Zeitschrift für Palliativmedizin 2009; 10(2): 74-76
DOI: 10.1055/s-2009-1225595
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Nicht onkologische Palliativmedizin - Thesen zur palliativen Versorgung von Patienten mit Demenz

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Publication Date:
22 June 2009 (online)

 

Die hier vorgestellten Thesen wurden in einem Konsensusverfahren in mehreren Sitzungen der AG Nichttumorpatienten der DGP (ergänzt durch E-Mail-Kommunikation) erarbeitet. Sie sind ein Versuch, in aller Kürze die gesundheitspolitische Bedeutung, wesentliche Orientierungen und Probleme in der praktischen Versorgung von Patienten mit Demenz aufzuzeigen sowie zur Diskussion insbesondere mit Vertretern anderer Fachgesellschaften und Gruppierungen anzuregen, die in der Betreuung demenzkranker Menschen engagiert sind.

Unter dem Begriff Demenz werden Erkrankungen unterschiedlicher Genese mit Gedächtnisstörungen, Störungen des Denkens, der Orientierung und der Urteilsfähigkeit sowie anderen Persönlichkeitsveränderungen mit unterschiedlichen, jedoch meist chronisch progredienten Verläufen zusammengefasst. Bis zum Jahr 2050 wird die Zunahme der Demenzkranken von derzeit 1 Mio. auf über 2 Mio. geschätzt. Demenz ist fast immer, aber nicht ausschließlich, eine Erkrankung des fortgeschrittenen Alters und häufig kombiniert mit weiteren medizinischen und psychosozialen Problemen. So kann bei Demenzkranken in allen Erkrankungsstadien palliativer Versorgungsbedarf bestehen. Die Betreuung alter und dementer Menschen stellt eine zentrale gesundheitspolitische und sozialpolitische Herausforderung für die nahe Zukunft dar.

Ähnlich wie in der palliativen Versorgung von Menschen mit Tumorerkrankungen sollte in der Betreuung von Patienten mit einer Demenzerkrankung und deren Angehörigen schon frühzeitig, d. h. zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, nicht nur auf Aufklärung und spezielle Therapiemöglichkeiten, sondern auch auf palliative Gesichtspunkte geachtet werden, sodass der Krankheitsverlauf durch eine umfassende Vorsorgeplanung (Advance Care Planing) optimal begleitet werden kann.

Der vertrauensvolle Dialog und die kompetente Begleitung im Verlauf der Erkrankung und bei Krankheitsprogression sind wichtige Voraussetzungen, um den komplexen medizinisch-sozialen und ethischen Problemen im Einzelfall, im Respekt vor der Autonomie und den Wertvorstellungen des Betroffenen, angemessen entsprechen zu können.

Besonders bei fortgeschrittenem Verlauf, wenn die Entscheidungsfähigkeit des Demenzkranken verloren gegangen ist, treten palliative Gesichtspunkte in den Vordergrund, um ein Leben mit höchstmöglicher Qualität zu gewährleisten, aber auch ein Sterben in Würde zuzulassen. Gerade dann erfordert die Begegnung mit dem Betroffenen und seinen Angehörigen in besonderer Weise, auch dessen Willen in seiner Bedeutung für andere zu berücksichtigen. Eine von allen Beteiligten in sterbenahen Situationen getragene einfühlsame Kommunikation kann dazu beitragen, im Konsens zu verantwortungsvollen medizinischen Entscheidungen zu gelangen und ein Sterben unter menschenwürdigen Bedingungen zu ermöglichen.

Literatur

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01 Weitere Mitglieder der AG Nichttumorpatienten die an dem Konsensusprozess beteiligt waren: Georg Bollig, Heidrun Golla, Marion Kutzner, Mathias Pfisterer, Brigitte Stübben, Cornelia Wichmann.

02 H. Christof Müller-Busch hat als Ansprechpartner des Vorstands die Arbeit der AG in diesem Verfahren begleitet