Der Klinikarzt 2008; 37(5): 225
DOI: 10.1055/s-2008-1081270
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Internistische Intensivmedizin - Der beatmete Patient

Karl Werdan, Matthias Winkler
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Publication Date:
13 June 2008 (online)

Die Intensivmedizin gehört zu den kostenintensivsten Bereichen der medizinischen Versorgung in einem Krankenhaus. Sie führt immer dann zu Verlusten, wenn es zu Komplikationen während der Intensivbehandlung kommt. Besonders gefährdet sind dabei die langzeitbeatmeten Patienten, da eine akut lebensbedrohliche Erkrankung regelmäßig mit erheblichen Komorbiditäten einhergeht. Daher beschäftigen sich alle vier Beiträge dieser Ausgabe des klinikarzt mit dieser Patientengruppe.

Zunächst befassen sich Dr. Gerold Soeffker, Halle, und seine Koautoren mit der Beatmung als solches - mit ihrem Nutzen, aber auch den multiplen Risiken. Differenzierte Beatmungstechniken wie die lungenprotektive oder die nichtinvasive Beatmung erlauben es dem Intensivmediziner heute, patienten- und krankheitsorientiert die geschädigte Lungenfunktion vorübergehend bestmöglich zu ersetzen und beatmungsassoziierte Schäden auf ein Minimum zu reduzieren. Wünschenswert wäre eine breitere Akzeptanz und Anwendung dieser mittlerweile evidenzbasierten Beatmungsformen.

Viele unserer beatmeten Intensivpatienten haben eine schwere Sepsis oder einen septischen Schock. Dr. Joachim Wilhelm, Halle, gibt zusammen mit seinen Koautoren einen aktuellen Überblick über die erst kürzlich erneuerten Leitlinien der Sepsisbehandlung. Dieser Beitrag zeigt, wie wichtig der Zeitfaktor bei unseren Therapiebemühungen ist. Bei der Behandlung des Herzinfarktes ist dies für uns selbstverständlich, nicht aber bei der Sepsistherapie.

Prof. Michael Holzer und Prof. Anton N. Laggner aus Wien fokussieren auf die wegen eines Kreislaufstillstandes reanimierten Patienten. Der relativ neue therapeutische Ansatz der milden Hypothermie steht dabei ganz im Mittelpunkt. Er ist wissenschaftlich gut untersucht und muss als eine der wenigen evidenzbasierten Therapien für diese Patientengruppe flächendeckend etabliert werden. Zuletzt geht es in dem Beitrag von Dr. Matthias Winkler, Halle, und seinen Koautoren um aktuelle Strategien zur Prophylaxe und Therapie der zwar seltenen aber doch lebensbedrohlichen gastrointestinalen Komplikationen wie Leberfunktionsstörungen, Ileus und Darmischämie.

Leider können im Rahmen dieses Themenhefts nicht alle wichtigen Aspekte angesprochen werden. Unerwähnt bleiben mussten zum Beispiel die Critical-illness-Neuropathie, -Myopathie und -Enzephalopathie. Sie können das Weaning unserer beatmeten Intensivpatienten erheblich erschweren und damit ihren Aufenthalt auf der Intensivstation erheblich verlängern. Diese Organschädigung von Nerven, Muskeln und Gehirn bindet erhebliche Ressourcen und muss in Zukunft mehr in das Forschungsinteresse gestellt werden.

Unter dem stärker werdenden finanziellen Druck erscheinen ethische Aspekte der Beatmung besonders markant. So wird es in Zukunft nicht mehr möglich sein, langzeitbeatmete Patienten bis zur vollständigen Entwöhnung vom Respirator auf der Intensivstation zu behandeln. Vor allem lang dauerndes Weaning bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) wird spezialisierten Rehabilitationskliniken überlassen werden müssen. Ebenso ist der Druck hoch, neurologisch Geschädigte immer rascher in Pflegeeinrichtungen oder Rehabilitationseinrichtungen zu verlegen. Unser Ziel muss es dennoch bleiben, den Versorgungsstandard für diese pflegeaufwendige Patientengruppe - trotz knapper Personaldecke in diesen Einrichtungen - aufrechtzuerhalten.

Prof. Dr. Karl Werdan
Dr. Matthias Winkler

Halle