Zentralbl Chir 2008; 133(3): 243
DOI: 10.1055/s-2008-1076828
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Qualität in der Chirurgie - Herrn Prof. Junginger gewidmet

Quality in Surgery - Dedicated to Prof. JungingerR. T. Grundmann1
  • 1Kreiskliniken Altötting-Burghausen, Burghausen
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 June 2008 (online)

In diesem Heft finden sich einige Arbeiten aus der Mainzer Schule, die Herrn Prof. Junginger, emeritierter Direktor der dortigen Klinik für Allgemeine- und Abdominalchirurgie und langjähriges Beiratsmitglied dieser Zeitschrift, zu seinem Ausscheiden nach mehr als 20-jähriger Tätigkeit gewidmet wurden. Es werden verschiedene Fragestellungen angegangen, gemeinsam ist ihnen das Bemühen um ein evidenzbasiertes chirurgisches Vorgehen mit hoher Qualität, wie es das klinische Anliegen des chirurgischen Lehrers war. In der Arbeit „Neue Perspektiven der laparoskopischen Simulation: vom Studententrainingslabor bis zur Stressevulation” werden Möglichkeiten beschrieben, außerhalb des eigentlichen Operationssaal laparoskopische Fertigkeiten zu trainieren, um so einerseits die Fehlerquote beim Erlernen der entsprechenden Techniken in der reellen Umgebung des Operationssaals zu reduzieren - im Zeichen von Aktionsbündnissen zur Patientensicherheit und aufrüttelnden Broschüren wie z. B. „Aus Fehler lernen” ein aktuelles Thema. Es geht aber nicht nur um die Reduktion der Patientengefährdung, sondern auch um die Auswahl potenzieller junger Chirurgen. Bereits der Student kann seine psychomotorischen Fähigkeiten überprüfen und selbst feststellen, wie rasch er mit den entsprechenden Techniken zurechtkommt, was den einen oder anderen motivieren könnte, die Chirurgie später ernsthaft zu betreiben, bei dem drohenden Nachwuchsmangel ein wichtiger Aspekt in der Studentenbetreuung. Die Arbeit von Hermeneit et al widmet sich dem Thema „Sinn oder Unsinn einer prophylaktischen Dränage nach laparoskopischer Kolonresektion”. Man ist versucht zu sagen, leider ist diese Frage immer noch aktuell. Nach wie vor werden viele überflüssige Dränagen eingelegt, obwohl es spätestens seit der großen Metaanalyse von Urbach (im Jahr 1999) als gesichert gelten darf, dass sie mehrheitlich nicht notwendig sind. Die Untersuchungen von Kehlet zur multimodalen Therapie haben dann nur bestätigt, dass Dränagen eher Schaden als Nutzen bringen. Das Festhalten an dieser alten Gewohnheit zeigt, wie schwer es ist, evidenzbasierte Medizin in den klinischen Alltag zu tragen.

Der laparoskopische bzw. retroperitoneoskopische Zugang zur Nebenniere wird seit seiner Propagierung Mitte der 90-iger Jahre von vielen als die Methode der Wahl zur Behandlung von Nebennierentumoren ausgewiesen. Dass aber auch die konventionelle Chirurgie bei bestimmten Indikationen noch ihre Berechtigung hat, zeigt die Untersuchung von Gockel et al. zu „Indikationen der konventionellen Adrenalektomie”. Trotz Etablierung der minimalinvasiven Technik bestand bei ca. Œ der Patienten die Indikation zum konventionellen Vorgehen, wobei die Tumorgröße allein noch nicht den operativen Zugangsweg bestimmte, entscheidender war der Malignitätsgrad des Tumors bzw. der entfernten Metastasen, speziell bei einer Invasion von Nachbarorganen.

In einer weiteren Arbeit haben Gockel u. Mitarb. die chirurgische Therapie des Ösophaguskarzinoms über 20 Jahre prospektiv erfasst und analysiert. Die bekannte veränderte Epidemiologie des Ösophaguskarzinoms mit einem signifikant höheren Anteil von Adenokarzinomen in der letzten Dekade wurde auch hier beobachtet, was sich auf das operative Vorgehen auswirkte, mit einer Zunahme des transhiatalen Vorgehens beim Adenokarzinom, während beim Plattenepithelkarzinom die transthorakale Resektion die bessere Prognose zeitigte. Beim Plattenepithelkarzinom beeinflusste die Radikalität der Lymphadenektomie die Prognose, dieser Zusammenhang war beim Adenokarzinom und transhiatalem Vorgehen nicht in gleicher Weise zu erbringen. Speziell beim Adenokarzinom wurde in der letzten Dekade ein besseres Langzeitüberleben gefunden, ob dies jedoch dem chirurgischen Vorgehen allein oder eher der Biologie des Tumors zugeschrieben werden muss, muss offen bleiben. Entscheidend für die Ergebnisse ist auf alle Fälle eine niedrige Klinikletalität, die in dem hier dargestellten Krankengut über 20 Jahre 5 % nicht überschritt, was speziell bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom und ihrer sehr ungünstigen Prognose überhaupt erst die Operation empfehlen lässt. Dass solche Ergebnisse nur in spezialisierten Zentren erzielt werden können, darf nicht erst seit den Untersuchungen von Birkmeyer et al. als gesichert gelten. Damit schließt sich wieder der Kreis zur Qualitätssicherung, die sich nicht nur an formalen Vorgaben orientieren sollte, sondern zunächst einmal den Chirurgen und seine manuellen Fähigkeiten in den Mittelpunkt zu stellen hat: Die vorliegenden Arbeiten belegen überzeugend, dass gute Chirurgie gelehrt, gelernt und dann vor allem aber auch trainiert werden will. Dies bedarf deutlich mehr als des gewöhnlichen 8-Stunden Arbeitstags, Herr Prof. Junginger hat über 20 Jahre in Mainz dies äußerst erfolgreich vorgelebt.

Prof. Dr. R. T. Grundmann

Kreiskliniken Altötting-Burghausen

Krankenhausstr. 1

84489 Burghausen

Phone: 0 86 77 / 88 05 01

Fax: 0 86 77 / 88 05 03

Email: sek-prof.grundmann@krk-bgh.de