Neuroradiologie Scan 2018; 08(02): 159-181
DOI: 10.1055/a-0578-3693
CME-Fortbildung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neuromyelitis optica

Neuromyelitis optica
Florence Pache
,
Brigitte Wildemann
,
Friedemann Paul
,
Sven Jarius

Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik: Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Professor Dr. med. Michael Forsting, Universitätsklinikum Essen.
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Dr. Florence Pache
Charité Universitätsmedizin Berlin
NeuroCure Clinical Research Center und Klinisches und Experimentelles Forschungszentrum für Multiple Sklerose
Klinik für Neurologie
Charitéplatz 1
10117 Berlin
Telefon: ++ 49/30/450660330   
Fax: ++ 49/30/4507660330   

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. April 2018 (online)

 

Die Neuromyelitis optica mündet ohne Therapie häufig in irreversiblen neurologischen Behinderungen bis hin zu Rollstuhlpflichtigkeit und Erblindung. Dieser Beitrag vermittelt die nötigen Kenntnisse in Diagnostik, Pathogenese und Therapie, um unter verschiedensten Voraussetzungen mit einer frühzeitigen und konsequenten immunsuppressiven Behandlung weitere Schübe mit der Gefahr einer schweren Behinderung zu verhindern.


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Abstract

Neuromyelitis optica (NMO) is an autoimmune disorder of the central nervous system (CNS) that predominantly affects the spinal cord and optic nerves. The neuropathologic hallmarks comprise deposits of antibodies and complement as well as loss of astrocytes, secondary degeneration of oligodendrocytes and neurons, and necrotic lesions with infiltration of neutrophilic and eosinophilic granulocytes. Pathognomonic serum autoantibodies against aquaporin-4 (AQP4-IgG, also termed NMO-IgG) are detectable in around 80 % of NMO patients and help to distinguish this rare entity from multiple sclerosis. The target antigen of NMO-IgG, the water channel protein AQP4, is ubiquitously expressed within the CNS and, as a component of the blood-brain barrier, highly concentrated in the endfeet of astrocytes. New international consensus criteria for NMO spectrum disorders, published in 2015, allow earlier diagnosis. Besides the two index manifestations, optic neuritis and transverse myelitis, involvement of the brainstem and diencephalon is relatively common in NMO. Inflammatory lesions of the area postrema typically cause intractable nausea and vomiting and/or hiccups. NMO mostly follows a relapsing course, especially in AQP4-IgG-positive cases. The treatment of acute exacerbations comprises intravenous methylprednisolone pulses and/or plasma exchange, and prevention of attacks requires long-term therapy with immunosuppressants and/or B-cell-depleting monoclonal antibodies.


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Abkürzungen

ACE: angiotensinkonvertierendes Enzym
ADEM: akute disseminierte Enzephalomyelitis
ADH: antidiuretisches Hormon
ANCA: antineutrophile zytoplasmatische Antikörper
APRIL: proliferationsinduzierender Ligand
AQP4: Aquaporin-4
BAFF: B-Zell-aktivierender Faktor
CXCL: C-X-C-Motiv-Ligand
DNA: Desoxyribonukleinsäure
EDSS: Expanded Disability Status Scale
ELISA: Enzyme-linked Immunosorbent Assay
FSME: Frühsommer-Meningoenzephalitis
HIV: humanes Immundefizienzvirus
HTLV: humanes T-lymphotropes Virus
Ig: Immunglobulin
IL: Interleukin
LETM: Longitudinal extensive transverse Myelitis
MOG: Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein
MRZ-Reaktion: Masern-Röteln-Zoster-Antikörper-Reaktion
NMDAR: N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor
NMO: Neuromyelitis optica
NMOSD: Neuromyelitis optica Spectrum Disorders
PML: progressive multifokale Leukenzephalopathie
SLE: systemischer Lupus erythematodes
STIKO: ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts
TNF: Tumornekrosefaktor
VZV: Varizella-zoster-Virus
ZBA: zellbasierter Assay

Einleitung

Die NMO (Neuromyelitis optica) ist eine oft schwer verlaufende Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die eine rasche und konsequente Behandlung erfordert [1] [2]. Entzündungen des Rückenmarks und des Sehnervs verlaufen rezidivierend und nicht selten auch fulminant. Ohne Behandlung führen sie häufig zu irreversiblen neurologischen Behinderungen bis hin zu Rollstuhlpflichtigkeit und Erblindung. In einem nicht unbeträchtlichen Teil der Fälle ist der Hirnstamm oder das Zwischenhirn beteiligt. Supratentorielle Hirnläsionen sind zwar zu Beginn der Erkrankung selten, entwickeln sich aber bei bis zu 80 % der Fälle im weiteren Krankheitsverlauf und sind vor allem bei Erwachsenen meist auf den ersten Blick asymptomatisch [3] [4]. Eine frühzeitige und konsequente immunsuppressive Behandlung kann weitere Schübe mit dem Risiko einer schweren Behinderung in vielen Fällen verhindern.

Patienten mit rein optikospinaler Manifestation wurden bereits im frühen 19. Jahrhundert beschrieben [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13]. Im Jahr 1894 veröffentlichten Eugène Devic (1858 – 1930) und Fernand Gault (1873 – 1936) eine grundlegende Übersichtsarbeit zum Thema. Im Laufe der Jahre unterlagen die diagnostischen Kriterien der NMO zahlreichen Wandlungen. Besondere Bedeutung kommt historisch den von Wingerchuk 1999 formulierten Kriterien zu, die internationale Anerkennung fanden [14]. Diese legten den Fokus nicht nur auf die Schubschwere und den Liquorbefund, sondern vor allem auf die spinalen und kranialen MRT-Befunde [14]. Es folgte die Entdeckung direkt pathogener IgG-Antikörper (Immunglobulin-G-Antikörper), sog. NMO-IgG, gegen das astrozytäre Wasserkanalprotein AQP4 (Aquaporin-4) [15] [16] [17] [18] [19] [20]. Da diese Antikörper bei bis zu 80 % der NMO-Patienten nachweisbar sind, rückte die serologische Diagnostik in den Mittelpunkt [21] [22]. Dies führte 2006 zur Revision der diagnostischen Kriterien [23], die nun eine akute Myelitis und eine Optikusneuritis (nicht notwendigerweise gleichzeitig) sowie mindestens 2 der folgenden 3 unterstützenden Kriterien verlangten:

  • Es liegt eine kontinuierliche Myelonläsion über mindestens 3 Wirbelkörpersegmente vor (sog. LETM [Longitudinal extensive transverse Myelitis]).

  • Das zerebrale MRT erfüllt bei Erkrankungsbeginn nicht die Kriterien für eine multiple Sklerose nach Paty [24] (d. h. weniger als 4 Marklagerläsionen oder weniger als 3, wenn mindestens eine periventrikulär ist, oder normales MRT).

  • Es besteht ein positiver NMO-IgG/AQP4-IgG-Serostatus.

Der Nachweis von AQP4-Antikörpern erleichterte die Diagnose und ermöglichte unter Beibehaltung der Erfordernisse einer Myelitis und Optikusneuritis nunmehr die Diagnosestellung auch bei gleichzeitig vorliegenden Hirnläsionen. Im Jahr 2007 wurde der Begriff „NMOSD“ (Neuromyelitis optica Spectrum Disorders) als zusammenfassende Bezeichnung der NMO und ihrer AQP4-IgG-positiven limitierten Formen (isolierte Optikusneuritis, isolierte LETM u. a.) eingeführt [25]. Es zeigte sich dann, dass AQP4-IgG-seropositive Patienten hinsichtlich klinisch-radiologischer Parameter sowie auch hinsichtlich Prognose und Therapie eine abgrenzbare Subgruppe darstellen [1]. Dies führte zur bislang letzten Revision der Diagnosekriterien im Jahr 2015. Diese tragen nicht nur dem erweiterten klinischen Spektrum der NMO Rechnung, sondern berücksichtigen auch den Umstand, dass Seropositivität für AQP4-IgG eine einheitliche Pathophysiologie impliziert. Die neuen Diagnosekriterien verwenden den Terminus „NMOSD“ als Obergriff und unterscheiden nunmehr zwischen „NMOSD mit AQP4-IgG“ und „NMOSD ohne AQP4-IgG oder mit unbekanntem AQP4-IgG-Status“ ([Tab. 1]) [26] [27].

Tab. 1

Internationale Konsensuskriterien für die Diagnose von NMOSD nach Wingerchuk u. Mitarb. [26].

