Schlüsselwörter
Krebs - Tumorstoffwechsel - Schwermetalle - Freie Radikale (ROS) - Oxidose/Redose - Azidose/Alkalose - aerobe Glykolyse - Na
+/H
+ Antiporter System - Carboanhydrasen - Hyperthermie - Vitamin C - Natriumbikarbonat - Polyphenole - ketogene Diät - glykämischer Index - Glykolyse-Inhibitoren - komplementäre Krebstherapien
Key words
cancer - tumor metabolism - heavy metals - free radicals - oxidosis/redosis, acidosis/alkalosis - aerobic glycolysis, Na
+/H
+ antiporter systems - carbonic anhydrases - hyperthermia - vitamin C - Na bicarbonate - polyphenols - ketogenic diet - glycemic index - glycolysis inhibitors - complementary cancer therapy
Eine aktuelle Prognose betreffend die weltweite Prävalenz der Krebserkrankungen geht von einer 70%igen Erhöhung der Fallzahlen für die nächsten zwei Dekaden aus [151]. Diese Entwicklung ist einerseits an Umwelt-, Ernährungs- und Lifestyle-Faktoren gekoppelt und anderseits an die spärliche Anwendung von Therapien, die mehrere relevante Stoffwechselmerkmale der Krebszellen gleichzeitig berücksichtigen. Zu den Letzteren gehören signifikante Veränderungen der pH-Werte und der Redox-Potentiale innerhalb und außerhalb der malignen Zellen, deren Energieversorgung durch die aerobe Glykolyse anstelle der oxidativen Phosphorylierung (OXPHOS), die Aktivierung der NADPH:Quinon-Oxidoreduktasen, der Ausfall bestimmter antioxidativer Enzymsystemen sowie die hohe Akkumulation von Übergangsmetallen und Organotoxine im Tumorgewebe.
Metalle und Krebswachstum
Metalle und Krebswachstum
In den letzten Jahrzehnten wird über die Anwesenheit von Übergangsmetallen wie Eisen, Kupfer, Nickel oder Chrom im Zusammenhang mit der Produktion freier Radikale über Fenton/Haber-Weiss Reaktionen, Autooxidation von Ascorbat, Peroxidationsprozessen von Fettsäuren und Bildung von DNA-Strangbrüchen berichtet [7]
[85]
[92]
[123]. Die durch Lipidperoxidation induzierten Malondialdehyd-DNA-Addukte können sich wiederum in großer Menge im Brustgewebe von Frauen mit Brustkrebs anhäufen, verbunden mit endogenen DNA-Veränderungen [147] und Tumorbildung.
Da die Fähigkeit eines Eisen- oder Kupferüberschusses, Hydroxylradikale zu bilden, das zelluläre Immunsystem zu unterdrücken und Tumorwachstum zu fördern allgemein bekannt ist [2]
[28]
[73]
[85]
[99]
[150], haben wir die Konzentrationen mehrerer Metalle und Übergangsmetalle in Brustkrebsbiopsien vom Institut für Onkologie und Pathophysiologie der Karls-Universität im Prag mit denen von Brustgewebe gesunder Frauen verglichen [55]
[58].
Die Biopsien in der Patientengruppe wurden von Frauen im Alter von 23–49 Jahre gewonnen, die acht Kontorollbiopsien von gesunden Frauen im Alter von 21–43 Jahre wurden während Brustverkleinerungseingriffen im St. Josef Krankenhaus Regensburg entnommen. Die Ethikkommission der Karls-Universität Prag hat die Studie genehmigt, nachdem alle Teilnehmerinnen ihr schriftliches Einverständnis gegeben haben. Die histopathologischen Merkmale der untersuchten Tumoren sind in [Tab. 1] beschrieben [55].
Tab. 1 Histopathologische Merkmale der untersuchten Brustkrebsbiopsien.
Histologischer Typ
|
n
|
Stadium
|
n
|
Duktales Karzinom
|
12
|
I
|
5
|
Lobuläres Karzinom
|
4
|
II
|
12
|
Andere
|
4
|
III
|
1
|
|
|
unbekannt
|
2
|
Hormonrezeptor-Status
|
n
|
HER2/neu Färbeintensität
|
n
|
ER+
|
13
|
HERCEPTTEST 0
|
1
|
ER-
|
7
|
HERCEPTTEST 1
|
6
|
ER unbekannt
|
0
|
HERCEPTTEST 2
|
3
|
PR+
|
17
|
HERCEPTTEST 3
|
3
|
PR-
|
1
|
ND*
|
7
|
PR unbekannt
|
2
|
|
|
Keine Patientin wurde vor der OP chemotherapeutisch behandelt bzw. berufsbedingt Schwermetallen ausgesetzt. Allerdings waren alle Patientinnen durch Zahnmetalle wie Amalgamfüllungen, Goldbrücken, Metallimplantate oder Zahnspangen exponiert. Eine andere bedeutsame Quelle ist Zigarettenrauch; etwa die Hälfte der Patientinnen waren Raucherinnen und fast alle waren durch Passivrauchen belastet.
