Zeitschrift für Phytotherapie 2008; 29 - V20
DOI: 10.1055/s-2008-1047825

Misteltherapie bei Krebserkrankungen: Eine systematische Übersicht kontrollierter klinischer Studien

GS Kienle 1
  • 1Institut für angewandte Erkenntnistheorie und medizinische Methodologie Schauinslandstr. 6, 79189 Bad Krozingen

Hintergrund

Mistelextrakte gehören zu den am meisten verwendeten komplementärmedizinischen Krebstherapien in Mitteleuropa. Es wurden zahlreiche klinische Studien durchgeführt, deren Aussagekraft jedoch kontrovers diskutiert wird. Es wurde nun ein systematisches Review kontrollierter klinischer Studien durchgeführt mit der Frage, ob sie die Wirksamkeit der Misteltherapie onkologischer Erkrankungen überzeugend belegen.

Methoden

Die Studien wurden gesucht durch Recherche in 11 elektronischen Datenbanken und in Literaturlisten sowie durch Expertenbefragung. Die Qualität der Studien wurde kriteriengestützt kritisch bewertet.

Ergebnisse

23 prospektive klinische, kontrollierte Studien zur Misteltherapie der Krebserkrankung wurden gefunden: 16 waren randomisiert, 2 quasi-randomisiert und 5 nicht randomisiert. Die behandelten Krebsarten waren Mamma-, Bronchial-, Kolon- und Rektum-Ca., Kopf-, Halstumoren, Nieren-, Blasenkarzinom, Gliom und genitale Karzinome. In diesen Studien zeigte sich ein statistisch signifikantes positives Ergebnis 8-mal für das allgemeine Überleben, 1-mal für Tumorremissionen, 3-mal für die allgemeine Lebensqualität und 3-mal für die Lebensqualität im Verlauf einer zytoreduktiven Therapie. Darüber hinaus zeigte sich ein positiver Trend 8-mal für das Überleben, 1-mal für das krankheitsfreie Überleben, und 2-mal für die Tumorremission. Keinen Effekt zeigten 4 Studien auf das Überleben, 1 Studie auf das krankheitsfreie Überleben, 2 Studien auf Tumorrezidive, 3 Studien auf die Tumorremission und 1 Studie auf die Lebensqualität. Eine Studie zeigte einen negativen Trend für das krankheitsfreie Überleben. Die Qualität von Studiendesign, -durchführung und -publikation lag teilweise weit unter dem heute als notwendig oder optimal erachteten Standard. In Anbetracht der beträchtlichen Heterogenität der Studien und der positiven und negativen Biasmöglichkeiten wurde auf eine Effektbestimmung mittels quantitativer Metaanalyse verzichtet und eine nicht-quantitative Synthese und Darstellung gewählt.

Schlussfolgerungen

Alle Studien weisen, mehr oder weniger, methodische Schwächen auf. Da auch einige besser durchgeführte Studien die Wirksamkeit der Misteltherapie deutlich nahelegen, sollten weitere klinische Studien durchgeführt werden; hierbei sollten aber unbedingt die Schwächen vergangener Mistelstudien vermieden werden.

[1] Kienle GS, et al.: Eur J Med Res 2003; 8: 109–119.

[2] Kienle GS, Kiene H: Die Mistel in der Onkologie – Fakten und konzeptionelle Grundlagen. Stuttgart, New York: Schattauer; 2003.