Zentralbl Chir 2008; 133(4): 396-397
DOI: 10.1055/s-2008-1076892
Kurzmitteilung

© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York

Hyperbare Sauerstofftherapie in der Osteitisbehandlung – Gibt es Neuigkeiten?

Use of Hyperbaric Oxygenation in the Therapy of Osteitis – Are there any New Aspects?A. Tiemann1 , M. Diefenbeck2 , T. Mückley2 , G. O. Hofmann2
  • 1Funktionsbereich Septische und Rekonstruktive Chirurgie, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, BG-Kliniken Bergmannstrost Halle (Saale)
  • 2Kliniken für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Friedrich-Schiller Universität Jena
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Publication Date:
13 August 2008 (online)

Vorbemerkung

Am 24.2.2000 kam der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in seinem zusammenfassenden, 543 Seiten starken Bericht zur Bewertung der hyperbaren Sauerstoff-Therapie (HBO) gemäß § 135 Abs. 1 SGB V in Bezug auf die Anwendung bei der Behandlung der chronischen Osteomyelitis zu folgendem Schluss:

Nutzen: Ein therapeutischer Nutzen der HBO bei der chronischen Osteomyelitis am Kiefer und an anderen Lokalisationen ist bislang nicht annähernd belegt worden. Die momentan methodisch beste Studie auf komperativer Ebene (…) spricht gegen die HBO der chronisch refraktären Osteomyelitis. Die Notwendigkeit kontrollierter, randomisierter, nach Möglichkeit verblindeter Studien wurde betont. Im Gegensatz dazu wird die therapierefraktäre Osteomyelitis in der Indikationsliste der Undersea and Hyperbaric Medical Society bereits 1999 erwähnt ([Tab. 1]) [10].

Tab. 1 Indikationen der HBO entsprechend der Empfehlungen der Undersea and Hyperbaric Medical Society 1999 10. – Luft- oder Gas-Embolie– Kohlenmonoxid- oder Zyanid-Intoxikation– Gasbrand– „Crush-Injury”, Compartment-Syndrome, akute traumatische periphere Ischämie– Dekompressionskrankheit– Problemwunden– Anämie bei hohem Blutverlust– intrakranielle Abszesse– nekrotisierende Weichteilinfekte– therapierefraktäre Osteomyelitis– vitalitätsbedrohte Hauttransplantationen– Radionekrosen an Weichteilen und Knochen– Brandwunden

Für den in der septischen Unfall- und orthopädischen Chirurgie tätigen Arzt stellt sich die Frage:

Hat sich in den Jahren 2000 bis 2007 hier etwas geändert, müssen wir unsere Einstellung hinsichtlich der HBO bei der Therapie der Osteitis neu überdenken und ggfs. revidieren?

In der vorliegenden Mitteilung gingen wir anhand einer Literaturrecherche (in „Medline” und „Pubmed”) der Jahre 2000 bis 2007 (24.2.2000 bis 31.3.2007) dieser Frage nach. In die Auswertung wurden Studien einbezogen, die zumindest einen der folgenden Punkte untersuchten:

Anzahl Patienten mit Infektberuhigung nach additiver HBO bei der Behandlung der akuten und chronischen Osteitis. Zeitraum bis zu Infektberuhigung Funktionelles Ergebnis nach Infektberuhigung (auch Lebensqualität) Therapieversager

Die Suche wurde in der üblichen Art und Weise mit folgenden Stichworten durchgeführt:

Oxygen, Hyperbaric Oxygen Therapy, HBO, Osteomyelitis, Osteitis, Wounds, Wound Healing, Infection, Mechanisms of Action.

Für den o. g. Zeitraum konnten lediglich 8 Studien identifiziert werden.

Jamil et al. berichten im Jahr 2000 über 16 Patienten mit chronischer Osteitis der Mandibula aus einem Behandlungszeitraum ab 1994, die mit HBO behandelt wurden. In 6 Fällen (37,5 %) kam es zu einer Infektausheilung, in 8 Fällen (50 %) zu einer „Infektberuhigung” [5].

Bei der Arbeit von Mutschler und Muth aus dem Jahr 2001 handelt es sich nicht um eine Patientenuntersuchung, sondern um eine Übersichtsarbeit zum Thema „Indikationsspektren der HBO in der Unfallchirurgie” [8].