NMOSD mit AQP4-IgG

NMOSD ohne AQP4-IgG

positiver AQP4-IgG-Test mit der besten verfügbaren Testmethode (ZBA dringend empfohlen)

negativer AQP4-IgG-Test mit der besten verfügbaren Testmethode (ZBA dringend empfohlen) oder unbekannter AQP4-IgG-Serostatus

mindestens eines der folgenden klinischen bzw. klinisch-radiologischen Syndrome:

  • akute Optikusneuritis

  • akute Myelitis

  • akutes Area-postrema-Syndrom[*]

  • akutes sonstiges Hirnstammsyndrom

  • akutes dienzephales Syndrom oder symptomatische Narkolepsie
    + periependymale (III. Ventrikel)
    oder Hypothalamus- bzw. Thalamusläsion in der MRT

  • akutes zerebrales Syndrom
    + periependymale (Seitenventrikel) und extensive Hirnläsion in der MRT
    oder langstreckige (> ½ Länge), diffuse, heterogene oder ödematöse Balkenläsion
    oder langstreckige Tractus-corticospinalis-Läsion (ein- oder beidseitig) einschließlich Capsula interna und Hirnschenkel
    oder große, konfluierende (ein- oder beidseitige) Läsion subkortikal oder im tiefen Marklager

mindestens 2 (räumliche Dissemination) der folgenden klinisch-radiologischen Syndrome (nicht notwendigerweise gleichzeitig), davon mindestens eines Optikusneuritis, Myelitis oder Area-postrema-Syndrom:

  • akute Optikusneuritis
    + langstreckige N.-opticus-Läsion ( ≥ Hälfte des Sehnervs) oder Chiasmabeteiligung (T2w oder T1w mit Kontrastmittel) in der N.-opticus-MRT
    oder keine oder nur unspezifische Marklagerläsionen in der zerebralen MRT

  • akute Myelitis
    + langstreckige Myelonläsion ( ≥ 3 Wirbelkörpersegmente; sog. LETM)
    oder langstreckige Myelonatrophie ( ≥ 3 Wirbelkörpersegmente) bei Patienten mit passender Anamnese für eine akute Myelitis in der Vorgeschichte

  • akutes Area-postrema-Syndrom[*]
    + Beteiligung der dorsalen Medulla oblongata bzw. Area postrema in der MRT, isoliert oder in direkter Fortsetzung einer Hirnstamm- oder Myelonläsion

  • akutes sonstiges Hirnstammsyndrom
    + periependymale Läsion (IV. Ventrikel) in der MRT

  • akutes dienzephales Syndrom oder symptomatische Narkolepsie
    + periependymale (III. Ventrikel)
    oder Hypothalamus- bzw. Thalamusläsion in der MRT

  • akutes zerebrales Syndrom
    + periependymale (Seitenventrikel) und extensive Hirnläsion in der MRT
    oder langstreckige ( > ½ Länge), diffuse, heterogene oder ödematöse Balkenläsion
    oder langstreckige Tractus-corticospinalis-Läsion (ein- oder beidseitig) einschließlich Capsula interna und Hirnschenkel
    oder große, konfluierende (ein- oder beidseitige) Läsion subkortikal oder im tiefen Marklager

alternative Diagnosen ausgeschlossen

alternative Diagnosen ausgeschlossen

AQP4-IgG = Aquaporin-4-Immunglobulin G; LETM = Longitudinal extensive transverse Myelitis; N. = Nervus; NMOSD = Neuromyelitis optica Spectrum Disorders; ZBA = zellbasierter Assay

* unstillbarer Singultus (Schluckauf) und/oder unstillbare Übelkeit und Erbrechen ohne andere erklärende Ätiologie


Definition

Sofern nicht anders angegeben, wird im Folgenden in Übereinstimmung mit aktuellen internationalen Konsensusempfehlungen [26] der Begriff „NMOSD“ verwendet, der sich sowohl auf die NMO als auch auf ihre limitierten Formen bezieht.


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Epidemiologie

Die Prävalenz der NMOSD schätzt man in westlichen Ländern auf 1 – 10 pro 100 000. Dabei sind bevölkerungsbasierte Studien nur für einige Länder bzw. Regionen verfügbar [28] [29] [30]. International variiert die Prävalenz erheblich, möglicherweise auch genetisch determiniert. Die in Asien im Vergleich zur konventionellen multiplen Sklerose relativ häufige sog. optikospinale multiple Sklerose wurde als mehrheitlich mit AQP4-IgG assoziiert erkannt und unterscheidet sich in diesen Fällen nicht von der konventionellen NMO [26] [28] [31].

Merke

Wie bei anderen Autoimmunerkrankungen sind auch bei der NMO Frauen häufiger betroffen und zwar im Verhältnis von ca. 9:1 in AQP4-IgG-positiven Fällen und von ca. 3:1 in den selteneren AQP4-IgG-negativen Fällen [3] [32].

Nach bisherigem Wissen ist ein Fortschreiten der Behinderung bei NMOSD durch Häufigkeit und Schweregrad der akuten Erkrankungsschübe bestimmt: Eine schubunabhängige, schleichende Progression gilt im Gegensatz zur multiplen Sklerose als untypisch [33] [34] [35]. Der mediane Erkrankungsbeginn liegt zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr [3], Erstmanifestationen im Kindesalter und im Senium sind allerdings beschrieben [36] [37]. Häufig sind weitere Autoimmunerkrankungen (vor allem Myasthenia gravis [38], SLE [systemischer Lupus erythematodes] und Sjögren-Syndrom) als Komorbiditäten und Korrelat einer autoimmunen Prädisposition mit der AQP4-IgG-positiven NMOSD vergesellschaftet [1] [39] [40].


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Diagnostik

Klinische Symptome

Klinisch manifestiert sich die Erkrankung meist als

  • akute Myelitis mit sensiblen, motorischen und/oder autonomen Reiz- oder Ausfallerscheinungen bis hin zum vollständigen sensomotorischen Querschnitt,

  • als akute Optikusneuritis mit visuellen Defiziten bis hin zur kompletten, mitunter beidseitigen Erblindung oder

  • als akute Hirnstammenzephalitis, die häufig die Area postrema der Medulla oblongata betrifft und durch unstillbaren Schluckauf und/oder unstillbares Erbrechen gekennzeichnet ist [1] [3] [41] [42] [43] [44] [45] [46] [47].

Letzteres wurde in der Vergangenheit bei jungen Patienten bisweilen (mit zum Teil fatalem Ausgang) als Anorexie bzw. Bulimie fehlgedeutet. Zu den am meisten gefürchteten Komplikationen zählt die neurogene respiratorische Insuffizienz infolge hoher zervikaler Myelitiden oder Hirnstammenzephalitiden. Weitere, relativ seltene Manifestationen sind die Narkolepsie [48], das Syndrom der inadäquat hohen ADH-Sekretion (Sekretion des antidiuretischen Hormons) infolge von dienzephalen Läsionen sowie enzephalitische Syndrome einschließlich epileptischer Anfälle. Diese wurden vor allem bei Kindern beschrieben [49] [50]. Eine Einschränkung der Lebensqualität können auch neuropathische Schmerzen und tonische Hirnstammspasmen sowie Blasenstörungen, Fatigue, Depressionen, Schlafstörungen und möglicherweise auch kognitive Störungen bedeuten [51] [52] [53] [54] [55] [56] [57] [58] [59].


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Paraklinische Befunde

Serologie

IgG-Antikörper gegen AQP4 sollten im Serum bestimmt werden. Eine Liquorpunktion allein zum Zwecke der AQP4-Antikörper-Bestimmung ist in der Regel nicht erforderlich, da der Antikörper vor allem extrathekal produziert wird [60] [61] [62] [63]. Die zusätzliche Bestimmung von IgM-Antikörpern erhöht die Sensitivität nicht und ist methodisch problematisch [64].

Praxistipp

Empfohlen wird die Verwendung von sog. ZBA (zellbasierten Assays). Als Testsubstrat kommen dabei mit humanem AQP4 transfizierte humane embryonale Nierenzellen (HEK293-Zellen) und mock-transfizierte (mit einem leeren Vektor transfizierte) HEK293-Kontrollzellen zum Einsatz [62] [63] [65]. Andere Assays (ELISA [Enzyme-linked Immunosorbent Assay], Radioimmunopräzipitation, Immunfluoreszenz) haben in der Regel eine geringere Sensitivität und/oder Spezifität und sollten daher eher nicht mehr oder nur noch als Bestätigungstests verwendet werden [2] [20] [66] [67] [68]. Für einen ausführlichen Vergleich der Sensitivitäten und Spezifitäten der derzeit verfügbaren Tests sei auf eine kürzlich erschienene Übersichtsarbeit verwiesen [67].

Etwa 10 – 20 % aller NMO-Patienten sind jedoch auch bei Verwendung moderner ZBA persistierend negativ für AQP4-IgG. In einer aktuellen multizentrischen Kohortenstudie [69] waren

  • bei ca. 13 % der AQP4-IgG-negativen Patienten mit langstreckiger Myelonläsion über 3 und mehr Wirbelkörpersegmente,

  • bei 22 % der AQP4-IgG-negativen Patienten mit rekurrierender Optikusneuritis und

  • bei 41 % der AQP4-IgG-negativen Patienten mit Optikusneuritis und Myelitis

IgG-Antikörper gegen MOG (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein) nachweisbar. Die pathogenetische und klinische Relevanz dieser Antikörper wird gegenwärtig intensiv erforscht (s. u. und [69] [70] [71] [72] [73] [74] [75] [76] [77] [78] [79]). Eine Bestimmung von MOG-IgG bei Patienten mit AQP4-Antikörper-negativer NMOSD ist gerechtfertigt, wenn ausreichend sensitive und spezifische Assays zum Einsatz kommen.

Wie die AQP4-IgG-positive NMOSD gilt auch die MOG-IgG-positive Enzephalomyelitis inzwischen als immunpathologisch von der klassischen multiplen Sklerose abzugrenzende Erkrankung. Phänotypisch weisen AQP4-NMOSD, MOG-IgG-positive Enzephalomyelitis und multiple Sklerose jedoch zahlreiche Übereinstimmungen auf [76] [80]. Die Häufigkeit AQP4-IgG- und MOG-IgG-doppelt-positiver Fälle ist umstritten [81]. Eine aktuelle multizentrische Studie fand unter 83 AQP4-IgG-positiven und 50 MOG-IgG-positiven Patienten keine doppelt positiven Fälle [69].