Die Konzentration von Fe, Ni, Cr, Cu, Pb, Cd, Zn, Hg, Sn, Au, Pd in den Brustgewebeproben wurde in unserem Labor mit Hilfe einer standardisierten AAS-Technik mit Königswasser-Aufschluss zur Probenvorbereitung gemessen. Um systematische Fehler auszuschließen, wurde eine zweite Analysetechnik (ICP-MS) im Labor für Spurenelemente Hersbruck verwendet [58].
Die Datenanalyse zeigte eine signifikante Akkumulation von Eisen (p<0,0001), Nickel (p<0,00005), Chrom (p<0,00005), Cadmium (p<0,005), Quecksilber (p<0,005) und Zink (p<0,001) im malignen Brustgewebe im Vergleich zu Kontrolluntersuchungen bei gesunden Probanden ([Abb. 1]). Eine Vergleichsuntersuchung mit dem gesunden Brustgewebe derselben Personen war aus ethischen Gründen nicht möglich. Für die übrigen o.g. Metalle waren die Konzentrationsunterschiede nicht signifikant.
Abb. 1 Der Eisen-, Nickel- und Zinkgehalt der 20 Brustkrebsbiopsien ist bis zu 10-mal, 100-mal bzw. 25-mal höher als in den 8 Kontrollbiopsien [55].
Ähnliche Ergebnisse wurden von uns auch anderweitig beschrieben [127]
[128] und von unabhängigen Gruppen in nachfolgenden Studien bestätigt. Hierbei wurden in Biopsien von Tumorgewebe signifikant erhöhte Konzentrationen von Eisen, Aluminium, Chrom, Nickel und Zink im Vergleich zu benachbartem gesunden Gewebe oder Proben von Mammoplastien gefunden [29]
[89]
[90]
[96].
Eisen
Das Eisen wird in der Blutbahn an Transferrin gebunden transportiert und wird von der Zelle durch das Bilden eines Komplexes zwischen dem eisenhaltigen Transferrin (Tf) und dem Transferrin-Rezeptor (TfR1) aufgenommen.
Proliferierende Zellen haben einen erhöhten Eisenbedarf, der durch die Anhäufung der TfR1auf der Zelloberfläche gedeckt wird. Normale Lymphozyten erhöhen die Dichte der TfR1 nach Stimulation mit mitogenen Faktoren um das 50-fache und lymphoide Zellen haben sogar die 1000-fache Zahl an Transferrin-Rezeptoren [68]. Im Einklang mit unseren Befunden [58]
[127] weisen klinische Forschungsergebnisse eine deutlich höhere Transferrinrezeptorendichte sowie Ferritinanlagerung im Brustkrebsgewebe auf [31]. Des Weiteren führt ein Eisenmangel im Nährmedium zur Apoptose der Krebszellen [65]. Auch eine Überexpression der Zinktransportproteine ist in den Krebszellen gut dokumentiert [62]
[71]
[143].
Einmal in der Zelle aufgenommen, wird Eisen einerseits für die Synthese eisenhaltiger Enzyme benutzt, anderseits als Ferritinkomplex gespeichert.
Die hohe intrazelluläre Konzentration an Übergangsmetallen führt zu einer hohen ROS-Produktion via Haber-Weiss- und Fenton-Reaktionen [58] ([Abb. 2]) und kann neben anderen exogenen ROS-Quellen für die beträchtliche genetische Variabilität/Heterogenität der Tumorzellen, auch innerhalb des gleichen Tumors, verantwortlich sein [26]
[39]
[144].
Abb. 2 Bildung von Hydroxylradikalen im Rahmen der H2O2- und metallabhängigen Fenton- und Haber-Weiss-Reaktionen.
Angesichts dieser Tatsachen erscheinen die geläufigen klinischen Verordnungen von Eisen- und Zinkpräparaten bei Krebspatienten eher kontraproduktiv, da in erster Linie die malignen Zellen damit versorgt werden.
Man sollte eigentlich versuchen dem Überschuss an Eisen entgegen zu wirken. Tatsächlich konnte das Binden des Eisens durch Chelatstoffe und das gleichzeitige Hemmen der Bildung des Tf-TfR1 Komplexes mittels eines monoklonalen Antikörpers das Tumorwachstum in einem Mausmodell wesentlich effizienter hemmen als jeder einzelner Stoff [63]. Erfreulicherweise belegen auch klinische Studien den Nutzen der Eisenchelatoren als Antikrebstherapie, u. a. gegen das Neuroblastom und die Leukämie [17]
[114].
