CC BY-NC-ND 4.0 · Gesundheitswesen 2019; 81(12): 1082-1090
DOI: 10.1055/a-0725-8164
Originalarbeit
Eigentümer und Copyright ©Georg Thieme Verlag KG 2018

Subjektive Gesundheit und Erwerbslosigkeit in Deutschland auf Basis der EU-SILC-Daten von 2005 bis 2014

Subjective Health and Unemployment in Germany: Analysis of 2005–2014 EU-SILC Data
Alfons Hollederer
1   LGL, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Nürnberg
,
Manfred Wildner
2   LGL, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim/Pettenkofer School of Public Health
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Prof. Alfons Hollederer
LGL, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit (LGL)
Schweinauer Hauptstraße 80
90441 Nürnberg

Publication History

Publication Date:
21 November 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund Die Untersuchung zielt darauf, den subjektiven Gesundheitszustand und chronische Gesundheitseinschränkungen in der Erwerbsbevölkerung zu untersuchen und Disparitäten zwischen sozialen Gruppen zu explorieren.

Methodik Der EU-SILC-Survey wird als Haushaltsbefragung seit dem Jahr 2005 in Deutschland jährlich durchgeführt. Die Erhebung umfasste in Deutschland im EU-SILC 2014 eine Zufallsstichprobe von 22 695 Personen ab 16 Jahren (darunter 860 Erwerbslose und 11 390 Erwerbstätige).

Ergebnisse Nach den EU-SILC-Surveys 2005–2014 verbesserte sich die subjektive Gesundheit in der Bevölkerung in Deutschland. 65,2% der Befragten im Alter ab 16 Jahren berichteten eine sehr gute oder gute Gesundheit trotz zunehmender Alterung der Bevölkerung in 2014 (vs. 60,7% in 2005). Die gesundheitliche Ungleichheit stieg zwischen den Erwerbsstatusgruppen jedoch an. Von den Erwerbslosen bewerteten nur 37,2% ihre Gesundheit als sehr gut oder gut in 2014, während bei den Erwerbstätigen dieser Anteil mit 77,1% erheblich höher lag (53,8 vs. 73,2% in 2005). Multivariate logistische Regressionsanalysen für den EU-SILC-Survey 2014 ergeben starke Assoziationen bei selbstbewerteten Gesundheitszustand und chronische Gesundheitseinschränkungen mit Alter und sozialen Determinanten. In der Querschnittsbetrachtung haben Erwerbslose im Vergleich zu Erwerbstätigen eine wesentlich geringere Chance auf einen sehr guten oder guten Gesundheitszustand (OR=0,26) und eine höhere Auftrittswahrscheinlichkeit von chronischen Gesundheitseinschränkungen (OR=3,99) bei Adjustierung von sozio-demografischen Merkmalen. Die Zunahme des Nettoäquivalenzeinkommens und des Bildungsniveaus geht mit verbesserten Gesundheitsprognosen und reduzierten Risiken für chronische Gesundheitseinschränkungen einher. 78,8% der Befragten im höchsten Quintil beim Nettoäquivalenzeinkommens berichteten einen sehr guten oder guten Gesundheitszustand im Gegensatz zu 51,7% im niedrigsten Einkommens-Quintil (OR=2,53). Die Angehörigen von armutsgefährdeten Haushalten geben im Durchschnitt eine schlechtere Gesundheit in allen untersuchten Altersgruppen an. Hoher Bildungsabschluss ist mit besserem subjektivem Gesundheitszustand assoziiert (OR=1,78).

Diskussion Der EU-SILC Survey zeigt zum einen positive Gesundheitsentwicklungen und zum anderen gesundheitliche Ungleichheiten in Deutschland auf. Der EU-SILC-Survey eignet sich als jährliche Wiederholungsbefragung für ein Monitoring von Public Health-Zielen und der Reduktion gesundheitlicher Ungleichheit.


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Abstract

Background This study aims to analyze self-perceived health and chronic illness in the working population and to explore disparities between social groups.

Methods The annual EU-SILC Survey has been conducted in Germany since 2005. The reference population is defined as all private households. In the EU-SILC 2014, a random sample of 22,695 persons aged 16 years and older was interviewed in Germany (860 unemployed and 11,390 employed).

Results In accordance to the EU-SILC-Surveys 2005 until 2014, the self-perceived general health of the population has improved in Germany. 65.2% of the population (aged 16 years and older) in Germany assessed their health as very good or good in 2014 vs. 60.7% in 2005, despite an ageing population. However, there was an increase in health inequalities between employment status groups. In 2014, only 37.2% among unemployed persons vs. 77.1% of the employed perceived their general health as very good or good (53.8 vs. 73.2% in 2005). Multivariate logistic regression models revealed strong associations of subjective general health and chronic illness with age groups and social determinants on the EU-SILC-Survey 2014. Cross-sectional analysis showed unemployed persons to be much less likely to have very good or good self-perceived health (OR=0.26) and more likely to have chronic illness (OR=3.99) compared to employed people after adjustment for sociodemographic characteristics. The probabilities of better health and lower chronic illness rose with the increasing disposable (net) income as well as educational levels. 78.8% of the household members in the highest income quintile vs. 51.7% of the household members in the lowest income quintile said they had very good or good health (OR=2.53). In all investigated age groups, members of the households at risk of poverty were more likely to have poor health on average. High educational level (ISCED 5–8) was associated with higher positive self-rated health (OR=1.78).

