Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(01): 50-52
DOI: 10.1055/a-0719-9900
GebFra Magazin
Der interessante Fall
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gartner-Gang-Zyste – eine altersunabhängige Differenzialdiagnose

Martin Promm
,
Anja Klappan
,
Wolfgang H. Rösch
,
Birgit Seelbach-Göbel
,
Sara Fill Malfertheiner
Further Information

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. univ. Sara Fill Malfertheiner, MHBA
Klinik St. Hedwig
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder
Lehrstuhl für Geburtshilfe der Universität Regensburg
Steinmetzstraße 1 – 3
93049 Regensburg

Publication History

Publication Date:
17 January 2019 (online)

 

Gartner-Gang-Zysten sind meist klein, asymptomatisch und kommen bei etwa 1% aller Frauen vor. Insgesamt machen die Gartner-Gang-Zysten (GGZ) etwa 10% der benignen Zysten im Bereich der Vaginalwand aus [1], [2]. In Ausnahmefällen können GGZ auch makroskopisch sichtbar sein sowie mit rezidivierenden Symptomen wie z. B. Dysurie, Inkontinenz oder vaginalem Ausfluss einhergehen [3], [4]. Anhand von Fallberichten dreier Patientinnen unterschiedlichsten Alters sollen verschiedene klinische Erscheinungsbilder der GGZ und die wichtigsten Differenzialdiagnosen ins Bewusstsein gerückt werden sowie das diagnostische Vorgehen und therapeutische Management dargestellt werden.


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Fallberichte

Ein reif geborenes, 1 Tag altes Mädchen wurde der Kinderurologischen Klinik mit dem Verdacht auf eine Caecoureterozele vorgestellt. In der körperlichen Untersuchung zeigte sich eine ca. 1,5 cm große, zystische Raumforderung am äußeren Genitale zwischen den Schamlippen liegend ([Abb. 1]). Eine Verbindung mit dem Meatus urethrae konnte dabei nicht sicher ausgeschlossen werden. In der Sonografie konnte eine begleitende linksseitige multizystisch-dysplastische Niere (MCDK) verifiziert werden. In der nachfolgenden Urethrozysto- und Vaginoskopie konnte eine Ureterozele ausgeschlossen und ein GGZ diagnostiziert werden. Nebenbefundlich fand sich ein Hemitrigonum rechts mit fehlendem Ostium der linken Seite. Nach Zystenexstirpation ([Abb. 2]) wurde die Gartner-Gang-Zyste auch histologisch verifiziert. Der Heilungsverlauf gestaltete sich komplikationslos und die Patientin ist seither beschwerdefrei.

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Abb. 1 Klinisches Bild der Gartner-Gang-Zyste bei einem neugeborenen Mädchen.
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Abb. 2 Intraoperativer Befund der Zystenmarsupialisation.

Eine 5-jährige Patientin wurde der Kinderurologischen Klinik mit einer seit Geburt bekannten, unklaren asymptomatischen zystischen Struktur am äußeren Genitale vorgestellt. Bereits pränatal wurde bei diesem Mädchen eine MCDK rechts diagnostiziert. Bei der körperlichen Untersuchung zeigten sich die äußeren und die inneren Labien altersentsprechend unauffällig. Die ca. 4 mm durchmessende Zyste lag zwischen dem Meatus urethrae externus und dem Vaginaleingang. In Zusammenschau der Befunde wurde die Diagnose einer Gartner-Gang-Zyste gestellt. In der zur weiteren Diagnostik durchgeführten Urethrozystoskopie zeigten sich eine unauffällige Urethra sowie ein Hemitrigonum mit einem orthotop liegenden Ostium links. In gleicher Sitzung erfolgte die komplikationslose Zystenmarsupialisation, histologisch konnte die Diagnose bestätigt werden. Der postoperative Verlauf war unauffällig.