Nickel, Chrom, Cadmium und Zink
Ni, Cr und Cd wurden aufgrund ihrer Fähigkeit, die Reparatur beschädigter DNA zu hemmen, als Mutagene und Karzinogene erkannt. Eine weitere ungünstige Eigenschaft ist ihre Fähigkeit, die Mutagenität und Karzinogenität direkt wirkender genotoxischer Stoffe zu erhöhen [13] sowie die proliferationssteigernde Wirkung aufgrund ihrer östrogenähnlichen Aktivität [5]
[82], weshalb sie auch als „endokrine Disruptoren“ bezeichnet werden. Gleichzeitig wurden die karzinogenen Effekte von Ni, direkt oder im Zusammenspiel mit organischen Verbindungen, in der Literatur beschrieben [48]
[97] und erhöhte Konzentrationen von Fe und Ni in malignem menschlichem Prostatagewebe gefunden [152]. Die Inhalation bestimmter Formen von sechswertigem Chrom verursacht Lungenkrebs und auf zellulärer Ebene kann eine Chrombelastung zur Hemmung der Apoptose oder neoplastischen Veränderungen führen [134]. Die berufsbedingte Cadmiumexposition kann Lungenkrebs verursachen und hohe Cadmiumkonzentrationen wurden in proliferativen Prostata-Läsionen gefunden [145].
Interessanterweise wurde gezeigt, dass Zink als notwendiges Spurenelement Tumorwachstum vermittelt und beschleunigt, während sich Zinkmangel bei Mäusen und Ratten als das Tumorwachstums hemmend herausstellte [84]
[91]
[142]. Ebenfalls zeigten makromolekulare Komponenten (Dextrans), die mit Quecksilber-haltigen Seitenketten substituiert worden waren, beim Fibrosarkom von Mäusen eine wachstumsfördernde Wirkung [108].
Die Ätiologie der meisten Brusttumore beim Menschen wird immer noch kontrovers diskutiert. Wir haben argumentiert, dass Umweltschadstoffe, die oxidativen Stress und Lipidperoxidation verursachen, auch als endokrine Disruptoren eine Rolle bei der Entstehung von Brustkrebs spielen können [60]
[126].
Eine chronisch-toxische Belastung mit Übergangsmetallen, verbunden mit genetischen Polymorphismen der Detox-Phase II-Konjugierungs-Enzyme sowie der Überexpression der Metall-Transportproteine oder deren Rezeptoren, können für dieses Phänomen verantwortlich sein [53].
Aufgrund des immer breiteren Kontakts mit Aluminiumverbindungen häufen sich die Hinweise betreffend einer Beteiligung des Leichtmetalls an Tumorentstehung und -wachstum aufgrund seiner mitochondrienschädigenden und östrogenähnlichen Wirkungen [24]
[61]
[70].
Als Xeno-Östrogene bezeichnet man körperfremde Substanzen, die innerhalb der Körperzellen ähnlich wie die Östrogene wirken oder deren biologische Aktivität verändern.
Unter den Xeno-Östrogenen nehmen die Metallo-Östrogene eine besondere Rolle ein. Metallo-Östrogene sind kleine Metall- und Metalloid-Anionen sowie zweiwertige Kationen, wie z. B. Aluminium-, Cadmium-, Calcium-, Kobalt-, Kupfer-, Nickel-, Chrom-, Blei, Quecksilber- und Zinn-Ionen. Metallo-Östrogene aktivieren die Östrogen-Rezeptoren in Abwesenheit von Östradiol [18]. Dadurch kann die Exposition gegenüber diesen Metallen das Risiko erhöhen, an Brustkrebs zu erkranken [60].
Metallo-Östrogene lösen auch Veränderungen an den Östrogenbindungsstellen der Gene im Zellkern aus. In Brustdrüsenzellen führt dies zu einer Erhöhung der Zellteilung. Dadurch entstehen mehr Fehler bei der DNA-Vervielfältigung, was ein entsprechend erhöhtes Krebsrisiko zur Folge hat. Zellen, die bereits zu Brustkrebszellen entartet und östrogenrezeptor-positiv sind, werden durch die Metalle zum Wachstum angeregt [18].
Mehrere Arbeiten [24]
[61]
[70] sowie aktuelle Ergebnisse aus unserem Labor bestätigen die erhöhte Akkumulation von Aluminium und der oben erwähnten Übergangsmetalle in Brustkrebsbiopsien ([Tab. 2].)
Tab. 2 Akkumulation von Übergangsmetallen und Aluminium in Brustkrebsgewebe einer Patientin (V.N.M.) und deren Nachweis in Urin nach Mobilisation mit Chelatbildnern (AAS-Methode).
