Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - P156
DOI: 10.1055/s-2008-1079059

Postpartales Vorhofflattern eines LBW-Frühgeborenen nach akzidenteller präpartal-maternaler Valproinsäureüberdosierung

A Krauth 1, U Seitz 1, J Kühr 1
  • 1Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Städtisches Klinikum gGmbH, Karlsruhe

Hintergrund: Im Rahmen einer Valproinsäure (VPA)-Intoxikation kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen, meist hepatotoxischer, neurologischer oder hämatopoetischer, selten kardialer oder hämodynamischer Art. Über die fetale und postpartale VPA-Metabolisierung und –elimination gibt es nur wenige Daten, vereinzelt existieren Fallberichte über neonatologische Intoxikationen. Primäre (Carbo medicinalis) und sekundäre (Hämoperfusion, -filtration, -dialyse und Hämodiafiltration) Detoxikationsmöglichkeiten stehen zur Verfügung, sind aber wenig evaluiert. Falldarstellung: Aufgrund einer vorbekannten Epilepsie mit peripartaler Zunahme der Absencen bei Astrozytomrezidiv erhielt die Mutter akzidentell eine erhöhte VPA-Dosis (12g, maximaler Serumspiegel 295µg/ml, therapeutischer Bereich 50–100µg/ml). Etwa fünf Stunden später (maternaler VPA-Spiegel retrospektiv zwischen 147 und 74,7µg/ml) erfolgte nachts die eilige Sectio eines Frühgeborenen (31+6 SSW, Gewicht 1790g, APGAR 6/9/9, NA-pH 7,34). Postpartal entwickelte das Mädchen eine Vorhoftachykardie bis 270/min. Bei respiratorischem Versagen bei RDS 4° erfolgte eine Surfactantsubstitution, bei arterieller Hypotonie eine Dopamingabe. Unter Adenosin demaskierte sich die Rhythmusstörung kurz als Vorhofflattern von einer 2:1- auf eine 5:1-Überleitung. Bei weiter bestehender Tachykardie trotz Propafenon (als Therapieversuch vor indizierter elektrischer Kardioversion) erfolgte im Inkubator am beatmeten Kind in Rechtsseitenlage die Kardioversion mit einem Joule (ventrodorsale Positionierung der auf Kindergröße reduzierten Paddels). Anschließend etablierte sich ein altersentsprechend normofrequenter Sinusrhythmus. Auffällig war nach Extubation am fünften Lebenstag eine persistierende Vigilanzstörung und Muskelhypotonie. Der maximal gemessene VPA-Serumspiegel lag bei 93,6µg/ml (37 Stunden postpartal, Initialblut stand für einen postpartalen Messwert leider nicht mehr zur Verfügung), nach 15 Tagen lag er noch bei 4µg/ml. Hepatotoxische oder hämorrhagische Nebenwirkungen traten nicht auf. Ein Vitium cordis wurde echokardiographisch ausgeschlossen. Auf eine sekundäre Detoxikation (z.B. Peritonealdialyse) wurde verzichtet. Nach dem weiteren kardial und neurologisch unauffälligen Verlauf konnte das Mädchen in altersentsprechend normalem Allgemeinzustand entlassen werden. Diskussion: Anamnestisch-klinisch gab es retrospektiv keine andere schlüssige Erklärung für diese bei Frühgeborenen als Rarität zu bezeichnende Rhythmusstörung als die maternale VPA-Überdosierung, zumal bekannt ist, dass der fetale Serumspiegel in etwa gleicher Höhe mit dem maternalen korreliert. Hier auffällig und in der Literatur bislang wenig beschrieben ist die Kinetik der gegenüber Kindern und Erwachsenen erheblich verlangsamten VPA-Elimination bei Frühgeborenen. Als erschwert aber dennoch durchführbar gestaltete sich die Kardioversion im Inkubator.