Bei einmaliger Bestimmung erlauben die Antikörpertiter keine direkten Rückschlüsse auf die Krankheitsaktivität. Sehr engmaschige Titerbestimmungen wären prinzipiell zur Therapiesteuerung sinnvoll einsetzbar [82], sind aber nicht die Regel, weil sie teuer und nicht praktikabel sind. Die AQP4- und MOG-IgG-Serumtiter sind je nach Therapiestatus und Krankheitsaktivität erheblichen Schwankungen unterworfen. Deshalb sollten zum Ausschluss falsch-negativer Befunde seronegative Patienten im späteren Erkrankungsverlauf erneut getestet werden, insbesondere in therapiefreien Intervallen und im akuten Krankheitsschub. Auch sollte die Testung nach Möglichkeit generell vor Beginn einer Immuntherapie durchgeführt werden, insbesondere vor einer Behandlung mit Plasmapherese oder Immunadsorption.


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Sonstige Blutuntersuchungen

Um Differenzialdiagnosen auszuschließen, um koexistierende Autoimmunerkrankungen (häufig bei AQP4-IgG-positiver NMOSD) rechtzeitig zu erkennen sowie als Basisuntersuchung vor Therapiebeginn sind folgende Blutuntersuchungen empfehlenswert:

  • Differenzialblutbild

  • Blutsenkungsgeschwindigkeit

  • Gerinnungsstatus

  • Glukosekonzentration

  • rheumatologische Basisdiagnostik:

    • antinukleäre Antikörper und Profil der antinukleären Antikörper einschließlich Anti-Doppelstrang-DNA-Antikörper (DNA = Desoxyribonukleinsäure)

    • ANCA (antineutrophile zytoplasmatische Antikörper)

    • Kardiolipinantikörper

    • Rheumafaktoren

    • bei Verdacht auf ein Sjögren-Syndrom auch bei negativem Befund der antinukleären Antikörper SS-A(Ro)-Antikörper

Außerdem ist – wie auch bei Verdacht auf eine Sarkoidose [83] – eine augenärztliche Untersuchung indiziert. Bei Verdacht auf eine begleitende Myasthenia gravis ist ein serologisches Screening auf Azetylcholinrezeptor-, Titin- und ggf. MuSK- und LRP4-Antikörper im Serum angezeigt. Zum Ausschluss einer funikulären Myelose sollte die Vitamin-B12-Konzentration (und ggf. Folsäure) im Serum bestimmt werden [84], bei niedrig-normalen Werten zusätzlich Methylmalonsäure sowie Holotranscobalamin. Weitere Tests der neurologischen Basisdiagnostik können je nach Fragestellung eine Borrelien- und Treponemenserologie, paraneoplastische Antikörper sowie, sofern eine Sarkoidose differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen wird, den löslichen IL-2-Rezeptor (Interleukin-2-Rezeptor), Neopterin und das ACE (das angiotensinkonvertierende Enzym) umfassen. Insbesondere bei myelitischer Präsentation ist auch eine Bestimmung des Serum-Vitamin-D-Spiegels indiziert. Ein Vitamin-D-Mangel ist nämlich ein Risikofaktor für weitere Rezidive [85]. Deshalb sollte Vitamin D ggf. substituiert werden.


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Liquordiagnostik

Die Liquordiagnostik hilft, zwischen NMOSD und multipler Sklerose zu unterscheiden. Bei NMO-Patienten finden sich häufig folgende Befunde [60] [86] [87]:

  • normale Zellzahl in Remissionsphasen und leichte bis mäßige Pleozytose (gelegentlich aber auch mehr als 300 Zellen/μl) im Schub mit oft granulozytärem Anteil (Neutrophile, seltener auch Eosinophile)

  • pathologisch erhöhter Liquor/Serum-Albuminquotient als Korrelat einer Störung der Blut-Liquor-Schranke (in ca. 50 % der Fälle vorliegend)

  • meist fehlende oder nur vorübergehend vorhandene liquorspezifische oligoklonale Banden (nur in ca. 20 – 30 % der NMOSD-Proben und oft nur während akuter Attacken, aber persistierend bei mehr als 95 % der Multiple-Sklerose-Proben nachweisbar)

  • mehrheitlich unauffällige Liquor/Serum-IgG-Quotientenwerte

  • keine oder nur monospezifische MRZ-Reaktion (Masern-Röteln-Zoster-Antikörper-Reaktion)


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Magnetresonanztomografie

Bei Verdacht auf NMOSD sollten Aufnahmen der gesamten Neuroachse (zerebrale und spinale MRT) einschließlich kontrastmittelgestützter Sequenzen angefertigt werden [1].

In der spinalen MRT sind bei NMOSD-Myelitis langstreckige T2w hyperintense Signalanhebungen charakteristisch, die sich über 3 oder mehr vertebrale Segmente erstrecken ([Abb. 1]). Die Läsionen können in axialen Sequenzen den kompletten Myelonquerschnitt einnehmen und sind ansonsten mehrheitlich zentral gelegen. Teilweise kommen zentralnekrotische Areale und Kavitationen vor [4] [88]. Als sehr charakteristisch gelten sog. Bright spotty Lesions (zentral im Myelon gelegene und in T2w Sequenzen liquorisointense Läsionen) [89]. Allerdings können bei NMOSD auch kurzstreckige Signalveränderungen im Myelon vorkommen – je nach Zeitpunkt der MRT-Diagnostik bezogen auf den Beginn der klinischen Symptome [90] [91]. In Remission finden sich oft langstreckige atrophe Areale. Gegenwärtig wird diskutiert, ob es bei NMOSD gelegentlich auch unabhängig von klinischen Myelitisepisoden bzw. spinalen entzündlichen Läsionen zu einer Atrophie des Rückenmarks kommen kann [92].

Zoom Image
Abb. 1 Langstreckige, zusammenhängende Myelitis bei AQP4-IgG-positiver NMO. a Patient 1. b Patient 2.

Zerebrale kontrastmittelaufnehmende symptomatische Läsionen sind deutlich seltener als bei der multiplen Sklerose. Als sehr charakteristisch für NMOSD gelten wolkige, unscharf begrenzte Läsionen (sog. Cloud-like Enhancement [93]) sowie eine lineare Kontrastmittelaufnahme nahe dem Ependym der Seitenventrikel (sog. Pencil-thin Enhancement [94]). Supratentorielle zerebrale Läsionen sind bei Erkrankungsbeginn eher ungewöhnlich, treten jedoch bei bis zu 80 % der Patienten im weiteren Krankheitsverlauf auf [4]. Meist handelt es sich um klinisch stumme Zufallsbefunde. Außerhalb der weiter unten beschriebenen Regionen sind sie eher unspezifisch lokalisiert und imponieren meist als punktförmige kleine Läsionen [95] [96]. Anders als viele Multiple-Sklerose-Läsionen sind sie nicht ovalär und ohne zentrale Vene sowie ohne Äquivalent in den T1w Schichten (keine sog. Black Holes) [89] [90]. Im Gegensatz zur multiplen Sklerose sind bei NMOSD bisher keine kortikalen Läsionen bildgebend nachgewiesen worden [89] [90]. Bislang gibt es auch keine überzeugenden Belege einer globalen Hirnatrophie oder einer Atrophie der grauen Substanz [4] [97] [98].

Merke

Wichtig ist, dass zerebrale Läsionen eine NMOSD keinesfalls ausschließen und in typischen Lokalisationen (Thalamus, Hypothalamus und Hirnstamm, vor allem in der Area postrema und häufig periependymal) die Diagnose von NMOSD sogar unterstützen.

Daher finden sie auch in den aktuellen diagnostischen Kriterien Erwähnung (s. [Tab. 1]). Im Verlauf der Erkrankung können bei etwa 15 – 20 % der NMOSD-Patienten die Barkhof-Kriterien der multiplen Sklerose im MRT-Bild erfüllt sein [99]. Eine eingehende Diskussion der konventionellen MRT-Charakteristika sowie Befunde aus neueren MRT-Verfahren bei NMOSD finden sich in thematischen Schwerpunktartikeln [4] [100].

Typische Befunde bei akuter Optikusneuritis sind eine Signalsteigerung in fettunterdrückten T2w Sequenzen und eine Kontrastmittelanreicherung innerhalb des Sehnervs in T1w Sequenzen. Als unterstützend für die Diagnose einer NMOSD gelten insbesondere die Beteiligung beider Nn. optici, der bevorzugte Befall der hinteren Sehnervensegmente mit Ausdehnung bis in das Chiasma opticum sowie auch ausgedehnte, mehr als die Hälfte des Sehnervs betreffende Läsionen [1] [26] [73] [101]. Allerdings finden sich ähnliche Befunde wohl auch bei MOG-IgG-positiver Optikusneuritis, für die zusätzlich als fakultativer Befund eine perioptische Gadoliniumanreicherung im Schub beschrieben wurde [75] [76]. Fundoskopisch und MR-radiologisch scheint bei MOG-IgG-positiven Patienten häufiger eine Beteiligung der Sehnervpapille vorzuliegen [73] [76].