Conclusion The EU-SILC-Survey shows distinct health developments and inequalities in Germany. EU-SILC is useful as an annual general population survey to monitor public health targets and reduce health inequalities.


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Einleitung

Wird Deutschland gesünder oder kränker? Und wie verteilen sich die Gesundheitschancen zwischen Erwerbsstatusgruppen im Zeitlauf? Für die Beantwortung dieser zentralen Fragestellungen stehen in Deutschland nur relativ wenige Datenquellen zur Verfügung [1] [2]. Als geeignete Maßzahl wird international die selbsteingeschätzte allgemeine Gesundheit in der Bevölkerungsperspektive angesehen [3] [4]. Dafür braucht es regelmäßige Repräsentativerhebungen mit identischen Messinstrumenten zur Gesundheit und sozio-ökonomischen Merkmalen in großen Stichproben. Elaborierte Panelanalysen zum subjektiven Gesundheitszustand ermöglicht das Sozio-ökonomische Panel (SOEP). Eine Gegenüberstellung der Befragungsergebnisse der SOEP Wellen 2002 und 2012 ergibt geringfügige Steigerungen der allgemeinen Gesundheit und auch der Gesundheitszufriedenheit in Deutschland [5]. Die SOEP-Antwortskala für die subjektive Gesundheit erschwert aber leider sprachlich den Vergleich z. B. mit den nationalen Gesundheitssurveys, die ebenfalls den allgemeinen Gesundheitszustand eruieren [6]. Von der Erhebungsmethode her wäre auch der Mikrozensus gut geeignet. In seinem freiwilligen Gesundheitszusatzprogramm wird aber der subjektive Gesundheitszustand nicht erhoben [7] [8]. Einen umfassenden Überblick über den Stand und Ergebnisse in Deutschland hat aktuell das Robert-Koch-Institut herausgegeben [2]. Die Analyse der Gesundheit von Erwerbslosen ist besonders diffizil. Wenn Erwerbslose in Gesundheitssurveys überhaupt erfasst werden, sind die Fallzahlen häufig klein, so dass multivariate Auswertungen mit statistischen Unsicherheiten einhergehen. Bisherige empirische Erhebungen zeigen übereinstimmend große Gesundheitsunterschiede zwischen Erwerbslosen und Erwerbstätigen auf [7] [9] [10]. Für die ungünstige Gesundheit von Erwerbslosen werden sowohl Gesundheitsbelastungen durch die Arbeitslosigkeit aufgrund von materieller und psychischer Deprivation als auch Selektionseffekte an den Arbeitsmarktübergängen verantwortlich gemacht [11] [12]. Das zugrunde liegende Wirkungsgefüge ist aber noch nicht vollständig geklärt und über die Gesundheitsentwicklungen im Zeitverlauf besteht ein Informationsdefizit.

Der Gesundheitszustand wird nach der WHO mit hohen Effektstärken vom sozio-ökonomischen Status und sozialen Determinanten beeinflusst [13]. Sozialbedingte ungleiche Gesundheitschancen sind nicht nur in Deutschland [2], sondern in fast allen europäischen Ländern zu beobachten [14] [15] [16]. Eine hohe Einkommensungleichheit ist mit durchschnittlich schlechterer Gesundheit assoziiert [5] [6] [17]. Wohlfahrtsstaaten mit umfassender Sozialpolitik weisen tendenziell ein geringeres Niveau an Gesundheitseinschränkungen und dabei weniger soziale Disparitäten auf [18] [19]. Vielschichtige Wechselwirkungen zwischen Gesundheit und Erwerbslosigkeit sind evident [12] [20].

Eine bislang in Deutschland wenig beachtete Datenquelle ist der EU-SILC-Survey [21]. Der EU-SILC-Survey ermöglicht als jährliche Wiederholungsbefragung die Betrachtung der Zeitverläufe und Gegenüberstellungen zwischen den EU-Ländern und kann jährliche Vergleichswerte zum subjektiven Gesundheitszustand ermitteln. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, den selbst eingeschätzten Gesundheitszustand und chronische Gesundheitseinschränkungen in der Bevölkerung anhand des EU-SILC-Survey im Zeitverlauf zu analysieren und Disparitäten zwischen Erwerbsstatusgruppen nach demografischen Charakteristika und sozio-ökonomischen Merkmalen zu explorieren.


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Methoden

In Deutschland wird die Haushaltsbefragung LEBEN IN EUROPA (EU-SILC) seit 2005 vom Statistischen Bundesamt [21] schriftlich durchgeführt. Grundlage ist die EU-Verordnung 1177/2003 [22]. In den EU-SILC-Survey 2014 gehen für Deutschland die Antworten von 22 695 erfassten Personen ab 16 Jahren ein [21]. Hauptzweck der Erhebung ist es, harmonisierte und vergleichbare Mikrodaten und Indikatoren zur Messung von Lebensbedingungen, Haushaltseinkommen, Armut, Arbeitsmarktintegration und sozialer Ausgrenzung in der EU zu generieren. Die Erhebungsgesamtheit umfasst die Bevölkerung in allen Privathaushalten am Hauptwohnsitz. Seit dem Erhebungsjahr 2008 wird die deutsche EU-SILC-Erhebung vollständig als Zufallsstichprobe erhoben. Vorher wurde die Stichprobe im Rahmen einer Ausnahmeregelung über eine Kombination aus Quoten- und Zufallsstichprobe privater Haushalte ausgewählt [23]. Ein Haushalt wird höchstens in 4 aufeinander folgenden Jahren befragt. Die Auskunftserteilung ist freiwillig. Die Befragungsdaten werden von Eurostat als Mikrodatensätze für die Forschung zur Verfügung gestellt. Vom Statistischen Bundesamt wird eine umfassende Qualitätssicherung der Daten, insbesondere bei den Sozialindikatoren, und Plausibilitätsprüfungen vorgenommen. Der von der EU vorgegebene Mindeststichprobenumfang wird in Deutschland weit übertroffen. Das Statistische Bundesamt gibt den relativen Standardfehler beim Hauptindikator Armutsgefährdungsquote mit 0,1% und für die meisten anderen EU-Hauptindikatoren mit nicht höher als 1–2% an [23].

