Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(10): 486
DOI: 10.1055/s-2008-1046739
Korrespondenz | Correspondence
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Überwachungsstrategien beim Barrett-Ösophagus - Erwiderung

Pro Barrett-Überwachung - Contra endoskopische ResektionT. Rabenstein
Further Information

Publication History

Publication Date:
27 February 2008 (online)

Erwiderung

Mit der Zustimmung der Leserbrief-Autoren zu einer Überwachungsstrategie bei nachgewiesenem Barrett-Ösophagus scheint die Übereinstimmung schon ein Ende gefunden zu haben. Denn bei jeglicher nachgewiesenen Neoplasie (low-grade intraepithelialer Neoplasie [LGIN] bzw. high-grade intraepitheliale Neoplasie [HGIN], hochdifferenziertem mukosalem Barrett-Adeno-Frühkarzinom oder fortgeschrittenere Karzinome) fordern sie ein radikales chirurgisches Vorgehen.

Die kritisierte therapeutische endoskopische Resektion in Saug- und Schneidetechnik hat in den letzten 20 Jahren die Therapie des Magenfrühkarzinoms revolutioniert [4] und zu den hinlänglich bekannten Wiesbadener Ergebnissen beim Barrett-Frühkarzinom geführt [1] [2]. Die sachgerecht durchgeführte lokale Therapie mukosaler gastrointestinaler Frühkarziome oder deren unmittelbaren Vorstufen (LGIN und HGIN) wird dem lokal begrenzten Problem absolut gerecht. Schon jetzt und erst recht in absehbarer Zukunft hat die endoskopische Mukosaresektion (EMR) einen Stellenwert, der Chirurgen zwingt, über eine etablierte alternative Therapie zur Ösophagusresektion mit gleichwertigem Outcome bei geringerer Morbidität und fehlender Mortalität aufzuklären. Wer sich anders verhält, wird über kurz oder lang in Erklärungsnöte kommen.

Die im Leserbrief als „onkologische Unzulänglichkeiten” bezeichneten Aspekte sind vordergründige Argumente zum Zementieren alter Dogmen. J. W. Siewert, früherer Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik in München und sicherlich einer der erfahrensten und renommiertesten Ösophaguschirurgen weltweit, belehrte beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) im September 2007 den chirurgischen Nachwuchs über den Unterschied zwischen einer endoskopischen R1-Situation und einer chirurgischen R1-Situation: „Ich habe gelernt, dass R1 nicht immer dasselbe ist wie R1”.

Eine chirurgische R1-Situation nach einem ausgedehnten operativen Eingriff mit kurativen Anspruch stellt ein katastrophales Therapieergebnis mit fatalen Folgen dar. Der Patient, der für eine potentielle Heilungschance das hohe perioperatives Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko ein 2-Höhlen-Eingriffs eingegangen ist, stirbt bei einer chirurgischen R1-Situation üblicherweise in kurzer Zeit nach der Operation an seiner Tumorerkrankung. Die chirurgische R1-Situation unterscheidet sich also fundamental von einer endoskopischen Resektion mit einer R1-Situation an den seitlichen Abtragungsrändern oder Situationen, in denen der Pathologe durch die laterale Diathermiezone den R0-Status nicht diagnostizieren kann. Denn hier ist eine Fortführung der endoskopischen Therapie ohne Beeinträchtigung des Überlebens ebenso möglich wie eine chirurgische Nachresektion, wenn das lokale Tumorstadium dies indiziert.