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Weitere paraklinische Untersuchungen

Eine weitere sinnvolle paraklinische Untersuchung ist die optische Kohärenztomografie, die in der klinischen Multiple-Sklerose-Forschung schon seit mehreren Jahren im Einsatz ist [102] [103] [104] [105]. Mit ihr kann man die retinale Nervenfaserschichtdicke, die Ganglionzellschicht und mikrozystische Makulaödeme in der inneren Körnerschicht nicht invasiv erfassen [106] [107]. Bei der multiplen Sklerose wurde eine Ausdünnung der retinalen Nervenfaserschichtdicke und der Ganglionzellschicht auch unabhängig von Schüben beschrieben. Im Gegensatz dazu scheint bei NMOSD der in der Regel erheblich ausgeprägtere strukturelle retinale Schaden im Wesentlichen oder sogar ausschließlich an klinisch manifeste Optikusneuritisschübe geknüpft zu sein [108] [109].

Die Bestimmung (visuell, akustisch und magnetisch) evozierter Potenziale kann hilfreich sein, um eine (auch subklinische) Beteiligung zentraler Bahnen zu ermitteln [101] [110].

Bei Verdacht auf eine Optikusneuritis sollte immer auch eine augenärztliche Vorstellung zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen und zur Visus- und Gesichtsfelddokumentation vor Therapie erfolgen.


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Differenzialdiagnosen

Merke

Die häufigste und wichtigste Differenzialdiagnose der NMOSD ist die multiple Sklerose.

Eine weitere konkurrierende Diagnose ist die ADEM (akute disseminierte Enzephalomyelitis). Sie betrifft jedoch überwiegend Kinder, tritt oft para- bzw. postinfektiös oder -vakzinal auf und manifestiert sich in Form von multifokalen und gleichzeitig das Gehirn und das Rückenmark betreffenden Demyelinisierungsherden [111]. Bei der ADEM können, insbesondere bei Kindern, (evtl. auch vorübergehend) Antikörper mit Spezifität für MOG im Serum nachgewiesen werden [111] [112].

Unter den inflammatorischen, nicht erregerbedingten Myelitiden sind vor allem die Sarkoidose [113], aber auch paraneoplastische Myelitiden (z. B. Anti-Hu, Anti-CV2 /CMRP5) sowie möglicherweise NMDAR-Antikörper-assoziierte Myelitiden (mit dem N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor-Antikörper assoziierte Myelitiden) zu berücksichtigen. Unter den erregerbedingten Myelopathien sind u. a. Tuberkulose, HTLV-1 (humanes T-lymphotropes Virus 1), HIV (humanes Immundefizienzvirus), VZV (Varizella-zoster-Virus), FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) und Lues zu nennen [114] [115]. Zu den metabolischen Ursachen einer Myelopathie zählt vor allem der Vitamin-B12-Mangel [114]. In diesem Zusammenhang wird neben nutritiven bzw. gastritisassoziierten Ursachen [114] auch eine möglicherweise autoimmun durch AQP4-IgG vermittelte Genese (s. u.) diskutiert [84] [116]. Ferner ist der erworbene Kupfermangel eine mögliche Ursache [117]. NMOSD-assoziierte Myelonläsionen können zudem spinale Astrozytome, Lymphome oder, seltener, Glioblastome vortäuschen. Vor einer elektiven spinalen Probebiopsie müssen daher immer AQP4-IgG und MOG-IgG mittels ZBA bestimmt werden [36]. Dadurch lassen sich schwere bleibende neurologische Defizite infolge eines solchen Eingriffs vermeiden, wie sie jüngst wiederholt beschrieben wurden [118] [119]. Vor allem im höheren Erwachsenenalter ist eine spinale Ischämie in Erwägung zu ziehen. In der kontrastmittelgestützten MRT stellt sich die ischämische Myelopathie meist erst mit einer zeitlichen Latenz von 1 – 2 Tagen und nicht kontrastmittelaffin dar.

Praxistipp

Vor einer geplanten Rückenmarkbiopsie sollten aus differenzialdiagnostischen Erwägungen immer AQP4-IgG und MOG-IgG bestimmt werden. Sobald – auch bei tumorverdächtigen Läsionen – AQP4-Antikörper oder MOG-IgG nachweisbar sind, muss die Indikation zur Biopsie in Rücksprache mit einem erfahrenen Zentrum interdisziplinär neu diskutiert werden. Gegebenenfalls ist zunächst ein Therapieversuch mit intravenösem Methylprednisolon (Cave: Lymphomdiagnostik!) und/oder Plasmapherese sinnvoll [118].

Bei rezidivierender, nach Ende der Steroidtherapie rasch wiederaufflammender Optikusneuritis sollte an die chronisch-inflammatorische Optikusneuritis gedacht werden. Dabei handelt es sich nach neueren Befunden um eine häufig mit MOG-IgG assoziierte Sonderform der Optikusneuritis [69] [76] [77] [78] [120] [121]. Alternativ kommen u. a. auch systemische Vaskulitiden und rheumatologische Autoimmunerkrankungen infrage [122]. Differenzialdiagnostisch sind bei Patienten mit vermuteter Optikusneuritis ferner die hereditäre Leberoptikusneuropathie sowie paraneoplastische, ischämische und erregerbedingte Optikusneuropathien zu berücksichtigen [122]. Optikusneuropathien bei NMOSD zeigen die typischen Zeichen der isolierten Optikusneuritis mit Augenbewegungsschmerz, Farbentsättigung und Schleiersehen, eine oft rasche zeitliche Dynamik im Visusabfall und häufig Skotome. Ferner sind häufiger beide Sehnerven betroffen [15] [122] [123] [124].

Merke

Prinzipiell sollten Patienten mit isolierter Optikusneuritis aufgrund der prognostischen und therapeutischen Bedeutung eines positiven Befunds immer auf AQP4-IgG und MOG-IgG untersucht werden.

Aufgrund der niedrigen Prävalenz der Erkrankung und der immer nur limitierten Spezifität diagnostischer Assays besteht jedoch wie bei jeder Screening-Untersuchung die Gefahr eines ungünstigen Verhältnisses von richtig-positiven zu falsch-positiven Ergebnissen [124]. Daher ist die Verwendung eines Assay mit hoher und in ausreichend großen Kontrollkohorten gut etablierter Spezifität unerlässlich [67] [125]. Insbesondere bei niedrigtitrigen Befunden ist eine Bestätigung in einem 2., methodisch unabhängigen Assay oder, falls nicht verfügbar, zumindest in einer Verlaufsprobe anzustreben.

Die multiple Sklerose kann ebenfalls mit Entzündungen des Myelons oder des N. opticus manifest werden. Um die NMOSD deshalb von der multiplen Sklerose im klinischen Alltag leichter abgrenzen zu können, wurden sog. Red Flags postuliert ([Tab. 2]) [26].

Tab. 2

Befunde, die eher gegen NMOSD sprechen (sog. Red Flags) [26].

Kategorie

Details

klinische Symptome und Liquorbefunde

  • zwischen den akuten Attacken stattfindende Krankheitsprogression (suggestiv für multiple Sklerose)

  • Zeitintervall von < 4 h oder > 4 Wochen bis zur maximalen Ausprägung der Symptome (z. B. suggestiv für spinale Ischämie bzw. Myelonbeteiligung bei Sarkoidose oder spinalem Tumor)

  • oligoklonale Banden auch außerhalb eines akuten Schubes: 95 % bei multipler Sklerose versus 8 % bei AQP4-IgG-positiver NMOSD [60]

  • positive MRZ-Reaktion (suggestiv für multiple Sklerose) [86] [87] [126]

Komorbiditäten, die NMOSD imitieren können

  • Sarkoidose (suggestiv: mediastinale Lymphadenopathien, Fieber, Nachtschweiß, erhöhte Serumkonzentrationen von ACE oder löslichem sIL-2 R [119] [127]

  • Neoplasien oder Paraneoplasien (z. B. Lymphome, CV2/CRMP5-Antikörper- oder Hu-Antikörper-assoziierte Optikusneuropathie und Myelopathie [128], Ma-Antikörper-assoziierte Dienzephalitis)

  • chronische Infektionen (z. B. HIV-Myelopathie, Syphilis, VZV-Reaktivierung)

radiologische Befunde

kraniale MRT:

  • multiple-Sklerose-typische Läsionen (in T2w bzw. FLAIR-Sequenzen hyperintens im Marklager, perpendikulär zu den Seitenventrikeln ausgerichtet [Dawson-Finger], angrenzend an den Seitenventrikel im unteren Temporallappen, juxtakortikal, kortikal)

  • multiple-Sklerose- und NMOSD-atypische Läsionen (z. B. über > 3 Monate anhaltende Kontrastmittelanreicherung)

spinale MRT:

  • Läsionen mit einer Längsausdehnung über < 3 vertebrale Segmente in sagittalen T2w Sequenzen (suggestiv für multiple Sklerose; kurzstreckige Läsionen aber selten auch bei AQP4-IgG möglich: 10 – 15 % mindestens einmal im Krankheitsverlauf [1])

  • vorwiegend (> 70 %) peripher im Myelon lokalisierte Läsionen in axialen T2w Sequenzen

  • diffuse, unscharf abgegrenzte Signalsteigerung in T2w Sequenzen (oft bei lange bestehender oder bei progressiver multipler Sklerose)

ACE = angiotensinkonvertierendes Enzym; AQP4-IgG = Aquaporin-4-Immunglobulin G; FLAIR = Fluid-attenuated Inversion-Recovery; HIV = humanes Immundefizienzvirus; sIL-2 R = Interleukin-2-Rezeptor; MRZ-Reaktion = Masern-Röteln-Zoster-Antikörper-Reaktion; NMOSD = Neuromyelitis optica Spectrum Disorders; VZV = Varizella-zoster-Virus

Anamnestisch und im Rahmen der klinischen und laborchemischen Untersuchung sollte man zudem auf Befunde achten, die für eine begleitende Autoimmunerkrankung sprechen. Dies gilt vor allem für Kollagenosen (z. B. Arthralgien, Myalgien, Sicca-Symptome), Myasthenia gravis und Zöliakie. Sie sind nicht selten mit AQP4-IgG-positiven NMOSD vergesellschaftet [40].


