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DOI: 10.1055/s-2008-1078993
Variationen im Energiegehalt der Muttermilch: Eine verbrennungskalorimetrische Untersuchung
Hintergrund und Fragestellung: Trotz der angestrebten hochkalorischen Ernährung werden bei Frühgeborenen immer wieder Phasen ungenügenden Gedeihens beobachtet. Eine Ursache hierfür sind Variationen im Energiegehalt der Muttermilch, der im Einzelfall mehr oder weniger von dem Standardwert von 68kcal bzw. 286 kJ/100ml abweichen kann. Um die Bedeutung dieses Faktors abzuschätzen, wurden an einer Zufallsstichprobe von einer Neu- und Frühgeborenenstation verbrennungskalorimetrische Messungen des tatsächlichen Energiegehaltes der Muttermilch vorgenommen. Zugleich wurde untersucht, in welchem Ausmaß die Variationen im Energiegehalt auf dem Wasseranteil der Milch und/oder auf der kalorischen Dichte der Trockenmasse beruhen. Material und Methoden: Es wurden 76 Milchproben von 35Müttern gesammelt und eingefroren. Durch Wiegen vor und nach der Lyophilisation (Gefriertrocknungsanlage ALPHA 1–4 mit Anlagensteuerung LDC-1M der Fa. Christ, Osterode a.H.) wurde der Wasseranteil der Milch und durch anschließende Untersuchung des Lyophilisats in einem Verbrennungskalorimeter (automatisches isoperiboles Kalorimeter 1266 mit Sauerstoffbombe 1108 der Fa. Parr Instrument, Frankfurt a.M.) die kalorische Dichte der Trockenmasse (TM) bestimmt. Die Ergebnisse für die Einzelparameter und den Gesamtenergiegehalt wurden mit den Patientendaten korreliert und mit der aufgrund des Standardwertes angenommenen Energiezufuhr verglichen. Ergebnisse und Diskussion: Der Wasseranteil betrug 88,3±1,28 Gew.%, die kalorische Dichte 22,6±1,59 kJ/g TM. Daraus ergibt sich ein Gesamtenergiegehalt von 264 kJ bzw. 63kcal/100g oder (unter der Annahme einer typischen Dichte von 1,032kg/l) von 272 kJ bzw. 65kcal/100ml – was gut mit dem o.g. Standardwert übereinstimmt. Der Wasseranteil war bei Mehrlings- höher als bei Einlingsmüttern und sank mit zunehmender Laktationsdauer ab, die kalorische Dichte war bei Mehrlings- niedriger als bei Einlingsmüttern und stieg mit zunehmender Laktationsdauer an. Generell zeigte sich eine Abnahme der kalorischen Dichte mit zunehmendem Wasseranteil, die sich vermutlich aus den Sekretionsmechanismen der laktierenden Mamma ergibt. Das bedeutet, dass sich über den Wasseranteil Variationen im Energiegehalt auch dann abschätzen lassen, wenn diese nicht allein auf dem variierenden Wasseranteil beruhen. Es bedeutet aber auch, dass sich bei einem höheren Wasseranteil durch die begleitende niedrigere kalorische Dichte der Gesamtenergiegehalt noch zusätzlich verringert. Wie die vergleichende Auswertung zeigt, weicht die tatsächliche Muttermilch-bezogene Energiezufuhr dadurch im Einzelfall um bis zu 25% von dem aufgrund des Standardwertes angenommenen Niveau ab. Die individuelle Energiegehaltsbestimmung der Muttermilch kann somit wesentlich zum Verständnis von Gedeihstörungen bei Frühgeborenen beitragen. Die Messungen wurden im Rahmen einer humanmedizinischen Dissertation an der Kinderklinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg durchgeführt.