Mit der sogenannten „Piece-Meal-Technik”, wie sie bei einem Teil der Patienten unserer Studien zum Einsatz kam, kann eine residuelle Neoplasie an der lateralen Abtragungsgrenze problemlos erneut endoskopisch reseziert werden [1] [2] [4]. Die inzwischen von mehreren Gruppen präsentierten Langzeitergebnisse von Studien über Magenfrühkarzinom, Ösophagus-Plattenepithel-Frühkarzinom und Ösophagus-Barrett-Adeno-Frühkarzinom bestätigen die Sicherheit und die onkologische Radikalität der Endoskopischen Resektion (ER). Die laterale R1-Situation bei mukosalem Frühkarzinom scheint ausschließlich für lokale Rezidive verantwortlich zu sein, und diese konnten bislang in allen publizierten Studien erneut erfolgreich lokal behandelt werden. Eine Beeinflussung anderer Endpunkte wie Gesamt-überleben, Lymphknoten- oder Organmetastasen und tumorassoziierter Tod wurde bislang nicht beobachtet [1] [2] [4]. Die von v. Rahden und Stein ins Spiel gebrachte Lymphknotenbeteiligung ist im mukosalen Tumorstadium des differenzierten Barrett-Adeno-Frühkarzinoms quasi ohne Belang und bei LGIN und HGIN nicht existent. Die Wiesbadener Daten mit 5- und 10-Jahres Follow up [1] [2] [5] belegen dies ebenso wie endoskopische und chirurgisch-pathologische Daten aus Japan [3] [4]. Eine klinisch relevante Lymphknotenbeteiligung ist nur bei einer Submukosa-Infiltration durch das Karzinom zu erwarten. Zum Problemfeld der Multifokalität bzw. des großflächigen mukosalen Frühkarzinoms möchten wir nur erwidern, dass ein Teil der in Wiesbaden erfolgreich endoskopisch behandelten Patienten verbliebene und neu aufgetretene Neoplasien nach insuffizienter, weil inkompletter chirurgischer Therapie aufwiesen (siehe Bilder in [1]).

Im Gegensatz zur fatalen chirurgischen R1-Situation ist nach endoskopischer R1-Situation und Fortsetzung der endoskopischen Therapie Tumorfreiheit und Langzeitüberleben die Regel. Entscheidend für die Prognose ist nämlich nicht die laterale, sondern die basale R0-Situation. Solange diese gegeben ist, steht dem Erfolg der endoskopischen Therapie kaum etwas im Wege. Wenn aber nach ER und pathologischer Begutachtung eine basale R1-Situation vorliegt - was regelhaft durch eine tiefe Submukosa-Infiltration bedingt ist -, besteht wegen des nunmehr relevanten Lymphknoten-Risikos die klare Indikation zur potentiell kurativen operativen Therapie. In diesen Fällen hilft die „diagnostische” ER also, die Indikation zum wesentlich invasiveren, aber nun unvermeidbaren operativen Eingriff mit erheblicher Morbidität und Mortalität zu belegen [1] [4] [5].

Zum Thema Reflux nach endoskopischer Therapie argumentieren v. Rahden und Stein für die Merendino-Operation als chirurgische Lösung des Problems. Diese wird jedoch nur für Karzinome im Short-Segment Barrett-Ösophagus eingesetzt und deckt andere Aspekte, z. B. Multifokalität, nicht ab. Was das Lymphknotenrisiko und die onkologische Radikalität angeht, wird die Merendino-Operation in der chirurgischen Fachwelt sehr kritisch diskutiert. Also bliebe wiederum nur der alte Goldstandard, die radikale Ösophagusresektion, dessen funktionelle Ergebnisse ja eben nicht zufriedenstellen.

Literatur

  • 1 Ell C, May A, Gossner L. et al . Kurative endoskopische Therapie früher Adenokarzinome der Speiseröhre.  Dtsch Arztebl. 2003;  100 A 1438-1448
  • 2 Ell C, May A, Pech O. et al . Curative endoscopic resection of early esophageal adenocarcinomas (Barrett’s cancer).  Gastrointest Endosc. 2007;  65 3-10
  • 3 Gotoda T, Yanagisawa A. et al . Incidence of lymph node metastasis from early gastric cancer.  Gastric Cancer. 2000;  3 219-225
  • 4 Gotoda T. Endoscopic resection of early gastric cancer.  Curr Opin Gastroenterol. 2006;  22 561-569
  • 5 Pech  O, Behrens A, May A , Gossner L. et al. . Long-term tesults and tisr factor analysis for recurrence after curative endoscopic therapy in 349 patients with high-grade intraepithelial neoplasia and mucosal adenocarcinoma in Barrett’s oesophagus.  Gut. 2008;  ,  in press

PD Dr. T. Rabenstein

Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus Speyer

Hilgardstr. 26

67346 Speyer

Email: thomas.rabenstein@diakonissen-speyer.de

    >