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Pathogenese

In ca. 80 % der Fälle ist die Erkrankung Folge einer gegen AQP4 gerichteten, vornehmlich humoral vermittelten Autoimmunreaktion. Dies legen zahlreiche neuropathologische, immunologische und klinische Befunde nahe [2] [66] [129] [130] [131]:

  • NMO-Läsionen sind histopathologisch durch IgG-Ablagerungen sowie Astrozytenverlust charakterisiert [132] [133] [134].

  • Dabei geht der Verlust von AQP4 dem Verlust von Glial fibrillary acidic Protein, d. h. dem Astrozytenuntergang, voraus; Myelin- und Axonverlust treten erst sekundär auf [135] [136] [137].

  • Die Injektion von AQP4-IgG-positivem Patientenserum zusammen mit humanem Komplement in Versuchstiere verursacht Läsionen des zentralen Nervensystems, die histopathologisch die Merkmale typischer NMO-Läsionen aufweisen [138].

  • Nahezu alle Patienten mit AQP4-IgG haben eine NMO(-SD).

  • Akuten NMO-Schüben geht ein Anstieg der AQP4-IgG-Serumtiter und der AQP4-IgG-produzierenden Plasmablasten im Blut voraus. Die klinische Remission ist von einem Titerabfall begleitet [68] [130] [139] [140] [141].

  • B-Zell-depletierende Therapien (z. B. Rituximab [82] [142] [143] [144]) führen sowohl zu einer Senkung der AQP4-IgG-Titer als auch zu klinischer Stabilisierung. Ein Wiederanstieg der AQP4-IgG-Titer am Ende des Therapiezyklus ist mit einem unmittelbaren Rezidivrisiko verbunden [130] [144]. Auch die Unterbindung der B-Zell-Reifung durch Blockade des IL-6-Rezeptors (Tocilizumab [145] [146] [147] [148] [149]) und IgG-depletierende Verfahren (Plasmapherese, Immunabsorption [150] [151] [152] [153] [154]) sind effektive Therapiemöglichkeiten.

  • Die Expression von AQP4 ist in den Sehnerven und im Myelon besonders hoch und findet sich dort in supramolekularen AQP4-Aggregaten, die eine verstärkte Bindung von AQP4-IgG bewirken [155]. Dies korreliert gut mit den Prädilektionsorten der AQP4-IgG-positiven NMO.

Die AQP4-IgG-vermittelte komplementabhängige Zytotoxizität gilt als wesentlicher Schädigungsmechanismus [18] [156] [157] [158]. So gehören AQP4-IgG mehrheitlich zur komplementaktivierenden IgG1-Subklasse [156] [157]. Darüber hinaus finden sich in NMO-Läsionen C9neo-Ablagerungen als Zeichen einer Aktivierung des Komplementsystems [134] [136] [159] und im Liquor ein erhöhter C5a-Spiegel [160]. Der Komplementinhibitor Eculizumab ist in der Lage, die Schubrate signifikant zu reduzieren [161] [162]. Daneben sind jedoch auch zahlreiche Immunzellen an der Pathogenese der NMO beteiligt. So sind in NMO-Läsionen [159] und/oder im Liquor im akuten Schub B-Zellen, T-Zellen, neutrophile und eosinophile Granulozyten und Makrophagen nachweisbar [3] [14] [60]. Proinflammatorische Zytokine (IL-6, BAFF [B-Zell-aktivierender Faktor], APRIL [proliferationsinduzierender Ligand], CXCL13 [C-X-C-Motiv-Ligand 13]) schaffen ein B-Zell-freundliches Milieu. Immunregulatorische Elemente wie IL-10 oder regulatorische B-Zellen werden hingegen supprimiert [163] [164] [165] [166] [167]. Die Rolle weiterer Botenstoffe des zentralen Nervensystems sowie von freigesetztem Glutamat und dadurch entstehender glutamatvermittelter Übererregbarkeit wird kontrovers diskutiert [2] [168] [169] [170]. Der Umstand, dass auch einige AQP4-IgG-seronegative Patienten auf antikörperdepletierende Therapien ansprechen, legt nahe, dass in diesen Fällen andere Autoantikörper eine Rolle spielen könnten (MOG-IgG, NMDAR-IgG, Antikörper unbekannter Spezifität [171]). Die Rolle weiterer zellulärer Elemente des Immunsystems in der Pathogenese der NMO wie z. B. von T-Zellen oder neutrophilen Granulozyten usw. ist aktuell Gegenstand der Forschung [172] [173]. Das bisweilen fehlende Ansprechen auf B-Zell-depletierende Therapien ist evtl. durch langlebige AQP4-spezifische, autoreaktive Plasmazellen in Knochenmarksnischen erklärbar, die von gegen CD20 gerichteten Therapien nicht erreicht werden. So wurde es für den SLE bereits gezeigt [174].

Eine ausführlichere Darstellung der Pathogenese der AQP4-IgG-positiven NMO findet sich in der Literatur [2] [66] [130].


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Therapie

Die NMOSD ist eine chronische und meist schubförmig verlaufende Erkrankung. Die Therapie basiert auf 3 Säulen:

  • Behandlung akuter Schübe mit Glukokortikosteroiden und/oder Aphereseverfahren

  • Rezidivprophylaxe mittels einer immunsuppressiven Langzeittherapie

  • Verbesserung der Residualsymptome (Schmerz, Spastik, Blasenstörungen, sensible Ataxie) durch symptomatische Therapie und rehabilitative Maßnahmen

Merke

Von entscheidender Bedeutung ist es, akute Schübe der NMOSD rasch und konsequent (evtl. eskalierend) zu behandeln und weitere Schübe zu verhindern.

Die krankheitsbedingte Behinderung nimmt bei Patienten mit NMOSD, anders als bei Patienten mit multipler Sklerose, fast ausschließlich durch die Schübe bedingt weiter zu. Die Remissionstendenz unbehandelter Schübe ist oft schlecht und das Mortalitätsrisiko ist vor allem hoch, wenn die Schübe hohe zervikale Regionen und den Hirnstamm betreffen [1] [175] [176] [177]. Derzeit fehlen kontrollierte Studien zur Behandlung der NMOSD. Alle Empfehlungen beruhen daher auf retrospektiven Auswertungen sowie auf Expertenempfehlungen [1] [178] [179].

Therapie akuter Schübe

Methylprednisolon

Für die Therapie akuter NMOSD-Attacken stehen mehrere Optionen bzw. ein Eskalationsschema zur Verfügung [1] [175] [176]. Ähnlich wie bei der multiplen Sklerose wird zunächst nach klinischem und paraklinischem Ausschluss eines Infekts Methylprednisolon intravenös in einer Dosierung von 1000 mg/Tag über einen Zeitraum von 3 – 5 Tagen unter Magenschutz (vorzugsweise mit Protonenpumpeninhibitor) und Thromboseprophylaxe verabreicht. Letztere ist bei immobilisierten Patienten, Ultrahochdosistherapie und erhöhtem Thromboserisiko obligat. In einer größeren japanischen Fallserie sprachen die schubassoziierten Symptome bei NMOSD allerdings weniger gut auf Methylprednisolon an als bei multipler Sklerose [180]. Fakultativ kann die Steroidtherapie oral ausgeschlichen werden [181].


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Plasmapherese

Da eine initiale Schubtherapie mit Kortikosteroiden viele NMOSD-Attacken nur unzureichend beeinflusst, ist bei einer unvollständigen Remission nach dem ersten Therapiezyklus eine Therapieeskalation mit antikörpereliminierenden Aphereseverfahren indiziert (Plasmapherese, Immunadsorption) [1] [182]. Gemäß einer retrospektiven Arbeit kann eine Kombinationstherapie mit Kortikosteroiden und Plasmapherese (nacheinander verabreicht) im Schub den Wert auf der EDSS (Expanded Disability Status Scale) wirkungsvoller verbessern als intravenöse Kortikosteroide alleine [183]. Zur Plasmapherese werden meist 5 – 7 Zyklen mit Plasmaaustausch an jedem 2. Tag durchgeführt, je nach Schweregrad und Ansprechen der Symptome auch mehr [1]. Davon profitieren sowohl AQP4-IgG-seropositive als auch AQP4-IgG-seronegative Patienten [184] [185]. Bei bekanntem fehlendem Ansprechen auf Methylprednisolon kann auch direkt eine Plasmapherese zur Therapie eines schwereren Schubes initiiert werden, vor allem bei isolierten Myelitisschüben [185]. Dieses Vorgehen ist vor allem bei rekurrierender Myelitis vorteilhaft und könnte einer Pulstherapie mit Methylprednisolon überlegen sein [185].


