Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(6): 262-263
DOI: 10.1055/s-2008-1046705
Korrespondenz | Correspondence
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Glitazone - Erwiderung

U. C Hoppe, E. Erdmann
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Publication Date:
30 January 2008 (online)

Wir danken den Kollegen für ihre Kommentare zu unserer Übersicht [9] und dem Positionspapier [4]. Es ist korrekt, dass der primäre Endpunkt der PROactive Studie ein kombinierter Endpunkt aus krankheits- und prozedurabhängigen Ereignissen (Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall - Revaskularisation, Operation) war [3]. In diesen kombinierten Endpunkt gingen zwar keine Surrogatparameter ein, aber neben sehr harten Ereignissen wie Tod, Myokardinfarkt und Apoplex auch Prozeduren (chirurgische oder interventionelle Revaskularisation), die von der ärztlichen Einschätzung abhängig sind. Tatsächlich wurde aufgrund dieser Kombination der primäre Endpunkt, wie in unserer Übersicht [9] und dem Positionspapier [4] klar erwähnt, nicht signifikant reduziert.

Ein sekundärer Endpunkt hat immer ein geringeres Gewicht als der primäre Ausgang einer Studie. Bemerkenswert ist aber, dass in der PROactive-Studie erstmals durch ein Blutzucker-senkendes Medikament ein harter Endpunkt aus Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall bei Diabetikern mit kardiovaskulären Komplikationen signifikant reduziert wurde. Wie korrekt von Herrn Kollegen Traut aus der Originalarbeit zitiert, führte Pioglitazon zu einer absoluten Risikoreduktion von 2 % entsprechend einer Number Needed to Treat (NNT) von 50 (relative Risikoreduktion 14,8%). Die geplante Analyse dieses sekundären Endpunktes wurde bei der FDA mit Eingangsbestätigung dort am 17. Mai 2005 hinterlegt, während der Code der Studiendaten erst am 25. Mai 2005 eröffnet wurde. Somit war dieser sekundäre Endpunkt klar vor Entblindung der Studie definiert [2].

Wir teilen die grundsätzlichen Bedenken, einen sekundären Endpunkt über einen Hypothesengeneration hinaus zu belasten. Da der sekundäre Endpunkt in der PROactive-Studie aber vollständig im kombinierten primären Endpunkt enthalten war und lediglich die - von Herrn Kollegen Gundel kritisierten - weichen Endpunkte ausschloss, die wirklich harten Endpunkte aber gerade beinhaltete, halten wir es für gerechtfertigt, diesen vordefinierten sekundären Endpunkt statistisch auszuwerten.

Bei der Number Needed to Harm (NNH) wird meist die Zahl der Patienten mit Herzinsuffizienz den verhinderten Myokardinfarkten, Schlaganfällen und Toten komparativ gegenübergestellt. Es sollte jedoch beachtet werden, dass die Patienten, die unter Pioglitazon eine Herzinsuffizienz entwickelten, gerade kein erhöhtes Letalitäts- bzw. Myokardinfarktrisiko hatten [5]. Wie Herr Kollege Strohmeyer richtigerweise angibt, wurde in der PROactive-Studie Pioglitazon gegen Plazebo randomisiert verglichen, was zu einem im Mittel um 0,5 % niedrigeren HbA1c-Wert in der Pioglitazon- im Vergleich zur Plazebogruppe führte. Wir stimmen zu, dass ein Teil des günstigen Effektes von Pioglitazon auf dieser HbA1c-Senkung beruht haben könnte/wird. Gerade dies ist unseres Erachtens so interessant, da bisher für ein vergleichbares diabetisches Risikokollektiv durch keine andere HbA1c-senkende Therapie eine Reduktion harter Endpunkte (Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall) belegt wurde. Der positive Effekt von Pioglitazon mag zudem, wie von Herrn Gundel bemerkt, teilweise an der moderaten blutdrucksenkenden Wirkung liegen, was (wie die HDL-Erhöhung und die Senkung des HbA1c) eben eine günstige kardiovaskuläre Eigenschaft der Substanz ist.

Wir stimmen Herrn Kollegen Gundel zu, dass eine Therapie mit Statinen und Thrombozytenaggregationshemmern bei einer diabetischen Risikopopulation zur Basistherapie zählen sollte und hier in der alltäglichen Praxis immer noch viel zu tun ist. In der PROactive-Studie lag der Anteil der Patienten mit Statinen (55 %) und Thrombozytenaggregationshemmern (88 %) höher als im intensiven Therapiearm der von Herrn Kollegen Gundel erwähnten STENO 2-Studie (Statine 57 %, ASS 58 %) [6]. Somit handelt es sich um einen zu den Ergebnissen der STENO 2-Studie additiven Effekt. Wir stimmen mit Herrn Kollegen Gundel völlig überein, dass ein multifaktorieller Therapieansatz bei Diabetikern anzustreben ist. Eine Senkung der kardiovaskulären Mortalität bei Diabetikern mit kardiovaskulären Komplikationen wurde bisher in randomisierten Studien jedoch nur für eine Behandlung der arteriellen Hypertonie und Statine belegt, vor der PROactive-Studie hingegen für kein Blutzucker-senkendes Medikament wie Insulin oder Metformin.

