Pneumologie 2018; 72(08): 555-556
DOI: 10.1055/a-0573-2269
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Obdachlose: hohe Infektionsraten – Screening alleine genügt nicht

Alridge RW. et al.
High prevalence of latent tuberculosis and bloodborne virus infection in a homeless population.

Thorax 2018;
DOI: 10.1136/thoraxjnl-2016-209579.
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Publication History

Publication Date:
08 August 2018 (online)

 

In Großbritannien wurde festgestellt, dass Obdachlose in Städten häufig von einer aktiven Tuberkulose betroffen sind. Eine aktuelle Untersuchung von Robert W. Aldridge et al. vom University College in London prüfte die Inzidenz einer latenten Tuberkuloseinfektion (LTBI) und daneben auch verschiedener blutgebundener Infektionen sowie die entsprechende Versorgung von Obdachlosen in London.


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Im Rahmen der Querschnittsuntersuchung mit Nachbeobachtung wurde zwischen Mai 2011 und Juni 2013 insgesamt 804 Menschen in Obdachlosenunterkünften ein Infektionsscreening angeboten. 491 (61,1 %) waren bereit teilzunehmen.

Die LTBI-Prävalenz lag bei 16,5 % (81/491; 95 % Konfidenzintervall [KI] 13,2 – 19,8). Unter den in UK geborenen Personen war die Prävalenz mit 9,5 % immer noch deutlich höher als in der britischen Allgemeinbevölkerung. Bei diesen Patienten war zudem ein vorangegangener Gefängnisaufenthalt nach Berücksichtigung von Einflussfaktoren wie Alter, Dauer der Obdachlosigkeit oder Konsum illegaler Drogen mit einem mehr als dreifach erhöhten Risiko für eine LTBI gegenüber nicht inhaftierten Landsleuten assoziiert (Odds Ratio [OR] 3,49; 95 % KI 1,10 – 11,04; p = 0,018).

Drei der LTBI-Betroffenen hatten nach den englischen Leitlinienempfehlungen zum Studienzeitpunkt eine Behandlungsindikation, keiner nahm die Behandlungsmöglichkeit wahr. Neueren Empfehlungen zufolge wären sogar 76 der 81 Personen mit LTBI behandlungsbedürftig gewesen.

Hepatitis-Infektion ebenfalls verbreitet

Die Prävalenz einer akuten oder durchgemachten Hepatitis-B-Infektion lag in der Kohorte bei 10,4 % (51/489; 95 % KI 7,7 – 13,1), nicht immun waren 59,5 % (291/489). Demnach würden in dieser Population viele Personen von einer Impfung profitieren. Diejenigen mit illegalem Konsum von Injektionsdrogen waren mit einer höheren Wahrscheinlichkeit geimpft als andere – wahrscheinlich aufgrund gezielter Impfmaßnahmen in dieser Population.

Die Prävalenz einer aktuellen Hepatitis-C-Infektion betrug 10,4 % (51/489) und lag auch bei den nicht Drogen konsumierenden Probanden wieder deutlich über der Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung. Behandlungsangebote wurden auch hier selten angenommen.

Personen mit LTBI hatten zu 37 % eine Koinfektion mit Hepatitis B oder C, zu 16,2 % auch mit beidem. Die Autoren weisen darauf hin, dass dies bei der LTBI-Therapie wegen einer möglichen Lebertoxizität berücksichtigt werden muss.

Fazit

Die hohen Prävalenzraten von LTBI, aber auch Hepatitis B und C und die geringe Inanspruchnahme weist auf einen besonderen Bedarf in der Population der Obdachlosen hin. Die Autoren empfehlen ein Fallmanagement, das über die Testung hinweg fortdauert. So könnte eine höhere Akzeptanz von Therapie und Hepatitis-B-Impfung erreicht werden. Auch von der Verfügbarkeit der kürzeren Interferon-freien Hepatitis-C-Therapie erhoffen sich die Autoren eine Verbesserung in der Versorgung.

Friederike Klein, München

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Obdachlose in London sind besonders häufig von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Hepatitis C betroffen. Bildquelle: elavuk81/Adobe Stock

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Obdachlose in London sind besonders häufig von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Hepatitis C betroffen. Bildquelle: elavuk81/Adobe Stock