Was ist ein normaler Blutdruck beim Frühgeborenen? Soll ein Blutdruck, der unterhalb eines definierten Normalbereiches liegt, behandelt werden? Obwohl die Therapie der arteriellen Hypotension zu einer der häufigsten Maßnahmen bei extrem unreifen Frühgeborenen gehört, sind die Antworten auf diese Fragen nicht bekannt. Bekannt ist, dass der Blutdruck mit dem Gestationsalter und dem Lebensalter ansteigt. Bekannt ist ebenfalls, dass Frühgeborene meist innerhalb der ersten 12 Lebensstunden wegen einer Hypotension behandelt werden und dass dies umso häufiger geschieht, je unreifer ein Frühgeborenes ist. Dabei variiert sowohl die Art der Therapie als auch die Häufigkeit erheblich zwischen Zentren. Ob eine Therapie zu einer Verbesserung des Outcomes führt, ist fragwürdig. Im Gegenteil, es gibt Hinweise darauf, dass in Zentren mit großzügigerem Einsatz von Katecholaminen die Rate an Hirnblutungen höher ist. Akutelle Arbeiten zeigen, dass eine Hypotension nicht assoziiert ist mit pathologischen Schädelsonographiebefunden; bei Frühgeborenen mit intraventrikulären Hirnblutungen oder periventrikulärer Leukomalazie fand man in den ersten Lebenstagen sogar eher höhere Blutdruckwerte. Die arterielle Hypotension wird als ein Surrogatparameter für eine schlechte Perfusion und Sauerstoffverfügbarkeit herangezogen, ist aber hierfür nicht gut geeignet. Die Therapie einer Hypotension mit Katecholaminen kann über eine Erhöhung des peripheren Gefäßwiderstandes sogar zu einer Verminderung der Perfusion führen. Es ist zweifelhaft, ob ein niedriger Blutdruck bei einem Frühgeborenen ohne Zeichen einer verminderten Perfusion oder eines Schockes behandlungsbedürftig ist. Studien, die den Effekt von Volumenboli, Pressoren und Steroiden, die zur Therapie einer Hypotension eingesetzt werden, auf das Outcome untersuchen, sind dringend notwendig in Anbetracht der Tatsache, dass zentrumsspezifisch zwischen 10 und 98% aller Kinder wegen einer arteriellen Hypotension behandelt werden.