Herr Kollege Strohmeyer verweist hinsichtlich der Therapiesicherheit von Rosiglitazon auf die derzeit laufende RECORD-Studie [7]. Wie in unserer Übersicht beschrieben, wurde eine vorgezogene Analyse der RECORD-Studie im Juni 2007 veröffentlicht. Nach dem kurzen Beobachtungszeitraum von 3,75 Jahren (6 Jahre geplant) fand sich kein signifikanter Unterschied kardiovaskulärer Ereignisse zwischen der Rosiglitazon- und Kontrollgruppe. Eine sichere Aussage war aber auch nach Angabe der Autoren noch nicht möglich und ist erst nach Abschluss der Studie zu erwarten. Zudem erscheint die von Herrn Strohmeyer als „derzeitiger Therapiestandard” angegebene Behandlung des Kontrollarms mit einer Kombination aus Metformin und einem Sulfonylharnstoff problematisch, da Ergebnisse der UKPDS-Studie eine Übersterblichkeit (etwa 60 %) bei der Kombination von Metformin mit Sulfonylharnstoffen belegte [1]. Somit könnte die Wahl der Kontrollgruppe in der RECORD-Studie zu einer Unterschätzung des tatsächlichen kardiovaskulären Risikos (z. B. vs. Plazebo) von Rosiglitazon führen.

Bei den von Herrn Strohmeyer zitierten Daten, die mit in die Entscheidungsfindung der FDA eingegangen sind, handelt es sich um die WellPoint Observational Study, d. h. eine Beobachtungs- und keine randomisierte Studie [8]. In dieser Observationsstudie fand sich zwar keine signifikant höhere Rate an Myokardinfarkten, aber an Myokardischämien unter Rosiglitazon im Vergleich zu Pioglitazon. Ohnehin wird in der zitierten Publikation von der FDA selbst die Unbestimmtheit einer Beobachtungsstudie durch „zahlreiche unvermeidliche Störfaktoren” hervorgehoben und deren Aussagekraft als eingeschränkt beurteilt.

Abschließend dürfen wir bzgl. der von Herrn Strohmeyer geäußerten Kritik eines potenziellen Interessenkonflikts der Autoren darauf hinweisen, dass alle Verbindungen zur Industrie und zur PROactive-Studie korrekt am Ende unserer Beiträge offen gelegt wurden.

Literatur

  • 1 Effect of intensive blood-glucose control with metformin on complications in overweight patients with type 2 diabetes (UKPDS 34) UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group.  Lancet. 1998;  352 854-65
  • 2 PROactive study.  Lancet. 2006;  367 982
  • 3 Dormandy J A, Charbonnel B, Eckland D J. et al . Secondary prevention of macrovascular events in patients with type 2 diabetes in the PROactive Study (PROspective pioglitAzone Clinical Trial In macroVascular Events): a randomised controlled trial.  Lancet. 2005;  366 1279-1289
  • 4 Eckert S, Erdmann E, Lundershausen R. et al . Positionsbestimmung zum Stellenwert von Pioglitazon in der Diabetestherapie.  Dtsch Med Wochenschr. 2007;  132 2650-2653
  • 5 Erdmann E, Charbonnel B, Wilcox R G. et al . Pioglitazone use and heart failure in patients with type 2 diabetes and preexisting cardiovascular disease: data from the PROactive study (PROactive 08).  Diabetes Care. 2007;  30 2773-2778
  • 6 Gaede P, Vedel P, Larsen N. et al . Multifactorial intervention and cardiovascular disease in patients with type 2 diabetes.  N Engl J Med. 2003;  348 383-393
  • 7 Home P D, Pocock S J, Beck-Nielsen H. et al . Rosiglitazone Evaluated for Cardiovascular Outcomes - An Interim Analysis.  N Engl J Med. 2007;  357 28-38
  • 8 Rosen C J. The rosiglitazone story - lessons from an FDA Advisory Committee meeting.  N Engl J Med. 2007;  357 844-846
  • 9 Rottlaender D, Michels G, Erdmann E. et al . Therapie mit Glitazonen - ein kardiovaskuläres Risiko?.  Dtsch Med Wochenschr. 2007;  132 2629-2632

Prof. Dr. Uta C. Hoppe
Prof. Dr. Erland Erdmann

Klinik III für Innere Medizin, Universität zu Köln

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