Die selbst wahrgenommene Gesundheit wird im EU-SILC-Survey 2014 über die Frage „Wie ist Ihr Gesundheitszustand im Allgemeinen?“ und Antwortoptionen auf einer 5er-Skala im Likert-Format operationalisiert („sehr gut; gut; mittelmäßig; schlecht; sehr schlecht“).

Zwei weitere Gesundheitsitems fragen das Vorliegen einer chronischen Erkrankung und ihre Konsequenzen für die Verrichtung alltäglicher Arbeiten ab. Der EU-SILC-Survey erfasst eine chronische Erkrankung über die Frage „Haben Sie eine oder mehrere lang andauernde, chronische Krankheiten?“ („ja; nein; ich weiß nicht“). Sie bedürfen im Sinne des EU-SILC-Surveys „ständiger Behandlung und Kontrolle, z. B. Diabetes oder Herzerkrankungen“ (Ausfüllhinweis). Es folgt eine Frage zum Beeinträchtigungsgrad der Arbeitsfähigkeit. Für die Analysen werden diese beiden Variablen zu chronischen Gesundheitseinschränkungen zusammengefasst und dichotomisiert.

Auf Personenebene werden weitere demografische Variablen wie Geschlecht, Alter, Geburtsort und Sozialvariablen wie Bildungsstand, Haushaltseinkommen und überwiegender Erwerbsstatus mit dem Vorjahr als Referenzjahr erfasst [24]. Der EU-SILC-Survey misst die Erwerbstätigkeit nach dem Labour Force Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) [25]. Eine Person gilt danach als erwerbstätig, wenn sie mindestens eine Stunde pro Woche gegen Bezahlung gearbeitet hat. Erwerbslos ist, wer Arbeit aktiv sucht und dem Arbeitsmarkt in den nächsten 14 Tagen zur Verfügung steht.

Bei der Berechnung des (Netto-)Äquivalenzeinkommens werden die Zusammensetzung der Privathaushalte nach Haushaltsgröße und das Alter der Haushaltsmitglieder berücksichtigt. Eine Äquivalenzgewichtung nimmt Eurostat nach einer OECD-Gewichtungsskala vor. Die Armutsgefährdungsgrenze bezieht sich auf unter 60% des Bundesmedians des Nettoäquivalenzeinkommens.

Der höchste Bildungsabschluss wird nach der Klassifikation ISCED-2011 (International Standard Classification of Education) kategorisiert und nach niedrigem, mittlerem und hohem Niveau aggregiert dargestellt.

Die binäre logistische Regression berechnet die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens eines Ereignisses in Abhängigkeit von den Werten der Kovariaten und 95%-Konfidenzintervalle. Die Zugehörigkeit zu der mit „1“ codierten Gruppe wird geschätzt, wobei die Ausprägungen der abhängigen Variable „0“ und „1“ betragen. Das Odds Ratio ist ein Maß dafür, um wieviel größer die Chance eines Ereignisses (z. B. positiver Gesundheitszustand) in der Gruppe mit bestimmten Merkmalen im Vergleich zur Gruppe ohne diese Merkmale ist. Zu den Odds Ratios werden 95%-Konfidenzintervalle angegeben.

Die nachfolgenden Auswertungen des EU-SILC konzentrieren sich auf eine Deskription von Prävalenzraten nach Bevölkerung und Erwerbsstatusgruppen im Zeitverlauf und eine Analyse des (letztverfügbaren) Querschnittsdatensatzes 2014. Die Daten wurden von April bis November 2014 erhoben. Für die Hochrechnung wurde der Gewichtungsfaktor des EU-SILC Survey 2014 von Eurostat für die EU-SILC-Population verwandt. Die Analysen wurden mit IBM SPSS-Statistics 23 durchgeführt.


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Ergebnisse

Subjektive Gesundheit im Zeitverlauf 2005–2014

In der [Tab. 1] wird das Sample nach sozio-demografischen Merkmalen und Gesundheitsvariablen im EU-SILC-Survey näher beschrieben. Sie weist die erfassten Interviews und die Hochrechnungen für Deutschland aus.

Tab. 1 Erfasste und hochgerechnete Personenzahl nach soziodemografischen Merkmalen und Gesundheitsvariablen im EU-SILC-Survey 2014.

Merkmale

Anzahl

Anzahl (Tsd.)