Metall
|
Tumorgewebe (Mamma-CA) (V.N.M., 59 Jahre)
|
Gesunde Gewebe
|
Urin nach DMPS+EDTA Mobilisation
|
µg/kg Gewebe
|
µg/g Kreatinin in Urin
|
Probe 1
|
Probe 2
|
Probe 3
|
Normwert
|
nach Mobilisation
|
Normwert
|
Quecksilber (Hg)
|
↑10,9
|
↑20,1
|
↑11,4
|
<2,1
|
↑137,5
|
<50,0
|
Zinn (Sn)
|
<10,0
|
<10,0
|
<10,0
|
|
↑4,4
|
<2,0
|
Kupfer (Cu)
|
951,3
|
687,3
|
737,3
|
<1565
|
124,5
|
<500,0
|
Cadmium (Cd)
|
<5,0
|
↑62,9
|
↑37,8
|
<16
|
↑16,5
|
<1,3
|
Nickel (Ni)
|
22,9
|
↑113,5
|
↑132,7
|
<21
|
↑5,0
|
<1,7
|
Chrom (Cr)
|
2,5
|
↑124,9
|
↑182,8
|
<39
|
↑2,5
|
<1,5
|
Aluminium (Al)
|
↑17 480
|
↑27 170
|
↑28 910
|
<12 000
|
↑158,6
|
<40,0
|
Eisen (Fe)
|
↑42 913
|
↑75 598
|
↑82 548
|
<10 937
|
↑866,0
|
<130,0
|
Unsere Studien beschreiben erstmals eine erhebliche Akkumulation von Eisen und anderen Übergangsmetallen wie Ni, Cr, Cd, Zn, Hg und Pb sowie Aluminium im Brustkrebsgewebe mit möglichen Auswirkungen auf die Pathogenese der Erkrankung [58]
[127]. Diese kann im Einzelfall jedoch nicht eindeutig verifiziert werden. Die Freisetzung der Metalle infolge einer therapeutischen Tumorzerstörung kann zu deren Umverteilung mit erheblichen toxischen und mutagenen Nebenwirkungen führen, mit negativen Folgen für die Progression der Erkrankung. Effektive Chelattherapien können hier einen positiven Detox-Beitrag leisten und zu einer schnelleren Erholung des Patienten führen, wie aus eigenen Erfahrungen beobachtet (s.u. [Abb. 5]).
Abb. 5 Metastasiertes Mamma-CA vor (links) bzw. 8 Wochen nach OP und integrativen Therapiemaßnahmen (rechts). Patientin: VNM, 59 Jahre (vgl. auch [Tab. 2]).
Eine weitere stoffwechselrelevante Folge der Metall- und Organotoxinspeicherung [6]
[29]
[52] ist die Akkumulation reduktiver Äquivalente als adaptive Überlebensstrategie der Tumorzellen gegen oxydativen Stress [11]
[18]. Dies führt zu einer erheblichen Verschiebung des intrazellulären Redoxpotentials und pH in Richtung Redose bzw. Alkalose mit nachfolgenden Veränderungen des Tumorstoffwechsels.
Die Redoxpotential-Verschiebung in Tumorzellen
Die Redoxpotential-Verschiebung in Tumorzellen
Die Redox- und pH-Verschiebungen bezeichnen Elektronen- bzw. Protonen-Transferreaktionen in biologischen oder chemischen Systemen. Sie sind eng miteinander verbunden nach der Regel: je niedriger der pH, desto höher das Redoxpotential (Eh) und je höher der pH, desto niedriger das Redoxpotential. Die entsprechenden Abweichungen von der Norm in biologischen Systemen sind seit Jahrzenten unter den Begriffen Oxidose/Redose bzw. Azidose/Alkalose bekannt.
Shapiro [131] definiert die Redose als Akkumulation nichtflüchtiger reduktiver Äquivalente (wie z. B. Glutathion, NADH, Cystein, Glukose), im Gegensatz zur Akkumulation oxidativer Stoffe (O2, O3, Halogene, Metalle in oxidierter Form, Umweltschadstoffe etc.), die als Oxidose definiert wird.
Im Hintergrund der Redoxverschiebungen stehen respiratorische oder Stoffwechseleinflüsse, wobei körperliche Bewegung, Ernährung und Umweltfaktoren eine entscheidende Rolle spielen [56]
[59]. Die Messung der Redox-Potentiale in verschiedenen biologischen Proben kann potentiometrisch mithilfe entsprechender Elektroden in einer standardisierten Redox-Zelle (37°C, Argon-Atmosphäre) erfolgen [56]
[59]. Das Messergebnis im Blut, Plasma oder Gewebe (Eh in mV) spiegelt die Summe aller Redoxpaare in der Probe wider, wobei in der Regel das Verhältnis zwischen dem reduzierten und oxidierten Glutathion (GSH/GSSG) und der pO2 maßgebend für den zellulären Redoxstatus sind [117].