Eine 56-jährige Patientin litt seit Jahren unter rezidivierenden Unterbauchschmerzen, die in unterschiedlich langen Intervallen auftraten und sich nach Entleeren von Sekret aus der Vagina vorübergehend besserten. Die Verdachtsdiagnose und Veranlassung einer Computertomografie ([Abb. 3]) erfolgten bei einem niedergelassenen Urologen. Die Patientin wurde in unserer Klinik vorgestellt. Im Rahmen der gynäkologischen Untersuchung war das äußere Genitale unauffällig. In der Sonografie zeigte sich eine 1 × 2 cm große zystische Struktur an der linksseitigen ventralen Vaginalwand, die linke Niere stellte sich sonografisch als Doppelniere dar. In der anschließenden Kernspintomografie konnte die Zyste als Gartner-Gang-Zyste mit einem ektop mündenden Ureter identifiziert werden. Es erfolgte daraufhin die operative End-zu-Seit-Ureteroureterostomie des ektop mündenden Ureters der oberen Nierenanlage an den orthotopen mündenden Harnleiter der unteren Nierenanlage. Der intra- und postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Die Patientin ist seit nunmehr 3 Jahren beschwerdefrei.

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Abb. 3 CT-Abdomen/Becken mit Doppelniere links und Gartner-Gang-Zyste (*) sowie ektop-mündender Ureter links (°). (Quelle: Dr. Gerda Leinsinger, Institut für Radiologie und Nuklearmedizin, Kreiskrankenhaus Erding)

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Diskussion

Während der embryonalen Entwicklung ist der Urogenitaltrakt beider Geschlechter zunächst indifferent angelegt. Beim weiblichen Geschlecht entsteht ab der 8. embryonalen Woche aus den paarigen Müller-Gängen (Ductus paramesonephricus) der Uterus, die Zervix und das obere Drittel der Vagina [5], [6] Die paarigen Wolff-Gänge (Ductus mesonephricus) bilden sich beim weiblichen Embryo unter fehlendem Einfluss von Androgenen jedoch zurück. Allerdings können aus Relikten des zurückgebliebenen Wolff-Ganges Gartner-Gang-Zysten entstehen [7]. Diese sind meist im anterolateralen Anteil der proximalen Vagina lokalisiert [8]. Da Gartner-Gang-Zysten aus den Wolff-Gängen entstehen können, ist der Ausschluss weiterer urogenitaler Fehlbildungen von zentraler Bedeutung. So wurden Gartner-Gang-Zysten unter anderem mit dem Vorkommen von multizystisch-dysplastischen Nieren (MCDK) [9], unilateraler Nierenagenesie [10] und ektopen Ureteren [1], [2] beschrieben.

Diese 3 Fallberichte verdeutlichen, wie Gartner-Gang-Zysten hinsichtlich Alter und Symptomatik variieren können. Die Vertrautheit mit den verschiedenen Entitäten der benignen Vaginalzysten ist essenziell, um eine korrekte Diagnostik und Therapie sicherzustellen [11], [12]. Neben einer klinischen gynäkologischen und urologischen Untersuchung sollte auf jegliche Art des Ausflusses aus dem Meatus urethrae externus [13] sowie aus dem Introitus vaginae geachtet werden. Ergänzend sollten die Sonografie und in bestimmten Fällen auch die Magnetresonanztomografie zur Beurteilung des Urogenitaltraktes zum Ausschluss wichtiger Differenzialdiagnosen und einer gegebenenfalls notwendigen Operationsplanung herangezogen werden [11], [14], [15]. Zudem ist die Urethrozystoskopie ein optimales diagnostisches Mittel der Urogynäkologie [16].

Die Therapieoptionen sollten sich nach der Beschwerdesymptomatik und Schwere der assoziierten Fehlbildungen orientieren. So wurden, neben konservativen Therapieansätzen bei asymptomatischen Zysten [6], operative Therapieansätze wie Marsupialisation [17] oder Exzision der kompletten Zyste [18], aber auch Ureterektomie bei ektopem Ureterverlauf im Rahmen einer GGZ [1], [2] beschrieben. Im Falle einer Doppelniere mit ektop mündendem Harnleiter in der GGZ stellt die Ureteroureterostomie heute eine elegante und gering invasive Alternative zu der früher routinemäßig durchgeführten oberen Heminephrektomie dar [19].

