Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - P110
DOI: 10.1055/s-2008-1079014

Persistierende linke obere Hohlvene mit Drainage in den rechten Vorhof

C Weisser 1, J Rücker 1
  • 1Sonderauftrag Neonatologie, Landeskrankenhaus, Salzburg, Österreich

Einleitung: Die Insertion zentralvenöser Katheter zur parenteralen Ernährung ist eine gängige Prozedur auf einer neonatologischen Intensivstation. Zur Dokumentation der korrekten Katheterlage wird in aller Regel nach dessen Anlage eine Sonographie bzw. eine radiologische Kontrolle durchgeführt. Kasuistik: Bei einem Frühgeborenen wurde zur parenteralen Ernährung ein peripher inserierter zentraler Venenkatheter gelegt. Nach problemloser Punktion der linken Cubitalvene und widerstandsfreiem Vorschieben des Katheters kam dessen Spitze in der nachfolgenden radiologischen Bildgebung auf der linken Mediastinalseite zur Darstellung. Eine versehentliche arterielle Punktion erschien klinisch unwahrscheinlich. Der Ausschluss einer intraarteriellen Lage war weder über eine Blutgasbestimmung noch über eine Druckmessung möglich. Die Antizeption einer möglichen anatomischen Variante führte rasch zur Diagnose. Diskussion: Die Persistenz der linken oberen Hohlvene stellt eine seltene Anomalie des oberen Hohlvenensystems dar, zählt aber gleichzeitig zu den häufigsten Venenanomalien. Sie findet sich in 0,1–0,2% der Normalbevölkerung, jedoch in bis zu 8% bei bestimmten kardialen Vitien. Da sie meist hämodynamisch nicht wirksam ist, wird sie klinisch selten diagnostiziert. In über 90% erfolgt die Drainage in den rechten Vorhof, entweder direkt oder über den sinus coronarius. Gelegentlich bleibt zusätzlich eine rechte obere Hohlvene bestehen, welche dann selten mit der linken kommuniziert. Ursache ist eine fehlende Degeneration der linken oberen Kardinalvene in utero. In der frühen Embryonalzeit besteht der sinus venosus aus einem transversalen Anteil mit einem rechten und linken Horn, in welches jeweils eine obere und untere Kardinalvene sowie eine Umbilikal- und Dottervene münden. Der Zusammenfluss dieser paarig angelegten 4 Gefäße wird als linke bzw. rechte vena cardinalis communis (Ductus Cuvieri) bezeichnet. Im weiteren Verlauf bilden sich die proximalen Abschnitte der linken Dotter- und Nabelvene zurück. Aus der rechten Dottervene entwickelt sich die untere Hohlvene. In der 6.–8. Embryonalwoche werden die Ductus Cuvieri in den sinus coronarius inkorporiert. Nach Bildung der linken vena brachiocephalica aus der Anastomose zwischen den beiden oberen Kardinalvenen beginnt die linke obere Kardinalvene proximalseitig zu obliterieren. Hieraus resultiert das spätere Marshall-Band. Diese Obliteration kann entfallen und es verbleibt eine linke obere Hohlvene. Neben der klinischen Relevanz im Rahmen kardialer Fehlbildungen besteht eine Assoziation zu Rhythmusstörungen, da häufig Entwicklungsstörungen von Sinus- und AV-Knoten sowie des His-Bündels bestehen. Das echokardiographische Bild einer linken oberen Hohlvene mit Mündung in den sinus cornarius zeigt einen dilatierten sinus coronarius als rundliche Struktur dorsal der AV-Klappenebene. Dieser Fall demonstriert das diagnostische Dilemma und die zugrundeliegende anatomische Anomalie, welche Neonatologen und Radiologen geläufig sein sollte.