Z Orthop Unfall 1998; 136(2): 182-191
DOI: 10.1055/s-2008-1051303
Wirbelsäule

© 1998 F. Enke Verlag Stuttgart

Repositionsverletzungen der Nervenwurzel L5 nach operativer Behandlung höhergradiger Spondylolisthesen und Spondyloptosen - In vitro Untersuchungen*

Palsy of the L5 Nerval Root following Reduktion of High degree Spondylolisthesis and SpondyloptosisSt. Albrecht, H. Kleihues, Chr. Gill, A. Reinhardt, W. Noack
  • Abteilung für Orthopädie (Leiter: Prof. Dr. W. Noack) Ev. Waldkrankenhaus Spandau, Akademisches Lehrkrankenhaus des Klinikums Rudolf Virchow, Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin
  • Arbeitsgruppe Makroskopie, Anatomisches Institut (Ehem. Leiter: Prof. Dr. G. Bogusch) Fachbereich Medizinische Grundlagenfächer, Medizinische Fakultät der Freien Universität Berlin
* Diese Untersuchung war ein Gemeinschaftsprojekt der Abteilung für Orthopädie des Ev. Waldkrankenhauses Spandau mit dem Anatomischen Institut des Fachbereichs Medizinische Grundlagenfächer der Freien Universitäl Berlin sowie dem Pathologischen Institut des Universitätsklinikum Rudolf Virchow, Berlin.Die Autoren danken der Abteilung für makroskopische Anatomie, insbesonders Herrn Prof. Dr. G. Bogusch für die Praparationsmöglichkeit und Herrn Ewert für die Anfertigung der Gefrierblöcke.
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung: Passagere oder persistierende Alterationen der lumbalen Nervenwurzel L5 sind mehrfach als Komplikation nach Reposition höhergradiger Spondylolisthesen beschrieben worden. In Übereinstimmung mit anderen Autoren beobachteten wir bei einer retrospektiven Analyse eigener Patienten gehäuft temporäre, motorische und sensomotorische Defizite nach einzeitiger, kompletter Korrektur von Anterolisthesen der Schweregrade Meyerding IV sowie Spondyloptosen. Sämtliche Ausfälle betrafen Muskeln des Innervationsbereichs der Nervenwurzel L5, ohne daß sich eine intradurale Wurzelschädigung oder Nervenkompression nachweisen ließ. Anhand von in-vitro Untersuchungen wurden als pathogenetisch relevanter Schädigungsmechanismus ein Zug- oder Dehnungsschaden der Nervenwurzel während der intraoperativen Distraktion beschrieben. Als weitere Möglichkeit ist eine Kombination dieses Vorgangs mit einer durch ventrale Teile des Lig . iliolumbale verursachten Druckeinwirkung während des Repositionsmanövers diskutiert worden.

Methode: Um mögliche, eine intra- oder perioperative Schädigung prädisponierende, extradurale Engstellen der Nervenwurzel aufzuzeigen, untersuchten wir Verlauf und Nachbarschaftsbeziehungen des Plexus lumbosacralis, insbesondere in Relation zu pelvivertebragenen Bandverbindungen in vitro. Zusätzlich zu den morphologischen Betrachtungen wurden Repositionsversuche durchgeführt, die Form- und Größenänderungen der Räume zwischen neurogenen und bindegewebigen Strukturen darstellen sollten. Die Auswirkungen auf die Nervenwurzel selbst wurden mikroskopisch untersucht.

Ergebnisse: Neben einer Reihe von Ansatzvariationen des Lig. iliolumbale Komplexes, die stets dorsal der Nervenwurzeln lokalisiert waren, fanden wir bei 14/30 Präparaten eine am caudalen Rand des Bandapparates gelegene, bindegewebige Verbindung zwischen Os sacrum und dem fünften Lendenwirbelkörper. Diese verlief konstantventral der Nervenwurzel L5, die distal dieser Engstelle bei einem Fünftel der Präparate zudem am Periost des Ossacrum adhärent war. Der während des Distraktions und Repositionsvorgangs auf die Nervenwurzel einwirkende Druck betrug dabei im Bereich dieser lumbosacralen Bandverbindung ab einer Repositionsstrecke von mehr als 20 Millimetern im Mittel über 30 mmHg. Mikroskopisch konnte ein Auseinanderdrängen der Faszikelanordnung ohne Affektion der peri- und endoneuralen Bindegewebshüllen nachgewiesen werden. Wurde der Druck weiter gesteigert, kam es zum Austritt von perineuralem Fettgewebe, das mit makroskopisch sichtbaren Alterationen der Nervenoberfläche sowie der peripheren Faszikel einherging.

Schlußfolgerung: Die einzeitige, komplette Repositioneiner höhergradigen Spondylolisthese oder Spondyloptose ist aufgrund anatomisch praedisponierender Faktoren geeignet eine isolierte Schädigung der Nervenwurzel L5 distal des Neuroforamens zu verursachen.

Abstract

Temporary or persistent paralysis of the fifth lumbar nerve root have been frequently reported as complications following reposition of high degree spondylolisthesis. According to an outcome analysis of sixty-four patients, we found an increased incidence of motor damages after reduction of Meyerding degree four anterolisthesis or spondyloptosis. There were no signs of intraduralroot compression or nerve injury tracable.

In order to detect extraforaminal strictures, the anatomic course of the lumbosacral plexus and its relation to neighbouring structures, especially pelvivertebral connective tissue junctions were recorded in cadavric measurements. Beside an number of variations in origin and course of the iliolumbar ligament complex, we observed a junction between os sacrum and the anterior part of the fifth lumbar vertebrae in 14/30 specimen, constantly running anterior to the fifth lumbar nerve root. In addition the nerve was fixed to the sacral periostium a few centimeters distal this crossing in about 20% of all cases. Pathophysiological effects were measured in reposition trials, using a continous pressure monitoring system. A reposition of more than 20 mm resulted in a perineural pressure > 30 mmHg. This caused a nerve fiber deformation at the edge of the compressed nerve segment. Increased pressure leads to a nodular displacement of perineural fat as well as intraneural fascicles.