In der Tat korrelieren die Eh-Verschiebungen des GSH/GSSG Paares mit dem biologischen Status normaler Zellen: –220 mV (Redose/Proliferation), –200 mV (Differenzierung), –170 mV (Oxidose/Apoptose) [124], während proliferierende Krebszellen eine permanente Redose mit einer erhöhten Akkumulation von reduziertem Glutathion, NADH, NADPH, Cystein bzw. Glukose via GLUT/Transporter, aufweisen [25]
[66]
[79]
[109]
[153].
Als Ursachen dafür werden hypoxische Zustände sowie eine signifikante Anhäufung von elektrophilen organischen Noxen [6]
[30]
[45] und Übergangsmetallen [58]
[126]
[138] im entarteten Gewebe nach Ausfall der entsprechenden Detox- und antioxidativen Schutzsysteme (SOD, Katalase) [104]
[119]
[122]
[129] verantwortlich gemacht.
Die erhöhte Glutathionsynthese der malignen Zellen wird als adaptive Antwort und Resistenzmechanismus gegen verschiedene pro-oxidative Angriffe (Akkumulation von Schwermetallen bzw. Organotoxinen, Chemotherapie, Bestrahlung, endogene ROS-Produktion) angesehen und mit deren Proliferationsneigung in Verbindung gebracht [11]
[43]
[53]
[58]
[120]
[144].
Intrazelluläre Alkalisierung der Tumorzellen
Intrazelluläre Alkalisierung der Tumorzellen
pH-Messungen in gesundem Gewebe unter normalen pO2-Werten assoziieren eine temporäre Growth Factor- induzierte Proliferation mit einer intrazellulären Alkalisierung und einer erhöhten aeroben Glykolyse [12]
[16]
[148]. In Einklang mit der vorhandenen Redose weisen proliferierende Krebszellen eine permanente intrazelluläre Alkalisierung (pHi 7,12–7,65) gegenüber Normalzellen (pHi 6,99–7,20) auf [21]
[42]
[112], verbunden mit einer starken aeroben Glykolyse, die schon in den 30er-Jahren als Warburg-Effekt beschrieben wurde [40]
[103]
[149].
Die dauerhafte intrazelluläre Alkalisierung proliferierender Krebszellen ist weitgehend auf eine Aktivierung des Na+/H+ Antiporter Systems NHE1 [34]
[135], der V-ATPase Protonen-Pumpe [32]
[105]
[137] und des MCT Laktat-Transporters, die für eine ununterbrochene Ausleitung der Protonen (H+) und des Laktats im extrazellulären Raum sorgen, zurückzuführen [95] ([Abb. 3]).
Abb. 3 Wichtige Regulationssysteme der pH- und Redoxprozesse in der Tumorzelle. MCT: Monocarboxylat-Transporter, welcher Laktat und andere Monocarbonsäuren aus den Zellen herausdiffundieren lässt; NHE: Na+ /H+ Austauscher; V-ATPase: Vakuoläre ATPase; AEs: Anionaustauscher; NBCs: Na+ /HCO3− Cotransporter; CA: Carboanhydrasen; GLUT1: Glukosetransporter, überexprimiert in den meisten bösartigen Tumoren. Der intrazelluläre pH-Wert (pHi) ist leicht basisch (pHi 7,2–7,4), während der extrazelluläre pH (pHe) leicht säuerlich ist (pHe 6,5–7,0). Der Hypoxie-induzierte Faktor (HIF1) ist in Krebszellen überexprimiert und führt zur Überexpression vieler anderer Gene. CBP: CREB Protein; p300: Histon-Acetyltransferase p300. Nachdruck aus [95] mit Genehmigung der Macmillan Publishers Ltd.
Extrazelluläre Azidose im Tumorgewebe
Extrazelluläre Azidose im Tumorgewebe
Eine Hypoxie- bzw. HIF1-bedingte Hyperexpression der membrangebundenen und zinkabhängigen Carboanhydrasen CA2, CA9 und CA12 wurde bereits in vielen Tumoren nachgewiesen [49]
[139]
[140]
[141] und ist zusammen mit Anion-Exchangers wie Cl–/HCO3
– (AE1) in der Krankheitsprogression involviert [94]
[136]. Dementsprechend findet man ein deutlich säuerliches extrazelluläres Milieu im Tumorgewebe (pHe 6,2–6,9) im Vergleich mit normalem Gewebe (pHe 7,3–7,4), welches das Tumorwachstum und die Metastasierung eindeutig fördert [46]
[112] und die Tätigkeit immunkompetenter Zellen blockiert [37]
[50].
