Zeitschrift für Palliativmedizin 2008; 9(2): 56-57
DOI: 10.1055/s-2008-1082356
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Palliative Sedierung - Implementierung eines standardisierten Verfahrens in einem stationären Hospiz

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Publikationsdatum:
11. Juli 2008 (online)

 

Das Hospiz am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf betreut seit 1994 schwerstkranke und sterbende Menschen und ihre Angehörige sowohl im stationären Bereich mit 13 Einzelzimmern als auch mit einem ambulanten Palliativpflegedienst in der häuslichen Umgebung. Über den Träger "Stiftung Evangelisches Krankenhaus" war von Beginn an eine Kooperation mit der Abteilung für Anästhesie und Schmerztherapie gewährleistet, sodass über die übliche hausärztliche Betreuung der Patienten hinaus werktäglich (am Wochenende in Rufbereitschaft) eine Kollegin aus der Schmerztherapie mit langjähriger palliativmedizinischer Erfahrung im stationären Hospiz anwesend ist. Sie versorgt die Patienten in Absprache mit den Hausärztinnen.

In jedem Jahr werden ca. 140-150 Patienten im stationären Hospiz betreut und ebenso viele zu Hause. Trotz der hochqualifizierten palliativen Pflege, der guten Zu-sammenarbeit zwischen Hausärztinnen und Palliativmedizinerin, der Einbindung von Ehrenamtlichen und der intensiven hospizlichen Betreuung1[1] der Patienten und ihrer Angehörigen, bleibt in einer kleinen Anzahl von Fällen dennoch das vom Patienten empfundene Leid für diesen subjektiv unerträglich.

Bei den in solcher Weise betroffenen Patienten wurde in den vergangenen Jahren ca. 3- bis 5-mal jährlich eine palliative Sedierung als "Ultima Ratio" durchgeführt. Sie ersetzt in keinem Fall die intensive personelle Betreuung, Fürsorge und Zu-wendung zum Patienten und seinen Angehörigen. Die Betreuung eines sedierten Patienten stellt sowohl für das Pflegeteam als auch für die Angehörigen[2] immer eine besondere Herausforderung und in manchen Fällen auch eine erhebliche Belastung dar. Dabei spielen sowohl unterschiedliche Erwartungen an ein sogenanntes "gutes Sterben"[3], auch innerhalb des Hospizteams, als auch die verschie-denen moralisch-ethischen Grundhal-tungen[4] der betroffenen Menschen eine Rolle. Die grundsätzliche Sinnhaftigkeit und ethische Vertretbarkeit des Einsatzes einer palliativen Sedierung als letzte Therapieoption bei einem durch keine andere Maßnahme stillbarem Leid muss vom gesamten Pflegeteam anerkannt und in jedem Fall ergebnisoffen diskutiert werden. Dennoch gab es in der Vergangenheit durchaus unterschiedliche Meinungen innerhalb unseres Teams zur Einleitung einer solchen Sedierung[5].

Aufgrund dessen war es unser Ziel, die geführten Gespräche (Fallkonferenzen) vor Beginn einer Sedierung strukturierter zu führen, durch ein einheitliches Verfahren transparenter zu gestalten und für alle Teammitglieder nachvollziehbar zu protokollieren. Im Folgenden wird dieser Prozess beschrieben, der zur Entwicklung des standardisierten Fragebogens "Palliative Sedierung im Hospiz am EVK" geführt hat:

