Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - PV32
DOI: 10.1055/s-2008-1078893

Identifizierung von SGA und LGA Neugeborenen – Ist die aktuelle Praxis noch zeitgemäß?

N Rochow 1, M Voigt 1, DM Olbertz 2, C Fusch 1
  • 1Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Ernst-Moritz-Arndt Universität, Greifswald
  • 2Kinderklinik, Klinikum Südstadt, Rostock

Einleitung: Der Ernährungszustand zur Geburt reflektiert die intrauterine Versorgung und korreliert mit der postnatalen Mortalität. Deshalb wird in der aktuellen Praxis der Ernährungszustand des Neugeborenen (SGA, AGA, LGA) anhand von Perzentilenwerten nach dem Gestationsalter klassifiziert. Größe und Gewicht des Feten werden aber während der intrauterinen Entwicklung durch mütterliche Faktoren beeinflusst. Diese Studie untersuchte daher, in wieweit Wachstumsperzentilen für Neugeborene nach dem Gestationsalter zur korrekten Identifizierung von SGA- und LGA-Neugeborenen in Abhängigkeit von mütterlicher Größe und Statur geeignet sind. Dabei sollte geprüft werden, ob und wie stark die Rate in einzelnen Kategorien von dem erwarteten Wert von 10% abweicht. Methoden: Die Daten entstammen der deutsche Perinatalerhebung der Jahre 1995–2000 mit 2,3 Mio. Einlingsgeburten aus 15 Bundesländern. Neugeborenen <10. Perzentile wurde als SGA und >90. Perzentile als LGA definiert. Die SGA- und LGA-Raten wurden in mütterlichen Körpergewichts- und Körperhöhengruppen sowie nach Alter, Parität und Herkunftsland analysiert (Körpergewicht bei Erstuntersuchung).

Ergebnisse:

SGA-Rate [%] nach Geburtsgewicht in Abhängigkeit von mütterlicher Körperhöhe und Gewicht

Körperhöhe [cm]

Gewicht [kg]

<155

155–159

160–164

165–169

170–174

175–179

>180

N

65.456

203.237

560.109

682.493

504.771

188.272

52.642

<50

25,3

22,6

20,7

19,5

18,9

17,3

-

50–59

18,0

15,7

13,3

11,6

10,2

9,8

9,6

60–69

14,7

12,1

10,0

8,4

6,8

6,2

5,2

70–79

11,5

10,7

8,6

7,1

5,7

4,7

3,7

80–89

11,4

9,1

7,7

6,8

5,1

4,4

3,1

>89

10,5

8,2

7,4

6,5

5,2

4,4

3,4

LGA-Rate [%] nach Geburtsgewicht in Abhängigkeit von mütterlicher Körperhöhe und Gewicht

Körperhöhe [cm]

Gewicht [kg]

<155

155–159

160–164

165–169

170–174

175–179

>180

N

65.456

203.237

560.109

682.493

504.771

188.272

52.642

<50

1,7

2,0

2,1

2,7

2,3

3,5

-

50–59

3,6

3,8

4,5

5,2

6,1

7,3

7,0

60–69

6,1

6,9

7,5

8,7

10,2

11,8

13,4

70–79

9,3

9,5

10,7

12,4

14,6

16,9

20,0

80–89

12,5

12,5

13,7

15,0

18,0

20,9

25,4

>89

14,0

17,0

17,4

19,1

22,0

25,1

30,6

Der Zusammenhang zwischen Alter, Parität und ethnischer Zugehörigkeit mit der SGA- bzw. LGA-Rate war schwach ausgeprägt. Schlussfolgerung: Die Körpermaße von Neugeborenen und deren Mütter korrelieren stark. Kleine und leichte Mütter haben kleinere und leichtere normal genährte Neugeborene, analog haben große und schwere Mütter eher größere und schwere Neugeborene. Im Gegensatz zu den erwarteten 10% SGA- und 10% LGA-Rate waren diese bei den Neugeborenen der kleinen und leichten Mütter 25,3% und 3,4%, bei denen der großen und schweren Mütter 1,7% und 30,6%. Somit scheint die Anwendung von Perzentilengrenzen nach dem Gestationsalter (Geburtsgewicht, Länge und Kopfumfang) bei Neugeborenen von relativ kleinen und leichten bzw. großen und schweren Müttern zur Unter- bzw. Überschätzung von SGA- und LGA-Kindern zu führen. Es muss daher geprüft werden, ob die Berücksichtigung der mütterlichen Körpermaße bei der somatischen Klassifikation von Neugeborenen diesen Fehler korrigiert.