Schlüsselwörter
Rehabilitation - Unfall - Orthopädie und Unfallchirurgie - Strukturanforderung
Key words
rehabilitation - accident - orthopedics and trauma surgery - structural requirements
Hintergrund
Die Rehabilitation infolge der Akutversorgung nach einer schweren Verletzung ist von der üblichen „orthopädischen“ Weiter- oder Nachbehandlung abzugrenzen. Zentrale Aufgabe der Rehabilitation nach Unfällen ist die Wiederherstellung oder wesentliche Besserung der funktionalen Gesundheit. Grundlage hierfür ist das biopsychosoziale Modell der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das in der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) dargelegt ist. Die Wiedereingliederung in das soziale und berufliche Umfeld ist oberstes Ziel der Rehabilitation und stellt bei Schwerverletzten eine besondere Herausforderung dar.
In Anlehnung an das Phasenmodell der neurologischen/neurochirurgischen Rehabilitation wurde ein Stufenmodell für die Rehabilitation Unfallverletzter vorgeschlagen mit dem Ziel, eine lückenlose Rehabilitationskette zu gewährleisten ([Abb. 1]) [1]. Nach der Akutbehandlung (Phase A) und einer eventuell erforderlichen Frührehabilitation (Phase B) wird die postakute Traumarehabilitation nahtlos in der Phase C fortgesetzt. Diese Phase C wird derzeit bereits in BG-Kliniken als Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR) für Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherungen sowie in einzelnen spezialisierten Reha-Einrichtungen im Rahmen von individuellen Einzelfallentscheidungen angeboten. Das bundesweite Einführen einer Phase C für die postakute Rehabilitation impliziert jedoch Strukturveränderungen in interessierten Rehabilitationskliniken und eine Unterstützung durch die Kostenträger der Rehabilitation angesichts eines erhöhten Ressourcenverbrauches für die in dieser Phase aufwendigere Patientenversorgung und -behandlung. Die Anschlussrehabilitation (AR) bzw. Anschlussheilbehandlung (AHB) oder Berufsgenossenschaftliche Stationäre Weiterbehandlung (BGSW) in der Phase D ist etabliert und entspricht den gegenwärtigen Rehabilitationsmaßnahmen. Aufgrund der Unfallfolgen können weiterführende Rehabilitationsmaßnahmen zur sozialen und beruflichen Wiedereingliederung erforderlich werden (Phase E). Bei bleibenden Unfallfolgen ist eine kontinuierliche Nachsorge (Phase F) für diese in ihrem Langzeit-Outcome gefährdeten Patienten zu gewährleisten.
Abb. 1 Phasenmodell der Traumarehabilitation und mögliche Verläufe zwischen den einzelnen Phasen (entnommen aus [2]).
Definitionsgemäß ist zu Beginn der postakuten Rehabilitation Phase C die akutmedizinische Behandlung bzw. eine eventuell erforderliche Frührehabilitation im Akutkrankenhaus abgeschlossen und es sind keine weiteren zeitnahen Eingriffe bzw. eine weitergehende spezielle Diagnostik geplant.
Zur Umsetzung dieses Phasenmodells sind spezialisierte Einrichtungen erforderlich, die insbesondere für die Phase C spezielle Anforderungen erfüllen müssen. Das dreigliedrige Versorgungsmodell der Traumazentren (lokales, regionales, überregionales Traumazentrum) des TraumaNetzwerks der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) [www.traumanetzwerk-dgu.de] kann hierfür auf die Traumarehabilitation übertragen werden. Zu den bereits etablierten regionalen Rehabilitationszentren übernehmen überregionale Traumarehabilitationszentren (Ü-TRZ) die Rehabilitation in der Phase C [2].
Die im Folgenden beschriebenen Anforderungen beziehen sich auf die postakute Rehabilitation von Schwerverletzten der Phase C ohne schweres Schädel-Hirn-Trauma (SHT), Querschnittläsion oder schweren Verbrennungen, die in der Regel unmittelbar im Anschluss an die Akutphase oder Frührehabilitation erfolgt. Der Fokus der Phase C liegt im muskuloskelettalen Bereich. Patienten mit schwerem SHT, mit Querschnittsymptomatik oder höhergradiger Verbrennung müssen in spezialisierten Zentren behandelt werden, die zusätzlich zu den im Weiteren beschriebenen noch spezielle Anforderungen erfüllen müssen. Beispielhaft sei auf die Anforderungen der Phasen B und C der neurologischen Rehabilitation verwiesen.
Wesentliche Merkmale der Rehabilitanden in der postakuten Rehabilitation können sein:
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Einschränkungen auf körperlicher, psychischer und/oder sozialer Ebene, die eine Teilnahme an der Rehabilitation in einer Regeleinheit der AR/AHB/BGSW nicht erlauben
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Hoher Bedarf an einer interdisziplinären, fachärztlichen Kooperation
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Erhebliche Einschränkungen der Mobilität und/oder Funktionsfähigkeit mit drohender schwerwiegender Beeinträchtigung der Aktivität und Partizipation
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Pflegebedürftigkeit
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Erhöhter Therapiebedarf
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Unfallfolgen oder Begleiterkrankungen im psychischem Bereich mit spezifischem psychotherapeutischem Behandlungs- und Betreuungsbedarf
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat seit vielen Jahren Anforderungen an Rehabilitationseinrichtungen für die Berufsgenossenschaftliche Stationäre Weiterbehandlung (BGSW) nach Arbeitsunfällen festgelegt [3]. Im Weiteren wird auf diese BGSW-Anforderungen Bezug genommen.
