Psychother Psychosom Med Psychol 2009; 59(8): 314-320
DOI: 10.1055/s-2008-1067540
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Trauma Fehlgeburt – Einflussfaktoren auf das Angsterleben nach dem frühen Verlust eines Kindes

The Trauma of Miscarriage – Factors Influencing the Experience of Anxiety After Early Pregnancy LossHendrik  Berth1 , Anne-Katrin  Puschmann2 , Andreas  Dinkel3 , Friedrich  Balck1
  • 1Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
  • 2Neurologische Klinik und Poliklinik, Bayrische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
  • 3Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar der TU München
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Publikationsverlauf

eingereicht 27. Oktober 2007

akzeptiert 16. Juli 2008

Publikationsdatum:
26. September 2008 (online)

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Zusammenfassung

Ein Schwangerschaftsverlust stellt für viele der betroffenen Frauen eine massive psychische Belastung dar. Depressionen, Angstsymptome, (pathologische) Trauer, akute und posttraumatische Belastungsreaktionen sind häufig. Zahlreiche Faktoren, wie etwa das Alter der Frau, vorherige Fehlgeburten oder soziale Unterstützung, moderieren das Ausmaß des Belastungserlebens. In dieser Studie wurde das Ausmaß der emotionalen Belastung durch einen Schwangerschaftsverlust unter Verwendung eines neuen methodischen Ansatzes geprüft. Dazu wurden n = 500 Internet-Texte von Frauen, die freiwillig über ihre Fehlgeburtserlebnisse berichteten, nach dem Gottschalk-Gleser-Verfahren mit dem Dresdner Angstwörterbuch (DAW) computergestützt ausgewertet. Die Frauen waren im Mittel 28 Jahre alt. Sie verfassten die Erlebnisberichte durchschnittlich etwa 28 Tage nach dem Ereignis. Die Schwangerschaften hatten zwischen 2 und 40 Wochen (M = 12) bestanden. Die Werte für Todes- und Verletzungsangst sind im Vergleich zu Normwerten deutlich erhöht. Über 20 % der Frauen haben auffällige Werte. Es ließen sich Einflüsse des Alters, der Zeit seit dem Schwangerschaftsverlust, der Dauer der Schwangerschaft, der Anzahl erlebter Fehlgeburten sowie des Vorhandenseins sozialer Unterstützung auf die Angstausprägung nachweisen. Die Daten unterstreichen die Notwendigkeit entsprechender psychotherapeutischer Betreuungs- und Beratungsangebote, zumindest für bestimmte Gruppen von Betroffenen, die ein erhöhtes Risiko für eine komplizierte Verarbeitung des Verlustes haben.

Abstract

The experience of miscarriage results in tremendous emotional disturbance for many affected women. Depression, anxiety, (pathological) grief, and posttraumatic stress symptoms are commonly experienced reactions. Several factors influence the level of emotional distress, like age, previous experience of miscarriage, or social support. In this work, we investigated the level of emotional distress after miscarriage using a novel methodological approach. Through the world wide web, N = 500 texts of women who reported freely on their miscarriage were accessed and analyzed using the Dresden Anxiety Dictionary, a German computerized version of the Gottschalk-Gleser speech analysis. The women were 28 years old on average. The texts were written, on average, about 28 days after the miscarriage. Women's pregnancy had lasted between 2 and 40 weeks (M = 12). The scores pertaining to death anxiety and mutilation anxiety were higher than the norm. More than 20 % of the women reported an increased level of anxiety. Variables that influenced the level of anxiety were age, time since miscarriage, duration of pregnancy, previous miscarriage, and social support. The results underscore the need for treatment, at least for sub-groups of affected women who have a higher risk for a complicated course of coping with miscarriage.