Die Literatur hinsichtlich der benignen vaginalen zystischen Raumforderungen ist limitiert und besteht meist aus Fallberichten mit kleinen Patientenkohorten und geringem Evidenzgrad [11]. Die meisten Therapieansätze in der Literatur basieren auf Expertenmeinungen. Gerade deshalb ist das Bewusstsein für diese seltenen Entitäten im Bereich der Urogynäkologie zu schärfen. Mehr Übersichtsstudien, Klassifikationssysteme und Behandlungsleitlinien würden einen großen Teil dazu beitragen, die verschiedenen Entitäten der benignen Urogenitalzysten besser differenzieren zu können. Dadurch wäre eine akkurate Diagnostik und Therapie sichergestellt [12].

Gartner-Gang-Zysten werden in jedem Alter diagnostiziert und haben ein sehr unterschiedliches klinisches Erscheinungsbild.

Aufgrund der embryologischen Entwicklung ist bei Auffälligkeiten im Urogenitaltrakt eine kombinierte gynäkologische und urologische Abklärung essenziell, um kombinierte Fehlbildungen sowie wichtige Differenzialdiagnosen, wie z. B. multizystisch-dysplastische Nieren, Doppelnieren mit ektoper Uretermündung, Ureterozelen oder Tumoren, richtig zu diagnostizieren und der entsprechenden Therapie zuführen zu können.


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Autorinnen/Autoren

Martin Promm, Dr. med.

Klinik für Kinderurologie in Kooperation mit der Universität Regensburg, Klinik St. Hedwig, Regensburg

Anja Klappan, Dr. med.

Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Klinik St. Hedwig, Krankenhaus Barmherzige Brüder, Lehrstuhl für Geburtshilfe der Universität Regensburg, Regensburg

Wolfgang H. Rösch, Prof. Dr. med.

Klinik für Kinderurologie in Kooperation mit der Universität Regensburg, Klinik St. Hedwig, Regensburg

Birgit Seelbach-Göbel, Prof. Dr. med.

Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Klinik St. Hedwig, Krankenhaus Barmherzige Brüder, Lehrstuhl für Geburtshilfe der Universität Regensburg, Regensburg

Sara Fill Malfertheiner, PD Dr. med. MHBA

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Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Klinik St. Hedwig, Krankenhaus Barmherzige Brüder, Lehrstuhl für Geburtshilfe der Universität Regensburg, Regensburg

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Liaci ALS. Benigne perivaginale Raumforderungen: Ätiologie, Diagnostik und therapeutisches Management [Dissertation]. Tübingen: Medizinische Fakultät der Eberhard Karls Universität zu Tübingen; 2017
  • 2 Kier R. Nonovarian gynecologic cysts: MR imaging findings. AJR Am J Roentgenol 1992; 158: 1265-1269
  • 3 Dwyer PL, Rosamilia A. Congenital urogenital anomalies that are associated with the persistence of Gartnerʼs duct: a review. Am J Obstet Gynecol 2006; 195: 354-359
  • 4 Leonovicz 3rd PF, OʼConnell BJ, Uehling DT. Vaginal ectopic ureter with Gartnerʼs duct cyst. J Urol 1997; 158: 2235
  • 5 Eilber KS, Raz S. Benign cystic lesions of the vagina: a literature review. J Urol 2003; 170: 717-722
  • 6 Rios SS, Pereira LC, Santos CB. et al. Conservative treatment and follow-up of vaginal Gartnerʼs duct cysts: a case series. J Med Case Rep 2016; 10: 147
  • 7 Ohya T, Tsunoda S, Arii S. et al. Diagnosis and treatment for persistent Gartner duct cyst in an infant: A case report. J Pediatr Surg 2002; 37: E4
  • 8 Siegelman ES, Outwater EK, Banner MP. et al. High-resolution MR imaging of the vagina. Radiographics 1997; 17: 1183-1203
  • 9 Merrot T, Lumenta DB, Tercier S. et al. Multicystic dysplastic kidney with ipsilateral abnormalities of genitourinary tract: experience in children. Urology 2006; 67: 603-607
  • 10 Gadbois WF, Duckett jr. JW. Gartnerʼs duct cyst and ipsilateral renal agenesis. Urology 1974; 4: 720-721
  • 11 Fletcher SG, Lemack GE. Benign masses of the female periurethral tissues and anterior vaginal wall. Curr Urol Rep 2008; 9: 389-396
  • 12 Liaci AL, Boesmueller H, Huebner M. et al. Perivaginal benign masses: diagnosis and therapy in a series of 66 women. Arch Gynecol Obstet 2017; 295: 367-374
  • 13 Crescenze IM, Goldman HB. Female Urethral Diverticulum: Current Diagnosis and Management. Curr Urol Rep 2015; 16: 71
  • 14 Chaudhari VV, Patel MK, Douek M. et al. MR imaging and US of female urethral and periurethral disease. Radiographics 2010; 30: 1857-1874
  • 15 Singla P, Long SS, Long CM. et al. Imaging of the female urethral diverticulum. Clin Radiol 2013; 68: e418-e425
  • 16 Tunitsky E, Goldman HB, Ridgeway B. Periurethral mass: a rare and puzzling entity. Obstet Gynecol 2012; 120: 1459-1464
  • 17 Binsaleh S, Al-Assiri M, Jednak R. et al. Gartner duct cyst simplified treatment approach. Int Urol Nephrol 2007; 39: 485-487
  • 18 Hoogendam JP, Smink M. Gartnerʼs Duct Cyst. N Engl J Med 2017; 376: e27
  • 19 Michaud JE, Akhavan A. Upper Pole Heminephrectomy Versus Lower Pole Ureteroureterostomy for Ectopic Uppe Pole Ureters. Curr Urol Rep 2017; 18: 21

