Klin Monbl Augenheilkd 1996; 208(1): 37-47
DOI: 10.1055/s-2008-1035166
© 1996 F. Enke Verlag Stuttgart

Jaensch-Brown-Syndrom - Ursache und operatives Vorgehen*

Jaensch-Brown Syndrome: Pathogenesis and Surgical TreatmentHermann Mühlendyck
  • Universitäts-Augenklinik Göttingen, Abt. Strabologie und Neuroophthalmologie (Dir.: Prof. Dr. H. Mühlendyck)
* Herrn Prof. Dr. med. G. Kommerell zum 60. Geburtstag gewidmet.
Further Information

Publication History

Manuskript erstmalig eingereicht am 01.09.1995

in der vorliegenden Form angenommen am 08.10.1995

Publication Date:
08 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Das klassische Krankheitsbild einer Obliquus-inferior-Pseudoparese ist durch eine mechanisch bedingte Dehnungsbehinderung des M. obliquus superior bedingt. Das Krankheitsbild kann angeboren oder erworben auftreten und konstant oder intermittierend sein. Eine spontane Rückbildung ist möglich. Als Ursachen kommen zwei Arten von Veränderungen in Frage: 1. eine feste Verbindung zwischen Ansatzbereich der Sehne des M. obliquus superior und Trochlea, durch die das Ausmaß begrenzt wird, um das bei Dehnung des Muskels die Sehne nach vorne gleiten kann. 2. eine im Trochleabereich oder hinter der Trochlea gelegene Veränderung (Verdickung der Sehne), die ein Durchgleiten durch die Trochlea behindert.

Fragestellung und Ergebnisse Wir haben die Befunde von 41 Patienten mit Obliquus-inferior-Pseudoparese (31 angeboren, 10 erworben), die wir in den letzten 15 Jahren operiert haben, ausgewertet. Eine Veränderung der Sehnenscheide haben wir nie angetroffen. Bei allen angeborenen Obliquus-inferior-Pseudoparesen wurde jedoch eine zur Trochlea ziehende derbe strangartige Alteration im hinteren Bereich der Sehne des M. obliquus superior vorgefunden. Sowohl nach Separation und Resektion des Stranges in seiner gesamten Länge wie auch nur des bulbusnahen Stückes konnte bei den meisten Patienten eine vollständige Rückbildung der Motilitätsstörung erzielt werden. Bei einigen Patienten war ein zweiter Eingriff erforderlich. Das vor dem Eingriff vorgefundene divergente V-Symptom bildete sich ebenfalls postoperativ spontan weitgehend bis vollkommen zurück. Eine konsekutive M.-obliquus-superior-Parese haben wir nur einmal beobachtet.

Schlußfolgerung Die angeborene Obliquus-inferior-Pseudoparese beruht in vielen Fällen auf einem im hinteren Anteil der M.-obliquus-superior-Sehne gelegenen Strang zwischen der Trochlea und der Sklera. Eine Verdickung der Sehne im Bereich der Trochlea mag in manchen Fällen ebenfalls eine Rolle spielen, vor allem in Fällen mit spontaner Besserung. Unser chirurgischer Zugang erlaubte es jedoch nicht, diesen Mechanismus zu verifizieren.

Benennung des SyndromsJaensch hat die Obliquus-inferior-Pseudoparese mit Behinderung der aktiven und passiven Hebung in Adduktion 1928 als erster beschrieben und als Ursache schon eine „Strangfixation” zwischen Trochlea und Sklera angenommen. Es handelte sich hierbei um einen traumatisch erworbenen Fall. Brown hat 1950 nur eine gleichartige angeborene Form hinzugefügt. Um die Erstbeschreibung zu würdigen, sollte diese Motilitätsstörung künftig als „Jaensch-Brown-Syndrom” und nicht mehr als „Brown-Syndrom” bezeichnet werden. Der von Brown vorgeschlagene Begriff „Sehnen-Scheiden-Syndrom” erscheint obsolet, da sich eine Veränderung der Sehnenscheide nicht nachweisen läßt.

Summary

Background The classical clinical picture of inferior oblique pseudopalsy can be caused by (1) a tight connection between the superior oblique insertion and the trochlea and (2) a thickening of the tendon restricting the passage of the tendon through the trochlea. The entity may be congenital or acquired and constant or intermittend. A spontaneous cure is possible.

Question and results We looked for the cause of the inferior oblique pseudopalsy in 41 patients operated on during the last 15 years. 31 patients had a congenital and 10 an acquired inferior oblique pseudopalsy. None of these cases had an alteration of the sheath of the superior oblique tendon. Instead, we found a tight band at the posterior border of the tendon between the trochlea and the sclera in all patients with a congenital inferior oblique pseudopalsy. Resection of this band, either in toto or solely of the portion near the sclera resulted in a normalisation of the active and passive elevation in adduction. In some patients a second operation was necessary. The 'V-pattern' existing preoperatively regressed in part or completely during the 1.5 postoperatives years. A consecutive superior oblique palsy was seen in one case only.

Conclusion A tight band at the posterior border of the tendon between the trochlea and the sclera explains the congenital variety of the inferior oblique pseudopalsy in many cases. A thickening of the tendon restricting the passage of the tendon through the trochlea may play a role in some cases, particularly in those with a spontaneous cure, but the surgical approach used in this series of patients was not suited to verify this mechanism.

Name of the syndrome The pathognomonic signs of the inferior oblique pseudopalsy, restriction of active and passive elevation in adduction, were first described by Jaensch in 1928 in an acquired case, and Jaensch already suggested a tight band between the trochlea and the sclera as the mechanism. Brown, in 1950, only added the congenital variety. Since we owe the first description of the inferior oblique pseudopalsy to Jaensch, his name should be included in the designation of the syndrome, i.e., it should be called “Jaensch-Brown syndrome” rather than “Brown's syndrome”. The name suggested by Brown, “superior oblique tendon sheath syndrome”, is no longer appropriate since the tissue surrounding the superior oblique tendon is normal.