Anteil (%)

Missings

(erfasst)

(hochgerechnet)

Insgesamt

ab 16 Jahren

22 695

68 250

100,0%

0,0%

Erwerbsstatus (überwiegend)

Erwerbstätige

11 390

36 351

53,5%

0,5%

Erwerbslose

860

3 115

4,6%

Rentner

7 019

17 087

25,2%

Andere Inaktive

3 322

11 358

16,7%

Geschlecht

Männer

10 868

33 281

48,8%

0,0%

Frauen

11 827

34 969

51,2%

Altersgruppen

16 bis einschließlich 29

2 841

11 522

16,9%

0,0%

30 bis einschließlich 39

2 320

9 737

14,3%

40 bis einschließlich 49

3 743

11 860

17,4%

50 bis einschließlich 64

6 803

17 870

26,2%

65 und älter

6 988

17 260

25,3%

Migrationshintergrund

Dt. Staatsangeh. und Geburtsort

20 440

57 491

84,2%

0,0%

Ausl. Staatsang. oder Geburtsort

2 255

10 759

15,8%

Höchster Bildungsabschluss

Niedrig (ISCED bis 2)

2 948

13 859

20,3%

0,0%

Mittel (ISCED 3–4)

12 388

38 990

57,1%

Hoch (ISCED 5–8)

7 359

15 401

22,6%

Subjektive Gesundheit

sehr gut

3 428

11 732

17,2%

0,1%

gut

11 079

32 711

48,0 %

mittelmäßig

6 350

18 270

26,8%

schlecht

1 510

4 536

6,7%

sehr schlecht

302

922

1,4%

Chronische Erkrankungen

Nein

12 845

39 999

58,7%

0,2%

Ja

8 955

25 277

37,1%

Ich weiß es nicht

854

2 827

4,2%

Gesundheitseinschränkungen

Nicht eingeschränkt

13 568

41 549

61,5%

1,0%

Erheblich eingeschränkt

2 357

6 981

10,3%

Eingeschränkt, nicht erheblich

5 869

16 560

24,5%

Ich weiß es nicht

701

2 488

3,7%

Chronische Gesundheitseinschränkungen

Nein

14 829

45 168

71,7%

7,7%

Ja

6 302

17 824

28,3%

Die [Abb. 1] zeigt die Personen ab 16 Jahren, die ihren allgemeinen Gesundheitszustand zum Befragungszeitpunkt als sehr gut oder gut in Deutschland einschätzten. Sie verdeutlicht, dass in der Bevölkerung der Anteil mit positiver Gesundheit von 2005 bis 2009 leicht zunahm und im weiteren Zeitverlauf relativ konstant blieb. Er stieg in Deutschland hochgerechnet von insgesamt 60,1% in 2005 auf 65,2% in 2014 an. Das ist umso bemerkenswerter, da die Bevölkerung in Deutschland durch den demografischen Wandel alterte. Das Durchschnittsalter der Befragten ab 16 nahm in der EU-SILC-Welle 2005 von 49 Jahren auf 50 Jahre in 2014 zu (jeweils SE=0,002). Obwohl sich die subjektive Gesundheit seit 2005 trotz Alterung der Bevölkerung im Durchschnitt verbesserte, gilt das aber nicht für alle Erwerbsstatusgruppen wie die [Abb. 1] demonstriert.

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Abb. 1 Anteil der Personen mit „sehr gutem oder gutem“ Gesundheitszustand im EU-SILC-Survey 2005–2014 (Selbsteinschätzung)

Das Ausgangsjahr 2005 war von tiefgreifenden Wirtschaftsproblemen mit einer hohen Arbeitslosenquote von 11,7% bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen [26] geprägt. Die Erwerbslosigkeit ging seitdem in Deutschland massiv zurück und die Zahl der Erwerbstätigen expandierte. Innerhalb der Erwerbsbevölkerung entwickelten sich die Gesundheitschancen nach [Abb. 1] aber divergent. Im Jahr 2005 gaben 73,2% der Erwerbstätigen einen sehr guten oder guten Gesundheitszustand an. Von den Erwerbslosen berichteten nur 53,8% eine positive Gesundheit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Erwerbstätigen im Durchschnitt signifikant jünger als Erwerbslose waren (43 vs. 45 Jahre). Die Gesundheitsunterschiede zwischen den Erwerbsstatusgruppen vergrößerten sich im weiteren Zeitverlauf außerordentlich. Im Jahr 2014 bewerteten mit 77,1% mehr Erwerbstätige ihren Gesundheitszustand mit gut oder sehr gut als im Jahr 2005, während der korrespondierende Anteil bei den Erwerbslosen auf 37,2% abfiel. Parallel stieg im Erwerbslosenbestand der Anteil von Personen mit negativer Gesundheit an. Wie [Tab. 2] darlegt, stuften 21,3% der Erwerbslosen im Jahr 2014 ihre Gesundheit als schlecht oder sehr schlecht ein, während bei den Erwerbstätigen dieser Anteil mit 3,1% sehr niedrig lag.

Tab. 2 Subjektiver Gesundheitszustand und chronische Gesundheitseinschränkungen im EU-SILC-Survey 2014

Subjektiver Gesundheitszustand

Vorhandensein chronischer Gesundheitseinschränkungen

Merkmale

Personen ab 16 Jahren (Tsd.)

Sehr gut oder gut

Mittelmäßig

Schlecht oder sehr schlecht

Personen ab 16 Jahren (Tsd.)