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. univ. Sara Fill Malfertheiner, MHBA
Klinik St. Hedwig
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder
Lehrstuhl für Geburtshilfe der Universität Regensburg
Steinmetzstraße 1 – 3
93049 Regensburg

  • Literatur

  • 1 Liaci ALS. Benigne perivaginale Raumforderungen: Ätiologie, Diagnostik und therapeutisches Management [Dissertation]. Tübingen: Medizinische Fakultät der Eberhard Karls Universität zu Tübingen; 2017
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  • 3 Dwyer PL, Rosamilia A. Congenital urogenital anomalies that are associated with the persistence of Gartnerʼs duct: a review. Am J Obstet Gynecol 2006; 195: 354-359
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  • 7 Ohya T, Tsunoda S, Arii S. et al. Diagnosis and treatment for persistent Gartner duct cyst in an infant: A case report. J Pediatr Surg 2002; 37: E4
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  • 11 Fletcher SG, Lemack GE. Benign masses of the female periurethral tissues and anterior vaginal wall. Curr Urol Rep 2008; 9: 389-396
  • 12 Liaci AL, Boesmueller H, Huebner M. et al. Perivaginal benign masses: diagnosis and therapy in a series of 66 women. Arch Gynecol Obstet 2017; 295: 367-374
  • 13 Crescenze IM, Goldman HB. Female Urethral Diverticulum: Current Diagnosis and Management. Curr Urol Rep 2015; 16: 71
  • 14 Chaudhari VV, Patel MK, Douek M. et al. MR imaging and US of female urethral and periurethral disease. Radiographics 2010; 30: 1857-1874
  • 15 Singla P, Long SS, Long CM. et al. Imaging of the female urethral diverticulum. Clin Radiol 2013; 68: e418-e425
  • 16 Tunitsky E, Goldman HB, Ridgeway B. Periurethral mass: a rare and puzzling entity. Obstet Gynecol 2012; 120: 1459-1464
  • 17 Binsaleh S, Al-Assiri M, Jednak R. et al. Gartner duct cyst simplified treatment approach. Int Urol Nephrol 2007; 39: 485-487
  • 18 Hoogendam JP, Smink M. Gartnerʼs Duct Cyst. N Engl J Med 2017; 376: e27
  • 19 Michaud JE, Akhavan A. Upper Pole Heminephrectomy Versus Lower Pole Ureteroureterostomy for Ectopic Uppe Pole Ureters. Curr Urol Rep 2017; 18: 21

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Abb. 1 Klinisches Bild der Gartner-Gang-Zyste bei einem neugeborenen Mädchen.
Zoom Image
Abb. 2 Intraoperativer Befund der Zystenmarsupialisation.
Zoom Image
Abb. 3 CT-Abdomen/Becken mit Doppelniere links und Gartner-Gang-Zyste (*) sowie ektop-mündender Ureter links (°). (Quelle: Dr. Gerda Leinsinger, Institut für Radiologie und Nuklearmedizin, Kreiskrankenhaus Erding)