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Immunadsorption

Die Datenlage zur Immunadsorption ist begrenzt. Eine der Plasmapherese vergleichbare Wirksamkeit gilt allerdings als wahrscheinlich [185]. Eine Immunadsorption bietet sich insbesondere an, wenn eine Plasmapherese aufgrund von Kontraindikationen nicht durchgeführt werden kann, z. B. bei einer bekannten Allergie gegen Fremdeiweiß sowie möglicherweise in der Schwangerschaft (s. u.). Bei guter Verträglichkeit kann auch eine Methylprednisolon-Pulstherapie in eskalierender Dosis (täglich 2000 mg intravenös über weitere 5 Tage) in Betracht kommen. Sie scheint allerdings hinsichtlich Verträglichkeit und Effektivität der Therapieeskalation mittels Plasmapherese unterlegen zu sein [185].


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Rezidivprophylaxe

In Anbetracht der als gesichert geltenden Autoimmunpathogenese der NMOSD kommen verschiedene Immunsuppressiva zum Einsatz. Aufgrund der Seltenheit der NMOSD fehlen jedoch kontrollierte prospektive Studien, sodass gegenwärtig alle Wirkstoffe „off Label“ eingesetzt werden. Dabei werden vor allem Azathioprin (bei moderatem Verlauf), in der Wirklatenzphase (3 – 6 Monate) meist in Kombination mit oralen Steroiden, und Rituximab als Substanzen der ersten Wahl verwendet [1] [179]. Wie für immunsupprimierte Patienten allgemein üblich, sollten die aktuellen Leitlinien der STIKO (der ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts) berücksichtigt werden.

Info

Unbedingt zu beachten ist, dass einige Multiple-Sklerose-Therapeutika wie Interferon-β [145], Natalizumab [186] [187] [188], Glatiramerazetat [189], Fingolimod [190] und mutmaßlich auch Alemtuzumab [148] [191] bei NMOSD-Patienten vermutlich wirkungslos sind oder den Krankheitsverlauf sogar wesentlich verschlechtern können. So können sie die Schubfrequenz erhöhen und zum Teil fulminante Schübe auslösen [35] [186] [190] [192] [193] [194] [195]. Ähnliches könnte auch für MOG-IgG-assoziierte Fälle gelten [76].

Azathioprin

Durch unspezifische Effekte unterdrückt Azathioprin als Purinantimetabolit die Regeneration von Lymphozyten. Dadurch ergibt sich ein robuster immunsuppressiver Effekt, wenn Azathioprin in einer Dosierung von etwa 2 – 3 mg/kg Körpergewicht verwendet wird. In einer retrospektiven Auswertung größerer Kohorten konnte Azathioprin die Schubraten um 72 bzw. 66 % reduzieren und die neurologischen Behinderungen bei zahlreichen Patienten stabilisieren [196] [197]. Dabei ergab eine retrospektive Studie, dass eine körpergewichtsadaptierte Dosierung von mindestens 2 mg/kg Körpergewicht der in Deutschland oft standardmäßig verordneten Tagesdosis von 150 mg therapeutisch überlegen sein könnte [197].

Das Nebenwirkungsspektrum der Substanz ist vor allem durch Blutbildveränderungen und Leberwerterhöhungen charakterisiert. Die optimale therapeutische Wirksamkeit wird durch Lymphozytenwerte zwischen 600 und 1000/μl und eine Erhöhung des Erythrozytenvolumens um 5 % angezeigt [1] [53] [197]. Da die Wirkung von Azathioprin sich erst nach etwa 3 – 6 Monaten entfaltet und in diesem Zeitraum das Rezidivrisiko möglicherweise erhöht ist, muss überlappend mit oralen Kortikosteroiden (z. B. Prednisolon) behandelt werden. Vor Therapiebeginn kann die Aktivität der Thiopurinmethyltransferase bestimmt werden, da bei genetisch bedingter verringerter Enzymaktivität mit einer schlechteren Verträglichkeit und dem Risiko einer Agranulozytose zu rechnen ist [1].

Merke

Bei langjähriger Anwendung von Azathioprin sowie hoher Intensität der Immunsuppression steigt das Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome und andere Malignome, insbesondere Karzinome der Haut. Es sollte daher auf einen guten Sonnenschutz geachtet werden.


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Rituximab

Die Therapie der NMO und NMOSD mit dem monoklonalen CD20-Antikörper Rituximab gilt gemäß retrospektiver Studien als relativ gut verträglich und reduziert die Schubraten in 87,0 – 96,3 % der Fälle bzw. führt in 44,0 – 77,0 % der Fälle zu anhaltender Schubfreiheit. Rituximab gilt als eines der am besten zur Rezidivprophylaxe der NMOSD geeigneten Immunsuppressiva. Prospektive Vergleichsstudien fehlen jedoch bislang [143] [198] [199] [200]. Die Wirkung beruht auf einer Verminderung der im Blut zirkulierenden CD20-positiven B-Zellen bis unter die Nachweisgrenze.

Cave

Das Hauptrisiko bei Verwendung dieses chimären Antikörpers besteht in allergischen Reaktionen auf Fremdeiweiß sowie in Infektionen.

Die verwendeten Schemata orientieren sich an rheumatologischen Behandlungskonzepten. Am häufigsten kommt die intravenöse Gabe von jeweils 1000 mg Rituximab an den Tagen 1 und 15 zum Einsatz, gefolgt von halbjährlichen Infusionen von je 1 oder 2 × 1000 mg. Alternativ können initial 375 mg/m2 Körperoberfläche einmal pro Woche in 4 aufeinanderfolgenden Wochen verabreicht werden. Diese festen Dosierungsschemata bergen das Risiko, dass vor Ablauf von 6 Monaten wieder B-Zellen im Blut nachweisbar sind. Daneben gibt es die Möglichkeit eines engmaschigen B-Zell-Monitoring mit Redosierung im Fall einer Rekonstitution von CD19+- oder CD20+-B-Zellen bzw. CD27 + -Memory-B-Zellen [179]. Zur maximalen Therapiedauer gibt es derzeit keine klaren Empfehlungen; kumulative Effekte sind nicht bekannt. Bislang ist unklar, ob bei langfristiger Behandlung eine reduzierte Dosis zur suffizienten Suppression der Krankheitsaktivität ausreicht. Darüber hinaus ist zu beachten, dass in den ersten Wochen nach dem initialen Therapiezyklus Schübe vorkommen können, mutmaßlich infolge einer vorübergehenden Erhöhung der Konzentration proinflammatorischer Zytokine wie IL-6, BAFF und TNF-α (Tumornekrosefaktor α) [201] [202].

Vor Beginn einer Rituximab-Therapie müssen mehrere Aspekte beachtet werden:

  • Das immunologische Gedächtnis wird zu dem Zeitpunkt der ersten Rituximab-Infusion „eingefroren“. Daher sollte der Impfstatus für Totimpfstoffe (gemäß den geltenden Leitlinien der STIKO) unbedingt und mit ausreichender Vorlaufzeit (möglichst 2 Wochen) überprüft und nach Bedarf aufgefrischt werden.

  • Eine Reaktivierung von latenten Infektionen ist möglich. Zum Ausschluss einer Tuberkulose sollte mindestens ein Röntgenthorax, möglichst aber ein Quantiferon-Test durchgeführt werden. Sollte dieser positiv ausfallen, ist zu überlegen, ob eine alternative Therapie eingeleitet werden kann oder eine Prophylaxe für die Dauer der Rituximab-Therapie durchgeführt werden muss. Außerdem sollten eine Hepatitisserologie und ggf. auch ein HIV-Test veranlasst werden.

  • Unter Therapie mit Rituximab sind Fälle von PML (progressiver multifokaler Leukenzephalopathie) aufgetreten, wenngleich dies bisher keine NMOSD-Patienten betraf. Über dieses PML-Risiko müssen die Patienten mit der Möglichkeit zu ausreichender Bedenkzeit aufgeklärt werden.

Offenbar besteht zudem das Risiko einer Hypogammaglobulinämie, die im Zusammenspiel mit der Rituximab-induzierten Leukopenie für infektiöse Komplikationen prädisponierend sein könnte [203]. Vor den jeweiligen Rituximab-Infusionen sollten die Patienten klinisch-neurologisch untersucht und es sollte ein Infekt ausgeschlossen werden. Danach kann nach Prämedikation (1000 mg Paracetamol, 100 mg Prednisolon, 4 mg Dimetindenmaleat intravenös) mit der Infusion unter Beachtung einer langsamen Tropfgeschwindigkeit begonnen werden.


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Mycophenolatmofetil

Mycophenolatmofetil konnte die Schubraten im Vergleich zum Zeitpunkt vor Behandlungsbeginn deutlich reduzieren (um 74 – 88 %) [198] [199] [200] [204] [205]. Die orale Tagesdosis, verteilt auf 2 Gaben, betrug in den bisher verfügbaren Studien im Mittel 2000 mg (gewichtsadaptiert, variierend von 750 – 3000 mg). Die Lymphozytenwerte sollten auf 1000 – 1500 /μl abfallen. Die Wirklatenz kann bis zu 3 Monaten betragen, sodass in der Zwischenzeit eine Therapie mit oralen Kortikosteroiden sinnvoll scheint [198]. Bei NMOSD-Patienten ist unter Mycophenolatmofetil-Therapie bisher kein PML-Fall aufgetreten, wohl aber in der Indikation nach Organtransplantation [206]. Nebenwirkungen, die im Rahmen der NMOSD-Therapie berichtet wurden, waren u. a. eine erhöhte Fotosensibilität der Haut, Exantheme sowie eine erhöhte Infektanfälligkeit.


