Klin Monbl Augenheilkd 1998; 213(9): 166-173
DOI: 10.1055/s-2008-1034968
© 1998 F. Enke Verlag Stuttgart

Screening-Untersuchung auf Amblyopie, Strabismus und Refraktionsanomalie bei 1030 Kindergartenkindern

Screening for amblyopia, strabismus and refractive anomalies in 1030 kindergarten children: results and suggestions concerning the practicability of screeningBarbara Käsmann-Kellner, Manuela Heine, Britta Pfau, Anja Singer, Klaus W. Ruprecht
  • Orthoptik und Kinderophthalmologie (Leiterin: Dr. B. Käsmann-Kellner), Augenklinik der Universität des Saarlandes (Direktor: Prof. Dr. K. W. Ruprecht)
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Publikationsverlauf

Manuskript erstmalig eingereicht am 26.02.1998

in der vorliegenden Form angenommen am 26.06.1998

Publikationsdatum:
25. März 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Seit langem wird die Notwendigkeit einer augenärztlichen Vorsorgeuntersuchung im Vorschulalter kontrovers diskutiert. Das Ziel unserer Erhebung war die Erfassung der Prävalenz pathologischer ophthalmologischer Befunde in einer Reihenuntersuchung von Kindergartenkindern. Desweiteren sollten durch die Studie der zeitliche Aufwand und die Kosten einer Siebtestuntersuchung abgeschätzt werden und die Frage zur Diskussion gestellt werden, ob die Ergebnisse der Reihenuntersuchung ein Screening durch Augenarzt und Orthoptistin rechtfertigen.

Probanden und Methode An 12 Kindergärten des Saar-Pfalz-Kreises wurde insgesamt 1030 Familien eine freiwillige Reihenuntersuchung ihrer Kinder auf Strabismus, Refraktionsanomalie und Amblyopie angeboten. Erhebungs- und Untersuchungsmethoden: Fragebogen an die Eltern zur Augen-, Familien- und Allgemeinanamnese, Visus Ferne (C-Test 17,2′), Abdecktest, Lang-Stereo-Test I, Skiaskopie und Ophthalmoskopie bei spielender Pupille, Brillenbeurteilung. Die Untersuchung erfolgte im Kindergarten ohne die Anwesenheit der Eltern.

Ergebnisse Die Siebtest-Untersuchung wurde von den Eltern gut akzeptiert (n=948; 92%). Bei der Reihenuntersuchung selbst fand sich eine gute Mitarbeit der Kinder. Insgesamt waren 38,7% (n=381) der Kinder in einem oder mehreren Untersuchungsparametern auffällig. Visus: 24,1% (n=229) der Kinder hatten (auch mit Brille) eine Visusreduktion. Bei 3,7% (n=35) fand sich ein Strabismus. Von den 381 auffälligen Kindern waren über die Hälfte anamnestisch voruntersucht, aber bei nur einem Viertel war eine Behandlung eingeleitet worden. Von den Brillenträgern kam ein Viertel ohne Brille zur Siebtestuntersuchung, bei einem weiteren Viertel stimmte die getragene Brille nicht. Nachteile dieses Untersuchungsverfahrens: hoher Zeitaufwand (32 Vormittage à 4-5 Stunden), hohe Kosten durch die augenärztliche Beteiligung und durch den großen Anteil falschpositiver Befunde und somit unnötiger Nachuntersuchungen.

Schlußfolgerungen Augenärztliches Screening bei Kindergartenkindern ist technisch einfach und auch außerhalb einer Augenarztpraxis praktisch gut durchzuführen. Überlegungen zur Kostendämpfung und zur Vermeidung unnötiger Überweisungen sind beispielsweise eine altersentsprechende Senkung des Visuslimits; zudem könnten auffällige Kinder ein weiteres Mal in einem Siebtestverfahren untersucht werden und erst bei erneut auffälligen Befunden zu einem Augenarzt geschickt werden. Ein Verzicht auf den Augenarzt bei der Siebtestuntersuchung würde ebenfalls erhebliche finanzielle Mittel einsparen. Die untersuchende Person könnte stattdessen eine ”Screening-Orthoptistin” mit ergänzenden Fertigkeiten in der Ophthalmoskopie und Skiaskopie sein.

Summary

Background There are controversies concerning the necessity of pre-school vision screening. Aim of the study: evaluation of the prevalence of pathologic ophthalmologic findings in kindergarten children.

Materials and Methods 1030 families were offered a vision screening. Of these, a total of 948 children, aged 3 to 6 years, voluntarily underwent a screening for strabismus, amblyopia and refractive anomalies. The examination was performed in the kindergarten in the absence of the parents.

Methods of examination A questionnaire concerning general and ophthalmologic history of the child and of the family was evaluated. Visual acuity, cover-uncover-test, Lang-stereotest, retinoscopy, ophthalmoscopy (undilated pupils) were performed and the glasses were evaluated.

Results The screening was highly accepted by the parents and 92% of the families (n=948) took part. The compliance of the children was very good. A total of 38.7% (n=381) of the children showed one or more abnormal parameters. 21.4% (n=229) showed a reduced visual acuity. Strabismus was found in 3.7%. Half of the children with abnormal findings already had had a vision screening, but only 25% had received ophthalmologic treatment. Of those who possessed glasses, 25% came without them, and another 25% had a reduced visual acuity even with their glasses. The main problems were many false-positive results and high costs.

Conclusions Ophthalmologic and orthoptic screening in kindergarten is technically easy and conclusive in experienced hands. Ideas to reduce costs and to avoid overreferrals are an age-related lowering of the visual acuity limit and a rescreening of suspected children in a screening-setting a second time before sending them to an ophthalmologist. Another possibility to reduce costs would be to perform examinations not by ophthalmologists but by “screening-orthoptists” who should be trained in retinoscopy and ophthalmoscopy.