Aktivierung der aeroben Glykolyse (Warburg Effekt)
Aktivierung der aeroben Glykolyse (Warburg Effekt)
Die erfolgte intrazelluläre pH-Steigerung in malignen Zellen kann bei normalen pO2-Konzentrationen die aerobe Glykolyse aktivieren [21]
[46]
[95]. Die Aktivierung der Glykolyse-Enzyme Hexokinase (HK), Phosphofruktokinase (PFK), Pyruvatdehydrogenase-Kinase (PDK1) und des Pentose-5-Phosphat-Weges (via G6PDH und Transketolase-TKTL1) führt einerseits zu einer direkten Hemmung der OXPHOS in den Mitochondrien und andererseits, via erhöhter Pyruvatwerte, zu einer Steigerung des Hypoxia Inducible Factors (HIF1) [76]
[77]. Der Letztere spielt eine Schlüsselrolle bei der verstärkten Transkription des Glukosetransporters (GLUT 1) und der Glykolyse-Enzyme als auch bei der Hemmung der Pyruvatdehydrogenase (PDH) mit Senkung der Pyruvatkonversion in Acetyl-CoA und nachfolgender Hemmung des Krebs-Zyklus bzw. der oxidativen Phosphorylierung [35]
[102]. HIF1 aktiviert außerdem die Carboanhydrase CA9 in Tumorzellen und unterhält somit die extrazelluläre Übersäuerung [139]
[140]
[141].
Stoffwechselorientierte Therapieansätze bei Krebspatienten
Stoffwechselorientierte Therapieansätze bei Krebspatienten
Angesichts der bereits erwähnten genetischen Variabilität der Krebszellen innerhalb eines Tumors und der damit verbundenen Therapieresistenz gewinnen die o.g. toxikologischen und molekularbiologischen Grundmerkmale eine besondere Bedeutung für neue komplementäre Behandlungsansätze. In-vitro- und In-vivo- Studien der letzten Jahre sowie unsere eigenen Therapieerfahrungen zeigen eine signifikante antiproliferative und pro-apoptotische Wirkung in Tumoren durch:
Hochdosiertes Vitamin C
Hochdosiertes Vitamin C wirkt in Anwesenheit erhöhter zellulärer Metallkonzentrationen via ROS-Bildung stark pro-oxidativ [52]
[55]
[58]. Andererseits kann die erhöhte Schwermetallkonzentration in verschiedenen Tumoren für therapeutische Ansätze mit Vitamin C oder Phenolen genutzt werden, wie bereits berichtet wurde [9]
[54]
[74]. Die Reduktion und Mobilisation von Übergangsmetallen aus ihren Speicher- oder Transportproteinen macht sie extrem reaktiv für die Katalyse freier Radikalreaktionen nach den Gleichungen in [Abb. 4].
Abb. 4 Fe3+ wird nur durch Zugabe von Vitamin C zu Fe2+ reduziert, mit Entstehung von Superoxid und Wasserstoffperoxid, was in einem Chemilumineszenz-Test gut nachweisbar ist [52].
Die beschriebenen Fenton- und Haber-Weiss-Reaktionen [Abb. 2] erzeugen in hohem Maß Hydroxylradikale, was zu Lipidperoxidation, Unterbrechungen der DNA-Stränge und Apoptose führen kann [9]
[85]
[99]. Die Autooxidation von Vitamin C mit Erzeugung von Superoxid und Wasserstoffperoxid in Anwesenheit von Übergangsmetallen wie Eisen, Nickel, Chrom oder Quecksilber kann eindeutig nachgewiesen werden mithilfe einer Chemolumineszenz-Methode im humanen Serum ([Abb. 4]). In säuerlichem Milieu (H+ Überschuss im extrazellulären Raum) wird das Superoxidradikal in H2O2 umgewandelt und kann die Apoptose/Nekrose der Tumorzellen induzieren.
