Rofo 2008; 180 - RK_SP_310_2
DOI: 10.1055/s-2008-1073202

Kindliche Harntrakterkrankungen mit Folgen im Erwachsenenalter

M Riccabona 1
  • 1Univ.-Klinik für Radiologie Graz, Klinische Abteilung für Kinderradiologie, Graz

Eine Reihe von angeborenen Erkrankungen des Urogenitaltraktes tragen das Risiko einer chronischen Nierenparenchymschädigung oder Wachstumseinschränkung mit Funktionseinschränkung der betroffenen Niere(n). Insbesondere schere neonatale obstruktive Uropathien wie Urethralklappe oder hochgradige beidseitige obere Harntraktsobstruktion (obstruktiver Megaureter, Ureterabgangsstenose) bedürfen einer frühzeitigen und effektiven Diagnose und einer optimale Behandlung, um irreversiblen Schäden mit Langzeitfolgen vorzubeugen. Dennoch ist teilweise bei diesen Erkrankungen – insbesondere aufgrund der teilweise bereits intrauterin fixierten Nierenparenchymschädigung, Dysplasie und Funktionseinschränkung mit eingeschränktem Wachstumspotential – in manchen Fällen die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz nicht aufzuhalten. Diese Patienten leiden im Erwachsenenalter unter renovaskulärem Hypertonus bis hin zur Niereninsuffizienz mit Dialyse- und Transplantationsbedarf.

Andere Erkrankungen mit ähnlichen Verläufen sind angeborene Nierendysplasie, zystische Nierenerkrankungn (ARPKD, ADPKD, …) insbesondere bei Einzelnieren, oder sonstige kongenitale bzw. heriditäre Nephropathien wie das Alport-Syndrom oder die Nephronophthise. Auch der hochgradige bilaterale vesicoureterale Reflux mit primär dysplastischen Nieren des männlichen Neugeborenen oder das Prune belly Syndrom, bzw. Harntraktfehlbildungen und –fehlfunktionen im Rahmen von komplexen Missbildungssyndromen (Urogenitalesinus, Currarino-Triade, MMC, ...) führen meist zu chronischen Harntraktproblemen und bedürfen auch im Erwachsenenalter einer regelmäßigen Verlaufskontrolle und entsprechender gezielter Therapie.

Zusätzlich zu den angeborenen und ererbten Harntrakterkrankungen stellen erworbene Erkrankungen mit entsprechender Defizitheilung aufgrund des sich verstärkenden Wachstumsdefizits ein im Erwachsenenalter sich zunehmend aggravierendes Problem dar. In diese Gruppe sind u.a. die rapid progressive Glomerulonephritis, die rezidivierenden Harnwegsinfekte mit Narbenbildung und Ausbildung von Schrumpfnieren, das hämolytisch-urämische Syndrom, diverse Nephropathien oder Nierenmitbeteiligung bei systemischen Erkrankungen wie zum Beispiel die Lupus-Nephritis oder Sichelzellnephropathie anzuführen. Auch bei diesen Erkrankungsformen ist eine frühzeitige diagnostische Abklärung der zugrunde liegenden Problematik mit einer entsprechend gezielten und effektiven Behandlung essentiell, um die Morbidität und Mortalität zu verbessern und möglichst lange ein beschwerdefreies oder -armes Intervall bis zur Manifestation einer manchmal unvermeidlichen Nierenfunktionseinschränkung zu gewährleisten. Bei all diesen Erkrankungen, aber auch bei renovaskulären Erkrankungen und Nierentraumen, ist zusätzlich zu den im Erwachsenenalter zu beachtenden Faktoren beim Kind zu bedenken, dass kindliche Nieren nur bei Erhalt und Sicherstellung ihres Wachstumspotentiales langfristig eine ausreichende Nierenfunktion gewährleisten können, und dass frühe Anzeichen einer drohenden Niereninsuffizienz aus regelmäßigen Verlaufskontrollen des Nierenwachstums ableitbar sind. Auch können Funktionsstörungen (z.B. Blasenfunktionsstörungen) über Chronifizierung zu schweren organischen Veränderungen mit entsprechender Auswirkung auf die Lebensqualität führen, so ist z.B. die Erkennung von Blasenfunktionsstörungen bei Kindern mit Harnwegsinfekten wesentlich, um sekundären Phänomenen wie sekundären VUR, rezidivierende Harnwegsinfektionen mit Resistenzbildung und allfälligen pyelonephritischen Narben vorzubeugen.

Insgesamt ist zu beachten, dass bildgebende Abklärungsalgorithmen im Kindesalter nicht immer dem im Erwachsenenalter üblichen Vorgehen entsprechen, insbesondere auch in Hinsicht auf die höhere Strahlensensibilität im Kindesalter sowie die unterschiedlichen Fragstellungen. Auch sind diese aufgrund ständig neuer Erkenntnisse, der zahlreichen neuen Möglichkeiten der modernen Bildgebung und neuer therapeutischer Konzepte sowie des ständig wachsenden ökonomischen Druck immer wieder neu zu überdenken und zu adaptieren.

Mit zunehmendem ökonomischem Druck auf das Gesundheitssystem hat sich Diagnose und Therapie auch von Harnwegserkrankungen im Kindesalter zunehmend auf deren Bedeutung für die Langzeitergebnisse fokussiert. Evidenzbasiertes und „efficacy- orientiertes“ bildgebendes Management wird immer wichtiger.

Harnwegserkrankungen im Kindesalter stellen weiterhin eine wichtige Risikogruppe für Langzeiterkrankungen mit Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter dar. Trotz berechtigter Bestrebungen, ein möglichst schlankes Bildgebungsmanagement mit möglichst billigen und nicht invasiven oder wenig strahlenbelastenden Methoden zu forcieren, sollte aufgrund des doch teilweise beachtlichen Risikos von schwerwiegenden Langzeitfolgen nicht auf eine genaue und fundierte Abklärung von Harntraktserkrankungen im Kindesalter verzichtet werden, wobei die spezifischen kindlichen Gegebenheiten eine entsprechend qualifizierte Vorgangsweise notwendig machen. Auch bei der Betreuung von Erwachsenen mit Harntraktserkrankungen ist die Kenntnis der im Kindesalter wesentlichen Erkrankungen und deren Manifestation, bzw. deren chronischer Folgen und Restzustände wichtig, da ein Gutteil der erwachsenen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz Schrumpfnieren, Bluthochdruck oder Dialyse an den Folgen sich bereits in der frühen Kindheit manifestiert habender Harntraktserkrankungen leidet.

Lernziele:

Darstellung von wichtigen kindlichen Harntrakterkrankungen, die – insbesondere bei verzögerter Erkennung, suboptimaler Behandlung oder schwerer Manifestation und Verlaufsform – teils gravierende Folgen im Erwachsenenalter hin bis zu chronischem Nierenversagen und Dialyse- bzw. Nierentransplantationsbedarf führen.

Korrespondierender Autor: Riccabona M

Univ.-Klinik für Radiologie Graz, Klinische Abteilung für Kinderradiologie, Auenbruggerplatz 34, 8036, Graz

E-Mail: michael.riccabona@klinikum-graz.at