Zunächst wurde im Herbst 2006 ein Klausurtag mit allen hauptamtlichen Mitarbeiterinnen des Hospizes durchgeführt. Zum Auftakt wurden die unterschiedlichen Aspekte dieses Themas von den einzelnen Teammitgliedern dargestellt und gesammelt. Anschließend hielt Prof. Lukas Radbruch, Aachen, ein Impulsreferat zur Klärung der Definition und Verfahrensweisen. Anhand konkreter Fallbeispiele aus der Vergangenheit wurde das "Pro und Contra palliative Sedierung" der einzelnen Mitarbeiterinnen gehört. Im nächsten Schritt bildete sich eine Arbeitsgruppe aus 5 Krankenschwestern, der Pflegedienstleitung, der Hospizleitung und der Schmerztherapeutin, die an insgesamt 6 Treffen den Fragebogen entwickelten. 4 Mitglieder der Arbeitsgruppe besuchten eine Fortbildung[6] zum Thema und hatten Gelegenheit, sich dort mit Kolleginnen aus anderen Einrichtungen auszutauschen. Nach der Fertigstellung des Fragebogens lasen ein Jurist, Prof. Hans Lilie, Halle-Wittenberg, und ein Theologe, Prof. Hartmut Kreß, Bonn, kritisch das Skript. Nach Einarbeitung ihrer Hinweise wurde im letzten Schritt an einem Dokumentationsbogen für laufende Sedierungen gearbeitet. Auf der Grundlage der freundlicherweise von Herrn Prof. Christof Müller-Busch, Berlin, und Frau Dr. Ilse Delagardelle, Trier, zur Verfügung gestellten Vorlagen, haben wir nach Einarbeitung einiger Modifikationen daraus einen eigenen Dokumentationsbogen entwickelt.

Das so entstandene standardisierte Verfahren wird nun seit dem 1.7.2007 in unserem Hospiz angewendet. Für alle Teammitglieder ist damit die Grundlage geschaffen worden, sich diesem komplexen und emotional belastenden Thema zu stellen und sich auf die nach diesem Verfahren gefällten Entscheidungen - für oder gegen die Durchführung einer angefragten palliativen Sedierung (unabhängig von der eigenen Einstellung in diesem konkreten Fall) - einlassen zu können.

Fragebogen und Dokumentationsbogen können von der Homepage der DGP herunter geladen werden:

www.dgpalliativmedizin.de.

Für die Arbeitsgruppe 'Palliative Sedierung', Hospiz am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf:

Dr. Susanne Hirsmüller,

Ulrich Lilie,

Dr. Renate Held-Hildebrand,

Barbara Brokamp,

Tanja Birk,

Dorothee Kleine,

Ursula Kohrsmeier,

Bianca Papendell,

Monika Treletzki-Woerner

Endnoten

01 Hospizliche Betreuung meint: unter Berücksichtigung der physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse der Patienten nach dem Konzept des "total pain" von Dame Cicely Saunders.

02 Zur Information der Angehörigen kann im englischen Sprachraum auf sogenannte 'patient pages' zurückgegriffen werden die u. a. die Themen "Palliative Sedation" (JAMA 2005; 294: 1850), "Hospice Care" (JAMA 2006; 295: 712) und "Palliative Care" (JAMA 2005; 293: 1410) verständlich erläutern. http://jama.ama-assn.org/cgi/search?fulltext=Patient+Page

03 Ethik in der Medizin 2004; 16 (4): 369-377.

04 Salomon vertritt die Ansicht, dass "terminale Sedierung [...] nicht nur auf Situationen beschränkt sein (muß), bei der körperliche Symptome nicht anders beherrschbar sind. Sie ist nicht ultima ratio, sondern eine Facette von Sterbebegleitung" und "terminale Sedierung ist menschenwürdig, wenn sich in ihr ausdrückt, dass der Sterbende seine Bedeutung für andere Menschen nicht verloren hat und er nicht in die Einsamkeit abgeschoben werden soll." Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie; 8 (2): 19-22. http://www.kup.at/kup/pdf/6453.pdf

05 Vergleiche hierzu auch die "Entscheidungskaskade zur terminalen Sedierung bei Palliativpatienten" von Radbruch und Nauck in Aulbert E, Radbruch L, Nauck F. Lehrbuch der Palliativmedizin. Stuttgart: Schattauer; 2007: 1029-1035. http://82.139.217.185/schatt/gv/pdf/379452361X/aulbert_kap5.pdf

06 Caritas Akademie Köln Hohenlind, 14.3.2007 Ethikforum: Palliative Sedierung - Neuorientierung oder Grenzüberschreitung?