(in %)

Erwerbsstatus (überwiegend)

Erwerbstätige

36 329

77,1%

19,8%

3,1%

5 457

16,1%

Erwerbslose

3 109

37,2%

41,5%

21,3%

1 380

51,5%

Rentner

17 048

40,6%

46,1%

13,3%

8 299

52,3%

Andere Inaktive

11 346

71,6%

16,3%

12,1%

2 620

25,4%

Geschlecht

Männer

33 244

66,9%

25,3%

7,8%

8 283

26,9%

Frauen

34 927

63,6%

28,2%

8,2%

9 541

29,6%

Altersgruppen

16 bis einschließlich 35

17 765

88,0%

10,2%

1,8%

1 475

9,0%

36 bis einschließlich 50

16 667

74,7%

19,5%

5,8%

2 967

19,4%

51 bis einschließlich 64

16 511

56,1%

32,3%

11,6%

5 182

33,8%

65 und älter

17 228

41,2%

45,7%

13,1%

8 201

51,1%

Migrationshintergrund

Deutsche Staatsangehörigkeit und Geburtsort

57 433

65,9%

26,2%

7,9%

14 965

28,0%

Ausländische Staatsangehörigkeit oder Geburtsort

10 739

61,4%

30,2%

8,4%

2 859

30,1%

Höchster Bildungsabschluss

Niedrig (ISCED bis 2)

13 827

56,9%

30,7%

12,4%

4 320

35,0%

Mittel (ISCED 3–4)

38 960

64,9%

27,4%

7,8%

10 309

28,5%

Hoch (ISCED 5–8)

15 385

73,5%

21,9%

4,7%

3 195

22,0%

Nettoäquivalenzeinkommen

1. Quintil (niedrigstes)

15 520

51,7%

33,4%

14,9%

5 470

39,6%

2. Quintil

14 052

60,5%

31,1%

8,4%

4 209

32,9%

3. Quintil

13 449

65,7%

27,8%

6,5%

3 502

27,9%

4. Quintil

13 120

73,2%

21,8%

5,1%

2 738

22,0%

5. Quintil (höchstes)

12 030

78,8%

17,7%

3,5%

1 905

16,7%

Anmerkungen: 1. Ergebnisse sind gewichtet und hochgerechnet. 2. Ein Quintil stellt ein Fünftel der Population bei aufsteigend sortierter Folge der Einkommen dar.


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Subjektive Gesundheit im EU-SILC 2014

Wie die [Tab. 2] illustriert, unterscheiden sich die Ergebnisse zur selbst wahrgenommenen Gesundheit zwischen Männern und Frauen und nach Migrationshintergrund im EU-SILC 2014 relativ wenig. Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich dagegen der Gesundheitszustand (erwartungsgemäß) deutlich. Bemerkenswert sind die sozialen Einflussfaktoren. Je höher der Bildungsstand und das Einkommen der Interviewpersonen, desto besser wird der Gesundheitszustand beurteilt. Im niedrigsten Quintil beim Nettoäquivalenzeinkommen berichtete mit 51,7% rund die Hälfte der Befragten einen positiven Gesundheitszustand, während beim höchsten Quintil mit 78,8% über drei Viertel ihre Gesundheit als sehr gut oder gut bezeichneten.

Die [Abb. 2] informiert über die subjektive Gesundheit von Angehörigen armutsgefährdeter Haushalte, die in allen untersuchten Altersgruppen signifikant weniger positiv als von nicht armutsgefährdeten Personen eingeschätzt wird. Besonders ausgeprägt ist der soziale Gradient im mittleren Lebensalter.

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Abb. 2 Anteil der Personen mit „sehr gutem oder gutem“ Gesundheitszustand (Selbsteinschätzung) nach Armutsgefährdung und Alter im EU-SILC-Survey 2014.

Die [Abb. 3] präsentiert die Anteile mit sehr guten oder guten Gesundheitszustand nach Altersgruppen und Erwerbsstatus. Die Erwerbstätigen schätzten ihren Gesundheitszustand wesentlich häufiger positiv als die Erwerbslosen ein. Die Unterschiede sind in allen Altersgruppen signifikant.

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Abb. 3 Anteil der Personen mit „sehr gutem oder gutem“ Gesundheitszustand (Selbsteinschätzung) nach Erwerbsstatus und Alter im EU-SILC-Survey 2014.

Auf einen sehr guten oder guten Gesundheitszustand zielen binäre logistische Regressionsanalysen im EU-SILC 2014 ([Tab. 3]), um gesundheitsgefährdete Gruppen anhand der Odds Ratios zu identifizieren. Sie betrachten im ersten Modell Erwerbslose in Relation zu Erwerbstätigen und beziehen im zweiten Modell als Kovariaten die sozio-demografischen Merkmale Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund, höchster Bildungsabschluss und Nettoäquivalenzeinkommen ein. Die Wahrscheinlichkeit von Erwerbslosen für eine positive Gesundheit ist im Verhältnis zu Erwerbstätigen signifikant um den Faktor 0,17 erniedrigt. Die Gesundheitsprognose von Erwerbslosen verbessert sich in der Querschnittsbetrachtung leicht auf eine Odds Ratio von 0,26 unter Adjustierung der sozio-demografischen Kovariaten. Erwartungsgemäß ist Lebensalter eine sehr wichtige Vorhersagevariable für den Gesundheitszustand. Im Vergleich zur Gruppe mit niedrigem Bildungsabschluss haben die Interviewten mit mittlerem Bildungsabschluss eine 1,35-fach und mit hohem Bildungsabschluss eine 1,78-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit auf einen positiven Gesundheitszustand. Statistisch bemerkenswert ist, dass eine deutliche Verbesserung der Gesundheitsprognose mit jedem Quintil des Nettoäquivalenzeinkommens einhergeht. In Referenz zum niedrigsten Quintil beim Nettoäquivalenzeinkommen erhöht sich die Odds Ratio auf 1,54 im mittleren Quintil und steigert sich im höchsten Quintil auf eine Odds Ratio von 2,53.

