Rofo 2008; 180 - VO_219_1
DOI: 10.1055/s-2008-1073542

Aufnahmegeometrie und Dosismessungen bei Röntgenaufnahmen von Frühgeborenen im Inkubator

V Klingmüller 1, Th Gerhards 1, P Penchev 2, G Fiebich 2, A Rausch 1, S Stiller 1, RF Maier 1
  • 1Strahlendiagnostik, Kinderradiologie, Marburg
  • 2Gießen

Ziele: Frühgeborene sind extrem empfindlich: auf jede direkte Manipulation können sie mit Atemstörungen und Blutdruckschwankungen reagieren. Es gilt im besonderen Maße das Gebot des „minimal handling“. So stellt auch jede Röntgenuntersuchung, bei der die Kinder umgelagert werden, eine besondere Belastung dar. Deswegen haben moderne Inkubatoren für die Röntgenkassette eine spezielle Schublade. Dadurch kann eine Röntgenaufnahme angefertigt werden, ohne den Patienten auf die Röntgenkassette zu heben. Aus radiologischer Sicht ist diese Aufnahmesituation jedoch ungünstig: Der Patient ist bis zu 9cm von der Filmebene entfernt (FFA 100cm), Acrylhaube, Matratze und weitere Materialien befinden sich im Strahlengang. Zur exakten Beurteilung dieser Aufnahmesituation analysierten wir die Aufnahmegeometrie von 4 unterschiedlichen Inkubatoren und verschiedenen Dosiswerten und Phantomen. Methode: Folgende Dosimeter wurden eingesetzt: Dosimetern Diados (PTW; kalibriert bis 10 nGy) und UFNORS psd (mit 2 Sensoren). Wir verwendeten Wasserphantome: Schichtdicke von 3cm (entsprechend Thorax-ap- Durchmesser eines 500g schweren Frühgeborenen), 4,5cm (2000g Frühgeborenen), 6cm (3500g Frühgeborenen). Die Einstellung des Röntgengerätes: 66kV, 1,25 bis 2,5mAs; Mobilett II, Siemens); Eigenfilterung 2,5 mmAl, Zusatzfilter 1mm Al + 0,2mm Cu. Ergebnis: Im Nutzstrahl befinden sich (Dicke; Abstand vom Röhrenfokus): obere Acryl-Abdeckung (6mm, Abstand 55cm), Phantom, Lagerungskissen(4cm, Abstand 95cm), Acrylinkubatorboden (3mm, Abstand 99cm), Filmebene (DX-S-System, Agfa; Abstand 100cm). Die Strahlendosis wird von 16 (vor) auf 8µGray (hinter dem Gelkissen) abgeschwächt. Der Abstand Phantom-Filmebene bewirkt eine geometrische Vergrößerung von 1: 1,1. Schlussfolgerung: Die Aufnahmesituation ist besonders durch den relativ großen Abstand zwischen Patient und Filmebene und durch das Gelkissen ungünstig. Acrylabdeckung, Gelkissen und Inkubatorboden bewirken eine deutliche Abschwächung des Nutzstrahls und eine Zunahme der Streustrahlen um mehr als 50%! Dies führt zu einer vermehrten Strahlenexposition des Patienten und zu einer Verschlechterung des Bildes. Ausserdem muss die geometrische Vergrößerung bei Distanzmessungen am Bild (z.B. Tubuslage) berücksichtigt werden.

Aus kinderradiologischer Sicht ist die Aufnahmegeometrie ungünstig und muss für jede Aufnahme erneut hinterfragt werden. Aus neonatologischer Sicht überwiegt der Vorteil des „minimal handling“ bei extrem unreifen Frühgeborenen.

Korrespondierender Autor: Klingmüller V

Strahlendiagnostik, Kinderradiologie, Baldingerstraße, 35034 Marburg

E-Mail: klingmue@med.uni-marburg.de