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Interleukin-6-Rezeptor-Blockade

Der humanisierte monoklonale Antikörper Tocilizumab ist ein IL-6R-Antagonist (ein Antagonist des Interleukin-6-Rezeptors) ohne aktivierende Eigenschaften und wirkt pleiotrop antiinflammatorisch. Tocilizumab hemmt u. a. die Differenzierung von B-Zellen in antikörpersezernierende Plasmazellen und das Überleben der Plasmazellen. Dies ist relevant, da bei NMOSD Plasmablasten sowohl im Blut als auch im Liquor numerisch erhöht sind, IL-6 in erhöhten Konzentrationen messbar ist und Hinweise auf eine Stimulation zur IL-6-Produktion durch AQP4-IgG bestehen [140] [167] [207]. Tocilizumab wurde als relativ sichere und wirksame Therapieoption für anderweitig therapierefraktäre Patienten beschrieben [145] [146] [147] [148] [149].


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Intravenöse Immunglobuline

Intravenöse Immunglobuline werden erfolgreich zur Behandlung verschiedener neuroimmunologischer Erkrankungen eingesetzt, u. a. bei Guillain-Barré-Syndrom und in der myasthenen Krise. Die pleiotropen Effekte umfassen u. a. die Neutralisation von Autoantikörpern, die Blockade von Fcγ-Rezeptoren und Immunzellaktivierung und die Komplementinhibition [47]. Bislang gibt es nur sehr kleine Fallserien zu NMOSD, in denen die Anzahl der Schubraten unter Therapie mit intravenösen Immunglobulinen verringert wurde [1] [179] [208]. In Einzelfällen wurde intravenöses Immunglobulin auch zur Behandlung akuter NMOSD-Attacken erfolgreich eingesetzt [209].


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Mitoxantron

Trotz relevanter Nebenwirkungen (insbesondere Kardiotoxizität [210] [211] und erhöhtem Leukämie- [212] und Darmkrebsrisiko [213]) ist Mitoxantron eine mögliche Therapiealternative zu den vorgenannten Immunsuppressiva. Mitoxantron hemmt die Topoisomerase II, stört die Regeneration von Lymphozyten und Makrophagen und inhibiert dadurch die B-Zell-Aktivierung [214]. In mehreren Fallserien wurde eine deutliche Reduktion um 75 bzw. 80 % der jährlichen Schubrate und bei einem Teil der Patienten sogar Schubfreiheit beobachtet [182] [215] [216] [217].


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Methotrexat

Zur Wirksamkeit des Folsäureantagonisten Methotrexat liegen 3 kleine Fallserien vor, in denen die Schubraten um 64 bzw. 87 % reduziert waren, zum Teil unter Kombinationstherapie mit weiteren Immunsuppressiva. Bei einem Teil der Patienten kamen gar keine Schübe mehr vor [218] [219] [220].


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Ciclosporin A und Tacrolimus

Zu diesen beiden Kalzineurininhibitoren gibt es ebenfalls nur Daten aus kleinen Fallserien. Die Wirkstoffe wurden oft zusammen mit Prednisolon verabreicht und erzielten bei einem Teil der Patienten Schubfreiheit und eine Stabilisierung des Behinderungsgrads, gemessen am EDSS-Score [221] [222].


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Cyclophosphamid

Dieses Alkylans ist außer für die Therapie von Leukämien und Lymphomen auch zur Behandlung einiger Autoimmunerkrankungen zugelassen, darunter SLE und Vaskulitiden. Es zeigte in 3 kleinen Fallserien mit 4, 5 und 7 Patienten keinen signifikanten Effekt bzw. sogar eine Verschlechterung bei einigen Behandelten, sodass Cyclophosphamid bislang nicht allgemein empfohlen werden kann [182] [200] [223].


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Ausblick auf neue Therapiemöglichkeiten

In klinischen Studien befinden sich aktuell u. a. B-Zell-depletierende monoklonale Antikörper gegen CD19 [224] sowie gegen den Komplementfaktor C5a [161] [162] und kompetitive, nicht pathogene AQP4-spezifische Antikörper [225]. Zur Behandlung von Schüben werden im Rahmen von klinischen Studien u. a. der Angiogenesehemmer Bevacizumab [226] und C1-Esterase-Inhbitoren eingesetzt [227]. Ein Überblick dazu findet sich in der Literatur [182].

Merke

Die Therapie der NMOSD muss nach aktuellen Kenntnissen immunsuppressiv erfolgen. Viele der gängigen Multiple-Sklerose-Medikamente sind unbedingt zu vermeiden.


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Sondersituationen

Schwangerschaftswunsch und Schwangerschaft

Eine Schwangerschaft ist bei NMOSD-Patientinnen nicht grundsätzlich kontraindiziert. Trotz zunehmender Erfahrung zur Basis- und Schubtherapie ist die Datenlage zum aktuellen Zeitpunkt jedoch weiterhin begrenzt. Ergebnisse retrospektiver Studien weisen auf eine möglicherweise leicht erhöhte Schubrate in der Schwangerschaft hin [228] [229]; evtl. ist der Triggermechanismus ein erhöhtes Antigenangebot bei plazentar reichlich exprimiertem AQP4 [230]. Darüber hinaus besteht wohl ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten und Präeklampsie [231]. Aus Einzelfallberichten [230] und tierexperimentellen Studien gibt es Hinweise auf eine entzündliche Schädigung auch der Plazenta durch AQP4-IgG [232] [233].

Merke

Einige Autoren schließen daraus, dass eine Schwangerschaft vertretbar sei, die Patientinnen jedoch engmaschig überwacht werden müssten [231] [234].

Vor Konzeption sollte man klären, ob isoliert oder im Rahmen eines konkomitanten SLE gleichzeitig ein Antiphospholipidsyndrom besteht. In diesem Fall werden eine spezialisierte rheumatologische Mitbetreuung sowie ggf. die präventive Gabe von Heparin (möglichst niedermolekular aufgrund des Sicherheitsprofils [235]) während der gesamten Schwangerschaft zur Vermeidung venöser Thrombosen sowie von niedrigdosierter Azetylsalizylsäure zur Prophylaxe arterieller Embolien empfohlen [236] [237].

Eine nützliche Quelle neben den jeweiligen Fachinformationen zur möglichen Therapieumstellung vor einer geplanten Schwangerschaft findet sich auf der von der Charité – Universitätsmedizin Berlin unterhaltenen Internetseite zur Embryotoxizität verschiedenster Substanzen [238]. Dort sind unter Berücksichtigung des zu diesem Thema eingeschränkten Kenntnisstands krankheitsübergreifend Empfehlungen zu Immunsuppressiva und Schwangerschaft aufgeführt:

  • Azathioprin hat während der Schwangerschaft ein eher günstiges Risikoprofil.

  • Mycophenolatmofetil ist während der Konzeption und Schwangerschaft kontraindiziert; es liegt ein Rote-Hand-Brief bezüglich schwerwiegender Teratogenität vor, der eine sichere Verhütung für Frauen und Männer erfordert.

  • Für Rituximab wird bei Kinderwunsch eine Umstellung empfohlen, sofern medizinisch vertretbar. Dabei berichten 2 Einzelfallberichte einen günstigen Schwangerschaftsverlauf für Mutter und Kind nach versehentlicher Rituximab-Gabe [239] [240].

  • Eine Therapie mit Prednisolon birgt ein erhöhtes Risiko für Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten beim Kind und für die Entwicklung einer diabetogenen Stoffwechsellage, für Thrombosen und für psychiatrische Nebenwirkungen bei der Mutter. Die Erhaltungsdosis zwischen Woche 8 und 11 sollte möglichst 10 mg/Tag nicht überschreiten. Das dürfte jedoch bei hoher NMOSD-Krankheitsaktivität keinen ausreichenden Schutz erbringen.

Kommt es während der Schwangerschaft zu einem akuten Schub, ist als Alternative zur Plasmapherese eine Behandlung mittels Immunadsorption zu erwägen. Denn diese erfordert im Vergleich zur Plasmapherese keinen Ersatz des Plasmas durch Fremdpräparate (z. B. Humanalbumin oder Fresh frozen Plasma). Dadurch wird auch das Risiko einer allergischen Reaktion reduziert. Darüber hinaus hat dieses Verfahren einen geringeren Einfluss auf die Blutgerinnung. Die möglichen Nebenwirkungen einer Methylprednisolon-Stoßtherapie (s. o.) rechtfertigen womöglich einen ersten Therapieversuch mittels Immunadsorption. Einschränkend gilt jedoch, dass bislang nur wenige Ergebnisse zum therapeutischen Nutzen der Immunadsorption bei NMOSD publiziert wurden.


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Ältere Patienten

Nach Befunden aus 2 Fallserien zur Erstmanifestation von NMOSD im Senium sind Schübe im höheren Lebensalter häufig schwer und gehen mit einer höheren Behinderungsrate und schubassoziierter Morbidität einher [36] [241].

Merke

Im Umgang mit älteren NMOSD-Patienten sind Komorbiditäten und Begleittherapien zu beachten, die ggf. die Akuttherapie oder die Rezidivprophylaxe im Hinblick auf Nebenwirkungen verkomplizieren.