Tab. 3 Subjektiver Gesundheitszustand und chronische Gesundheitseinschränkungen im EU-SILC-Survey 2014

Sehr guter oder guter Gesundheitszustand

Chronische Gesundheitseinschränkungen

Merkmale

OR (95%-KI)

OR (95%-KI)

OR (95%-KI)

OR (95%-KI)

Erwerbsstatus (überwiegend)

Erwerbstätige

Ref.

Ref.

Ref.

Ref.

Erwerbslose

0,17 (0,1715–0,1724)*** 

0,26 (0,2558–0,2572)*** 

5,44 (5,4268–5,4557)*** 

3,99 (3,9804–4,0036)*** 

Rentner

0,51 (0,5128–0,5157)*** 

2,86 (2,8519–2,8691)*** 

Andere Inaktive

0,59 (0,5840–0,5862)*** 

2,44 (2,4377–2,4474)*** 

Geschlecht

Männer

Ref.

Ref.

Frauen

1,03 (1,0299–1,0323)*** 

0,97 (0,9713–0,9737)*** 

Altersgruppen

16 bis einschließlich 35

Ref.

Ref.

36 bis einschließlich 50

0,29 (0,2856–0,2868)*** 

3,71 (3,7013–3,7188)*** 

51 bis einschließlich 64

0,13 (0,1317–0,1322)*** 

6,98 (6,9674–6,9986)*** 

65 und älter

0,12 (0,1177–0,1184)*** 

6,84 (6,8124–6,8594)*** 

Migrationshintergrund

Deutsche Staatsangehörigkeit und Geburtsort

Ref.

Ref.

Ausländische Staatsangehörigkeit oder Geburtsort

0,96 (0,9532–0,9561)*** 

0,94 (0,9383–0,9415)*** 

Höchster Bildungsabschluss

Niedrig (ISCED bis 2)

Ref.

Ref.

Mittel (ISCED 3 – 4)

1,35 (1,3470–1,3510)*** 

0,81 (0,8044–0,8070)*** 

Hoch (ISCED 5 – 8)

1,78 (1,7738–1,7805)*** 

0,67 (0,6703–0,6731)*** 

Nettoäquivalenzeinkommen

1. Quintil (niedrigstes)

Ref.

Ref.

2. Quintil

1,34 (1,3337–1,3382)*** 

0,82 (0,8163–0,8193)*** 

3. Quintil

1,54 (1,5377–1,5430)*** 

0,71 (0,7083–0,7110)*** 

4. Quintil

1,96 (1,9553–1,9624)*** 

0,59 (0,5928–0,5951)*** 

5. Quintil (höchstes)

2,53 (2,5239–2,5339)*** 

0,45 (0,4488–0,4508)*** 

Pseudo-R2 (Nagelkerkes)

0,150

0,239

0,124

0,249

(N)

(12 244)

(22 565)

(11 424)

(21 033)

*** p<0,001; *p<0,05; Anmerkung: 1. Ein Quintil stellt ein Fünftel der Population bei aufsteigend sortierter Folge der Einkommen dar. 2. OR=Odds Ratio. 3. KI=Konfidenzintervall. 4. Ergebnisse altersadjustiert. 5. Alle Ergebnisse sind gewichtet.

Der selbstbewertete Gesundheitszustand korreliert mit chronischen Erkrankungen und Gesundheitseinschränkungen. 92,8% der Interviewten mit schlechtem oder sehr schlechtem Gesundheitszustand beklagten auch chronische Gesundheitseinschränkungen.


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Chronische Erkrankungen und Gesundheitseinschränkungen im EU-SILC 2014

Die Häufigkeitsauszählungen der chronischen Gesundheitseinschränkungen im EU-SILC-Survey 2014 legen erhebliche Disparitäten zwischen sozialen Gruppen offen ([Tab. 2]). 16, 1% der Erwerbstätigen schätzten sich in Deutschland selbst als chronisch krank mit Einschränkungen im Alltag ein. Bei den Erwerbslosen ist dieser Anteil dagegen mit 51,5% mehr als dreimal so hoch.

Die gesundheitliche Ungleichheit lässt sich auch zwischen den Bildungs- und Einkommensgruppen nachweisen. Je höher der Bildungsabschluss, umso seltener sind chronische Gesundheitseinschränkungen vorhanden. Im niedrigsten Quintil beim Nettoäquivalenzeinkommen bekundeten die Befragten mit einem Anteil von 39,6% wesentlich häufiger chronische Gesundheitseinschränkungen als die besser gestellten Einkommensgruppen. Im höchsten Einkommens-Quintil gaben lediglich 16,6% der Befragten chronische Gesundheitseinschränkungen an.

Während die Unterschiede in der Prävalenz von chronischen Gesundheitseinschränkungen zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Deutschen und Migranten relativ gering sind, steigen sie (erwartungsgemäß) mit dem Alter stark an. Mit 51,1% berichtete rund die Hälfte der Befragten im Rentenalter das Vorhandensein von chronischen Gesundheitseinschränkungen.

