Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - PV19
DOI: 10.1055/s-2008-1078880

Ist elektrodermale Aktivität ein valider Parameter zur Schmerzerfassung bei Frühgeborenen?

A Demel 1, F Schaefer 2, A Kribs 1, B Roth 1, C Hünseler 1
  • 1Bereich Neonatologie, Klinik und Poliklinik für Allgemeine Kinderheilkunde, Universität zu Köln, Köln
  • 2Institut für Physiologische Psychologie, Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal

Hintergrund: Das objektive Erkennen von Schmerz bei Frühgeborenen (FG) ist schwierig. Die elektrische Hautleitfähigkeit (EDA) reflektiert corticale und subcorticale Verarbeitungsprozesse, die objektiv erfasst werden können. Im Gegensatz zu den physiologischen Parametern wie dem Kortisol im Speichel, der Herzfrequenzvariabilität und der Sauerstoffsättigung sowie der Verhaltensbeurteilungen mittels Schmerzscores ist die EDA nicht-invasiv und objektiv zu erfassen. EDA ist bereits bei FG >29. Schwangerschaftswoche (SSW) zur Schmerzerfasssung eingesetzt worden1,2. Fragestellung: Ist die EDA bei Frühgeborenen ein valider physiologischer Parameter zur Schmerzbeurteilung? Material und Methode: In einer prospektiven Studie an FG unter der 31. SSW wurden 6 Messungen der EDA (mit konstanter Gleichspannung) in wöchentlichem Abstand durchgeführt. Diese erfolgten während einer routinemäßigen Blutentnahme während der ersten 3 und der 5. Beobachtung. Zu dem 4. und 6. Messzeitpunkt wurde die EDA während einer Känguru-Sitzung mit Haut-zu-Haut-Kontakt erfasst. Zur Validierung der EDA wurden die Kortisol-Konzentration im Speichel mittels ELISA während dieser Situationen bestimmt und die Blutentnahmesituation zusätzlich mit dem Schmerzscore Neonatal Infant Pain Scale (NIPS) beurteilt. Ergebnisse und Diskussion: Es konnten Daten von 25 Kindern mit einem Gestationsalter (GA) zwischen 23–30 SSW erfasst werden. Zum ersten Messzeitpunkt betrug das durchschnittliche postnatale Alter 26+4 SSW. Bei allen FG dieser Studie wurden Änderungen der elektrodermalen Aktivität bei der Blutentnahme nachgewiesen. Da die Frequenz der EDA der Parameter ist, der auch bei Frühgeborenen am schnellsten auf Schmerz reagiert, wurde er mit den NIPS- und den Kortisolwerten (Kw) korreliert. Dabei zeigten sich im Verlauf der vier Blutentnahmen positiv ansteigende Korrelationskoeffizienten für NIPS (-0,51 bis 0,44) sowie variable Koeffizienten (0,34 bis -0,80) bei den Kw (0,41 bis 63,83 nmol/l). Schlussfolgerung: Die EDA könnte ein zuverlässiger Parameter zur Erkennung von schmerzhaften Zuständen bei FG ab einem GA von 26 SSW sein. Dies konnte durch die Korrelationen mit dem NIP-Scale und den Kw gezeigt werden. Differenzierte Studien zur Validität der EDA bei der Schmerzerfassung sind wünschenswert, um einen zukünftigen Einsatz zur individuellen und unmittelbaren Beurteilung von Schmerz im klinischen Bereich zu ermöglichen.

(1) Harrison D. et al.: Skin conductance as a measure of pain and stress in hospitalised infants. Early Hum Dev 2006; 82:603–608

(2) Eriksson M. et al.: Skin conductance compared to a combined behavioural and physiological pain measure in newborn infants. Acta Paediatr 2007:1–4