Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - P158
DOI: 10.1055/s-2008-1079061

Auftreten von Kammerflimmern unter Orciprenalin-Infusion bei einem Neugeborenen mit konnatalem AV-Block III° und Long-QT-Syndrom

A Reinhold 1, A Pohl-Schickinger 1, G Krings 2, J Will 2, A Loui 1, F Berger 2
  • 1Klinik für Neonatologie, Charité-Universitätsklinikum Berlin, Berlin
  • 2Klinik für Kinderkardiologie, Charité-Universitätsklinikum Berlin, Berlin

Hintergrund: Das Long-QT-Sndrom (LQTS) kann Synkopen und plötzlichen Herztod durch polymorphe ventrikuläre Tachykardien verursachen. Ursächlich für das angeborene LQTS sind genetisch bedingte Dysfunktionen kardialer Ionenkanäle mit gestörter ventrikulärer Repolarisation; Medikamente und metabolische Störungen können zu einem erworbenen LQTS führen. Mit 85% am häufigsten sind das LQTS 1, 2 und 3. Die Vererbung erfolgt überwiegend autosomal-dominant, die Zahl der Genträger liegt bei ca 1:10000. Klinische Diagnosekriterien, welche im Schwartz-Score erfasst werden, sind eine verlängerte QTc-Zeit, Symptome wie Synkopen und eine positive Familienanamnese. Die molekulargenetische Untersuchung ermöglicht eine weitere Risikostratefizierung, da verschiedene Mutationen mit unterschiedlichem Risiko für kardiale Ereignisse einhergehen. Wichtig ist die Familienuntersuchung, um weitere Betroffene (präklinisch) zu diagnostizieren. Therapeutische Optionen bestehen in der hochdosierten Gabe von Betablockern, Vermeidung körperlicher Anstrengung und die Implantation eines Cardioverter/Defibrillator (ICD) bei Hochrisikopatienten. Kasuistik: Beim Neugeborenen waren bereits pränatal Herzrhythmusstörungen aufgefallen. Die Geburt erfolgte per primärer Secio nach 35+3 SSW (APGAR 8/8, NA-pH 7,32, GG 2440g). Postnatal bestand ein AV-Block III°, aufgrund der Bradykardie wurde eine Orciprenalin-Infusion gestartet. Hierunter kam es zu Kammerflimmern, nach Reanimation Stabilisierung des Herzrhythmus zu einem AV-Block I-II°. Bei Nachweis einer verlängerten QTc-Zeit von 530ms wurde ein LQTS diagnostiziert, Beginn einer Propranolol-Therapie mit 5mg/kg/d. Darunter erneutes Auftreten eines AV-Block III° mit einer Kammerfrequenz von 30/min und nicht messbaren Blutdruckwerten. Am 18. Lebenstag erfolgte die Implantation eines Einkammer-Schrittmachers mit ventrikulärer epikardialer Elektrode (VVI-Modus), die Propranolol-Mediaktion als antitachykarder Schutz bei LQTS wurde fortgeführt. Entlassung im Alter von 4 Wochen, zu diesem Zeitpunkt bestand intermittierender Eigenrhythmus bzw eine Kammerstimulation über den Schrittmacher bei AV-Block III°. Weitere ventrikuläre Tachykardien waren nicht aufgetreten. Bei der Familienuntersuchung wurde auch beim Vater eine verlängerte QTc-Zeit von 590ms festgestellt. Er wird seit seiner Jugend wegen konvulsiver Synkopen antiepileptisch behandelt. Bei einer erneuten Evaluation wurde eine Epilepsie ausgeschlossen. Es erfolgte die Einstellung auf einen Betablocker, bei weiteren Symptomen ist die Implantation eines ICD indiziert. Schlussfolgerung: Im vorliegenden Fall löste die Gabe von Orciprenalin bei AV-Block III° und gleichzeitigem Vorliegen eines LQTS eine maligne Tachykardie aus. Primäre Therapie beim LQTS ist eine hochdosierte Betablocker-Therapie, bei Hochrisikopatienten die Implantation eines ICD. Geräte für NG stehen jedoch nicht zur Verfügung. Der Fall des Vaters verdeutlicht, dass bei der Abklärung von Synkopen immer ein LQTS ausgeschlossen werden muss.