Auf die Auftrittswahrscheinlichkeit von chronischen Gesundheitseinschränkungen richten sich die binären logistischen Regressionsanalysen in [Tab. 3], die ebenfalls den Einfluss der sozio-demografischen Merkmale Erwerbsstatus, Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund, höchster Bildungsabschluss und Nettoäquivalenzeinkommen im EU-SILC-Survey 2014 untersuchen. Als sehr bedeutsame Prädiktorvariable wird Erwerbslosigkeit in der Querschnittsbetrachtung identifiziert. Für Erwerbslose ist in Relation zu Erwerbstätigen eine 5,44-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine chronische Gesundheitseinschränkung im Modell 3 zu konstatieren. Diese stark erhöhte Odds Ratio von Erwerbslosen für eine chronische Gesundheitseinschränkung senkt sich auf 3,99 ab, wenn die sozio-demografischen Kovariaten in Modell 4 einbezogen werden. Das Lebensalter übt dabei die größte Effektstärke auf die Prävalenz von chronischen Gesundheitseinschränkungen aus. Höhere Bildung und größeres Nettoäquivalenzeinkommen sind mit signifikant abnehmenden Risiken für eine chronische Gesundheitseinschränkung in der multivariaten Betrachtung assoziiert. Die Zugehörigkeit zum höchsten Einkommens-Quintil ist mit einer stark reduzierten Odds Ratio von 0,45 verbunden.


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Diskussion und Fazit

Als Limitation ist darauf hinzuweisen, dass repräsentative Stichprobenerhebungen mit Zufallsfehlern behaftet sind. Nach dem Qualitätsbericht des Statistischen Bundesamts [23] wird die Größenordnung des Stichprobenfehlers für den EU-SILC-Survey 2014 aber als klein eingeschätzt. Zudem sind nicht-stichprobenbedingte systematische Fehler und Antwortausfälle durch die Freiwilligkeit der Teilnahme zu berücksichtigen, denen aber mit umfangreichen qualitätssichernden Maßnahmen begegnet wurde [23]. Die Fallzahlen begrenzen die Analysemöglichkeiten. Zugunsten einer detaillierten Darstellung nach sozialen Merkmalen wurden nicht alle Ergebnisse stratifiziert nach Geschlecht ausgewiesen.

Der allgemeine Gesundheitszustand in der Bevölkerung verbesserte sich zwischen den EU-SILC-Wellen 2005 und 2014 trotz fortschreitender Alterung der Bevölkerung leicht. Gleichzeitig wuchs die gesundheitliche Ungleichheit zwischen den Erwerbsgruppen. Der subjektive Gesundheitszustand verschlechterte sich in der Gruppe der (überwiegend) Erwerbslosen im Durchschnitt stark, während sich die Gesundheit von Erwerbstätigen etwas verbesserte. Der Anteil an Erwerbslosen mit beeinträchtigter Gesundheit ist im europäischen Vergleich auffallend hoch. Zu den Ursachen besteht in Deutschland weiterer Forschungsbedarf. Der Anteil an Langzeitarbeitslosen am Arbeitslosenbestand ist in Deutschland besonders groß. Möglicherweise wirken Reformen am Arbeitsmarkt („Hartz I-IV“) noch gesundheitsbelastend nach. Zu den Ergebnissen dürften auch Selektionseffekte bei der Arbeitsmarktintegration in Deutschland beitragen, da bei Arbeitslosen mit schlechtem subjektivem Gesundheitszustand signifikant geringere Wiedereingliederungschancen festgestellt wurden [10]. Gut die Hälfte der Erwerbslosen berichtet im EU-SILC-Survey 2014 chronische Gesundheitseinschränkungen. Es ist davon auszugehen, dass sich ein Großteil der chronischen Gesundheitseinschränkungen auf berufliche Tätigkeiten sowie auf die Arbeitsvermittlung und Arbeitsuche im Sinne der Selektionsthese auswirken.

Die logistischen Regressionsanalysen ermitteln für den EU-SILC-Survey 2014, dass nach dem Alter die sozialen Einflussfaktoren Erwerbsstatus, Einkommen und Bildung die stärksten Assoziationen beim subjektiven Gesundheitszustand und chronischen Gesundheitseinschränkungen in der Querschnittsbetrachtung aufweisen. In allen untersuchten Altersgruppen berichteten Angehörige armutsgefährdeter Haushalte im Durchschnitt einen signifikant ungünstigeren Gesundheitszustand. Armutsgefährdung erklärt für die Erwerbslosen aber nur einen Teil der Gesundheitsunterschiede zu den Erwerbstätigen. Über die materielle Deprivation hinaus müsste im EU-SILC-Survey die psychische Deprivation in Erwerbslosigkeit stärkere Berücksichtigung finden. Bei der Übertragung der Ergebnisse ist außerdem zu beachten, dass sich das EU-SILC-Erhebungskonzept von überwiegender Erwerbslosigkeit nach dem Labour Force Konzept von der deutschen Arbeitslosendefinition nach dem Sozialgesetzbuch III sehr unterscheidet.

