Z Geburtshilfe Neonatol 2008; 212 - FV63
DOI: 10.1055/s-2008-1078849

Stimmstörungen im ersten Lebensjahr bei ehemals beatmeten Frühgeborenen

L Garten 1, D Hüseman 1, A Salm 1, L Vogler 1, E Walch 1, M Obladen 1
  • 1Charite Kliniken f. Kinderheilkunde und Kinderchirugie, Berlin

Hintergrund: Traumatische laryngotracheale Läsionen sind als Komplikation bei beatmeten Frühgeborenen beschrieben. In bisherigen Studien wurden hauptsächlich die unmittelbaren strukturellen Veränderungen mittels Endoskopie, meist noch in der Neonatalperiode durchgeführt, erfasst. Es gibt keine aktuelle Untersuchung, die sich auf klinische Spätfolgen wie Stimmstörungen im ersten Lebensjahr bei Frühgeborenen und deren Risikofaktoren fokussiert. Hypothese: Das Risiko, im ersten Lebensjahr an einer Stimmstörung zu leiden, ist positiv mit der Beatmungsdauer und der Anzahl der Intubationen korreliert. Methoden: Identifikation aller ehemaligen Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1500g aus den Geburtsjahrgängen 1998 bis 2006, die bei der 6- und 12-Monatsuntersuchung in unserer Nachsorgesprechstunde eine Stimmstörung aufwiesen. Klassifikation der Stimmstörung nach Schweregrad (Grad 1: chronische Heiserkeit, Grad 2 bzw. 3: Aphonie mit bzw. ohne Stimmanteile, Grad 4: Tracheostomapflichtige subglottische Stenose). Durchführung einer nach Geburtsgewicht und Gestationsalter gematchten retrospektiven Fall-Kontroll-Studie mit multipler logistischer Regressionsanalyse der beatmungsassoziierten Risikofaktoren (Gesamtanzahl der Intubationen, Anzahl der schwierigen Intubationen, Beatmungsdauer). Ergebnis: Von den 602 untersuchten Kindern wiesen 18 eine Stimmstörung auf. Alle betroffenen Patienten hatten ein Geburtsgewicht <1000g und waren maschinell beatmet worden. In dieser Gruppe betrug die Inzidenz für Stimmstörungen 7,0%. In die Analyse der beatmungsassoziierten Risikofaktoren wurden 16 Patienten mit Stimmstörungen und 16 gematchte Kontrollen eingeschlossen. Weder die Beatmungsdauer noch die mediane Anzahl der Intubationen war signifikant verschieden (p=0,52 bzw. p=0,12). Die mediane Anzahl der Intubationen war 4 (range 2–11) bei den Fallpatienten bzw. 3 (1–6) bei den Kontrollpatienten. Die Beatmungsdauer zeigte lediglich eine größere Varianz bei den Fallpatientem mit einem Maximum von 2355h und einem Minimum von 215h versus einem Maximum von 1724h und einem Minimum von 6h bei den Kontrollen. Signifikant häufiger fanden sich jedoch dokumentierte schwierige Intubationen bei Kindern mit Stimmstörung (p=0,01). Diskussion: Extrem untergewichtige und ehemals beatmete Frühgeborene haben ein hohes Risiko für Stimmstörungen. Eine logopädische Mitbetreuung dieser Kinder in der entwicklungsneurologischen Nachsorge ist erforderlich. Prospektive Studien zur Klärung von Ätiologie, Prognose und möglicher Vermeidbarkeitsfaktoren sind notwendig.