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Pädiatrische Manifestationen von Neuromyelitis optica Spectrum Disorders

Bezüglich der Besonderheiten der pädiatrischen NMOSD wird auf Übersichtsartikel verwiesen [26] [242]. Zusammengefasst wird davon ausgegangen, dass es sich prinzipiell um dieselbe Erkrankung mit einer etwas abweichenden klinischen Präsentation handelt. So wurden bislang etwas häufiger monophasische Krankheitsverläufe beobachtet (bei zum Teil jedoch relativ kurzer Nachbeobachtungszeit) und klinisch manifeste Hirnläsionen beschrieben. Eine Herausforderung ist die Abgrenzung zur ADEM. Im Gegensatz zur ADEM, die oft mit MOG-IgG assoziiert ist, können allerdings auch bei der pädiatrischen NMOSD meist AQP4-Antikörper nachgewiesen werden.

Merke

Auch bei pädiatrischer NMOSD ist die Bestimmung von AQP4-IgG stets angezeigt.


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Komorbiditäten

AQP4-IgG-seropositive NMOSD treten nicht selten in Verbindung mit anderen systemischen oder organspezifischen Autoimmunerkrankungen auf [3] [6] [17]. Autoimmune Komorbiditäten sind insbesondere

  • SLE [40] [243] [244],

  • Sjögren-Syndrom [40] [243] [244] [245] [246] [247],

  • Myasthenia gravis [38] [39],

  • seltener auch Zöliakie [248] [249],

  • autoimmun vermittelte Vitamin-B12-Defizienz [84] [116] und

  • Schilddrüsenerkrankungen [3].

Läsionen des zentralen Nervensystems bei AQP4-IgG-seropositiven Patienten mit begleitenden systemischen Autoimmunerkrankungen wie SLE und Sjögren-Syndrom werden heute in aller Regel als AQP4-IgG-vermittelte Schädigung interpretiert. Ein eigenständiger Beitrag der Kollagenose (z. B. vaskulitisch) ist im Einzelfall jedoch möglich [40] [124] [243] [244] [250]. Der Umstand, dass die AQP4-IgG-positiven NMOSD meist ohne begleitende Kollagenose auftreten, legt nahe, dass es sich um eigenständige, aber auf Grundlage einer ausgeprägten autoimmunen Prädisposition gelegentlich zusammen vorliegende Entitäten handelt. Die Immunsuppression bei solchen Überlappungssyndromen kann ggf. beide Entitäten wirksam beeinflussen, wie z. B. für die IL-6R-Blockade mit Tocilizumab berichtet [251]. In solchen Fällen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen internistisch-rheumatologischen und neurologischen Abteilungen angezeigt.


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Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-Enzephalomyelitis

Trotz sensitiver Testmethoden bleiben etwa 20 % der Patienten mit NMOSD-Phänotyp auch dann noch AQP4-IgG-seronegativ, wenn die Tests wiederholt werden. Die genauere Charakterisierung einer Untergruppe von Patienten, die Antikörper gegen MOG aufweisen und sich mit Myelitis, Optikusneuritis oder auch einem ADEM-ähnlichen Bild (vor allem pädiatrische Patienten) vorstellen, ist Gegenstand der aktuellen Forschung [71] [72] [75] [252] [253]. Die MOG-Enzephalomyelitis ist eine immunpathophysiologisch klar von der AQP4-IgG-positiven NMO abgrenzbare Entität [70] [74]. Die Immunreaktion ist gegen ein oligodendrozytäres Protein gerichtet, sodass es sich um eine primär demyelinisierende Erkrankung handelt. Wie AQP4-IgG wird auch MOG-IgG vornehmlich außerhalb des zentralen Nervensystems gebildet und kann daher besser im Serum als im Liquor nachgewiesen werden [69]. In der Behandlung der MOG-Antikörper-vermittelten Erkrankung ist aktuell nicht eindeutig geklärt, welche Patienten einer immunsuppressiven Basistherapie bedürfen. In der Vergangenheit wurden auf Grundlage kleinerer Fallserien mit kurzer Nachbeobachtungszeit eine spontane Schubremission sowie ein insgesamt günstiger Krankheitsverlauf auch ohne immunsuppressive Therapie postuliert. Neuere Studien bestätigen dies jedoch nicht: Auch die MOG-IgG-assoziierte Optikusneuritis und Myelitis nimmt – zumindest bei Erwachsenen – mehrheitlich einen rezidivierenden Verlauf und kann unbehandelt zu schwerer Behinderung bis hin zu Erblindung und Gehbehinderung führen [69] [76] [77] [78] [254] [255] [256].

Merke

Eine immunsuppressive Dauertherapie sollte daher auch bei MOG-IgG-positiven Patienten immer erwogen werden.

In Deutschland beschäftigt sich die Neuromyelitis-optica-Studiengruppe, die auch ein Patientenregister unterhält, seit vielen Jahren wissenschaftlich mit Fragen der Autoimmunpathogenese, Epidemiologie, Diagnostik und Therapie der NMO. Einen Überblick über die beteiligten Studienzentren findet sich auf der Homepage der Studiengruppe [1] [178] [257].


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Fazit

Vor 20 Jahren war die NMO noch durch rasche Progredienz und eine hohe Sterblichkeit gekennzeichnet (5-Jahres-Überlebensrate: 68 % bei schubförmigem Verlauf). Heute sind Todesfälle selten geworden. Der Langzeitverlauf lässt sich durch eine frühe und langfristige immunsuppressive Behandlung sowie durch eine konsequente, frühe und ggf. eskalierende Therapie akuter Schübe (einschließlich Plasmapherese) deutlich verbessern. Die NMOSD wird somit zunehmend zu einer behandelbaren chronischen Erkrankung. Dennoch birgt ihre Behandlung weiterhin enorme (auch interdisziplinäre) Herausforderungen, die weitere Studien erfordern. So liegen bislang aufgrund der niedrigen Prävalenz der Erkrankung keine großen, randomisierten kontrollierten Therapiestudien vor. Auch fehlen Daten zur Behandlung in Sondersituationen wie bei Überlappungssyndromen oder in der Schwangerschaft und zur Therapieeskalation bei schweren therapierefraktären Verläufen weitgehend. Die Entdeckung von AQP4-IgG hat es ermöglicht, die NMO meist sicher von der multiplen Sklerose abzugrenzen. Dies ist von entscheidender therapeutischer Bedeutung, weil einige Medikamente, die erfolgreich zur Behandlung der multiplen Sklerose eingesetzt werden (z. B. Interferon-β, Natalizumab), den Verlauf der AQP4-IgG-positiven NMOSD wesentlich verschlechtern können. Neue internationale Konsensuskriterien und sog. Red Flags helfen bei der Abgrenzung AQP4-IgG-negativer Patienten mit NMO von der konventionellen multiplen Sklerose. Der Nachweis von AQP4-IgG sollte mittels zellbasierter Assays erfolgen. Bei AQP4-IgG-seronegativen Patienten ist eine Wiederholung des Tests zu einem späteren Zeitpunkt ratsam; ferner wird eine Testung auf MOG-IgG empfohlen.

Kernaussagen
  • Die NMO ist eine autoimmun vermittelte entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die insbesondere das Rückenmark und die Sehnerven betrifft. Neuropathologisch ist die NMO durch Antikörper- und Komplementablagerungen, Astrozytenverlust, nekrotische Veränderungen mit Infiltration neutrophiler und eosinophiler Granulozyten und sekundären Untergang von Oligodendrozyten und Neuronen gekennzeichnet.

  • Bei der Abgrenzung gegenüber der klinisch ähnlichen, aber deutlich häufigeren multiplen Sklerose hilft insbesondere der Nachweis von Autoantikörpern gegen AQP4 (AQP4-Antikörper, NMO-IgG). AQP4-Antikörper können im Serum bei über 80 % der NMO-Patienten nachgewiesen werden.

  • Das Zielantigen des Autoantikörpers, das Wasserkanalprotein AQP4, wird ubiquitär im zentralen Nervensystem, jedoch in höchsten Konzentrationen in den Endfüßchen von Astrozyten der Glia limitans interna und externa exprimiert. Es bildet in dieser Lokalisation einen wichtigen Bestandteil der Blut-Hirn-Schranke.

  • Neben den beiden Indexmanifestationen Optikusneuritis und Myelitis kommen häufig auch Hirnstamm- und Dienzephalitiden vor. Als besonders charakteristisch gilt das Area-postrema-Syndrom, das durch entzündliche Läsionen in der dorsalen Medulla verursacht wird und durch unstillbaren Schluckauf und/oder unstillbares Erbrechen gekennzeichnet ist.

  • Die klinischen Symptome der NMO treten meist schubförmig auf; bei AQP4-IgG-negativen Patienten verläuft die Erkrankung selten auch monophasisch.

  • Akute Schübe werden mit hochdosierten intravenösen Steroiden und/oder Plasmapherese behandelt. Zur Rezidivprophylaxe ist eine Therapie mit Immunsuppressiva oder B-Zell-depletierenden Therapien essenziell.


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Erstveröffentlichung und Erratum

Dieser Artikel wurde in Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85: 100 – 114 erstveröffentlicht. Erratum: Im Beitrag „Neuromyelitis optica“ (Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85: 100 – 114) befand sich im englischen Abstract ein Komma zwischen „(CNS)“ und „that“, das gelöscht wurde.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Korrespondenzadresse

Dr. Florence Pache
Charité Universitätsmedizin Berlin
NeuroCure Clinical Research Center und Klinisches und Experimentelles Forschungszentrum für Multiple Sklerose
Klinik für Neurologie
Charitéplatz 1
10117 Berlin
Telefon: ++ 49/30/450660330   
Fax: ++ 49/30/4507660330   

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Abb. 1 Langstreckige, zusammenhängende Myelitis bei AQP4-IgG-positiver NMO. a Patient 1. b Patient 2.