Die Eingangsfrage war, ob Deutschland kränker oder gesünder wird und wie die Gesundheitschancen sozial verteilt sind? Die Analysen der EU-SILC Wellen 2005–2014 zeigen im Bevölkerungsdurchschnitt leichte Gesundheitsverbesserungen bei steigendem Alter. Das ist für Deutschland eine erfreuliche Entwicklung, die hauptsächlich auf die Prosperität und verbesserten Lebensbedingungen zurückzuführen sein dürfte. Gleichzeitig gibt es marginalisierte soziale Gruppen, die offenbar wenig davon profitieren konnten. Sie sind charakterisiert durch Erwerbslosigkeit, geringe formale Qualifikation und Einkommensarmut. Bereits 1981 nahm die WHO [27] solche Zielgruppen mit einer globalen Strategie für „Health for All“ in den Fokus. Für die Identifikation von vulnerablen Gruppen und ihren Gesundheitsbelastungen braucht es Erhebungsinstrumente wie den EU-SILC-Survey . Sie können den Bedarf z. B. für die Gesundheitsförderung bei Erwerbslosen ermitteln [28]. Der EU-SILC-Survey ist als jährliche Wiederholungsbefragung gut geeignet, auch den Erreichungsgrad von gesundheitspolitischen Zielen zur Reduktion gesundheitlicher Ungleichheit z. B. im Rahmen der aktuellen EUROPA 2020-Strategie der EU-Kommission [29] oder des Rahmenkonzeptes HEALTH 2020 der WHO [30] zu messen. Diese „Health for All“-Ziele sind noch nicht erreicht!


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Robert Koch Institut . Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes gemeinsam getragen von RKI und DESTATIS. Berlin: 2015
  • 2 Robert Koch Institut . Gesundheitliche Ungleichheit in verschiedenen Lebensphasen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes gemeinsam getragen von RKI und DESTATIS. Berlin: 2017
  • 3 OECD . Health at a Glance 2015: OECD Indicators. Paris: OECD Publishing; 2015
  • 4 European Comission. Methodological issues in the analysis of the socioeconomic determinants of health using EU-SILC data. 2010
  • 5 Bundeszentrale für politische Bildung . Datenreport 2016. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublilk Deutschland. Bonn: 2016
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  • 10 Hollederer A, Voigtländer S. Die Gesundheit von Arbeitslosen und die Effekte auf die Arbeitsmarktintegration: Ergebnisse im Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung (PASS), Erhebungswellen 3 bis 7 (2008/09 bis 2013). Bundesgesundheitsblatt 2016; 59: 652-661
  • 11 McKee-Ryan F, Song Z, Wanberg CR. et al. Psychological and physical well-being during unemployment: a meta-analytic study. The Journal of applied psychology 2005; 90: 53-76
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  • 20 Huijts T, Reeves A, McKee M. et al. The impacts of job loss and job recovery on self-rated health: testing the mediating role of financial strain and income. European journal of public health 2015; 25: 801-806
  • 21 Statistisches Bundesamt . Leben in Europa (EU-SILC) 2014. Einkommen und Lebensbedingungen in Deutschland und der Europäischen Union. Wiesbaden: Wirtschaftsrechnungen; 2017
  • 22 European Comission. Methodological guidelines and description of EU-SILC target variables. 2016 operation (Version January 2016)
  • 23 Statistisches Bundesamt . Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen. Leben in Europa 2014. Wiesbaden: Qualitätsbericht; 2017
  • 24 European Comission. Methodological guidelines and description of EU-SILC target variables. 2014 operation (Version October 2014)
  • 25 International Labour Organization (ILO). Resolution concerning the measurement of underemployment and inadequate employment situations, adopted by the Sixteenth International Conference of Labour Statisticians (October 1998) 1998
  • 26 Bundesagentur für Arbeit . Arbeitsmarkt in Zahlen, Arbeitslosenquoten Monats-/Jahreszahlen 2005. Nürnberg: 2006
  • 27 World Health Organization. Global strategy for health for all by the year 2000. Thirty-fourth world health assembly 1981
  • 28 Hollederer A. Health promotion and prevention among the unemployed: a systematic review. Health Promotion International 2018; efirst 1-19 doi:10.1093/heapro/day069
  • 29 European Comission . Communication from the commission. Europe 2020. A strategy for smart, sustainable and inclusive growth. Brussels: European Commission; 2010
  • 30 World Health Organization (WHO). Health 2020. A European policy framework supporting action across government and society for health and well-being 2013

Korrespondenzadresse

Prof. Alfons Hollederer
LGL, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit (LGL)
Schweinauer Hauptstraße 80
90441 Nürnberg

  • Literatur

  • 1 Robert Koch Institut . Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes gemeinsam getragen von RKI und DESTATIS. Berlin: 2015
  • 2 Robert Koch Institut . Gesundheitliche Ungleichheit in verschiedenen Lebensphasen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes gemeinsam getragen von RKI und DESTATIS. Berlin: 2017
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  • 30 World Health Organization (WHO). Health 2020. A European policy framework supporting action across government and society for health and well-being 2013

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Abb. 1 Anteil der Personen mit „sehr gutem oder gutem“ Gesundheitszustand im EU-SILC-Survey 2005–2014 (Selbsteinschätzung)
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Abb. 2 Anteil der Personen mit „sehr gutem oder gutem“ Gesundheitszustand (Selbsteinschätzung) nach Armutsgefährdung und Alter im EU-SILC-Survey 2014.
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Abb. 3 Anteil der Personen mit „sehr gutem oder gutem“ Gesundheitszustand (Selbsteinschätzung) nach Erwerbsstatus und Alter im EU-SILC-Survey 2014.