Personelle Voraussetzungen
Rehabilitationsteam
Das Rehabilitationsteam setzt sich entsprechend den rehabilitationsmedizinischen Anforderungen aus Fachärzten und nicht-ärztlichen Fachkräften (Gesundheits- und Krankenpflegern, Physiotherapeuten, Masseuren und Medizinischen Bademeistern, Ergotherapeuten, klinischen Psychologen, Sozialarbeitern/Sozialpädagogen, Sportlehrern/Sporttherapeuten und Diätassistenten) zusammen.
Im Speziellen sind die „personellen Voraussetzungen“ der Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nach § 34 SGB VII zur Beteiligung von Rehabilitationskliniken an der Berufsgenossenschaftlichen Stationären Weiterbehandlung (BGSW) für Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates („BGSW-Anforderungen“) in der jeweils gültigen Fassung zu erfüllen. Darüber hinaus werden weitere Qualifikationen und Berufsgruppen gefordert:
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Zusatzqualifikationen im therapeutischen Bereich (Physiotherapie/Ergotherapie), die über die BGSW-Anforderungen hinausgehen:
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Erfahrung in der Gehschulung nach Amputationen der unteren Extremität, Prothesengebrauchsschulung, und der speziellen Hilfsmittelversorgung nach schwerer Unfallverletzung (z. B. Rollstuhl, Mobilisierungshilfen)
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Erfahrung in der Prothesengebrauchsschulung nach Amputationen der oberen Extremität, insbesondere in der Versorgung und Anwendung von myoelektrischen Prothesen
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Qualifikationen in neurokognitiven Behandlungstechniken zur Schmerztherapie (z. B. nach Perfetti, Spiegeltherapie, GMI „graded motor imagery“)
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Handtherapeutische Weiterbildung nach DAHTH-Standard oder vergleichbare Qualifikation
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Abgeschlossene Weiterbildung auf neurophysiologischer Grundlage
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Fortbildung im sensomotorisch-perzeptiven Themenkreis (z. B. basale Stimulation)
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Aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal (therapeutische Lagerung, Mobilisierung, Körperpflege, Kleiden, Essen und Trinken, Wahrnehmungsförderung, Aktivierungstherapie, Stoma-Versorgung u. a.)
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Klinische Psychologen mit Fortbildungsnachweis zur leitliniengerechten Diagnostik und Behandlung von typischen psychischen Störungen nach Unfällen (z. B. akute Belastungsstörung, Angststörung, Depression, Anpassungsstörung, posttraumatische Belastungsstörung, somatoforme Schmerzstörung)
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Regelmäßige, gemeinsame Sprechstunden unter ärztlicher Beteiligung sind zu vereinbaren mit
Für die postakute Rehabilitation ist folgender Personal-/Patientenschlüssel als Mindestanforderung einzuhalten (zusätzliche Aufgaben wie Sprechstundenbetreuung, Bereitschaftsdienste oder Untersuchung/Behandlung ambulanter Patienten sind in den u. a. Schlüsseln nicht enthalten):
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Oberarzt 1:30
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Stationsarzt 1:15
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Physiotherapeut/Krankengymnast 1:8
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Masseur und Medizinischer Bademeister 1:25
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Ergotherapeut 1:15
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Klinischer Psychologe 1:40
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Sportlehrer/Sporttherapeut 1:20
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Gesundheits- und Krankenpfleger entsprechend des durchschnittlichen Pflegeaufwandes
Konsiliarärzte
Die nachfolgend genannten, medizinischen Fachgebiete müssen jederzeit, zumindest konsiliarisch, zur Verfügung stehen. Eine enge Kooperation mit folgenden Facharztdisziplinen wird zu diesem Zweck vorausgesetzt:
Sachliche Voraussetzungen
Die räumliche und apparative Ausstattung der Rehabilitationseinrichtung muss so bemessen und beschaffen sein, dass das jeweilige indikationsspezifische Rehabilitationskonzept umgesetzt werden kann.
Die „sachlichen Voraussetzungen“ der Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nach § 34 SGB VII zur Beteiligung von Rehabilitationskliniken an der Berufsgenossenschaftlichen Stationären Weiterbehandlung (BGSW) für Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates („BGSW-Anforderungen“) in der jeweils gültigen Fassung sind zu erfüllen.
Darüber hinaus sind folgende räumliche und apparative Vorhaltungen erforderlich:
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Spezielle Pflegemittel, wie Spezialbetten zur Dekubitusprophylaxe
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Überwachungsmöglichkeiten wie Pulsoxymetrie/Monitor
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O2-Anschluss und Absaugmöglichkeiten
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Möglichkeiten zur Patientenisolierung (z. B. für Patienten mit multiresistenten Keimen wie MRSA, 3-/4 MRGN)
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Lokomotionstraining mit der Möglichkeit zur Teilentlastung der unteren Extremität
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Möglichkeit zum Terraintraining, z. B. Gehschule, Gehparcours mit unterschiedlichen Untergründen und Hindernissen im Innen- und Außenbereich
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Übungsbad