Chen u. Mitarb. widmeten sich im Jahr 2003 der chronischen Tibiaosteitis. Sie untersuchten 14 Patienten aus einem Behandlungszeitraum von 1 / 2000 bis 8 / 2000 über einen Zeitraum von 15,5 Monaten nach. Durchschnittlich wurden die Patienten 5,4-mal operiert. Gemittelt waren 33,6 Anwendungen der HBO notwendig, bevor es bei 11 von 14 (78,6 %) der Patienten zu einer Infektheilung kam [3].

Die gleichen Autoren befassten sich ein Jahr später mit 13 Fällen chronischer Osteitis am Femur. Nach einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 22 Monaten waren 12 von 13 Patienten (92,3 %) infektfrei. Durchschnittlich wurden 32,2 HBO-Anwendungen bei jedem Patienten durchgeführt [4].

Bei der Untersuchung von Bilbault 2004 handelt es sich um die Darstellung der erfolgreichen HBO-Anwendung bei einem Patienten mit einer anaeroben Osteitis des Femur in Kombination mit einer nekrotisierenden Faszeitis des Oberschenkels [1].

Kawashima, Tamura u. Mitarb. verglichen 2004 die Ergebnisse ihrer Osteitistherapie mit und ohne HBO. Insges. wurden 256 Patienten ohne, 433 mit HBO behandelt. In diesem Krankengut konnten sie signifikant bessere Ergebnisse der Osteitisbehandlung mit HBO nachweisen (p < 0,01) [6].

Im Jahr 2005 beschrieben Singh et al. die Anwendung der HBO bei 3 Fällen einer Schädelbasis-Osteitis. 2 von 3 Patienten kamen aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes ad exitum [9].

Die Untersuchung von Lentrodt et al. aus dem Jahr 2007 umfasste 4 Patienten mit chronischer Osteitis der Mandibula. 3 von 4 Patienten waren nach Anwendung der HBO innerhalb von 41 Monaten infektfrei [7].

Literatur

  • 1 Bilbault P, Ba-Faye A, Assemi P et al. Spontaneous anaerobic osteomyelitis with necrotizing fasciitis of femur. Reasons for the use of hyperbaric oxygenotherapy.  Ann Fr Anaesth Reanim. 2004;  23 597-600
  • 2 Bennet M H, Stanford R, Turner R. Hyperbaric oxygen therapy for promoting fracture healing and healing of fracture non-union. The Cochrane Libary; 2006: 1
  • 3 Chen C E, Shih S T, Fu T H et al. Hyperbaric oxygen therapy in the treatment of chronic refractory osteomyelitis: A preliminary report.  Chang Gung Med J. 2003;  26 114-121
  • 4 Chen C E, Ko J Y, Fu T H et al. Results of chronic osteomyelitis of the femur treated with hyperbaric oxygen. A preliminary report.  Chang Gung Med J. 2004;  10 117-121
  • 5 Jamil M U, Eckardt A, Franko W. Hyperbare Sauerstofftherapie.  Mund Kiefer Gesichts Chir. 2000;  4 320-323
  • 6 Kawashima M, Tamura H, Nagayoshi I et al. Hyperbaric oxygen therapy in orthopedic conditions.  UHM. 2004;  31 155-162
  • 7 Lentrodt S, Lentrodt J, Kübler N et al. Hyperbaric oxygen for adjuvant therapy for chronically recurrent mandibular osteomyelitis in childhood and adolescence.  J Oral Maxillofac Surg. 2007;  65 186-191
  • 8 Mutschler M, Muth C M. Hyperbare Sauerstofftherapie in der Unfallchirurgie.  Unfallchirurg. 2001;  104 102-114
  • 9 Singh A, Khabori M, Hyder M J. Skull base osteomyelitis: diagnostic and and therapeutic challanges in atypical presentation.  Otolaryngol Head Neck Surg. 2005;  133 121-125
  • 10 UHMS .Hyperbaric Oxygen Therapy 1999 – Committee report. Kensington: Undersea & Hyperbaric Medical Society; 1999; 37–40

Priv. Doz. Dr. med. habil. A. H. Tiemann

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Email: andreas.tiemann@bergmannstrost.de

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