Aufgrund der hochsignifikanten Akkumulation von Schwermetallen im Tumorgewebe haben wir erstmalig den o.g. Mechanismus als Erklärung für die prooxidative, tumorspezifische Aktivität des Vitamin C beschrieben [52]
[53]
[55]
[58]. Dagegen werden gesunde, nicht metallbelastete Zellen, durch Vitamin C antioxidativ geschützt [19]
[20]
[38]
[101]. Klinische Studien und eigene Erfahrungen mit pharmakologisch signifikanten Konzentrationen von Vitamin C i. v. dokumentieren eindrucksvoll die Tumorschrumpfung sowie die Verlängerung der Lebensdauer bzw. Steigerung der Lebensqualität der Patienten ([Abb. 5])
Natürliche Polyphenole
Es gibt natürliche Polyphenole, die in Anwesenheit erhöhter zellulärer Metallkonzentrationen bzw. aktivierter NADPH:Quinon Oxidoreduktasen via Superoxid- und Semiquinonradikale stark prooxidativ wirken [10]
[55]. Die Bioaktivierung von Phenolen in der Tumorzelle kann zu einer signifikanten Erzeugung von Superoxid-, H2O2 und Semiquinon-Radikalen mit schädlicher Wirkung auf die metallreichen malignen Zellen führen [107]
[116]. Wie früher gezeigt, verhalten sich Polyphenolmischungen in Anwesenheit von Schwermetallen prooxidativ, mit Autooxidation zu Semiquinon-Radikalen, Bildung von Superoxid und Wasserstoffperoxid, verbunden mit einer hochsignifikanten Steigerung des Redoxpotentials in situ ([Abb. 6]) [55]. Die antitumorale Wirkung der phenol- und quinonhaltigen Therapeutika basiert weitgehend auf der Aktivität der Mikrosomalen NADPH:Quinon-Oxidoreduktase, welche in verschiedenen Tumorarten stark exprimiert ist und solche Therapeutika in einen tumorselektiven Art bioaktiviert [107]
[116]. Die natürlichen Polyphenole verdanken ihre antitumorale Aktivität dem gleichen prooxidativen Mechanismus [4]
[55]
[154]. Aktuelle Studien weisen auf eine signifikante antitumorale Aktivität des Curcumins in humanen Gliom-Implantaten hin, begleitet von einer Hemmung der Angiogenese und einer deutlichen Verlängerung der Überlebensspanne [106]. In Kombination mit Chemotherapeutika wie Cisplatin oder Docetaxel wurde in Mausmodellen von Kopf- und Hals- bzw. Ovarialkarzinomen eine Hemmung der Tumorwachstumsrate bis zu 96% erreicht [27]
[72].
Abb. 6 Substituierte Phenole können in Anwesenheit von Cu2+ oder Fe3++ prooxidativ wirken [55].
Ausschaltung der intrazellulären Redose
Ein weiterer Therapieansatz ist die Ausschaltung der intrazellulären Redose mithilfe pro-oxidativer Verfahren wie Hyperthermie [51] und kurzem Fasten (3–5 Tage) [14]
[69] bzw. ketogener Diät [1]
[111]
[155] und regelmäßiger körperlicher Bewegung [133].
In Krebsmodellen mit Mäusen führten Kurzfasten-Zyklen zu einem gleichwertigen intratumoralen Glukoseverbrauch und Hemmung des Tumorwachstums wie bei der Behandlung mit Oxaliplatin [14]. Weiterhin führten 48-stündige Fastenzyklen in transplantierten Glioma zu signifikanten Senkungen der Blutzucker- und IGF-1-Werte im Blut, gepaart mit einer erhöhten Sensibilisierung gegenüber Radio- und Chemotherapie [121].
In weiteren Tierexperimenten konnte gezeigt werden, dass die Assoziation einer ketogenen Diät mit Radiotherapie zu einer kompletten Remission der implantierten Tumoren führte, welche auch 200 Tage nach Absetzung der ketogenen Diät zu verzeichnen war [1]. Eine für die Epilepsiebehandlung entwickelte ketogene Fertignahrung (KetoCal), verabreicht bei Mäusen mit malignem Astrozytom oder Gliom, konnte das Wachstum und die Vaskularisierung der Tumoren bis zu 65% verringern und die Überlebensrate der Tiere deutlich erhöhen [139].
Erste klinische Studien bei Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen zeigen, dass eine ketogene Diät mit Insulin-hemmendem Effekt als sicher einzustufen ist und dass die erreichte Ketonkörper-Werte positiv mit der Stabilisierung der Erkrankung oder sogar mit einer Teilremission korrelieren [36].
Basische Lösungen
Der Einsatz basischer Lösungen wie Ringer-Laktat oder NaHCO3 zur Pufferung der extrazellulären Azidose zeigt antiphlogistische und metastasenhemmende Wirkung [33]
[110]
[115]. In diesem Sinne zeigt die alleinige Anwendung von Bikarbonat eine selektive Steigerung der Tumoren-pH, verbunden mit einer gleichzeitigen Senkung der Bildung spontaner Brustkrebs-Metastasen ([Abb. 5]) sowie eine signifikante Verbesserung der Therapiewirksamkeit des Doxorubicins in Mausmodellen [110].
