapie wiesen 65 (29 %) der 224 Patienten unter LAI und 10 (8,9 %) der 112 Patienten unter der alleinigen Standardtherapie auf (OR 4,22; 95 % CI 2,08 – 8,57; p < 0,001). Im 6-Minuten-Gehtest zeigte sich zwischen beiden Therapiearmen kein Unterschied; allerdings schnitten hier diejenigen Patienten, die unabhängig von der Therapie eine Kulturkonversion aufwiesen, jeweils deutlich besser ab als die anderen.

    In Bezug auf die Sicherheit berichteten 87,4 % unter der Kombinationstherapie versus 50 % der anderen über respiratorische unerwünschte Wirkungen wie Husten und Atemnot. Schwere unerwünschte Wirkungen waren mit 20,2 % und 17,9 % in beiden Gruppen ähnlich häufig. 2,7 % (Kombinationstherapie) und 4,5 % (Standardtherapie) der Patienten starben infolge unerwünschter Wirkungen.

    Fazit

    Liposomales Amikacin zur Inhalation zusätzlich zu einer Standardtherapie erwies sich als effektiv bei Amikacin-sensibler MAC-Lungenerkrankung, die auf die Standardtherapie nicht ansprach. Respiratorische unerwünschte Wirkungen traten im Vergleich zum Standard häufiger unter LAI auf, schwere Nebenwirkungen gleich häufig. LAI stelle somit den ersten in kontrollierten randomisierten Studien positiv geprüften Wirkstoff für diese Patienten dar, so die Autoren. Die Ergebnisse sprächen dafür, LAI auch für andere Patienten mit MAC-Infektionen zu testen.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen

    Kommentar

    Das Ziel der vorliegenden internationalen prospektiven, offenen, randomisierten klinischen Phase-III-Studie (CONVERT-Studie; INS-212; ClinicalTrials.gov Nummer: NCT02344004) war die Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von liposomalem Amikacin 590 mg/8,4 ml zur einmal täglichen Inhalation (ALIS) bei refraktärer Lungenerkrankung durch Mycobacterium avium Complex (MAC). ALIS in Kombination mit einer leitlinienkonformen, oralen antimykobakteriellen Kombinationstherapie (Guideline-based therapy, GBT) wurde mit einer alleinigen GBT verglichen [1]. Insgesamt 336 erwachsene Patienten mit refraktärer MAC-Lungenerkrankung aus Europa, Nordamerika, Asien und Australien, deren MAC-Isolate eine erhaltene Empfindlichkeit gegenüber Amikacin (mittlere Hemmkonzentration [MHK] < 64 μg/ml) und die trotz sechsmonatiger GBT persistierend MAC-positive Sputumkulturen aufwiesen, wurden in einem Verhältnis von 2:1 in einen der beiden Behandlungsarme randomisiert (224 Patienten ALIS + GBT vs. 112 Patienten GBT alleine). Die einmal tägliche Inhalation von ALIS wurde mit einem eFlow rapid® nebulizer mit dem Lamira® Vernebler der Firma PARI, Starnberg (Deutschland), durchgeführt. Die überwiegende Anzahl der Patienten wies eine chronische Lungenerkrankung auf (62,5 % Bronchiektasen, 14,3 % COPD, 11,9 % beides). Insgesamt konnte der primäre Endpunkt einer kulturellen Sputumkonversion zu Monat 6 im aktiven Behandlungsarm mit ALIS + GBT mit 65 von 224 Patienten (29,0 %) signifikant häufiger als unter alleiniger GBT (10 von 112 Patienten; 8,9 %) erreicht werden (p-Wert < 0,001). Die Ergebnisse der CONVERT-Studie gleichen hier den Ergebnissen der vorherigen Phase-II-Studie, die eine ähnliche Rate an Sputumkonversion nach 84 Tagen unter Add-on-Therapie mit ALIS gezeigt hatte (31,8 % vs. 8,9 %, p = 0,006) [2]. Behandlungsassoziierte unerwünschte Ereignisse, die überwiegend zu Beginn der Behandlung auftraten und im Verlauf sistierten, wurden unter Therapie mit ALIS + GBT häufiger als unter alleiniger GBT beobachtet (87,4 % vs. 50,0 %), v. a. Heiserkeit, Husten und Dyspnoe. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse waren gleich verteilt (20,2 % vs. 17,9 %). Die klinische Relevanz des „mikrobiologischen“ primären Endpunkts (kulturelle Sputumkonversion) wurde durch die Analyse des explorativen klinischen Endpunkts der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest gestützt. Bei Patienten, die eine kulturelle Sputumkonversion erzielten, war die Gehstrecke unabhängig vom Behandlungsarm um + 25 m signifikant länger (p = 0,011). Es bleibt kritisch anzumerken, dass im ALIS + GBT Studienarm mehr Patienten die Behandlung abbrachen als unter alleiniger GBT (19,6 % vs. 8,9 %) und dass die Arbeit noch keine Ergebnisse hinsichtlich der Nachhaltigkeit der kulturellen Sputumkonversion bis zum Behandlungsende zu Monat 16 nennt. Ein weiterer Kritikpunkt stellte die Tatsache dar, dass keine Subgruppenanalyse der klinisch-radiologischen Erkrankungstypen (nodulär-bronchiektatisch vs. fibrokavitär) erfolgen konnte, da keine einheitliche radiologische Diagnostik z. B. mittels HRCT des Thorax gefordert war. Bei ausgedehnten fibrokavitären pulmonalen Destruktionen ist letztlich davon ausgehen, dass auch ALIS sein Ziel nicht ohne weiteres erreicht [3]. ALIS wurde als ARIKAYCE® am 28.09.2018 als erstes inhalatives Antibiotikum bei einer Nicht-CF-Indikation bzw. -Population von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde U.S. Food & Drug Administration (FDA) zur Therapie der refraktären MAC-Lungenerkrankung zugelassen [4].


    Autorinnen/Autor

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    Dr. med. Felix C. Ringshausen, Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover

    Literatur


    [1] Griffith DE et al. Amikacin Liposome Inhalation Suspension for Treatment-Refractory Lung Disease Caused by Mycobacterium avium Complex (CONVERT): A Prospective, Open-Label, Randomized Study. Am J Respir Crit Care Med 2018, doi:10.1164 /rccm.201807 – 1318OC


    [2] Olivier KN et al. Randomized Trial of Liposomal Amikacin for Inhalation in Nontuberculous Mycobacterial Lung Disease. Am J Respir Crit Care Med 2017; 195: 814 – 823


    [3] Klinger-Strobel M et al. Aspects of pulmonary drug delivery strategies for infections in cystic fibrosis--where do we stand? Expert Opin Drug Deliv 2015; 12: 1351 – 1374


    [4] U.S. Food & Drug Administration. FDA approves a new antibacterial drug to treat a serious lung disease using a novel pathway to spur innovation. September 28, 2018


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    Dr. med. Felix C. Ringshausen, Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover