Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - PV40
DOI: 10.1055/s-2008-1078901

Uneinheitlichkeit bei der Beurteilung des APGAR-Scores von Frühgeborenen

E Tschirch 1, H Küster 2, E Herting 3, A Berger 4, B Urlesberger 5, C Müller 6, M Rüdiger 1
  • 1Pädiatrie IV/Neonatal Pulmonary Research; Medizinische Universität Innsbruck, Department für Pädiatrie, Innsbruck, Österreich
  • 2Kinderklinik, Ernst-Moritz-Arndt Universität, Greifswald
  • 3Kinderklinik, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Lübeck
  • 4Universitätskinderklinik der Medizinischen Universität Wien, Klinik für Neonatologie, Wien, Österreich
  • 5Universitätklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Graz, Klinische Abteilung für Neonatologie, Graz, Österreich
  • 6Universitäts – Kinderklinik, Freiburg

Hintergrund: Der von Virgina Apgar entwickelte Score zur Beurteilung von Neugeborenen wird seit 1950 weltweit verwendet. Wie von Lopriore et al. im BMJ 2004 (329:143–33) aufgezeigt, besteht jedoch eine große Varianz zwischen verschiedenen Untersuchern, wodurch die Aussagekraft des Scores sehr eingeschränkt wird. Fragestellung: Ist der APGAR Score von Frühgeborenen allgemein niedriger in Zentren, deren Untersucher bei Fallbeschreibungen ebenfalls niedrige Scores vergeben? Material und Methoden: Die im BMJ veröffentlichten Fallbeschreibungen von 3 Neugeborenen wurden an 14 Neonatalzentren in Deutschland und Österreich gesendet und die Ärzte gebeten, den APGAR Score zu beurteilen (Fall-Score). Von 7 der Zentren wurden die APGAR Scores der Frühgeborenen <1500g (VLBW) erfasst, die in der jeweiligen Klinik zwischen 01/04–12/05 geboren wurden (Klinik-Score). Ergebnisse: Im Median wurde der Fall-Score von 9 Ärzten pro Klinik (Range 3–15) erhoben. Insgesamt waren es 24 Assistenzärzte mit <6 Monaten, 28 mit >6 Monaten neonatologischer Erfahrung und 69 Fachärzte. Die Beurteilung war sehr unterschiedlich insbesondere bezüglich Atmung, Muskeltonus und Reflexe. Die größte Diskrepanz fand sich unter den Fachärzten. Insgesamt wurden die Klinik-Scores von 1000 VLBW-Fühgeborenen erhoben. Die 1 Minuten Werte korrelierten mit dem Gestationsalter (Median von 4 mit 24 und 7 mit 27 Schwangerschaftswochen). Es fand sich ein Trend, dass in den Zentren, in welchen die Ärzte einen niedrigen Fall-Score verteilten, die Frühgeborenen auch niedrigere APGAR-Scores erhielten. Diskussion: Die Daten der vorliegenden Studie bestätigen die Beobachtungen von Lopriore et al, wobei in der vorliegenden Analyse erstaunlicherweise die größten Abweichungen unter den erfahrenen Neonatologen zu finden waren. Der nur aus 5 Kriterien (Herzfrequenz, Atmung, Hautfarbe, Spontanmotorik, Muskeltonus) bestehende und ursprünglich zur Beurteilung von reifen Neugeborenen entwickelte Apgar Score lässt den Untersuchern einen großen Interpretationsspielraum, insbesondere bei der Beurteilung der Unreife von Frühgeborenen und Reanimationsmaßnahmen im Kreissaal. Ein entsprechend spezifizierter Apgar-Score wurde vorgeschlagen. Die Validität dieses Scores zur Prädiktion von Langzeitschäden von Frühgeborenen wird derzeit in der internationalen, multizentrischen „TEST APGAR“-Studie untersucht.