Protonenpumpen-Inhibitoren
Der Einsatz von Protonenpumpen-Inhibitoren aus der Omeprazol-Familie [32]
[75] führt in verschiedenen Mausmodellen des B-Zell-Lymphoms zu einer deutlichen Verlangsamung des Tumorwachstums [88] und die Inzidenz der Oesophageal-Adenokarzinome bei Patienten mit Barret’s Oesophagus sinkt signifikant [23]. Auch V-ATPase-Inhibitoren wie die Macrolidantibiotika Bafilomycin A und Concanamycin A führen zu einer ähnlichen Ansäuerung des intrazellulären Tumormillieus und zur Apoptose [98]
[105]. Dies wurde auch in klinischen Studien bestätigt: Brustkrebspatienten, die Esomeprazol vor der Chemotherapie bekommen haben, zeigten eine fast doppelte progressionsfreie Überlebenszeit in Vergleich mit der Standard-Chemotherapie-Gruppe (10,7 vs 5,8 Monate) [146].
Hemmung des Na + /H+ Antiport Systems und der Carboanhydrase
Die Hemmung des Na
+
/H
+
Antiport Systems (NHE1) führt zu intrazellulärer pHi-Senkung und Apoptose-Induktion via 5-HMA u. a. Amilorid-Derivate in Leukemia- und Hepatokarzinomazellen [47]
[67]
[83]
[113]. Interessant ist auch die Carboanhydrase (CA)-Hemmung via Acetazolamiden [3], Sulphonamiden [139]
[140], Cumarinen, Thiocumarinen oder Hydroxyzimtsäuren [80]
[81]. Die Hemmung der CA-IX mit dem monoklonalen Antikörper WX-G250 zusätzlich zu einem niedrigdosierten IFN-gamma-Protokoll führte in einer klinischen Studie mit metastatischen Nierenkarzinom-Patienten zu einer 79%igen Überlebensrate nach 2 Jahre im Vergleich mit der 30%igen Überlebensrate in der Gruppe, die die WX-G250 Infusionen abgesetzt bekommen hat [132].
Ernährungsform mit niedrigem glykämischen Index
Eine Ernährungsform mit niedrigem glykämischen Index scheint geeignet, das Tumorwachstum nicht zu fördern:
-
arm an Zucker, Mehlprodukten, Zink, Eisen, Nickel, Chrom, Folsäure, Alkohol, Glutamin, Fettperoxiden u. a. [25]
[84]
[86]
[93]
[100]
[130]
-
reich an Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D3, Carotinoiden, komplexen Kohlenhydraten, hochdosierten Enzympräparaten, Pflanzeneiweißen, Aminosäurekomplexen, Sphingolipiden, Phytosterolen, Isoflavonoiden, Polyphenolen [8]
[15]
[41]
[44]
[78], L+ Milchsäure sowie pro-oxidative Gemüse- und Fruchtsäfte ([Abb. 7]) etc.
Abb. 7 Pro-oxidative Redoxverschiebung in venösem Blut, nach Einnahme (in vivo) von 700 ml Grapefruitsaft.
Hemmung der aeroben Glykolyse
Die Hemmung der aeroben Glykolyse mithilfe spezifischer Inhibitoren der Hexokinase (Londiamine, 2-Deoxyglukose, 3-Brom-Pyruvat), der G6PDH (6-Aminonicotinamid), der Transketolase TKTL1 (Oxythiamin), der PDK-1 (Dichloracetat), der Glyceraldehydphosphat-Dehydrogenase (Clorohydrin, Ornidazole, Arsenat) und der Laktatdehydrogenase-A (Anti-RNS) bzw. der Glukosetransporters (GLUT1-3) via Genistein, 5-Thioglukose und Mannoheptulose kann ein Therapieansatz sein ([Abb. 8]) [53]
[57]
[64]
[87]
[125].
Abb. 8 Inhibitoren der Glykolyse, des Pentose-5-Phosphat-Weges und des GLUT1 in der integrativen Krebstherapie.
Seit kurzem erlauben neue Methoden die Zählung bzw. die Testung der Genexpression und der Chemosensitivität zirkulierender Tumorzellen (CTC). Deren Isolierung mithilfe monoklonaler Antikörper gegen Tumorepitopen liefert Informationen über die Eigenschaften mehrerer Tumorzentren (primär und Metastasen) und bietet eine effektive Hilfe zur Auswahl einer personalisierten Therapie [22]
[118].
Schlussbetrachtung
Die Krebszellen weisen eine hohe genetische Variabilität innerhalb des gleichen Tumors und damit eine entsprechende Therapieresistenz gegenüber klassischen Mitteln wie Chemo- und Radiotherapien auf.
Da die Redox-, pH- und Glykolyse-Verschiebungen im Tumorgewebe als Stoffwechselmarker aller Krebszellen gelten, eignen sie sich deshalb als neue Therapieziele in der modernen Onkologie.
Die hier erwähnten neuen Behandlungsansätze, per se oder in Kombination mit klassischen onkologischen Therapien, können zu einer erheblichen Erhöhung der Lebenserwartung und -qualität führen. Eine detaillierte Beschreibung der o.g. Strategien wird in einer anderen Arbeit veröffentlicht.